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Break to Breathe

von

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Emotional Freedom Technique

Die Tsubasa führten sie immer tiefer in die verworrenen Eingeweide des Waldes und über Pfade, die von dicken knorrigen Wurzeln eingerahmt wurden. Massive Reben krümmten sich aus dem Boden und drückten sich um die voranschreitenden Shinobi herum wie die Gedärme eines Waldmonsters, das sie im Ganzen verschluckt hatte. 
 

„Mann, das ist, als würden wir uns einer der Kröten des kauzigen Bergeremiten bewegen!“, murrte Naruto und schob sich an mächtigen Baumwurzeln vorbei. 

 

„Was zur Hölle ist ein kauziger Bergeremit?“, fragte einer der Tsubasa Ninja und runzelte die Stirn. 

 

Neji schüttelte den Kopf, hielt den Blick aber nach vorn gerichtet, während er über einen der höher gelegenen Äste lief, um die Gruppe im Auge behalten zu können. Mit seinem Byakugan folgte er den Tsubasa Ninjas unter sich und beobachtete sie dabei, wie sie die Konoha Truppe ohne auch nur ein einziges Mal inne zu halten durch die komplizierten Routen navigierten. 

 

Keine leichte Aufgabe, es sei denn, man stammte aus diesem Land. 

 

Hanegakures Grenzregion war wie ein Labyrinth. 

 

Ohne das Byakugan oder einen Führer, wären wir niemals in der Lage gewesen, diese Wege ausfindig zu machen…

 

Es hätte sie Stunden gekostet und vermutlich hätten sie eher einen Kampf als einen Weg gefunden. Als hätte sie seine Gedanken gespürt, spähte Kitori über ihre Schulter zu ihm hinauf. Neji hielt inne, als die Kunoichi ihren Blick auf ihn richtete und ihm mit einem leichten Schwung ihrer Hand signalisierte, in welche Richtung er gehen müsse. 

 

Der Hyūga nickte, wandte sich um und sprang anmutig hinüber zu dem nächsten Baum, als sich ihr Kurs änderte. Von unten hörte er einen Schrei. 

 

„Vorsichtig, Naruto!“, tadelte Sakura. 

 

„Ich wollte das machen.“, grummelte der Uzumaki zurück. 

 

„Ja klar.“ In Kibas Stimme schwang ein Giggeln mit. „Oh hey, Shikamaru, bist du gerade dabei einen Plan oder sowas auszuarbeiten?“

 

„Gönn mir `ne Pause, Inuzuka.“

 

Nejis Blick fiel hinunter auf die Gruppe und wanderte über die invertierten Gestalten, bis er sich auf Shikamaru richtete. Der Nara lief neben Chōji, die Augen auf den Untergrund gerichtet, offensichtlich bemüht darum, den Fallstricken aus Wurzen und Ranken auszuweichen. 

 

Trotz der monochromen Sicht seines Dōjutsus konnte Neji deutlich die Müdigkeit sehen, die sich auf dem Gesicht des Schattenninjas abzeichnete – Shikamarus halbgeschlossene Lider wirkten angespannt, als würde er darum kämpfen, seine Augen nicht vollständig zu schließen. 

 

Er muss sich dringend ausruhen…

 

Da seine Aufmerksamkeit weiter auf Shikamaru gerichtet blieb, bemerkte Neji nicht, was Akamaru wahrgenommen hatte. 

 

Der Hund ließ von unten ein sanftes knurrendes Winseln hören. 

 

Und dann, wie das unheimliche Eintreten einer Sonnenfinsternis, veränderte sich das Licht…es verschwand.

 

Neji sah noch vor den anderen nach oben, seine Byakugan Augen durchdrangen die Dunkelheit, als sie begann, sich um sie herum zu verdichten. Der Wald an sich schien vor Aktivitäten jenseits der Baumkronen anzuschwellen, zu pulsieren und zu wuseln; höher nach oben. 

 

Viel höher…

 

Neji kam zum Stehen und hob Zeige- und Mittelfinger mit dem Schlangenzeichen, um seine Sicht weiter nach oben auszudehnen.

 

Da.

 

Der Hyūga hob die Brauen und seine mondgleichen Augen weiteten sich. 

 

Naruto hatte mit seiner Behauptung über das Dorf der Tsubasa nicht übertrieben.

 

Und Hanegakure befand sich nicht einfach nur in den Bäumen. 

 

Es war aus ihnen gemacht. 

 

Das Dorf befand sich hoch über ihnen und sein gesamtes Gerüst bestand aus massiven Zweigen und gigantischen Ästen. Die Heimstätten der Tsubasa waren in die kolossalen Stämme und Hölzer eingebettet, meist kuppelförmig und mit einigen größeren Gebäuden, die wie Nester geformt waren. Alles war mit einem Gehwegsystem miteinander verbunden, das auf den miteinander verwachsenen Ästen angelegt worden war; es diente als Brücken und verband das Dorf auf allen Ebenen. 

 

Beeindruckt studierte er den invertierten Grundriss.

 

Es war eine ganze Gemeinschaft, die auf den Fundamenten der Natur aufgebaut war und die Tsubasa hatten es geschafft, von ihrer Umwelt zu profitieren, ohne sie zu zerstören. 

 

Unglaublich…

 

Ein leichtes Kratzen erklang in seinem Ohr. 

 

Neji blinzelte und kehrte zurück von seiner vertieften Inspektion, während seine Finger zu seinem Funkgerät glitten, als er das schwache statische Knacken hörte. Er justierte die Lautstärke, die er nach der akustischen Explosion von Narutos und Kibas Stimmen auf stumm gestellt hatte.

 

„Ja?“

 

„Neji…“ Shikamarus müde Stimme erscholl durch die Leitung. „Kitori sagt, wir begeben uns jetzt nach oben – kannst du es sehen?“

 

„Ja.“

 

„Wie weit?“

 

„Schon ziemlich hoch.“

 

„…Ugh…wie lästig…“

 

„Du kannst immer noch Lee fragen, ob er dich trägt.“ Neji grinste und machte auf dem Absatz kehrt, um sich über den Ast und auf schnellstem Wege zu dem wartenden Team zu begeben. 

 

„Ich krieche lieber, danke…“, murrte Shikamaru. 

 

Neji hob eine Braue und Belustigung brachte seine Augen zum Schimmern, als er sich neben dem faulen Ninja auf Bodenlevel fallen ließ. Rasch glättete er seine Miene zurück zu der polierten Maske, als er sich aufrichtete und sein Dōjutsu deaktivierte, um Hinata übernehmen zu lassen. 

 

„Kriechen?“, echote er trocken und schaltete sein Mikrofon aus. 

 

Träge spähte Shikamaru zu ihm hinüber, sein Halbmast Blick vermittelte Langeweile, um die Müdigkeit zu verstecken, die sich eigentlich darin befand. Der Schattenninja öffnete die Lippen, um zu antworten, hielt jedoch inne und räusperte sich stattdessen. Neji verstand den Wink und drehte sich in dem Moment um, als Kitori sie erreichte. 

 

„Wir nehmen den Käfig nach oben.“, informierte Kitori sie und gab einem ihrer Ninjas ein Signal. „Lass sie runterkommen.“

 

„Ein Käfig?“ Neji versuchte angestrengt, die Missbilligung aus seiner Stimme zu verbannen, doch sie erreichte seine Augen; es war der geringste Hauch von Feuer in seinen Opalaugen. 

 

„Ja.“ Kitori drehte sich ein wenig und deutete zu einem großen Aufzug, der aus den Baumkronen auftauchte und einem riesigen Vogelkäfig sehr ähnlich sah. „Es geht damit deutlich schneller, als die Wege zu Fuß zu gehen.“

 

Neji musterte den ‚Aufzug‘ argwöhnisch.

 

Es machte durchaus Sinn. Doch Sinn hatte nichts mit dem Rütteln von Unbehagen in seinem Inneren zu tun, das diese irritierenden Dinge in ihm aufwirbelte, über die er eigentlich gar nicht nachdenken wollte, wenn er den Käfigähnlichen Lift beäugte. 

 

Lächerlich…

 

Natürlich half es ihm dabei auch wenig, Shikamarus beständigen Blick auf sich fixiert zu haben. Schon wieder verspürte er dieses verstörende Gefühl, bloßgelegt zu sein. Der Nara sah einfach viel zu viel. 

 

Er muss aufhören, das zu tun…

 

Kopfschüttelnd sah Neji zu, wie Kitori auf den Käfig zuschritt, ihn öffnete und den Teams bedeutete, einzusteigen – ein zweiter Aufzug senkte sich bereits zu ihnen herab.

 

Nejis Stirn legte sich in Falten. 

 

„Angst vor der Höhe, Hyūga?“, fragte Shikamaru gedehnt, doch seine Stimme war weich und seine Worte dazu gedacht, mit subtilem Humor die Spannung zu lösen, von der Neji gar nicht gemerkt hatte, dass er sie ausstrahlte.

 

Minutiös drehte Neji seinen Kopf und spähte aus den Augenwinkeln über die Schulter. „Willst du immer noch kriechen, Nara?“

 

Shikamaru schnaubte und stieß sich von dem Baum ab, an den er sich gelehnt hatte. „Zumindest hätte ich dann eine Ausrede, mich nicht mehr zu bewegen, wenn ich endlich oben angekommen bin.“

 

„Das stimmt.“

 

Der Hyūga schloss sich dem Rest des Konoha Teams an, als sie mit Kitori einen der Käfige betraten; ein vorfreudiges Summen umgab die Shinobi.

 

Neji teilte es nicht.

 

Seine Aufmerksamkeit teilte sich auf zwischen dem dumpfen Schmerz in seiner Brust und dem bevorstehenden Gespräch, das sie mit Ozuku Tsubasa führen mussten. Die Mission innerhalb der nächsten Tage abzuschließen war unabdingbar. Und das bedeutete, dass er und Shikamaru schnell eine neue Strategie ausarbeiten mussten, die auch die neu dazugewonnen Spieler berücksichtigte. 

 

Nejis Blick wanderte hinüber zu dem Nara. 

 

Shikamaru hatte sich gegen den Käfig gelehnt, den Rücken in die natürlichen Kurven der Stäbe gekrümmt, die Augen geschlossen und den Kopf nach hinten gelegt, seine Hände waren in den Taschen begraben. Chōji sagte etwas zu ihm, das Neji nicht verstehen konnte, doch der Nara antwortete nicht. Selbst als der Akimichi wieder ging, rührte sich Shikamaru nicht. 

