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Break to Breathe

von

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What a drag...


 

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Was zur Hölle habe ich mir dabei gedacht?

 

Shikamaru machte seinen gesamten Unmut durch ein genervtes Schnauben deutlich, hob rasch eine Hand und spürte feuchte Zweige und Blätter gegen seinen Unterarm peitschen. Regentropfen hingen schwer in seinen Wimpern und er blinzelte heftig gegen den Platzregen an, der unaufhörlich durch das Blätterdach auf ihn prasselte.

 

Was für ein Drama…

 

Ein Drama, das ihm nicht nur abverlangte, möglichst unbemerkt gegen das Byakugan vorzugehen, sondern auch noch eine Strategie gegen einen gleichermaßen berechnenden Verstand auszuarbeiten. Es war eine ermüdende Jagd ohne Garantie auf Erfolg – im Grunde war es nichts weiter als eine viel zu große Verzögerung, die sich Shikamaru nicht leisten konnte.

 

Wir haben keine Zeit für sowas…

 

Die schemenhafte Gestalt vor ihm schnellte nach links.

 

Fuck!

 

Shikamaru schlitterte einen breiten Ast entlang, doch die glitschige Rinde bot wenig Halt. Gerade noch konnte er mit einem gemurmelten Fluch auf den Lippen die Balance halten. Er biss die Zähne zusammen und seine dunklen Augen verengten sich, als er unablässig das Flattern der weißen und schwarzen Robe vor sich fixierte. 

 

Verdammt, Neji.

 

Nicht zum ersten Mal hatte der Hyūga überraschend die Richtung geändert und so die anfangs geradlinige Verfolgung in eine labyrinthartige Hetzjagd verwandelt. Shikamaru hielt inne, um seine Position einzuschätzen, während sein Verstand dem chaotischen Katz und Maus Spiel, das Neji spielte, bereits zehn Schritte voraus war. 

 

Er spielt nicht. Er ist angepisst; und ein einziges Ärgernis.

 

Mit einem freudlosen Lächeln auf den Lippen, stieß sich Shikamaru mit einem kräftigen Sprung von dem Ast ab und setzte die Verfolgung in den höheren Lagen der Baumkronen fort. Er folgte seinem Ziel in einer akkurat beschriebenen Zangenbewegung, die entgegengesetzt der Route verlief, auf die Naruto seine Schattendoppelgänger geschickt hatte.

 

Wenn ich es schaffe, ihn zurück zum Lager zu treiben, kann ich versuchen, ihn mit meinem Schattenbesitz festzuhalten, bevor die Sonne untergeht…

 

Shikamaru warf einen grimmigen Blick auf den immer dunkler werdenden Himmel, der bereits mit stürmischen Wolken verhangen war; mit dem Schauer hatte er nicht gerechnet. So ein Mist!

 

Wenn der Regen anhält, bin ich geliefert…

 

Er bräuchte mehr Licht, um sein Jutsu einsetzen zu können und außerdem ein Wunder, um den anderen Ninja festzunageln. Falls er das schaffen sollte, könnte er Neji zumindest solange ruhig halten, um…

 

Ja, um was zu tun eigentlich?

 

Shikamaru verzog das Gesicht. Trotz all seines strategischen Könnens, er hatte sich nicht überlegt, was zur Hölle er zu Neji sagen wollte, falls oder wenn er den Bastard endlich erwischen würde. Er wusste ja nichtmal, was diese Situation überhaupt ausgelöst hatte. Neji war im Bruchteil einer Sekunde ausgeflippt. Es war viel zu schnell gegangen, als dass Shikamaru überhaupt die Zeit gehabt hatte um zu realisieren, was passiert war, bevor der Hyūga auch schon losgerannt war. In dem Moment, in dem Lee versucht hatte, Neji abzufangen, hatte der ihn auf seinen grüngekleideten Hintern gesetzt, ohne sich auch nur umzublicken. 

 

Doch Neji hätte nicht zuschlagen müssen.

 

Und Naruto war dem Beispiel des Hyūga prompt gefolgt, indem er seine Empörung nicht unter Kontrolle gebracht hatte. Der Schwachkopf war regelrecht zu einem Bündel hitzköpfiger Raserei explodiert und war sofort eskaliert statt zu deeskalieren.

 

Wie lästig…

 

Möglicherweise hatte es ihn an Sasuke erinnert, als er gesehen hatte, wie Neji auf einen Kameraden losgegangen war – wer weiß? Doch das Letzte, das sie im Moment brauchten, war ein Naruto, der seinen emotionalen Schmerz und seine Vorstellung von Freundschaft auf einen labilen Teamkameraden mit unvorhersehbarer Denkweise projizierte.

 

Es passt nicht zu Neji, so kopflos zu sein. Er ist der am meisten kontrollierte Kerl, den ich kenne. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und die glitzernden Wassertropfen flogen von seinen Wimpern. Plötzlich wünschte er sich, Naruto nicht die falsche Richtung geschickt zu haben. Doch es war deutlich sicherer und vernünftiger so. Der Uzumaki war nur ein Werkzeug, um Nejis Weg umzulenken. Shikamaru hatte nicht die Absicht, dieses gutmeinende aber stets mehr als schlecht getimte Großmaul einen wütenden Hyūga konfrontieren zu lassen.

 

Das würde nur Öl ins Feuer gießen.

 

Da waren einfach viel zu viele unbekannte Variablen Teil dieser Situation und während Narutos Herz unzweifelhaft am rechten Fleck saß, übersprangen seine Reaktionen oft sein Hirn und fanden ihren Weg direkt zu seinem losen Mundwerk; und ungezügelte Worte würden die Situation nur verschlimmern. 

 

Geh auf Nummer sicher. Zuerst Neji stoppen. Das hat Priorität. 

 

Shikamaru stoppte erneut und ging auf dem nächstbesten Ast in die Hocke und ließ unaufhörlich Chakra in seine Füße fließen, um die Balance zu halten. Er linste durch den Platzregen und erhaschte einen Blick auf Neji, der in ein paar Meter Entfernung auf dem Waldboden landete. 

 

Wenigstens hat er angehalten.

 

Vorsichtig bewegte sich Shikamaru in einer Kreisbewegung vorwärts. Nicht, dass das irgendetwas dazu beitragen würde, seine Ankunft vor dem Byakugan geheim halten zu können. 

 

Und immerhin haut er nicht schon wieder ab.