 

Still beobachtete Neji ihn, während sich die restlichen Shinobi lebhaft miteinander unterhielten, Kitori nach den Spezies der Vögel fragten, die gerade um den Käfig flatterten und sich im anbrechenden Morgengrauen bewegten. Es brachte Neji in Erinnerung, wie wenig Schlaf das gesamte Team in letzter Zeit gehabt hatte.

 

Und dieser Gedanke wurde ihm umso deutlicher, als seine Augen über Shikamarus Gesicht wanderten und den Konturen des Schattenninjas folgten. Doch statt offen zu starren, glitt sein Blick tiefer über die scharfe Kieferlinie des Nara und bis zum Saum des schwarzen Shirts. Die Erinnerung an seine Finger um Shikamarus Kehle stanzte eine tiefe Falte zwischen Nejis Brauen. 

 

Was, wenn ich härter zugegriffen hätte…? Hätte er mich aufhalten können?

 

Nejis Gedanken schweiften immer weiter ab, während der Aufzug durch das Blätterdach immer höher stieg. Doch anders als der Nebel, der sich in seinem Geist verdichtete, wich langsam die Dunkelheit, die den Käfig umgab. Strahlen milchigen Lichtes stachen durch das Laub und einer davon fiel auf Shikamarus Gesicht. 

 

Die Augen des Schattenninjas flatterten langsam auf. 

 

Sofort wandte Neji den Blick ab. 

 

Stattdessen richtete er seinen Fokus auf die Außenposten, die im Gewirr der Baumkronen sichtbar wurden. Wachen der Tsubasa standen auf handgefertigten Plattformen und patrouillierten mit Vögeln auf den Schultern an den Grenzen.

 

„Das ist unglaublich.“, hauchte Sakura durch die Käfigstäbe und Ehrfurcht spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider. „Wie haben eure Leute es geschafft, so etwas Kompliziertes zu erschaffen?“

 

„Ihr wisst es nicht?“ Kitori blinzelte. „Das haben wir eurem ersten Hokage zu verdanken.“

 

„Huh?“ Naruto riss sich von seinem erstaunten Gaffen los. „Was meinst du?“

 

Kitori lächelte schwach und trat hinüber zu Sakura und Naruto. „Auf ähnliche Weise wie Konoha gegründet wurde, wurde Hanegakure durch den Shodai Hokage zum Leben erweckt.“

 

Achja?

 

Neji hob eine Braue und spähte zu Shikamaru hinüber. Doch der Nara zuckte nur mit den Achseln und machte dadurch deutlich, wie wenig ihn das interessierte. Angestrengt versuchte Neji, nicht zu lächeln und fokussierte sich wieder auf die Unterhaltung in dem aufsteigenden Käfig.

 

„Ein Jutsu des Holzversteckes?“, fragte Sakura.

 

„Ja.“ Mit einer ausholenden Geste deutete Kitori auf die Umgebung. „Wir sind ihm dafür sehr dankbar und ehren sein Andenken für die Erschaffung unseres Heimatlandes. Ohne das einzigartige Kekkei Genkai des ersten Hokage, wäre unser Clan nie in der Lage gewesen aufzublühen.“

 

Shikamaru schnaubte murmelte kaum hörbar: „Sie zeigen ihre Dankbarkeit also, indem sie während des Dritten Shinobi Krieges ihre Allianz mit Konoha hintergehen und zerbrechen. Wie nett.“

 

Neji trat hinüber zu Shikamaru und ließ die Bewegung subtil wirken, während er die Stimme senkte. „Was habe ich darüber gesagt, sich gegen diese Leute zu stellen?“

 

Gähnend machte Shikamaru eine abweisende Handbewegung. „Entspann dich, Hyūga. Ich sollte ihr vielleicht von deiner glänzenden Erfolgsbilanz erzählen, wenn es um nicht provozierte Misshandlung geht.“

 

„Dir ist schon klar, dass du diese Verletzungen nur deswegen durch mich erlitten hast, weil du mich provoziert hast!?“, murmelte Neji, doch seine ursprüngliche Gewohnheit, verärgert zu reagieren, wurde von dem Wunsch überlagert, mit dem Nara in ihr übliches Geplänkel einzusteigen. 

 

„Dann steht wohl dein Wort gegen meines.“ Shikamaru schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. „Bring lieber mal deine Fangirls aus dem Shogi Spielhaus dazu, dich zu unterstützen und deinen Standpunkt durchzusetzen.“

 

Nejis Wimpern flatterten, als er ein Augenrollen unterdrückte, doch in seiner Stimme schwang ein Schmunzeln mit. „Und das kommt von dem Mann, dessen blondes Teammitglied sich aufführt wie ein Cheerleader am Spielfeldrand. Und ich rede nicht von Naruto.“

 

„Ino.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Sie ist lästig.“

 

„Würdest du sie gegen einen anderen Spieler eintauschen?“

 

„Das habe ich nie gesagt.“

 

Neji brummte leise, als der Aufzug anhielt. „Zumindest beweist es ihr Vertrauen in dich. Und das wiederum sagt einiges aus.“

 

„Ich habe es dir bereits gesagt“, sagte Shikamaru und hob die Lider, während sich Kitori daran machte, den Käfig zu öffnen. „Manche Dinge erreicht man, ohne eine Strategie dafür zu benötigen.“

 

Neji schürzte die Lippen.

 

Vielleicht…

 

Doch er hatte keine Zeit, den Gedanken tiefer sinken lassen zu können, denn Kitori führte sie über einen hölzernen Gehweg und mit der Hand deutete sei nach vorn auf ihr Ziel. Neji ließ den Blick über die Struktur des Gebäudes gleiten und aktivierte sein Dōjutsu, um seine Sicht weiter auszudehnen und das vom Alter gezeichnete Schild lesen zu können, das daran hing.

 

DAS KRÄHENNEST

 
 

oOo
 

 
 

Vogelgesang schwebte sanft durch das offene Fenster des Gästezimmers herein; es war eine weiche harmlose Melodie aus leichtem Zwitschern und spielerischem Zirpen.

 

Friedvoll und angenehm.

 

„Ugh…mach, dass es aufhört…“, stöhnte Shikamaru und seine heisere Stimme durchbrach Nejis Fokus. 

 

Der Hyūga hob eine Braue, ohne seine Augen von der Karte abzuwenden, die er auf dem niedrigen Tisch ausgebreitet hatte. Auf Knien setzte er sich ein wenig anders hin und griff nach der Teetasse, die neben einem Stapel Schriftrollen vor sich hin dampfte. 

 

„Geh schlafen.“, erwiderte er wenig hilfreich und nippte an dem heißen Getränk. 

 

Gerade lag Shikamaru ausgestreckt auf einem der beiden Betten. In dem Moment, in dem sie ihre zugewiesenen Zimmer betreten hatten, war der Nara schnurstracks auf die nächste flache Oberfläche zugegangen, die nicht der Boden war. Ohne ein Wort hatte er sich darauf fallen gelassen und hatte sich gerade noch so die Mühe gemacht, wenigstens die Sandalen von den Füßen zu treten und sich die Flakjacke vom Leib zu reißen. 

 

Neji dagegen hatte geduscht, etwas gegessen, einen Gesprächstermin mit Ozuku vereinbart, sicher gestellt, dass sich der Rest des Teams ein wenig ausruhte und über alles in Kenntnis gesetzt wurde und er hatte die Gelegenheit wahrgenommen, sich ein wenig mit dem Aufbau des Dorfes vertraut zu machen. 

 

All das hatte er innerhalb einer Stunde erledigt.

 

Eine Stunde, in der sich Shikamaru nicht einen Millimeter bewegt hatte – es aber geschafft hatte, zu knurren, zu fluchen und den harmlosen Intervallen aus Vogelgezwitscher blutige Vergeltung anzudrohen. 

 

Wie aufs Stichwort erklang ein neuer Chor aus trällernden Vogelrufen. 

 

Neji lächelte schief. „Ignorier es einfach.“

 

„…Willst du mich verarschen?“

 

„Du kannst während eines Höllensturms schlafen, aber Vogelgesang stört dich?“

 

„Ich habe kein Ohr für Musik…“, murrte Shikamaru trocken und ein weiteres Knurren entwich seiner Kehle, als ein leises Zwitschern durch das Fenster klang. 

 

Seufzend stellte der Hyūga seine Tasse beiseite und spähte durch das Gästezimmer. 

 

Der Schattenninja lag auf dem Bett und ein langes Bein hing von der Kante der Matratze, während er das andere darauf aufgestellt hatte. Direkt hinter seinem Knie konnte man einen Ellbogen des Nara sehen und Neji ging davon aus, dass Shikamaru mit der Hand seine Stirn umklammerte. 

 

Nejis Miene ernüchterte. 

 

Er hätte inzwischen wirklich einschlafen sollen…Vogelgezwitscher oder nicht…

 

Langsam ausatmend kam Neji auf die Beine und schritt zum Fenster hinüber. Mit einer scharfen Bewegung zog er die Vorhänge vor die Öffnung und scheuchte damit die Vögel auf, während er gleichzeitig das grelle Licht im Raum verdunkelte. 

 

Er drehte sich auf dem Absatz um und sah zu Shikamaru hinüber. „Besser?“

 

„Eine Gehirnerschütterung würde vielleicht helfen.“, erwiderte der Nara gedehnt und verzog leicht die Lippen, wobei seine Augen von seiner Hand abgeschirmt wurden.

 

Neji hob eine Braue, als er die weiß hervortretenden Knöchel an Shikamarus Fingern bemerkte und wie sich der Daumen des Chūnin mit hartem Druck in die Schläfe presste. Die heftige Spannung in Shikamarus Hand zerstörte sofort den Eindruck, den der Rest seines vollkommen entspannt wirkenden Körpers vermittelte.

 

Hmm…

 

„Hast du Kopfschmerzen?“, fragte Neji leise und besorgte Falten gruben sich in seine Stirn. 

 

„Versuchst du, witzig zu sein, Hyūga?“

 

„Nein.“

 

Abweisend fuchtelte Shikamaru mit seiner freien Hand. 

 

Doch Neji kaufte ihm das nicht für eine Sekunde ab. 

 

Kopfschüttelnd umrundete der Hyūga das Bett und trat näher zu dem anderen Ninja. „Setz dich mal kurz hin.“

 

„Hmn?“ Shikamaru rührte sich nicht. 

 

„Setz dich hin.“

 

Shikamaru drehte sein Handgelenk weit genug, um unter seinen Fingern hervorspähen zu können; die dunklen Augen halb geschlossen und schläfrig. „Was?“

 

Neji senkte ein wenig die Stimme. „Setz dich hin.“

 

„Warum?“ Shikamarus Augen verengten sich. 