 

Neji verharrte in geduckter Haltung auf der Lichtung, als wäre er völlig erschöpft. Sein dichtes Haar viel ihm schwer und vom Regen durchnässt über eine Schulter. Dünne Rinnsale flossen über die Robe, die er trug, ließen den durchweichten Stoff an seiner Haut kleben und zeichneten auf die Art scharf definierte Muskeln nach, die alarmierend zuckten. Von seinem erhöhten Aussichtspunkt schätzte Shikamaru die Entfernung zu dem Hyūga ab und setzte sich in Bewegung. Ohne das leiseste Geräusch, ließ er sich zu Boden gleiten, während sein Verstand Gefallen an dem Gedanken fand, dass er immer noch außer Sichtweite wäre.

 

Ja klar. Er wird mich bemerken, bevor ich nur den leisesten Hauch einer Chance habe. 

 

Und als wäre das nicht schon nervig genug, zeigte der Regen nicht das geringste Anzeichen, bald nachzulassen. Das bedeutete, ihm blieb nur eine Möglichkeit.

 

Verdammt. Das wollte ich eigentlich nicht einsetzen…

 

Shikamarus Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst, sein Gesichtsausdruck grimmig. Vorsichtig ließ er eine Hand in seine Ninja Tasche gleiten und zog eine kleine Terrakotta Kugel daraus hervor, die Naruto ihm gegeben hatte. Die ganze Zeit über ließ er sein Ziel nicht eine Sekunde aus den Augen. Doch sollte Neji in bemerkt haben, reagierte er nicht. Seltsam. Diese fast schon eingefallene Pose passte so gar nicht zu der üblichen Haltung des Hyūga; kühl, beherrscht…

 

Kontrolliert.

 

Shikamaru blinzelte langsam und berechnete die Entfernung, bevor er die Kugel in hohem Bogen auf die Lichtung warf. Sie traf wenige Meter von Neji entfernt auf den Waldboden auf und verteilte ihren öligen Inhalt, der augenblicklich Feuer fing.

 

Der Hyūga riss den Kopf in die Höhe, mondblasse Augen verengten sich zu Schlitzen. 

 

Shikamarus Hände formten ein Zeichen. Die Flammen zuckten dem Himmel entgegen und erschufen tanzende schwarze Schatten auf der ganzen Lichtung. 

 

Neji bewegte sich nicht.

 

Als wäre das nicht schon genug Grund zur Besorgnis, traf Shikamaru vor Überraschung beinahe der Schlag, als er den straffen Ruck seines Schattenbesitzes spürte. Ein klares Zeichen dafür, dass er den anderen Ninja sofort gefangen hatte. 

 

Was zur Hölle? Er muss total neben der Spur sein.

 

Er erhob sich und beobachtete, wie Neji seinen Bewegungen folgte. Das Feuer loderte trotz des Regens unaufhörlich weiter, als sich Shikamaru dem Hyūga näherte. Er fühlte den Boden unter seinen Sandalen nachgeben und hörte das schmatzende Geräusch, als er die Sohlen aus dem Matsch zog. Neji traf ihn auf halbem Weg, doch das Gesicht des blassäugigen Ninja wurde von dem langen Schleier seines Haares verdeckt. Dichte mokkafarbene Strähnen klebten an den Mulden seiner Wangen, die elegant geschwungenen Gesichtszüge wurden in ein Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht.

 

„Lass mich los, Nara!“ Es war keine Bitte.

 

Na super. Und was jetzt?

 

Shikamaru knickte leicht in der Hüfte ein und linste träge durch den Regen. „Ich habe jetzt wirklich keine Lust dazu, wegen der Sache besonders scharfsinnig sein zu müssen. Also um das kurz zu machen: Ich werde dich nicht gehen lassen, bis du mir sagst, was zur Hölle du dir dabei gedacht hast, Lee einfach so auszuknocken.“

 

„Lass mich gehen!“ Der leise todbringende Ton in Nejis Stimme trug unnötigerweise noch mehr zu der Kälte der Nässe bei, die ihre Körper taub werden ließ. „Jetzt!“

 

„Auf keinen Fall. Tut mir leid.“ Shikamaru beobachtete, wie Nejis Augen zu den züngelnden Flammen wanderten. Seine Lippen verzogen sich träge. „Schon praktisch, dieses Krötenöl, oder? Sogar noch effektiver als Napalm. Es wird noch eine ganze Weile brennen, schätze ich.“

 

„Du willst mich wirklich nicht reizen, Nara!“

 

„Habe ich auch nicht vor.“, erwiderte Shikamaru gedehnt und täuschte Lässigkeit vor. „Scheiße, ich habe wirklich gar keine Lust auf irgendeine Art der Konfrontation. Falls du es bisher noch nicht bemerkt haben solltest, ich hab‘s nicht so damit, meine Kameraden zu verprügeln. Entspricht nicht meiner Vorstellung von Problemlösung.“

 

„Lee hat schon schlimmere Schläge eingesteckt. Und jetzt lass mich los.“

 

„Offenbar unterschätzt du deine gar nicht so sanfte Faust, Hyūga.“

 

Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sich etwas in Nejis verkrampfte Züge schlich, eine Spannung, die sich nicht nur seinen Kiefer und die zusammengebissenen Zähne entlang zog, sondern bis hinunter zu den Sehnen in seiner blassen Kehle wanderte. Die Stimmbänder zuckten sichtbar, als versuchten sie einen Schrei zu unterdrücken.

 

Scheiße. Was zur Hölle ist mit ihm los?

 

„Ich will nur reden, Neji.“

 

„Ich aber nicht.“

 

„Wie nervig.“

 

„Lass mich gehen, Nara, oder ich werde dafür sorgen, dass du es tust!“

 

Shikamaru hob eine dunkle Braue und streckte theatralisch beide Arme über den Kopf, bevor er die Hände in die Hüften stemmte und beobachtete, wie Neji gezwungen war, seine Bewegungen nachzumachen. 

 

„Du bist nicht in der Position für leere Drohungen, Neji – selbst wenn ich der Meinung wäre, dass du im Moment eine Chance gegen mich hättest.“

 

„Sag das nochmal ohne deine Schatten, die dich retten!“, zischte der Hyūga und seine geisterhaften Augen warfen ihm einen mörderischen Blick zu, während seine Wimpern gegen den steten Regen anblinzelten. 

 

Shikamaru unterdrückte den Drang zu lächeln.

 

Schätze, sein Stolz ist immer noch vorhanden. Das ist gar nicht schlecht…das kann ich zu meinem Vorteil nutzen.

 

Shikamaru rollte mit den Augen und spielte mit dem vorhersehbaren Ego des Hyūga. „Du bist total neben der Spur. Auch wenn du Lee getroffen hast, war das nur deswegen, weil er keinerlei Deckung errichtet hatte. Immerhin hat er ja auch nicht erwartet, von einem Freund angegriffen zu werden.“

 

„Er war mir im Weg.“

 

Shikamarus Augen verengten sich leicht. „Ja, also langsam hörst du dich wie eine ganz bestimmte Person an. Willst du dreimal raten?“

 

„Verspotte mich nicht, Nara! Ganz zu schweigen von deiner Beleidung, mich mit dem Uchiha in eine Schublade zu stecken!“ Nejis leise, beinahe schon hypnotische Stimme wurde säuerlich und dumpf. „Unsere Gedankengänge sind vollkommen verschieden.“

 

„Dann beweis mir das Gegenteil – denn im Moment benimmst du dich wie ein 1A Arschloch!“

 

„Fick dich!“

 

Shikamaru blinzelte. Diese Worte hörten sich aus Nejis Mund so falsch an. Es war völlig unvereinbar. Sie waren zu vulgär für jemanden, der sich so eloquent ausdrückte wie der Hyūga. Die Beleidigung schien die Atmosphäre um sie herum zu verdüstern und hing nun unangenehm zwischen den beiden. 

 

Denk nach, verdammt – ich kann ihn nicht viel länger halten. 

 

„Also was sollte das dann, Neji? In einem Moment waren wir noch auf der Spur eines Akatsuki Imitators und im nächsten wirst du bipolar und drehst durch. Würdest du mich erleuchten?“

 

Nejis Kiefer zuckte. Mehr bot er nicht an. 

 

Shikamaru veränderte seine Haltung und zwang Neji so, sich etwas mehr aufzurichten und sich ihm direkter zuzuwenden. Aber es brachte einen Scheiß. Der Hyūga zeigte nicht das geringste Anzeichen dafür, die massive Mauer, die er um sich herum errichtet hatte, zu senken. Shikamaru seufzte schwer. Das war wirklich ein Drama, aber viel mehr als das, kratzte es immer weiter an seiner kaum noch vorhandenen Geduld. 

 

„Das war’s jetzt, huh?“ Shikamaru zog eine finstere Miene und versuchte angestrengt, die unangenehme Kühle des Regens zu ignorieren – vielleicht wurde der Schauer, der seinen Rücken hinab jagte, aber auch von diesen kalten blassen Augen ausgelöst. „Schätze mal, das bedeutet, dass du mich dazu zwingst, dieses Puzzle komplett auseinanderzunehmen und selbst zusammenzusetzen, oder? Wie lästig!“

 

Stille

 

Das hätte er aber eigentlich auch erwarten können. 

 

„Okay, also…“ Er schloss die Lider und ließ im Kopf die letzten Stunden Revue passieren. „Ich denke es ging um etwas, das Naruto gesagt hat. Du hast das Team verlassen, als der Idiot seine übliche Moralpredigt gehalten hat.“ Er öffnete einen Spalt breit ein Auge und examinierte eingehend Nejis Gesichtsausdruck. Da war keinerlei Regung in der wütenden Miene des Ninja. 

 

Verdammt. Such weiter.

 

„Es war zwar nicht besonders auffällig, aber unsere Gruppenformation hat leicht geschwankt. Das weiß ich, weil ich schon vorschlagen wollte, sie zu ändern – aber witziger Weise befandest du dich dabei ein paar Schritte hinter allen anderen als vor uns. Das passt eigentlich gar nicht zu dir.“

 

Nichts. Neji starrte ihn einfach nur weiterhin komplett reaktionslos an. 

 

Shikamaru überdachte die Geschehnisse, suchte fieberhaft nach dem Katalysator für Nejis Zorn und sein anschließendes Bedürfnis zu fliehen. Wenn es um Kampf oder Flucht ging, war meist Angst der entscheidende Faktor. 

 

Der Nara wog seine nächsten Worte sorgfältig ab, während er Neji für einen weiteren Moment musterte. „Es passt aber auch wirklich nicht zu dir, wegzurennen.“

 

Nejis Nasenflügel zitterten. „Ich renne vor gar nichts davon!“

 

„Mh, dann muss ich mich wohl getäuscht haben. Ich fühle mich ja schon beinahe geschmeichelt, wenn man bedenkt, dass ich es war, der dich gejagt hat.“

 

„Tz! Schmeichel dir nicht selbst, Nara!“

 

Sag bloß. So wie es aussieht, komme ich hier wirklich nirgendwohin.

 

Shikamaru grinste und änderte mental die Spur. „Vielleicht habe ich es auch einfach falsch angepackt. Vielleicht ging es gar nicht um Naruto. Ich meine, immerhin war es Lee, dem du den Schlag verpasst hast.“ Er hielt inne und tat so, als würde er über das nachdenken, wofür er sich bereits vorbereitet hatte. Er spielte die Stolz-Karte aus. „Aber andererseits hat er sich dir ja nur in den Weg gestellt, um dich vom Wegrennen abzuhalten, als du dich wegen irgendetwas erschreckt hast und total ausgeflippt bist.“

 

In einem deutlichen Knurren zog Neji die Oberlippe zurück. „Halt’s Maul und hör auf, dich einzumischen!“

 

Bingo!

 

Shikamaru lief vorwärts und zwang Neji dazu, es ihm gleich zu tun und so die Distanz zwischen ihnen weiter zu schließen. Jeder Schritt verstärkte die Spannung in Nejis Zügen, als würde er zu etwas hingezogen werden, dem er sich nicht stellen wollte. 

 

„Du hast dich gegen das Team gewandt und bist gerade dabei, uns alle gehörig in die Scheiße zu reiten. Ich werde nicht riskieren, dass irgendjemand von uns verletzt wird, nur weil du dich nicht zusammenreißen kannst!“ Shikamaru machte eine Pause und runzelte die Stirn, als er Neji musterte. „Aber was noch viel verrückter an der ganzen Sache ist, ist, dass du eben nicht der Typ bist, der einfach so abhaut, geschweige denn ausrastet.“

 

„Ich bin nicht ‚ausgerastet‘! Maße dir nicht an, mit mir zu sprechen, als würdest du mich kennen!“

 

„Ich weiß, dass du nicht oft auf so eine Art die Kontrolle über dich selbst verlierst.“

 

Nejis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Als hättest du auch nur die leiseste Ahnung davon, was ich denke!“

 

Es ging doch gerade gar nicht darum, was er denkt…ich komme scheinbar immer näher.