 

Warum…

 

Neji zögerte. 

 

Die sicherste und schnellste Erklärung wäre einfach die, dass Shikamaru einen unausgesprochenen Vorsprung hatte und Neji diesen verringern wollte. Nur der Gedanke an seine Atemstillstände sorgte dafür, dass sich Nejis Kiefer verkrampfte. Und auch, wenn Shikamaru nie ein Wort über diese Momente der Schwäche verloren hatte, machte es das nicht leichter, die Tatsache zu verdauen, dass der Schattenninja davon wusste und sie miterlebt hatte. Shikamaru jetzt bei seinen Kopfschmerzen zu helfen würde vermutlich auch dafür sorgen, den Punktestand zwischen ihnen ein bisschen auszugleichen. 

 

Zumindest war es das, was Neji sich einredete. 

 

Tz. Als würde es irgendeine Rolle spielen…er muss schlafen…wir müssen eine Strategie ausarbeiten…

 

Neji entschied sich für einen flachen Blick als Antwort. „Du hast ganz offensichtlich Kopfschmerzen und da dein Kopf in den nächsten Stunden gebraucht wird, wäre es sehr hilfreich, wenn er dir keine Probleme mehr bereitet – und jetzt setz dich hin.“

 

„Du bittest mich, dir meinen Kopf anzuvertrauen? Nach der Misshandlung, die du ihm verpasst hast?“

 

Für einen kurzen Moment zögerte Neji, da er sich nicht sicher war, ob Shikamaru nun sarkastisch war oder metaphorisch. Er vermutete allerdings Ersteres, gemessen an dem trägen Grinsen, das der Ninja ihm zuwarf und rollte als Antwort mit den Augen.

 

„Idiot. Jetzt setz dich schon hin.“

 

Shikamaru seufzte und senkte die Hand, um sich auf einen Ellbogen aufzurichten. „Es geht mir gut, okay? Ich bin einfach nur müde.“

 

Neji legte den Kopf schief. „Ja, das kann ich sehen.“

 

Sehr zur Überraschung des Hyūga wandte Shikamaru den Blick ab. 

 

Irgendetwas stimmte nicht. 

 

Und es verärgerte Neji, dass er es nicht benennen konnte. Er war gut darin, Menschen zu lesen, Shikamaru hatte jedoch eine Art hieroglyphischer Persönlichkeit angenommen, die er nicht dechiffrieren konnte oder hoffen durfte, sie mit seinen üblichen Überlegungen interpretieren zu können. Doch statt der Frustration zu gestatten, ihn zu irritieren, schob Neji Shikamarus aufgestelltes Bein vom Bett und zwang den Nara so, sich aufzusetzen. 

 

„Hey, pass auf…“, grummelte Shikamaru, doch es klang mehr müde als wütend. 

 

„Sei still.“, sagte Neji sanft und ging in die Hocke, während Shikamaru etwas nach vorn rutschte und seine Ellbogen auf den Knien aufstellte. 

 

Energisch ignorierte Neji jede Art von Unbehaglichkeit, die in diesen Moment zu sickern drohte und fokussierte sich auf seine Aufgabe.

 

Lindere seine Kopfschmerzen.

 

„Sieh nach oben.“, instruierte er leise. 

 

Shikamaru hob eher die Augen als sein Haupt und warf ihm einen verärgerten Blick zu. Neji erwiderte ihn, wenn auch mit etwas mehr Gelassenheit. Eine flüchtige stumme Willensschlacht wurde ausgetragen, bei der Neji als Erster auf die ziellose Sackgasse reagierte. 

 

„Shikamaru…“

 

Der Nara rollte mit den Augen und wollte sich schon wieder nach hinten fallen lassen, doch Neji fing ihn im Nacken auf. Seine andere Hand schnellte nach oben, um leicht den Kiefer des Chūnin zu packen und ihn so zum Schließen zu zwingen, bevor der Nara irgendetwas sagen konnte. 

 

„Sei leise und halt still.“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er schlug nach Nejis Hand. „Lass das.“

 

„Um Kamis Willen“, schnaubte Neji und bewegte seine Handflächen, um das Gesicht des Schattenninjas zu ummanteln; aus irgendeinem Grund sorgte das dafür, dass Shikamaru sehr ruhig wurde. „Beweg dich nicht. Das schließt auch deinen Mund ein.“

 

Shikamaru rollte unter dem schweren Verschluss seiner Wimpern mit den Augen, wollte aber noch immer nicht Nejis Blick begegnen. Und wäre das nicht schon seltsam genug, schien sich die Spannung, die sich eben noch auf Shikamarus Hand und Kopf beschränkt hatte, in eine heftige Verkrampfung seiner Schultern auszubreiten. 

 

Neji runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, niemals diese irritierenden Worte von dir nutzen zu müssen…aber ‚entspann dich‘…“

 

Shikamaru schnaubte leise und sein Halbmast Blick begann zu flattern, doch zu Nejis Überraschung, wartete der Schattenninja nicht mit einer altklugen Erwiderung auf; was nur ein weiteres großes Fragezeichen in Nejis Geist hervorrief. 

 

Na super…

 

Langsam atmete Neji ein und ließ seine Handflächen an beide Seiten von Shikamarus Kopf gleiten, seine Fingerspitzen drückten sich in die angespannte Kopfhaut, während sich seine Daumen sanft an die Schläfen des Chūnins legten. 

 

„Ist er scharf oder eher dumpf?“

 

„Mein Kopf?“ Shikamarus Lippen kräuselten sich, während er murmelte. „Offensichtlich scharf.“

 

„Der Schmerz, du Idiot.“

 

„Das war ein Scherz, Neji…“

 

Kopfschüttelnd zog der Hyūga knapp die Luft durch die Nase ein. „Ich habe deinen Sarkasmus sehr gut erkannt, aber im Moment wäre mir deine Kooperation lieber.“

 

„Gehirnerschütterung, erinnerst du dich? Mach nur.“

 

Neji musste die Lippen aufeinanderpressen, um sein Lächeln zu verbergen. „Vielleicht mache ich das.“

 

Er faltete ein Bein unter sich, um sich zwischen die Beine des Chūnins knien zu können und begann, langsam mit den Daumen über Shikamarus Schläfen zu streichen; leichte Bewegungen, die er in kleine Kreise verwandelte. 

 

„Sag mir, falls es weh tut.“

 

„Was auch immer.“ Shikamarus Lider schlossen sich und sein Atem entwich ihm langsam und mit einem sanften Zittern. 

 

Neji legte die Stirn in Falten, konzentrierte sich aber weiterhin auf die zaghafte Massage und legte leichten Druck in das Reiben an Shikamarus Schläfen. Die ganze Zeit über musterte er aufmerksam das Gesicht des Schattenninjas und suchte darin nach Anzeichen für Schmerzen. 

 

Ein weiteres spielerisches Vogelgezwitscher wurde von draußen herein getragen, doch diesmal reagierte Shikamaru nicht. 

 

Neji lächelte leicht und war sich seines eigenen Gesichtsausdruckes nicht bewusst, als er fortwährend den von Shikamaru beobachtete. Seine Berührung glitt hinauf zur Stirn des Nara und er nutzte die Ballen seiner Daumen, um mit leichtem Druck über das Stirnbein zu fahren und dem Schwung der oft in so sardonischer Weise gehobenen Brauen zu folgen, bevor er die orbitalen Bereiche umkreiste. 

 

Er war sich nicht sicher, wie lange er dort gekniet hatte und kleine Zirkel um die geschlossenen Augen des Nara gezogen hatte, bevor er die Daumen zurück zu den Schläfen des anderen Ninja gleiten ließ und seine Handballen über die Wangenknochen des Nara strichen. Was für eine Anspannung auch immer von Shikamarus Schultern Besitz ergriffen hatte, sie war nun fort und die verkrampften Knoten in seiner Stirn hatten sich unter dem Druck von Nejis Daumen gelöst. 

 

Shikamarus sanft einlullender Atem zog seinen eigenen in einen beständigeren und friedvollen Rhythmus; vollkommen ruhig – vollkommen synchron. 

 

Neji blinzelte langsam und realisierte, wie entspannt er selbst auf einmal war. 

 

Das hatte er nicht beabsichtigt. 

 

Shikamaru jedoch sah beinahe so aus, als wäre er eingeschlafen, wofür Neji ihn auch definitiv für fähig hielt, selbst in dieser aufrecht sitzenden Position. 

 

Wäre ja nicht das erste Mal…nach seiner eigenen Aussage…

 

Kopfschüttelnd lächelte der Hyūga. Doch dann glättete sich sein Lächeln und ließ ein Gefühl völliger Ruhe zurück – die Art Ruhe, die er schon sehr sehr lange nicht mehr verspürt hatte. 

 

Schon bald wanderten pastellfarbene Augen weniger konzentriert über Shikamarus Gesicht, suchten nicht länger nach Zeichen von Spannung…betrachteten nur.

 

Und dann veränderte sich etwas in seiner Berührung.

 

Der Druck seiner Daumen wurde weicher, sie schwangen mit federleichten Strichen über die Haut, nicht länger nach Druckpunkten suchend…nur nach Kontakt. 

 

Kami…was mache ich hier?

 

Neji schluckte schwer und seine Stirn legte sich in Falten. 

 

Beinahe wäre er aufgesprungen, als sich Shikamarus Hände zu seinen Armen hoben und ihnen weiter hinauf folgten, bis sich die langen Finger des Nara locker um seine Handgelenke legten. 

 

„Hör auf…“, wisperte Shikamaru.

 

Die Bewegung von Nejis Daumen stoppte und sie legten sich erneut an die Schläfen des Nara.

 

Langsam atmete Shikamaru aus. „Hör auf…“

 

„Das habe ich…“

 

Die Augen des Schatteninja öffneten sich ein wenig und Halbmonde aus tiefem Braun wurden gerade so unter dem dunklen Schwung seiner Wimpern sichtbar. Ihre Blicke trafen sich, doch Shikamaru hielt ihn nicht, obwohl er damit normalerweise keinerlei Probleme hatte. Sanft krümmte Neji die Finger und beobachtete, wie die Bewegung dafür sorgte, dass Shikamarus Lider zu flattern begannen. 

 

Doch der Nara sah nicht auf. 

 

Es war keine Unterwürfigkeit, das wusste Neji, doch etwas unleugbares wogte durch seine Venen; eine sanft schwelende Hitze. Energisch versuchte er, sie zurückzudrängen, scheiterte aber in seinem Vorhaben, als Shikamaru zitternd ausatmete. 