 

Shikamaru spürte einen sehr schwachen Stich in seinem Inneren und ein warnender Ruck in seinem Chakra machte ihn darauf aufmerksam, dass sein Jutsu an Wirkung verlor. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass das Feuer inzwischen leicht flackerte. Es zwang ihn dazu, sich wieder auf seinen Schattenbesitz zu konzentrieren und er grummelte leise. Doch Neji wehrte sich inzwischen gegen ihn; er spürte deutlich die gewaltige Energie des Hyūgas, die sich ihm entgegenstemmte.

 

Scheiße.

 

Neji begann zu grinsen, seine Augen zuckten kurz zwischen dem Schattenninja und den Flammen hin und her. „Du verlierst langsam den Halt und das Licht deines Feuer, Nara. Du kannst mich nicht viel länger halten.“

 

„Glück für dich. Wovor fürchtest du dich?“

 

Neji schnaubte spottend, doch das Geräusch blieb ihm in der Kehle stecken, es klang beinahe erstickt. „Weder denke ich über Angst nach, geschweige denn verspüre ich sie.“

 

Shikamaru runzelte leicht die Stirn, während sein Verstand rasch den Ausdruck auf Nejis Gesicht deutete und versuchte herauszufinden, was sich dahinter abspielte. Das war keine leichte Aufgabe bei jemanden, der sich derart abschirmte wie Neji – doch die Worte des Hyūgas verrieten Shikamaru, was die Miene des Ninja nicht preisgeben wollte. 

 

„Angst ist nicht immer etwas, über das man ‚nachdenkt‘. Es ist eine Emotion und die sind in jedem Menschen verwurzelt. Jeder verspürt Furcht, Neji!“

 

„Es kommt mir erst gar nicht in den Sinn; ich bin nicht ‚jeder‘.“

 

„Ja klar, also das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, warst du noch ein Mensch.“

 

„Bin ich das?“

 

Was? Shikamaru blinzelte, die Worte brachten ihn aus der Fassung. Sein kurzes Zögern war verhängnisvoll und gewährte Neji in dem Moment einen winzigen Angriffspunkt, in dem Shikamarus Chakrastrom ins Wanken geriet. Die Schatten des Nara zogen sich schlagartig zurück und noch in der gleichen Sekunde stürzte sich Neji auf ihn, jedoch ohne die Anmut der Sanften Faust. Nein – das hier war ein einfacher Schlag ohne jede Kalkulation oder Berücksichtigung einer bestimmten Technik.

 

Der Hieb war verzweifelt…beinahe nachlässig.

 

So gar nicht Neji.

 

Shikamaru spürte Knöchel an seiner Wange entlang schrammen, ein kanpp verfehlter Schlag, der ihm die Gelegenheit gab, einen sicheren Stand einzunehmen. Gleichzeitig wirbelten sie herum, beide verzögert durch den starken Sog des Untergrundes an ihren Füßen. Shikamaru nutzte Nejis untypischen Fokusverlust, um einen Gegenangriff zu starten, doch sein Verstand war ihm wieder einmal voraus. 

 

Er hielt mitten in der Bewegung inne und wich einen Schritt zurück.

 

Das ist es nicht wert.

 

Die Messlatte des Kampfes noch höher zu legen, würde Neji nur dazu ermutigen, seine Vorgehensweise zu überdenken und so eine überlegene Technik anzuwenden. Und das war das absolut Letzte, das Shikamaru jetzt gebrauchen konnte – weswegen er seinen ursprünglichen Plan, seine Präzision und auch seinen Stolz fallen ließ. Er drehte sich um die eigene Achse, spannte sich in der Bewegung an und stürzte sich auf Neji. Er packte ihn in einer Art Rangelei mit aller Macht an der Taille, die mehr als peinlich gewesen wäre, hätte sie irgendein anderer Ninja dabei beobachtet.

 

Und damit verabschiedet sich meine Reputation…

 

Zum Glück interessierte ihn das einen Dreck.

 

Neji hatte einen derart direkten und drastischen Angriff nicht erwartet und wurde mit einem überraschten Grollen von den Füßen gerissen; mit einem lauten nassen Klatschen schlug er auf dem Waldboden auf. Das zähe Gemisch aus Erde und Blättern drückte sich zwischen seine Finger, als er sie in den Boden krallte und zur Faust ballte, um einen mächtigen Schlag gegen Shikamarus Kiefer auszuführen.

 

„Geh runter von mir!“

 

Sehr zur Überraschung des Hyūga fing Shikamaru den Hieb ab. Aber was taten sie hier eigentlich? Raufen wie undisziplinierte Kinder im Matsch? Es war lächerlich und mehr als beschämend! Neji knurrte und versuchte seine Fersen in den durchweichten Boden zu graben, doch er gab mit einem schmatzenden Geräusch nach und rutschte weg. Shikamaru war klar im Vorteil, seine Beine hielten den Ninja mit den blassen Augen am Boden festgenagelt und indem er seinen Unterarm gegen dessen Kehle drückte, rammte er Nejis Kopf zurück in den Erdboden.

 

„Hör endlich auf, dich wie der letzte Idiot aufzuführen!“, schnappte Shikamaru gereizt, denn was als nerviges Drama begonnen hatte, pisste ihn inzwischen mächtig an. Sie hatten keine Zeit für sowas. Sie befanden sich immerhin auf einer Mission.

 

Nejis Kehle entwich ein Grollen, seine Augen flackerten zornig, doch erstaunlicherweise blieb sein Byakugan deaktiviert. „Und du nennst dich selbst Ninja? Deine Technik ist erbärmlich.“

 

Warum hält er sich zurück? Er könnte mich locker abschütteln.

 

Shikamaru presste seinen Arm nur noch fester gegen Nejis Hals, während er auf den Mann unter sich starrte, das Regenwasser rann ihm von Nasenspitze und Kinn und tropfte auf Nejis Stirnband. Wieder entschied er sich, die Taktik zu ändern und als er sprach, lag keinerlei Aggression mehr in seiner Stimme. 