 

Die Wärme davon zog den Hyūga nach vorn. 

 

Er drehte seine Hände frei aus Shikamarus Griff und schloss seine eigenen Finger um die Handgelenke des Schattenninjas. Noch bevor Shikamaru reagieren konnte, erhob sich der Jōnin langsam und schob ein Knie auf das Bett und zwischen Shikamarus Beine, während er vorwärts drückte und den anderen Ninja so dazu zwang, sich nach hinten zu lehnen. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Neji…“

 

Neji beugte sich nach unten und seine Lippen strichen zaghaft über die, die sich um seinen Namen herum geöffnet hatten; das heisere Timbre von Shikamarus Stimme zerrte noch mehr von dieser Hitze in sein Blut. Deutlich spürte er, wie der Schattenninja vollkommen still wurde und nutzte die Gelegenheit, um sich weiter nach vorn zu bewegen und Shikamaru zurück in die Laken zu drücken. Er fixierte den Chūnin an den Handgelenken auf der Matratze und ergriff Besitz von den Lippen, die sich unter seinen eigenen bewegten. 

 

Ihre Zungen strichen in sanften Stößen aneinander. 

 

Das war alles, was nötig war. 

 

Noch in derselben Sekunde, in der Neji einen Geschmack von Shikamaru erhaschte, erwachte etwas in ihm.

 

Hunger.

 

Stark und augenblicklich. Es fraß sich seinen Weg hinauf aus den Tiefen seines Inneren; ein ausgehungertes, eingesperrtes Bedürfnis. Fanatisch mit dem Verlangen danach, zu verschlingen…beinahe animalisch…beinahe unmöglich zu kontrollieren. 

 

Kontrolle.

 

Neji verstärkte den Griff um Shikamarus Handgelenke. 

 

Er grub sein Knie in die Matratze, den anderen Fuß noch immer auf dem Boden aufgestellt – sein letzter Anker zur Vernunft. Doch er spürte, wie er zu ertrinken drohte, als er den Kopf leicht drehte, um den Kuss zu vertiefen und noch weiter in die feuchte Höhle von Shikamarus Mund einzutauchen, die diesen einzigartigen Geschmack in sich trug; rauchig und verboten, was seinen Hunger nur noch mehr befeuerte. 

 

Gierig trank er das nachhallende Stöhnen hinunter, das sich tief aus Shikamarus Kehle löste und erst, als er spürte, wie Shikamaru scharf seine Handgelenke drehte, um sie aus der eisernen Umklammerung zu befreien, merkte Neji, dass es sich um einen protestierenden Laut handelte. 

 

Der Nara riss mit einem atemlosen Keuchen seinen Kopf von dem elektrifizierenden Kuss zurück. 

 

Scheiße…Geh runter von mir, Neji…“

 

Knurrend hob Neji den Kopf und starrte mit wilden Opalaugen nach unten. „Du besitzt die Frechheit, zu mir zu kommen und wagst es dann auch noch, wütend zu werden, wenn ich zu dir komme?“

 

„Das ist es nicht…“, stieß Shikamaru zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und befreite mit einem Rucken eines seiner Handgelenke. „Geh runter.“

 

Sofort schnappte Neji erneut nach Shikamarus Arm und presste ihn nach unten. „Angst, dass ich dich zu weit dränge, Nara?“

 

Zorn peitschte wie ein Stromschlag durch ihn. Zorn darüber, dass schon wieder Shikamaru derjenige war, der über die Kontrolle verfügte, die er selbst so dringend brauchte. Zorn darüber, dass er diese Kontrolle überhaupt verloren hatte.

 

Verdammt sei er…und das, was er mit mir macht…

 

Neji ließ der Wut in sich freien Lauf und hoffte, sie würde die Lava aus tiefem Verlangen, die zwischen ihnen ausgebrochen war, zu Stein erstarren lassen. Doch in den dunklen Augen des Nara fand er eine andere Hitze, die sich ihm entgegenstellte – ein ähnlicher Zorn, aber von anderer Ursache. 

 

Shikamarus Körper spannte sich wie eine Feder an und jede Müdigkeit verflüchtigte sich in der aggressiven Hitze, die urplötzlich zwischen ihnen aufflammte.

 

„Geh runter von mir, jetzt!“

 

Neji starrte wütend zurück und Erregung verkrampfte sich zu einem ziehenden Knoten aus Frustration tief in seiner Lendengegend. 

 

Und dann realisierte er, was er gerade tat. 

 

Götter…was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

 

Sofort ließ Neji Shikamarus Handgelenke los, richtete sich auf seinem Knie auf und schloss die Augen mit einem bebenden Keuchen. Der Hunger wogte noch immer in ihm und brachte sein Blut in Wallung. Energisch versuchte er, ihn mit einem Anschein von Vernunft zu zügeln und würgte den Drang hinunter, diesen Hunger zu verfluchen, sich selbst und alles andere sonst. 

 

Er spürte Bewegungen, als sich Shikamarus Bein anspannte und sich der Schattenninja aufsetzte. 

 

„Das ist es nicht…“, wiederholte Shikamaru und seine Worte strichen sanft gegen Nejis Kiefer. „Ich habe keine Angst vor dir, Neji. Das solltest du inzwischen wissen.“

 

Die Erinnerung an seine Hand, die sich um Shikamarus Kehle legte blitzte vor seinem inneren Auge auf, als wäre sie auf ein Stichwort heraufbeschworen worden. 

 

Und du solltest es besser wissen, als mir zu vertrauen…

 

Neji schnaubte und errichtete eine Verteidigung aus Arroganz auf seinem Gesicht, bevor er die Lider hob. Doch dieser Blick zerfiel augenblicklich, als er den erschöpften und unsicheren Ausdruck auf Shikamarus Zügen bemerkte. 

 

Nicht zum ersten Mal spürte Neji, wie sein Zorn von einer Welle aus etwas fortgewaschen wurde, das er nicht benennen konnte. Sein Frust wurde rasch und wie von unsichtbaren Fingern auseinander gerissen und ließ ihn verzweifelt suchend zurück; nach einer Reaktion, einer Antwort – irgendetwas. 

 

Bevor er ihre Blicke verbinden konnte, sah Shikamaru zur Seite weg und verwirrte den Jōnin nur noch mehr. 

 

„Warum kannst du mich dann nicht ansehen, Shikamaru?“, forderte Neji ihn heraus, doch seine Stimme verließ seine Lippen deutlich sanfter, als er es beabsichtigt hatte. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Weil es dann anfangen wird…“

 

Neji legte sein Haupt etwas schräg. „Was wird anfangen?“

 

„Was ich nicht aufhalten kann…“

 

Nejis Lippen öffneten sich, doch kein Ton kam heraus. 

 

Shikamarus Worte machten ihn sprachlos. 

 

Aufmerksam starrte er auf die ihm abgewandten Augen und zum ersten Mal, seit dieses wahnsinnige Chaos begonnen hatte, wollte er, dass Shikamaru ihn ansah. 

 

Doch der Schattenninja tat es nicht; würde es nicht. 

 

Ein seltsames Gefühl zog sich durch Nejis Brust; es war kein wirklicher Schmerz, aber dennoch qualvoll. Eine andere Art Schmerz; eine, an die er genauso wenig denken wollte, wie an die noch schärferen und grausameren Stiche, die begonnen hatten, noch schlimmer zu werden. 

 

„Sieh mich an, Nara.“

 

Der Schattenninja antwortete nicht. 

 

Schweigend betrachtete Neji Shikamaru und neigte den Kopf, bevor er eine Hand hob und mit den Fingern über den Kiefer des Nara strich, um Shikamarus Gesicht in seine Richtung zu locken. 

 

„Sieh mich an…“

 

Shikamaru streckte den Nacken, um der Berührung zu entgehen, legte dabei aber unweigerlich seine Kehle frei. 

 

Und Neji reagierte, noch bevor sein Hirn die Bewegung verarbeiten konnte. Er beugte sich nach vorn und legte seine Lippen federleicht an den Pulspunkt direkt unter Shikamarus Kiefer, während er eine Hand hob, um sie an den Hinterkopf des Schatteninja zu legen und ihn so ruhig zu halten. 

 

Es lag keine Forderung in dem Kontakt; keine Aggression, keine Hitze und kein Stoß zu etwas, das mehr war, als es war – was vielleicht eine Entschuldigung sein sollte. 

 

Denn Neji würde sie niemals laut aussprechen. 

 

Für einige Herzschläge hielt er die zärtliche Verbindung aufrecht, spürte das sanfte Pochen von Shikamarus Puls unter seinen Lippen. Er hinterfragte erst, was zur Hölle er hier gerade machte, als er den Kuss an der anderen Seite von Shikamarus Hals wiederholte und mit den Lippen sanft über die sensible Haut strich.

 

Stop…

 

Langsam zog er sich zurück und ließ seine Hand an Shikamarus Nacken ruhen, als er seine Stirn mit einem Seufzen gegen die des Schattenninjas legte; seine Lider schlossen sich. Sie verharrten lange genug auf diese Weise, bis Neji schließlich bemerkte, dass sie erneut im Gleichklang atmeten. 

 

Warm konnte er Shikamarus Seufzen gegen seine Lippen spüren. „Wie lästig…“

 

Neji lächelte leicht; traurig. „Ich weiß.“

 
 

oOo
 

 
 

Als Shikamaru erwachte, war es nicht länger zu Vogelgezwitscher…sondern zu lautem Bellen…

 

Was…zur Hölle…?

 

Der Schattenninja öffnete mit einem finsteren Blick die Augen, seine Sicht vor Müdigkeit getrübt, als er seinen Geist aus dem dichten, erschöpften Nebel eines traumlosen Schlafes zurückholte. Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob sein Verstand ihn im Stich gelassen hatte und ihn müßig zwischen Schlaf und Bewusstsein schweben ließ. 

 

Ein weiteres lautes Kläffen explodierte hinter der Tür, gefolgt von Kibas Stimme. 

 

„Shikamaru!“

 

Geh weg…

 

Shikamaru blinzelte und spähte durch den dämmrig beleuchteten Raum. Die Vorhänge waren noch immer geschlossen und das Aroma von etwas, das wie Sandelholz roch, waberte in der kalten Luft. 