 

„Lass den Schwachsinn und rede mit mir, verdammt nochmal. Wir stehen auf derselben Seite, oder nicht? Scheiße, ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass wir Freunde sind.“

 

„Wir sind keine Freunde!“

 

„Aber wir sind Kameraden! Sag mir, was los ist!“

 

„Nein!“ Neji ruckte heftig mit der Hüfte und hob eine Hand, um sie um Shikamarus Kehle zu legen. 

 

„Fuck!“ Shikamaru zog rasch den Kopf zurück und versuchte gleichzeitig, seine Position zu halten. „Was hast du damit gemeint, dass du denkst, du wärst kein Mensch? Was zur Hölle stimmt nicht mit dir, Hyūga?“

 

„Geh runter von mir!“ Das Byakugan erwachte zum Leben und verzog die Haut um Nejis Augen mit einer Grausamkeit, die Shikamaru noch vor dem eigentlichen Schlag bis ins Innerste traf.

 

Keuchend wich der Schattenninja zurück und spürte, wie Neji die Gelegenheit nutzte, um sich aufzurappeln; er blinzelte sich den Regen aus den Augen. Als sich seine Sicht wieder klärte, starrte er hinauf in ein Abbild reinen Zorns, die Spitzen von Nejis langem Haar kitzelten ihn im Gesicht.

 

Scheiße.

 

Bevor er sich versah, krallte sich Nejis Hand in seiner Flakweste fest und er zog ihn an sich heran, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Zorniger Atem schlug Shikamaru ins Gesicht und ließ ihn nach hinten zucken, während er unverwandt zurückstarrte. 

 

„Denkst du, deine Intelligenz gibt dir das Recht, herablassend zu sein, Shikamaru?“, zischte er und zerrte ihn am Kragen der Weste auf die Füße. „Mach dir keine Hoffnung darauf, mich zu verstehen. Beleidige mich nicht mit deinen Versuchen, mich zu durchschauen. Du weißt nichts über mich! Du hast keine Ahnung, was in meinem Kopf vorgeht!“

 

Hart biss Shikamaru die Zähne zusammen und er merkte, wie sein Zorn immer mehr Verwirrung wich, auch wenn sein scharfer Verstand weiterhin versuchte, Schwachstellen in Nejis Raserei zu finden. Sie waren da, das konnte er deutlich spüren. Es waren haarfeine Risse in seiner wütenden Maske. Es musste einen Auslöser für all das geben.

 

Scheiße verdammt, denk nach! War es wegen Naruto? Lee? Irgendetwas hat ihn verärgert. War es wegen des rührseligen Schwachsinns, über den sie geplappert haben?

 

Shikamarus Augen wurden groß.

 

Neji runzelte die Stirn und unterstrich den Ausdruck auf seinem Gesicht mit einem tiefen Knurren. 

 

„Schau mich nicht so an!“, fauchte Neji. „Verteidige dich!“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, packte das Handgelenk des Hyūga um etwas Druck von seiner Kehle zu nehmen – doch er machte keinen Anstalten, sich zurückzuziehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass dich sowas derart mitnehmen würde.“

 

Nejis Augen weiteten sich. Für einen kurzen Moment wurde er von seinen eigenen Gefühlen betrogen, die kurz darauf dafür sorgten, dass sich seine weißen Iriden zu silbernen Schlitzen verengten. Heftig wirbelte er herum und zerrte Shikamaru mit sich. 

 

„Wie ich sehe, hast du dir irgendeine erbärmliche Theorie zurecht gelegt!“, spie der Hyūga aus und donnerte den Nara gegen den nächstbesten Baum. Er hörte den harten Aufschlag des Schädelknochens gegen Rinde. „Spar sie dir. Ich habe das alles schon einmal gehört. Die Leute versuchen andauernd, meine Gedanken zu entschlüsseln, mich zu durchschauen. Zwei intelligente Köpfe gegeneinander antreten lassen – ist das dein Spielchen? Dann viel Spaß beim Verlieren, Nara. Mein Verstand hat es nicht nötig, repariert zu werden!“

 

„Du verstehst das alles total falsch…“, hustete Shikamaru und schüttelte den Kopf, um sich von dem momentanen Schwindel zu befreien. „Du Idiot!“

 

Neji blinzelte überrascht. „Was?“

 

Shikamaru ließ seinen Kopf gegen die zersplitterte Rinde des Baumes sinken, sein Gesichtsausdruck war seltsam ruhig. „Du verschwendest nur Energie damit, deinen Verstand zu verteidigen – aber das ist gar nicht das Problem…oder?“

 

Nejis wütende Maske bekam leichte Risse. „Wovon redest du?“, zischte er.

 

Shikamarus Lippen kräuselten sich in ein trostloses Lächeln und unwillkürlich versteifte sich Neji bei diesem Anblick. Sein Griff um Shikamarus Kehle wurde härter, doch er übte nicht genug Druck aus, um wirklich Schaden anzurichten, sondern unterband so lediglich ungewollte Bewegungen des anderen. 

 

Shikamaru blieb unbeeindruckt. „Du denkst, ich versuche, in deinen Verstand sehen zu können? Warum sollte ich mir die Mühe machen, herauszufinden, was in deinem Kopf vorgeht, wenn es überhaupt nicht darum geht, was du denkst. Meine Vermutung? Es geht darum, was du fühlst…

 

Nejis keuchender Atem stockte abrupt und er starrte unverwandt in die ruhigen, unerschütterlichen Augen des anderen Ninja. „Mach dich nicht lächerlich…“

 

„Von mir aus kannst du dich selbst belügen, doch ich durchschaue es…“

 

„Es gibt absolut nichts, das sich durchschauen ließe.“

 

„Doch, das gibt es. Gerade jetzt, wann immer ich dich gefragt habe, was du fühlst, jedes Mal, wenn ich Angst oder etwas Emotionales erwähnt habe, hast du es sofort in etwas Logisches umgekehrt.“ Aufmerksam musterte er Nejis geisterhaft blasses Gesicht und bemerkte sofort, wie sich seine Miene verhärtete. „Du hast jedes Mal sofort erwidert, ich könne nicht verstehen, was du denkst, was in deinem Kopf vorgeht, in deinem Verstand, obwohl es gar nicht darum ging. Du verhältst dich viel zu defensiv, ergo, die Wahrheit ist, dass es im Grunde überhaupt nicht darum geht.“

 

„Du liegst falsch.“

 

„Nicht ich bin das Problem und auch nicht Lee oder Naruto. Also was ist es? Wurde an dem falschen emotionalen Nerv gekratzt?“

 

Shikamaru konnte noch die Finger um seinen Hals zucken fühlen, bevor sich ihr Griff lockerte. „Ich rate dir, den Mund zu halten, solange du noch atmest, Nara!“

 

Shikamaru zeigte keinerlei Regung, sein Blick wanderte langsam über Nejis Gesicht. „Du bist der gefassteste Ninja in unserem Team…“

 

„Halts Maul, Nara!“

 

„…du bewahrst immer die Ruhe. Immer schon bei Sonnenaufgang auf den Beinen und am Meditieren…immerzu konzentriert…aber emotional absolut verschlossen…“

 

„Es reicht!“

 

Shikamarus Blick wurde etwas weicher, seine Stimme senkte sich zu einem Murmeln. „Du hast recht, Neji. Deinem Kopf geht es gut. Wenn es um deinen Verstand geht, bist du vollkommen bei dir, aber deine Emotionen sind derart aus dem Gleichgewicht geraten, dass du keine Ahnung mehr hast, wie du damit umgehen sollst…stimmt’s?“

 

Die blassen Augen wurden groß und ihr Ausdruck wurde wild, jedoch nicht zornerfüllt. Das Byakugan war fort. Shikamaru schüttelte den Kopf und ein Anflug von Bedauern schlich sich in seinen Blick. Behutsam wählte er seine Worte anhand des zitternden Griffs um seine Kehle. 

 

„Also was ist es? Von Menschen umgeben zu sein, die so emotional sind wie Naruto und Lee? In der Vergangenheit war es noch einfach für dich, nicht wahr? Du konntest deine Gefühle hinter diesem Schicksals-Schwachsinn und dem nachvollziehbaren Zorn gegen die Aufteilung deines Clans verstecken. Genau wie bei Sasuke…“

 

Nejis Finger schnitten ihm beinahe sämtliche Luftzufuhr ab. „Wage es nicht, mich mit diesem…“

 

„Es ist aber wahr.“, keuchte Shikamaru mühsam und streckte seinen Nacken so weit wie möglich nach hinten, um überhaupt sprechen zu können. „Genau wie bei ihm, schlug dir nur Groll entgegen und du hattest einen berechtigten Grund, dich wie ein Arschloch aufzuführen…aber jetzt hast du anstelle von Missgunst ein verdammt anständiges Team um dich und jeder Einzelne von ihnen würde sein Leben für dich aufs Spiel setzen. Und du würdest dasselbe tun, oder etwa nicht? Wie du es damals mit Kidōmaru getan hast, als wir vor drei Jahren versucht haben, Sasuke zurückzuholen…“

 

Nejis Augen zuckten, doch der Griff um Shikamarus Hals begann sich wieder zu lockern. Ein Beben ergriff seinen linken Arm und verzweifelt versuchte er, ihn ruhig und angespannt zu halten. 

 

„Sasuke war eine Mission. Es war unsere Pflicht.“

 

„Ja, ich weiß, dass du das glaubst.“

 

Augenblicklich straffte sich Nejis Arm wieder. „Erzähl mir nicht, was ich glaube, du Bastard!“

 

Shikamaru zog scharf die Luft durch die Nase ein, um sich auf einen erneuten Würgegriff vorzubereiten, doch als Neji nichts dergleichen tat, entspannten sich seine Züge zu einem schüchternen Lächeln. „Auch du musst zugeben, dass wir hin und wieder rein aus Instinkten heraus handeln. Aber deine Reaktion gerade war eine andere Art von Instinkt. Eine, die nicht von unserem Verstand geleitet wird.“

 

„Davon weiß ich nichts“, knurrte Neji, doch es klang abgehackt – erzwungen.

 

„Ja, hätte ich mir vermutlich auch nicht abgekauft…“ Shikamaru brummte leise und tastete sich mit seinen nächsten Worten vorsichtig vorwärts. „Ich schätze mal, diese Situation macht dir abartig Angst.“

 

Neji schlug seine Faust mit aller Kraft in Shikamarus Gesicht. Doch es lag keine Befriedigung darin, mitanzusehen, wie Shikamarus Kopf zur Seite gerissen wurde…denn es hielt ihn nicht davon ab, weiterzusprechen. Es machte die Worte nicht weniger schrecklich anzuhören. 

 

„Also…“ Shikamaru bewegte forschend seinen Kiefer und spuckte Blut zur Seite weg. „Offenbar geht es nicht darum, dass du es nicht ausstehen kannst, dass die Leute versuchen, dein Denken vorauszuahnen, oder deinen Verstand zu durchschauen. Es geht um Menschen, die etwas tiefer graben, nicht wahr?“

 

„Mach noch einmal den Mund auf und ich sorge dafür, dass du es nicht mehr kannst!“ Die Worte hätten vielleicht überzeugend gewirkt, wenn Nejis Stimme nicht so gezittert hätte.

 

Shikamaru ließ seine Zunge über die Zähne gleiten und nahm den metallischen Geschmack seines Blutes wahr. Er wandte seinen Blick wieder Neji zu und drückte sich weiter gegen den Baum, während er sich aufrichtete. „Warum? Geht es dir wirklich derart an die Nieren zu hören, wie Menschen emotional werden, weil du so verdammt verklemmt bist?“

 

Ein animalischer Klang von ohnmächtiger Frustration grollte durch Nejis Kehle. Ungläubig riss er seine Hand von Shikamarus Kehle und wich zurück, als würde irgendetwas Toxisches von dem Nara ausgehen. Diese bissigen, verwirrenden Worte berührten ihn an Orten, über die er nicht einmal nachdenken wollte. 

 

„Shinobi müssen über ihren Gefühlen stehen.“ Nejis Miene verfinsterte sich und er zögerte einen winzigen Moment, bevor er fortfuhr: „Sie vernebeln das Urteilsvermögen. Machen uns leichtsinnig und unbekümmert…“

 

Shikamaru blieb bewegungslos gegen den Baum gelehnt und runzelte die Stirn. „Sie machen uns nicht leichtsinnig. Sie sorgen dafür, dass es uns kümmert…und sie machen uns stark. Sie machen den Mist, den wir tagtäglich tun erträglich…

 

„Nein…“

 

Shikamaru wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, um das Blut und den Regen fortzuwischen, seine Augen verengten sich. „Und du willst das alles wegwerfen, weil du verdammt nochmal zu viel Angst davor hast, zuzugeben, dass du dich vor etwas fürchtest. Scheiße! Du fürchtest dich vor deiner eigenen Angst. Das ist einfach nur dumm!“

 

Nejis Faust hämmerte Shikamarus Kopf heftig gegen den Baum – schon wieder. 