 

„He! Shikamaru!“

 

Die Miene des Nara verdüsterte sich noch mehr und seine schweren Augen glitten hinunter zu dem Spalt unterhalb der Tür, wo das einfallende Licht von Bewegungen auf der anderen Seite unterbrochen wurde. Er beobachtete die Veränderungen von Schatten und hörte das leichte Kratzen von Akamarus Pfoten, bevor der Hund scharf bellte. 

 

„Hey, Shikamaru!“, rief Kiba. „Steh schon auf!“

 

Auf keinen Fall. 

 

Shikamaru schnaubte, rollte sich auf die Seite und landete auf dem Boden – hart. 

 

Fuck…

 

Der ungraziöse Aufprall sorgte dafür, dass Akamaru aufhörte zu kläffen und stattdessen Shikamaru knurrte, als er mit dem Ellbogen die Laken von seinem Gesicht schob. Er starrte das Bett finster an, als hätte es sich irgendwie bewegt und ihn aktiv von sich gekippt. 

 

„Hey!“, schrie Kiba durch die Tür. „Ist bei dir alles okay?“

 

Mit einem Seufzen fuhr sich Shikamaru mit der Hand über das Gesicht und ließ sich auf den Rücken fallen, während er an die Zimmerdecke stierte. Zum ersten Mal bemerkte er, dass es sich dabei um ein engmaschiges Netz aus verknoteten Ranken handelte, das mit irgendeinem Öl bestrichen war, um Fäulnis zu verhindern.

 

Gästezimmer…Hanegakure…Strategie…Neji…

 

Shikamaru drehte den Kopf und runzelte die Stirn, bevor er durch das Zimmer zu dem benachbarten Bett spähte. Auch wenn er wusste, was er vorfinden würde, stemmte er sich auf die Ellbogen hoch und hob den Kopf, um die leere Matratze sehen zu können. Die Laken waren unberührt.

 

Dachte ich mir, dass er schon weg ist…Warum hat er mich nicht geweckt?

 

„Shikamaru!“, rief Kiba noch einmal und klang dabei leicht besorgt. 

 

Der Nara seufzte und seine Schultern sackten nach unten, als er zurück auf das Bett krabbelte, sich auf die andere Seite rollte und wieder auf die Füße kam. Mit ein paar schläfrigen Schritten überbrückte er die kurze Distanz zu der Tür. Er drehte den Knauf und öffnete sie einen Spalt breit, während er gleichzeitig einen Fuß davor schob, um Akamaru daran zu hindern, in das Zimmer zu schlüpfen.

 

Kiba warf ihm ein wildes Grinsen zu. „Na sieh mal einer an, du siehst aus wie Scheiße.“

 

„Danke.“ Shikamaru hob eine Braue und machte keine Anstalten, die Tür weiter zu öffnen. „Was gibt’s denn?“

 

Kiba legte den Kopf synchron mit seinem Köter schief. „Was meinst du mit ‚Was gibt’s denn‘? Zeit aufzustehen und zu gehen.“

 

„Wohin?“ Shikamaru blinzelte träge und überlegte sich, ob er die Tür einfach schließen und zurück ins Bett krabbeln sollte. Der Gedanke verging jedoch in dem Moment, als Naruto seinen Kopf grinsend über Kibas Schulter reckte. 

 

„Zum Aviarium, dem großen Vogelhaus!“, informierte der Uzumaki – laut. 

 

„Wir sind in einem gottverdammten Vogelhaus.“, knurrte Shikamaru und seine Aufmerksamkeit wurde von dem Gezwitscher angezogen, das er bisher erfolgreich ignoriert hatte.

 

„Warte, bis du es siehst.“, grinste Kiba. 

 

Interessiert mich einen Dreck…

 

Shikamaru gestatte dem Gedanken, sich deutlich auf seinem Gesicht abzuzeichnen. Doch ganz offensichtlich hatte es nicht den erwünschten Effekt auf Narutos Enthusiasmus oder Kibas Beharrlichkeit. Und so trat er mit einem langgezogenen Seufzen einen Schritt zurück; es war eine unausgesprochene Einladung, während er durch das Zimmer trottete, um seine Sandalen und Flakweste aufzusammeln. 

 

„Warum zur Hölle gehen wir zu diesem Aviarium?“

 

„Sakura ist dort.“, erklärte Naruto und marschierte in den Raum, die Hände an seinem Hinterkopf gefaltet. „Sie meinte es wäre eine Besichtigung wert, während Neji zusammen mit Kitori ein paar Führer für uns sucht.“

 

„Führer?“, fragte Shikamaru und spähte über die Schulter, als er sich seine Sandalen anzog. 

 

„Jo, die uns alles zeigen werden.“ Kiba nickte und lehnte sich mit einer Schulter gegen den Türrahmen. „So wie es aussieht, nimmt dieser Ozuku an irgendeiner Zeremonie in ihrem Tempel teil, also hat Neji einen Termin für morgen vereinbart, bei dem wir ihn treffen werden.“

 

Schon wieder einen Schritt voraus…

 

Shikamaru hob eine Braue. „Zeremonie?“

 

„Hat irgendwas mit Vögeln zu tun.“ Naruto zuckte mit den Achseln. „Ist doch ganz gut. Gibt uns etwas Zeit, uns zu entspannen, bevor es ernst wird.“

 

Shikamaru schlüpfte mit düsterer Miene in seine Flakweste. „Also hätte ich im Moment eigentlich immer noch schlafen können?“

 

„Huh?“ Naruto blinzelte und schielte auf das Bett. „Du hast für…sechs Stunden geschlafen, glaube ich.“

 

„Du sagst das, als wäre das alles, was ich brauche.“, murrte Shikamaru und folgte dem Uzumaki aus dem Gästezimmer, um hinter Kiba und Akamaru her zu trotten. 

 

Wehe, dieses Aviarium ist nicht gut…

 
 

oOo
 

 
 

Er war genauso bemerkenswert wie der Rest von Hanegakures Konstruktion. 

 

Neji starrte hinauf in die Herbstverfärbten Baumkronen und seine Augen wanderten über die hoch aufragende grüne Kuppel des Tempels, die beinahe die raschelnden Blätter berührte. Auf der Spitze der massiven Sphäre und geschnitzt aus einem riesigen Bernsteinblock, saß die beeindruckende Skulptur eines Vogels, der gerade dabei war, sich in die Lüfte zu erheben. Es war ein Testament für die Affinität, die die Tsubasa zu ihren geflügelten Begleitern zu haben schienen; besonders zum Herren der Himmel der Feuernation. 

 

Der Adler. 

 

„Kin-Washi.“, erklärte Kitori und folgte Nejis Blick hinauf zu der riesigen Statue. „Der Steinadler. Der Stolz unseres ganzen Clans.“

 

Neji summte leise und seine blassen Byakugan Augen zeichneten die komplizierten Schnitzereien der Flügel nach und musterten die beeindruckende Form des Schnabels und die Details der Federn. 

 

Ein Meisterwerk, ohne Zweifel. 

 

„Ihr habt sehr talentierte Leute in eurem Clan“, bemerkte Neji und ließ seinen Blick von dem Adler hinunter zur Basis der Tempelkuppel gleiten. 

 

Die Steintüren, die in das Heiligtum führten, waren geschlossen und zwei Shinobi waren davor stationiert; auf ihren Schultern saßen große Vögel. Aus dem Inneren konnte Neji nichts als Stille ausmachen und er deaktivierte sein Dōjutsu, denn er wollte nicht in die Zeremonie hinter den Türen eindringen. 

 

Kitori trat an seine Seite, ihr langes rotbraunes Haar war zu einem dicken Zopf gebunden und schwang in der Brise mit. „Genau wie ihr, Hyūga.“

 

„Was beinhaltet die Zeremonie?“ Nejji änderte absichtlich das Thema, denn er wollte nicht, dass sein Clan Gegenstand ihrer Unterhaltung wurde. 

 

„Hauptsächlich Gebete.“ Kitori zuckte mit den Achseln und ihre grauen Augen wanderten über die Kuppel. „Unsere Priesterinnen singen…manchmal kann man sie morgens hören. Meine Tochter hatte eine wunderschöne Stimme.“

 

Neji versteifte sich sichtbar, bevor er sie ansah. „Wenn ich es gewusst hätte…“

 

„Aber das hast du nicht.“ Kitori schüttelte den Kopf. „Du hast es nicht gewusst. Es ist nicht deine Schuld. Selbst ich weiß das…“

 

Neji konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob Kitori davon wusste, dass ihre Tochter schwanger gewesen war; der Gedanke verursachte einen Riss in seiner Maske und trieb eine Falte zwischen seine Brauen. Er wandte sich ihr voll zu. 

 

„Wir werden diese Rebellen aufhalten, Kitori. Ich kann dir deine Tochter nicht zurückbringen, aber ich werde tun, was auch immer nötig ist, um deinen Sohn aufzuhalten und seine Rebellion zu beenden.“

 

„Wir wissen das zu schätzen.“, erwiderte Kitori nickend, die Augen noch immer auf den Tempel gerichtet. „Ich werde für dich beten.“

 

Neji hob eine Braue. „Für mich beten?“

 

Kitori lächelte schwach und warf ihm einen Blick zu. „Warum, dachtest du, ich würde dich stattdessen verfluchen?“

 

Energisch schob Neji den unmittelbaren Gedanken an das Fluchsiegel beiseite, das in seine Stirn gebrannt war. 

 

Was bedeutet da schon ein weiterer Fluch?

 

Aufmerksam beobachtete er, wie sich Kitoris Finger um den geflügelten Anhänger legten, der an ihrem Hals hing; er war denen sehr ähnlich, die Neji an den meisten Tsubasa Shinobi gesehen hatte – das Emblem ihres Clans. 

 

„Wir sind, was wir sind. Das ändert sich nicht, Hyūga.“, sagte sie leise. „Der Pfad meiner Tochter war bereits zu ihren Füßen gelegt. Alles, was ich tun kann, ist, Kin-Washi meine Gebete tragen zu lassen und zu hoffen, dass sie im Tod ihre Freiheit findet.“

 

Diese Worte trafen Neji wie ein Grabgesang und zerrten an Saiten tief in seiner Brust. Er ignorierte die sofortige Wirkung und schüttelte heftig die Geister ab, die sie aufgewirbelt hatten. 

 

Nicht jetzt…

 

„Freiheit?“, presste Neji hervor. 