 

„Ich habe KEINE Angst, elender Bastard!“

 

„Warum rennst du dann weg?!“, brüllte Shikamaru, seine dunklen Augen wurden hart, als er urplötzlich nach Neji trat und ihn so zwang, zurückzuweichen. „Naruto mag sich ja aufführen wie ein Großmaul, aber es liegt Wahrheit in all dem Schwachsinn, den er erzählt! Wir sind Menschen! Gefühle gehören nunmal zum Menschsein dazu. Und sie machen uns stark!“

 

Nejis Lippen verzogen sich zu einem Zähnefletschen, seine Stimme war rau und bebte. „Du liegst falsch!“

 

Shikamaru erwiderte das Knurren und stierte durch den anhaltenden Regen, seine Stimme erhob sich gemeinsam mit seiner hochkochenden Wut. „Verdammt nochmal, du bist so verbohrt! Hat Sasuke dich dazu inspiriert oder ist dieser Schwachsinn einfach nur angeborene Dummheit?“

 

„Trottel! Sasuke war der Inbegriff dessen, warum uns Emotionen schwach machen!“, brüllte Neji zurück und zerschnitt mit einer scharfen Armbewegung die Luft, um seine Worte zu unterstreichen.

 

Shikamaru runzelte die Stirn und verwirrt blickte er den Hyūga an. „Wovon zur Hölle redest du?“

 

Nejis Kehle entwich ein bitteres in Frost gehülltes Lachen. „Verstehst du es wirklich nicht, Nara? Sasuke dachte, er hätte die Kontrolle. Aber als er bis an sein Limit getrieben wurde, hatte er sie eben nicht. Er hat sich so sehr von seinen Emotionen aufzehren lassen, dass sie ihn korrumpiert haben. Hätte er stattdessen seinen Verstand benutzt, wäre er niemals gegangen!“

 

Die Falten auf Shikamarus Stirn wurden noch tiefer. „Also was – du denkst, Logik hätte ihn in seinem Zustand retten können? So funktioniert das nicht.“

 

„Natürlich tut es das. Hätte Sasuke nicht so empfunden, wie er es getan hat…er hätte sich niemals dieser Finsternis ergeben…er hätte es niemals zugelassen, dass seine Gefühle ihn in ein Monster verwandeln…“

 

„Neji…“

 

„Es ist alles passiert, weil er so viel gefühlt hat, dass er dazu getrieben wurde irgendeinen Weg zu finden, den Grund seines Schmerzes auszurotten!“ Neji hielt inne und stieß ein bitteres Kichern aus. „Und selbst wenn Logik ihn nicht hätte retten können, es war auf jeden Fall nicht Logik, die ihn zerstört hat…es war nicht sein Verstand…sondern das, was tief in seinem Herzen war. Es war das, was er empfunden hat!“

 

Shikamaru bewegte sich nicht, seine Augen verloren den Fokus und sein Atem stockte, als er über diese Worte nachdachte. Und mit einem Schlag schien sich die Welt in die andere Richtung zu drehen.

 

Fuck. Er…hat recht…

 

Der Nara senkte den Blick. Sasuke hatte zwar Nejis ehemaligen arroganten Sinn für Überlegenheit geteilt, aber was Neji sagte, war unzweifelhaft wahr – Sasuke war emotional gewesen – völlig egal, wie sehr er sich darum bemüht hatte, distanziert und unnahbar zu erscheinen. Es war alles eine List. Eine Lüge.

 

Aber Neji…

 

Shikamaru hob den Kopf, richtete seine Augen zurück auf den Ninja mit den opalhaften Augen und realisierte, dass Neji trotz seiner Wut auf seinen eigenen Clan unbestreitbar immer kontrolliert blieb. Er ließ sich nur gehen, wenn ihm die Gelegenheit und Erlaubnis dazu von anderen gegeben wurde. Selbst als er seine Kontrolle an seinen Zorn verloren und versucht hatte, Hinata umzubringen, war es auch damals innerhalb der Grenzen einer Gelegenheit geschehen, die ihm geboten worden war – nämlich die der Chunninprüfung. Eingeschlossen die Regel, dass es keine Regeln gab. Aber Sasuke…Sasuke hatte sich selbst Gelegenheiten geschaffen; ohne Rücksicht auf Kontrolle. Der Uchiha hatte sich aktiv Möglichkeiten gesucht, hatte sich gegen geltende Regeln, gegen Logik und Bestimmungen gestellt – und sogar gegen seine Freunde und Lehrer. Sein gesamtes Dorf. 

 

Neji jedoch…

 

Shikamaru musterte den Jōnin aufmerksam, während der Zorn aus seinen Augen wich, und sie stattdessen von einer Art trauriger Verwirrung verschleiert wurden. Neji war so kontrolliert, dass er nicht einmal die festgelegten Grenzen seiner eigenen Regeln übertreten würde, geschweige denn die Regeln anderer. Er war auch nicht mit Sai vergleichbar, denn Sai wusste es schlicht und einfach nicht besser – ihm fehlte eine Art Bezugssystem und das nötige Verständnis. Aber das war bei Neji nicht der Fall…Neji kannte es und konnte es sogar auf logische Weise verstehen; er wusste, wie es war, Emotionen zu empfinden und sie zu deuten…doch er würde es sich selbst niemals gestatten, sie auch zu äußern. Er hielt sie stets fest unterdrückt.

 

Es war einfach verrückt…wie konnte er so leben?

 

Er kann es nicht…Hinata hatte recht mit dem, was sie vor Jahren gesagt hat…er leidet…aber in dem Moment, in dem er sich das eingesteht…geht er das Risiko ein, völlig die Kontrolle zu verlieren…verdammt, als Hinata ihm die Wahrheit direkt ins Gesicht gesagt hat, hätte er sie fast umgebracht…

 

Shikamaru schluckte. Seine Augen wanderten langsam über Nejis Gestalt, glitten die eleganten aber traurigen Züge entlang, als würde er ihn gerade zum ersten Mal sehen. Neji war sich seiner Beobachtung nicht bewusst – bestürzt starrte der Hyūga auf seine Hände, als könnte er sie dadurch zwingen, aufzuhören zu zittern. 