 

Kitoris Lippen kräuselten sich; es war ein bitteres Heben der Mundwinkel, das ihr Gesicht altern ließ. „Für was sonst sollten Vögel in einem Käfig beten?“

 

Nejis Augen verengten sich, während er ihr Profil musterte, verwirrt von der Inkongruenz dieser Frau. Sie sprach mit religiös anmutendem Vokabular von Gebeten und vorbestimmten Schicksalen, doch dann schien sie genau das mit dünn verschleierter Bitterkeit zu verspotten. Doch was ihn am meisten verstörte, war die Tatsache, dass er diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht wiedererkannte, ebenso wie die Galle in ihren Worten; als spiegelten sie etwas zurück zu ihm, nach dem er keinerlei Verlangen hegte, sich daran zu erinnern. 

 

Leise kichernd strich Kitori mit dem Daumen über den geflügelten Anhänger. „Ich schätze, ich bin eine sehr schlechte Gastgeberin. Komm, ich bring dich zurück.“

 

Sie beugte respektvoll den Kopf in Richtung des Tempels und machte dann scharf auf dem Absatz kehrt, um dem Weg zu folgen, den sie gekommen waren. Neji richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf die riesigen Tore, die in den Schrein führten und ignorierte die starrenden Blicke der Wachen, die direkt auf seinen Stirnschutz gerichtet waren. 

 

Der Hyūga ließ seine Augen noch einmal zu dem gigantischen Adler wandern, es war ein scheidender Blick, der plötzlich gefror. Er legte den Kopf schief und sein Fokus richtete sich auf die Obsidianplakette, die direkt unterhalb des Monuments angebracht war. 

 

Was ist das?

 

Neji legte den Kopf in den Nacken und die Adern an seinen Schläfen zuckten, bevor sein Byakugan zum Leben erwachte und er seine Sicht ausstreckte, um den Text lesen zu können, der in die Tafel geritzt war. 

 

Seine Augen weiteten sich.

 

Er kannte diese Worte.

 
 

oOo
 

 
 

„Woah!“, plärrte Naruto und hüpfte durch den Raum wie ein wahnsinniges Kind in einem Süßwarenladen. „Das ist unglaublich!“

 

„Das ist ein Vogel.“

 

„Er ist verfickt nochmal großartig!“

 

„Es ist ein großer, pinker Vogel.“

 

„Mensch, Shikamaru, du könntest zumindest ein bisschen mehr Interesse zeigen.“, sagte Sakura schnippisch von der anderen Seite des Veterinärraumes. 
 

Shikamaru bedachte die Kunoichi mit einem äußerst gelangweilten Blick. „Es ist ein massiver, magentafarbener Raptor?“

 

Sakura rollte mit den Augen und strich mit den Knöcheln über die Federn des exotisch aussehenden Vogels, um das Gefieder glatt zu streichen, das sich vor Verärgerung aufzuplustern schien, wann immer Shikamaru die Kreatur ansah. 

 

Jo, das ist korrekt…ich mag dich auch nicht…

 

Die Erinnerung daran, wie er Vogelfetzen von seiner Kleidung hatte kratzen müssen, wurde von dem farbenfrohen Gefieder nicht gerade abgemildert. Keine noch so große Menge extravaganter Federn würde in der Lage sein, dieseErinnerung in nächster Zeit auszulöschen. 

 

Shikamaru knickte die Hüfte ein und lehnte sich damit gegen eine Kiste, während er die Arme locker vor der Brust verschränkte. Er fragte sich, warum zur Hölle es nötig war, dass er sich hier in diesem Veterinärzimmer aufhielt, wenn er eigentlich im Bett sein könnte. 

 

Ugh…das ist so ein verdammtes Drama…

 

Ihr Weg zu der Voliere war rasch unterbrochen worden, als ein Tsubasa sie darüber informiert hatte, dass das Areal abgesperrt worden war; irgendetwas von wegen aufgeregter Vögel oder so. Shikamaru hatte dem Mann diese Geschichte zwar nicht abgekauft, doch im Grunde interessierte es ihn auch nicht, was der Ursache war, denn er war zu erleichtert gewesen, dass er stattdessen ein Schläfchen machen könnte.

 

Was aber auch nicht passiert war. 

 

Der Führer hatte sie hinüber zu dem medizinischen Komplex gebracht, der sich nur einen kurzen Fußweg von dem Aviarium entfernt befand und Sakura hatte sich bereit erklärt, bei der Untersuchung einiger kranker Vögel zu helfen. Die Kunoichi schien vollkommen in ihrem Element zu sein und hatte sich rasch mit einer der Tierärztinnen angefreundet, einer hageren, aquilinisch aussehenden Frau, die gerade ein Klemmbrett in der einen und einen Fütterungsstab in der anderen Hand hielt. Mit dem Stock schob sie die Medizin durch die Stäbe der riesigen Vogelkäfige, die in dem Raum aufgestellt waren. 

 

Shikamaru gähnte. 

 

Es ist wirklich nicht nötig, dass ich hier bin…

 

Ein lautes Quäken erklang und zog Shikamarus Aufmerksamkeit auf die Ursache des Lärms.

 

Naruto.

 

Der Uzumaki hüpfte auf der Stelle und stierte finster auf einen weißen Vogel, der auf seinem Kopf saß, an seinem Haar pickte und scharf an den sonnengelben Spitzen zerrte. 

 

„Na, hast du einen Freund gefunden?“ Kiba grinste vom Boden zu Naruto hinauf, während er Eier in einen kleinen Brutkasten sortierte. 

 

„Nimm ihn weg!“, schrie Naruto.

 

„Hör auf zu plärren.“, grummelte Shikamaru. 

 

„Ich habe versucht, ihm zu helfen und er hat mich einfach angegriffen!“

 

„Sie tun oft so, als hätten sie verletzte Flügel, um Räuber von ihrem Nest wegzulocken.“, erklärte die Tierärztin, Isuka und wandte sich Naruto zu, um dem Vogel vorsichtig ihre Finger als Sitzstange anzubieten. „Er wird dich nicht verletzen. Vielleicht pickt er dich aber kahl.“

 

Narutos Miene verdüsterte sich und er wich ein paar Schritte zurück, während er sich mit den Fingern durch sein Haar fuhr. „Gruselig.“

 

Warum. Bin. Ich. Hier…

 

Shikamaru seufzte und war gerade dabei, die Augen zu schließen, als Akamarus Rute gegen sein Bein peitschte und ihn dazu zwang, erneut die Lider zu heben. Träge beobachtete er, wie der Hund an ihm vorbei lief und auf einen der Käfige zutapste, während er winselte und schnüffelte. 

 

Was ist sein Problem?

 

Als er sich aus seiner lümmelnden Haltung aufrichtete, hob Shikamaru eine Braue und schritt hinüber zu einem der großen Käfige; seine Aufmerksamkeit wurde von zwei krankhaft aussehenden Vögeln angezogen. Shikamarus Augen weiteten sich. Der Großteil ihrer Federn war ausgerupft und hässliche Wunden übersäten ihre kahle Haut.

 

„Was zur Hölle?“, murmelte er.

 

„Vögel, die in Käfigen leben greifen sich manchmal auf solche Weisen selbst an.“, sagte Isuka und kam zu ihm herüber, um mit dem Klemmbrett leicht gegen die Stäbe zu klopfen. „Tatsächlich scheinen die meisten Käfigvögel dazu zu neigen, sich selbst die Federn auszupicken.“

 

Naruto kam ebenfalls zu ihnen herüber und linste über Shikamarus Schulter. „Warum?“

 

„Schwer zu sagen.“ Isuka seufzte. „Diese Art von autodestruktiver Störung gilt als eine der schwierigsten und herausforderndsten Zustände, die in unserer Praxis zu diagnostizieren und zu behandeln sind.“

 

„Nun, ständig eingesperrt zu sein muss ja auch irgendetwas mit deinem Kopf anstellen, oder nicht?“, murmelte Naruto und überraschte mit der möglichen Genauigkeit seiner Aussage. 

 

„Das ist ziemlich treffend.“, bestätigte Isuka und erhaschte damit noch etwas mehr von Shikamarus widerwilliger Aufmerksamkeit. „Die populärste Theorie ist, dass die Wurzel dieses Übels für gewöhnlich Stress ist, in Verbindung mit Gefangenschaft.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „In einem Käfig gefangen zu sein…“

 

Unbequeme Parallelen begannen sich in Shikamarus Geist zu bilden, als er die eingesperrten Tiere beobachtete, seine Augen starr auf die selbst zugefügten Verletzungen fixiert. 

 

Super, jetzt sehe ich dich schon in Vögeln, Hyūga…Fuck, ich habe echt den Verstand verloren…

 

„Ja.“ Isuka nickte. „Der Frust darüber, nicht frei zu sein, äußert sich in dieser Verhaltensweise.“

 

„Also warum verdammt nochmal behaltet ihr sie weiterhin in diesen Käfigen?“, fragte Naruto.

 

„Unglücklicherweise ist es angesichts dessen, was wir mit dieser Rasse erreichen wollen, unabdingbar, sie in einem kontrollierten Umfeld zu halten. Es ist notwendig.“

 

„Notwendig, huh?“, murmelte Shikamaru und die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. 

 

„Natürlich.“ Isuka sah ihn an. „Ansonsten würden wir das nicht tun. Schließlich sind Vögel nicht dafür geschaffen, in einem Käfig zu sein.“

 

Shikamarus Augen wurden etwas weicher, den Blick noch immer auf die Vögel gerichtet, doch sein Verstand verweilte anderswo. „Nein…das sind sie nicht.“

 

„Isuka-san?“, rief Sakura und durchbrach damit Shikamarus Starren. „Mit dem hier stimmt irgendetwas nicht, ich glaube, das Problem liegt möglicherweise im Brustkorb.“

 

Isuka lächelte freundlich und schritt zu der Kunoichi hinüber. „Lass mich mal sehen.“

 

Shikamaru nutzte die Gelegenheit und entfernte sich von dem Vogelkäfig und den miserabel aussehenden Kreaturen, die an diese Gefangenschaft gefesselt waren. Energisch versuchte er, seinen Fokus fort von dem verwirrenden Wirbel zu ziehen, der sich in seinem Kopf bewegte; besonders von der Erinnerung an die Hämatome auf Nejis Brust. 

 

Verdammt…

 

Er klammerte sich an was auch immer, um sich auf etwas anderes konzentrieren zu können und senkte den Blick zu dem Vogel, den Sakura vorsichtig auf dem Untersuchungstisch hielt. Isuka klopfte dem Tier in einem methodischen Muster auf die Brust, bei dessen Anblick sich die Brauen des Nara hoben. 

 

„Was machst du da?“

 

„EFT.“, erklärte Sakura und hielt den Vogel ruhig. 

 

Naruto quäkte los, bevor Shikamaru fragen konnte. „Was zum Teufel soll das sein?“

 

„Emotionale Freiheitstechnik.“, klarifizierte Isuka und spähte zu Sakura. „Du kennst es?“

 

„Ich weiß zumindest etwas darüber.“, berichtigte Sakura. „Ich weiß nicht, wie man es durchführt.“

 

„Eh…also was ist das denn jetzt?“ Naruto umrundete den Tisch und stierte auf den Vogel. 

 

Shikamaru runzelte schon wieder die Stirn. „EFT…warum klingt das so vertraut?“

 

Ich habe das schon einmal gehört…Mist…wann war das…

 

„Nun, ich bin überrascht, dass Ino es dir gegenüber nicht erwähnt hat.“, schnaubte Sakura und rollte mit den Augen. „Sie hat Neji ja förmlich gelöchert, es ihr für ihr Medizin Training beizubringen, bevor Tsunade es mich lehren konnte.“

 

Scharf zuckten Shikamarus Augen nach oben. „Neji?“

 

„Ja, die Hyūga sind diejenigen, die diese Technik entwickelt haben.“, informierte Sakura ihn weiter und strich über einen Flügel. „Während dein Clan die meisten medizinischen Inhaltsstoffe und Heilmittel bereitstellt, tragen die Hyūga nicht selten zur Linderung der Dinge bei, die wir nicht sehen können.“

 

Shikamaru spähte kurz auf den Vogel und dann wieder nach oben. „Würdest du mir das etwas näher erläutern?“

 

„Tsunade-sama sagt, dass EFT emotionale Ursachen und Energiestörungen im Körper anspricht.“ Sakura zuckte mit den Achseln. „Traditionelle Medizin konzentriert sich kaum auf solche Aspekte, weswegen der Einblick der Hyūgas in solchen Fällen sehr hilfreich ist.“

 

Shikamarus Augen verengten sich nachdenklich und aufmerksam beobachtete er das stetige Klopfen von Isukas Fingerspitzen gegen das Sternum des Vogels. Etwas seltsames begann sich in ihm zu regen; eine unbehagliche Ahnung.

 

Ich brauche mehr als das…

 

Es kam nicht oft vor, dass er es zuließ, dass sein Instinkt seine Logik außer Kraft setzte, doch jetzt im Moment war es anders. Da war etwas an dieser Technik, die Isuka nutzte, das ihm sofort das Bild dieser Male auf Nejis Brust in Erinnerung rief. 

 

Interpretiere ich zu viel hinein?

 

„Also nutzt ihr diese Technik, um emotionalen Problemen entgegenzuwirken?“, fragte er und klang dabei ein wenig skeptisch. 

 

„Ja.“ Isuka nickte. „Genau wie Menschen, können auch Tiere emotionale Probleme haben, die sich in gestörten Verhaltensweisen oder Gesundheitsprobleme bemerkbar machen; besonders die, die durch traumatische Erlebnisse ausgelöst wurden.“

 

Traumatische Erlebnisse…

 

Die Falten in Shikamarus Stirn vertieften sich und er wurde sehr still, was es Kiba erlaubte, von der anderen Seite des Raumes an dem Gespräch teilzuhaben.

 

„Das stimmt.“, sagte der Inuzuka und kraulte Akamarus Kopf. „Ich habe schon ziemlich üble Dinge bei unseren Clanhunden gesehen. Ihr akupunktiert die Vögel also deswegen?“

 

Isuka lachte auf. „Das ist wirklich ein ziemlich treffender Vergleich. Ich denke, man könnte das, auf was ich hier klopfe durchaus ‚Akupressur Punkte‘ nennen, durch die bestimmte Bereiche im Körper stimuliert werden.“

 

Sofort spürte Shikamaru einen furchtbaren, eisigen Knoten in seiner Magengegend, der es ihm für einen Moment sehr schwer machte, klar zu denken. „Ich schätze mal, man könnte sie genauso gut Tenketsu oder Chakrapunkte nennen, oder?“

 

Sakura sah auf, die Stirn gerunzelt. 

 

Doch Shikamaru wich ihrem Blick aus.

 

„Chakrapunkte? Absolut!“ Isuka nickte. „Ich verstehe sehr gut, warum die Hyūga so gut in dieser Technik sind. Indem sie die Sanfte Faust und das Byakugan nutzen, können sie die Chakrapunkte mit Leichtigkeit lokalisieren und mit den Fingern darauf klopfen, um emotionale oder psychische Spannungen zu lösen.“

 

„Und könnte es auch genutzt werden, um Emotionen aufzuhalten oder komplett zu unterdrücken?“, fragte Shikamaru.

 

Isuka bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, als hätte er soeben etwas bemerkenswert Dummes gesagt – oder Gefährliches.

 

„Nun…in der Theorie…ja, wenn man so weit geht, diese Punkte zu verschließen.“ Die Frau pausierte und runzelte die Stirn. „Aber das wäre sehr schädlich. Die Technik ist dazu gedacht, Druck oder Schmerz zu lokalisieren, um ihn zu lösen, ihn loszulassen, anstatt ihn zu blockieren.“

 

„Und wenn man es nun wirklich tut? Was, wenn man diese Punkte versiegelt?“, drängte Shikamaru weiter und fühlte, wie sich der eisige Knoten in ihm noch weiter verkrampfte. 

 

„Das würde eine ganze Reihe weiterer Gesundheitsschäden nach sich ziehen.“

 

„Wie Blutgerinnsel.“, murmelte Shikamaru, ohne sich bewusst zu sein, dass er es laut ausgesprochen hatte. Doch er erholte sich rasch mit einem trägen Heben seiner Augenbrauen, als er aufsah. „In der Theorie…“

 

„Ja.“ Isuka nickte. „In extremen Fällen.“

 

„Extrem?“, echote Sakura und spähte zu Shikamaru.

 

„Nun, das äußerste Ende wäre der Tod.“ Isuka zuckte mit den Achseln und fuhr weiter fort, über die Chakrapunkte des Vogels zu klopfen, vollkommen unwissend von Shikamarus glasigem Blick. „Aber das würde niemals passieren. Niemand, der bei gesundem Verstand ist, würde willentlich diese Tenketsu blockieren.“

 

Shikamaru senkte den Blick zu dem Vogel und stierte einen Moment vor sich hin, bevor er sich räusperte. „Richtig.“

 

„Shikamaru…“, begann Sakura sanft und in ihrer Stimme schwangen Fragen mit, die sie nicht vor Kiba und Naruto stellen konnte. 

 

Shikamaru sah kurz zu ihr hinüber und schüttelte auf subtile Weise den Kopf. Doch sie zog sich nicht zurück, sondern starrte nur dickköpfig zurück. Shikamarus Augen verengten sich mit einer Warnung, die immer deutlicher wurde mit jeder Sekunde, die verstrich. 

 

Verdammt, mach das nicht noch schwerer für mich…

 

Doch bevor die Spannung für irgendjemanden sonst bemerkbar werden konnte, fügte sich Sakura und sah mit einem Nicken wieder hinunter zu dem gefiederten Tier. Diese Auseinandersetzung war jedoch noch nicht entschieden und Shikamaru konnte es ihr nicht verübeln. Allerdings würde er ebenso wenig nachgeben; nicht dass er das vermutlich tun müsste. Sie wusste bereits viel zu viel. 

 

Scheiße…

 

Shikamaru wandte den Blick ab, schob seine Hände in die Taschen seiner Hose und machte mit einem trägen Schwung kehrt, um in Richtung der Tür zu trotten. „Ich geh mal spazieren.“

 

Naruto blinzelte. „He! Aber…“

 

„Lass es gut sein, Naruto.“, sagte Sakura leise, aber ernst. 

 

Shikamaru wartete nicht darauf, was die Antwort des Uzumaki darauf war. 

 

Mit einem leisen Klacken ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen. 

 
 

xXx
 

 
 

Er hatte keine Ahnung, wie lange er auf den miteinander verbotenen Holzpfaden unterwegs war.

 

Es konnten Stunden gewesen sein. 

 

Mit einem ziellosen Trotten folgte er den sich kreuzenden Brücken ausgehöhlter Äste; für jeden Außenstehenden musste es aussehen, als wäre es ein entspannter und gemächlicher Gang. 

 

Doch in seinem Inneren fühlte er sich, als würde er rennen, rasen…doch er konnte nicht weit genug davor weg laufen. 

 

Shikamaru seufzte und hielt an, als seine Füße auf eine vertraute Schwelle trafen. Langsam hob er den Blick und musterte das eingerissene Schild, das an dem Gästehaus hing. 

 

DAS KRÄHENNEST

 

Aus irgendeinem Grund hatte ihn ein unterbewusster Kompass hierher zurück geführt. 

 

Super…

 

Seine Füße hatten ihn genau an den Ort getragen, den er hatte vermeiden wollen. 

 

Da er wusste, dass es unumgänglich war, unterdrückte der Nara den Drang, sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren und schlüpfte stattdessen in das Gebäude. Langsam durchquerte er das große Atrium des Gästehauses; es war ein großes Foyer, das von einem großen Baum dominiert wurde, der durch den Boden wuchs und oben durch die Decke brach. Kleine Kerzen standen in kleinen Höhlen, die in den Stamm geschlagen worden waren und erschufen eine friedliche Atmosphäre, die es jedoch nicht schaffte, Shikamarus Anspannung zu lösen, als er die spiralförmige Treppe erklomm. 

 

Er hielt die Augen stur auf den Boden gerichtet, während er die Zimmerreihe entlang schritt, bis er zu dem kam, das er sich mit Neji teilte. Ohne sich die Mühe zu machen, seine Anwesenheit bemerkbar zu machen, drehte er den Knauf und schob die Tür mit der Schulter auf; noch bevor er den Raum vollständig betreten hatte, erstarrte er. 

 

Blasse Iriden zuckten durch das Zimmer und trafen auf seine weiten und dunklen Augen. 

 

Shikamaru schwebte in einem albernen Halbschritt, den Blick starr auf Neji fixiert. 

 

„Neji…was zur Hölle machst du da?“

 

Der Hyūga stand auf der Kante eines Schreibtisches, balancierte auf dem Ballen seines rechten Fußes und hatte das linke Bein weit von sich gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten – das sich gerade prekär zugunsten des Bodens neigte. Am Ende seines langen Beines saß ein großer Vogel, die Klauen hart um Nejis Knöchel gekrallt. 

 

„Er ist einfach hier rein geflogen…“, erklärte Neji, die Stimme angespannt vor empörter Verlegenheit. 

 

Shikamaru spürte, wie sich ein flatterndes Gefühl in seiner Brust ausbreitete und seine Gesichtszüge begannen zu zucken, als er sich bemühte, ein Lachen zu unterdrücken. „Klar.“

 

„Ich habe versucht, ihn wieder nach draußen zu bringen…“

 

„Klar.“

 

Neji stierte auf sein Bein. „Ich kriege ihn nicht runter.“

 

„Dann schüttle doch einfach dein Bein.“

 

„Ich kann nicht.“

 

„Weil du dann auf deinem Hintern landen würdest.“ Shikamaru feixte und schloss vorsichtig die Tür hinter sich, um nicht den Vogel zu stören, der an Nejis Sandale herum pickte. 

 

Obwohl Shikamaru wusste, dass Neji das Gegenteil behaupten würde, war sich Shikamaru sicher, dass es weniger etwas damit zu tun hatte, die Balance zu verlieren, sondern viel mehr damit, dass der Hyūga das Tier nicht verschrecken wollte. 

 

Eine Schwäche für Vögel…Verstehe…

 

„Du wurdest von einem Vogel besiegt…das ist ziemlich tragisch, Hyūga.“

 

Neji warf ihm einen finsteren Blick zu. „Halt die Klappe. Da ist noch ein anderer.“

 

Shikamaru hielt inne und hob eine Braue. „Wo?“

 

Wie auf ein Stichwort ertönte ein Kreischen hinter Nejis Kopf. Shikamaru trat einen Schritt nach rechts und erhaschte einen Blick auf lange Schwanzfedern, die kurz wie eine Krone über Nejis Kopf auftauchten. 

 

Auf keinen Fall…

 

„Er ist in deinen Haaren…“

 

„Sehr gut beobachtet, Nara.“, knurrte der Hyūga. „Nimm. Ihn. Weg.“

 

Shikamaru legte sich einen Arm über die Brust und lehnte sich lässig gegen die Wand, während er sich eine Faust gegen den Mund drückte. 

 

Neji bedachte ihn mit einem mörderischen Blick. „Das ist nicht witzig.“

 

„Ich lache doch gar nicht.“
 

„Du bist ein lügender Bastard, Shikamaru.“

 

Hart presste Shikamaru die Lippen aufeinander und schlug leicht mit der Faust dagegen, bevor er sich von der Wand abstieß und zu Neji hinüber trottete. „Ich will das nicht wirklich zu meinem Problem machen.“

 

„Mir egal, schmeiß sie einfach nur raus.“

 

„Im Ernst Hyūga, dann schüttle sie doch einfach ab.“

 

„Ich kann nicht.“

 

Beim Schreibtisch angekommen hielt Shikamaru inne und sah zu Neji hinauf. „Was zur Hölle meinst du damit, du kannst es nicht?“

 

Nejis Augen blitzten auf. „Was zur Hölle glaubst du eigentlich, wie sie sich an mir festhalten? Mit Klebeband, oder was?“

 

Shikamaru gab sich alle Mühe, nicht zu schmunzeln, seine Stimme war träge wie immer. „Haben sie dich zum Bluten gebracht?“

 

„Ich bring gleich dich zum Bluten!“

 

„Beruhig dich.“ Shikamaru grinste und stellte sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch.

 

Neji schwankte erneut und sein Blick verfinsterte sich noch mehr. Langsam lehnte sich Shikamaru nach vorn und lokalisierte den Vogel, der es irgendwie geschafft hatte, sich tief in der dunklen Haarmähne des Hyūga zu vergraben. Und seltsamerweise ignorierte das Tier den Nara komplett. 

 

Komisch…

 

Zaghaft fuhr Shikamaru mit seinen langen Finger zwischen die Mokkasträhnen und schob die dichte Haarmasse beiseite; seine Augen weiteten sich leicht. 

 

„Scheiße.“

 

„Exakt.“, fauchte Neji. „Nimm ihn weg.“

 

„Halt still.“ Stirnrunzelnd fiel jedwede Belustigung von Shikamaru ab, als er den Verschluss der Klauen an Nejis Nacken bemerkte, die ungewöhnlich langen Krallen gruben sich tief in die Haut. 

 

Was zur Hölle?

 

„Heute noch wäre nett, Shikamaru.“

 

„Halt für eine Minute den Mund, ja?“, grollte der Schattenninja und streckte eine Hand nach dem Vogel aus. 

 

Da er instinktiv den Käfig aus Fingern wahrnahm, begann das Tief heftig mit den Flügeln zu schlagen, ließ aber nicht von Neji ab und seine Klauen sanken sogar noch ein wenig tiefer. Als dann auch noch dünne Rinnsale aus Blut begannen, über den Nacken des Hyūga zu laufen, schloss Shikamaru rasch seinen Griff um die flatternden Schwingen, was den Vogel dazu brachte, sich zu drehen und hart in den Daumen des Nara zu picken. 

 

Scheiße, er lässt einfach nicht los…!

 

Zischend warf Neji seine Sorge um den Vogel, der auf seinem Bein saß, über Bord, um auf den zu reagieren, der sich in seinen Nacken krallte. Der Hyūga stellte seinen Fuß auf dem Schreibtisch ab; das gefiederte Tier an seinem Knöchel flog mit einem aufgeschreckten Kreischen auf. Und in dem Augenblick, in dem er das tat, löste der Vogel an seinem Nacken die Krallen aus seinem Fleisch und kämpfte heftig gegen Shikamarus Hände an, bis der Nara ihn frei ließ. 

 

„Was zur Hölle!“, knurrte Shikamaru und beobachtete die beiden Vögel dabei, wie sie wilde Kreise in dem Zimmer zogen, bevor sie mit koordinierten Flügelschlägeln auf das Fenster zusteuerten und mit schrillen Schreien ins Freie schossen. 

 

Was war das gerade, verdammt nochmal?

 

Shikamarus Blick zuckte zurück zu Neji, als der Hyūga gerade von dem Tisch sprang und mit den Fingern über seinen Nacken strich. „Das war unangenehm.“

 

„Unangenehm? Eher unnatürlich.“

 

Shikamaru trat von dem Stuhl hinunter und legte eine Hand auf Nejis Schulter, um erneut das dunkle Haar beiseite zu schieben. Seine Augen studierten beunruhigt die frischen Wunden an Nejis Genick. 

 

„Was zur Hölle hat es hier nur mit diesen Vögeln auf sich?“ Der Nara legte die Stirn in Falten und wischte das Blut mit einem Daumen fort; viel zu besorgt, um zu bemerken, dass Neji ihn gar nicht von sich schob, wie es der Hyūga normalerweise getan hätte. 

 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wissen will.“, murmelte Neji kopfschüttelnd, bevor er sich umdrehte und Shikamaru so dazu zwang einen Schritt zurück zu treten und ihn loszulassen. „Du solltest doch eigentlich schlafen.“

 

Shikamaru hob eine Braue, unsicher, wie er darauf reagieren sollte, dass sich die Aufmerksamkeit so plötzlich von Neji auf ihn selbst richtete. „Ja also, wie es scheint ist es harte Arbeit, ein Nickerchen zu machen.“

 

„Dann musst du wohl noch härter arbeiten.“ Neji schmunzelte leicht, der Ausdruck erschien so fremd auf seinem Gesicht, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass er den Hyūga vermutlich gerade anstarrte. „Du musst dich ausruhen, Nara.“

 

Shikamaru wandte den Blick ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. „Genau wie du. Wann war das letzte Mal, dass du geschlafen hast?“

 

„Ich musste ein paar Vorbereitungen treffen.“

 

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“, erwiderte Shikamaru und richtete seine dunklen Augen erneut auf den Jōnin. 

 

Neji zuckte mit den Achseln. „Ich werde schlafen, wenn ich tot bin.“

 

Shikamarus Gesichtszüge verwandelten sich in Stein, als er diese Worte hörte; schon wieder krallte sich diese Kälte in sein Inneres. 

 

Neji legte den Kopf schief, seine Lippen immer noch leicht gebogen. „Das sollte ein Scherz sein.“

 

„Ich weiß.“

 

„Ah und genau deswegen mache ich nie Witze.“

 

Shikamaru blinzelte langsam und schüttelte den Kopf. „Nein…das ist es nicht…“

 

Das kaum sichtbare Schmunzeln fiel von Nejis Gesicht. „Was ist los?“

 

„Nichts. Ich bin nur…“

 

„Müde.“

 

Shikamaru schluckte schwer. „Ja…“

 

Er beobachtete, wie Neji sein Gesicht musterte; diese blassen Augen suchten aufmerksam nach Rissen in seiner Miene. Inständig hoffte Shikamaru, sich noch rechtzeitig gefangen zu haben und nur um wirklich sicher zu gehen, schloss er die Lider erneut zu einem trägen Halbmast Blick. 

 

„Bist du dann fertig damit, mich zu begutachten, Hyūga?“

 

Neji legte den Kopf auf die andere Seite und tat etwas, das Shikamaru härter traf und mehr Schaden verursachte, als es jede bissige Erwiderung oder finstere Blick jemals könnte…er lächelte. 

 

Der verkrampfte Knoten in Shikamarus Innerem wurde noch kälter…

 

 

___________________

Ui ein Kapitel voller Allegorie, ich muss ja sagen, ich liebe sowas :D Wie geht es euch dabei? 

Ich hoffe sehr, dass euch das neue Kapitel gefallen hat, über ein paar Worte würde ich mich wieder sehr sehr freuen! <3

Danke wie immer an meine treuen Reviewerinnen :) 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Scorbion1984
2021-04-27T18:10:00+00:00 27.04.2021 20:10
Ich werde aus Neji nicht schlau .
Will er sterben oder hat er nun doch einen Grund gefunden um weiter zu leben.
Shika fällt bei ihm von ein Extrem ins andere .
Diese FF ist spannend aber auch sehr undurchsichtig.
Habe bisher selten über eine FF so viel geprügelt.

Antwort von:  _Scatach_
27.04.2021 20:23
Das kann ich sagen: Neji will definitiv NICHT sterben! Er ist sich der Ernsthaftigkeit seiner Situation nicht bewusst, oder ist zumindest der Meinung, dass er sie unter Kontrolle hat.
Ah, da hast du natürlich recht, diese FF lässt die Leser/innen definitiv lange im Dunkeln tappen ;) Ich persönlich mag sowas ja sehr sehr gerne, aber ich verstehe auch, dass es nicht den Geschmack von jedem trifft.
Ich finde es aber super, dass du über die FF nachgrübelst, denn genau darum soll es ja gehen ;)


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