 

Er kann es nicht…hier geht es nicht länger um geistige Willenskraft…er befindet sich an einer ganz anderen Art von Limit…er hat seine Belastungsgrenze erreicht…Scheiße…

 

Shikamaru spürte sich einen Schritt vorwärts bewegen, ohne wirklich zu wissen, was zur Hölle sein Körper tat. Sein Verstand war immer noch damit beschäftigt, das volle Ausmaß der Situation zu verarbeiten. 

 

Scheiße, so ein simples rührseliges Geplapper war genug, um das in ihm auszulösen? Oh Mann, was für ein Drama…wobei man ja sagt, dass es meist nur eine Kleinigkeit ist, die das Fass zum Überlaufen bringt…

 

Obwohl sein Verstand ihn mit Nachdruck dazu drängte, einen Moment innezuhalten und diese möglicherweise verheerende Situation zu überdenken – was einschließen würde, einen großen Schritt zurückzuweichen – Shikamarus Füße bewegten sich ununterbrochen weiter voran und schlossen langsam die Distanz zu dem anderen Ninja. Neji schien es nicht einmal zu bemerken, er war immer noch zu beschäftigt damit, auf seine Hände zu stieren, offensichtlich empört über den Verrat seines Körpers. Doch da war noch etwas anderes, das sich hinter seinen Augen abspielte. Angst. Blinde Angst. Die Art von Angst, die Menschen unbesonnene, wahnsinnige Scheiße tun ließ. Shikamaru unterdrücket ein Seufzen. Das würde alles andere als einfach werden. Und nicht nur das, er verspürte auch das Bedürfnis, irgendeine Art von Trost anzubieten, von der er nicht einmal wusste, ob er sie wirklich geben konnte. 

 

„Neji…“

 

„Bleib weg von mir…“

 

„Auf keinen Fall, Neji. Tut mir leid.“

 

„Nicht…“ Neji begann sich zurückzuschieben, sein Fuß rutschte automatisch nach hinten, als er sein rechtes Bein durchstreckte, mit dem linken einknickte und eine Handfläche nach hoben streckte. Die Haltung, in der er so fiel, machte deutlich, dass er bereit war, anzugreifen, sobald er bedrängt wurde. 

 

Shikamaru blieb nicht stehen. Er näherte sich immer weiter, wenn auch langsam und wider besseres Wissen. Doch aus irgendeinem Grund, konnte er sich hiervon nicht abwenden. 

 

„Hör auf zu kämpfen.“

 

Nejis Stimme war hart, doch seine Augen verrieten ihn. „Bleib zurück!“

 

„Neji.“

 

„Ich sagte bleib zurück…“, warnte Neji ihn.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Du bist mein Kamerad. Und in diesem Fall bin ich für dich verantwortlich.“

 

„Ich glaube du verwechselst da etwas, Nara. Du bist hier nicht der Jōnin…“, fauchte Neji, seine Augen blieben auf die Rückseite seiner erhobenen Hand gerichtet. Sie zitterte heftig und zornig ballte er sie zur Faust. „Verdammt…“

 

„Siehst du, was du dir selbst antust? Jōnin hin oder her, es würde auch keine Rolle spielen, wenn du der verfickte Hokage wärst. Nichtmal dein Körper kann sich noch kontrollieren. Also hör auf, dagegen anzukämpfen.“

 

„Wenn ich das nicht bekämpfen kann, dann sollte ich wohl dich bekämpfen…“

 

Und damit stürzte Neji vorwärts, seine Handkante zerschnitt die Luft wie ein Messer, sein Angriff wurde jedoch geblockt und seine Hand rutschte über Shikamarus Unterarm ab. 

 

„Hör auf!“ Shikamaru duckte sich unter einem weiteren Hieb weg. „Ich werde nicht gegen dich kämpfen, du Idiot!“

 

„Du hast kein Mitspracherecht in dieser Sache.“

 

„Verdammt.“, zischte Shikamaru, wirbelte scharf herum und sein Arm traf hart auf den des Hyūga. Ihre Blicke trafen sich über ihre verhakten Arme hinweg. „Das ist also dein Plan? Es immer weiter zu meiden? Hat bisher ja wunderbar geklappt, oder?“

 

Die mörderische Drohung in Nejis Augen übertrug sich nicht auf seine Handlungen. Das Byakugan blieb weiterhin deaktiviert und in seinen Händen sammelte sich kein todbringendes Chakra. Er versuchte, seinen Arm aus der Verschränkung zu lösen, indem er seinen Ellbogen gegen Shikamarus Kiefergelenk schnellen ließ. Doch sein Schlag wurde abgefangen und verknotete sie nur noch enger miteinander.

 

„Was auch immer es ist, es wird nur noch schlimmer werden, je mehr du es leugnest!“

 

Neji brüllte ihn an, der Regen trommelte gegen sein Hitai-ate und floss seine gepeinigten Gesichtszüge hinab. „Halts Maul!“

 

„Du sollst doch ein Genie sein, Neji, aber du benimmst dich wie der letzte Trottel!“

 

„Fick dich! Glaub ja nicht, mich zu kennen!“

 

„Sind wir wieder bei dem Schwachsinn über Kopf und Logik? Oh Mann, du fängst jetzt wirklich an, mich enorm anzupissen!“ Shikamaru hatte keine Ahnung, woher das Gefühl auf einmal kam, doch eine Woge heißen Zorns explodierte in seinem Inneren und jagte Adrenalin durch seinen ganzen Körper bis in seine Faust. 

 

Der Schlag hätte niemals sein Ziel erreicht, wenn das Byakugan aktiviert gewesen wäre. Doch Neji hielt sich zurück und das wurde ihm jetzt zum Verhängnis. Shikamaru beobachtete, wie der der andere Ninja mit voller Wucht gegen einen Baum katapultiert wurde. Ein ersticktes Husten fiel von Nejis Lippen und noch bevor er sich von dem Treffer erholen konnte, erfüllte das Flirren fliegender Shuriken die Luft – dünne Drähte blitzten auf, als sie sich um Nejis Körper schlangen und ihn fest an den mächtigen Stamm zurrten. Mehrere Kunai kamen auf ihn zugeflogen und bohrten sich durch den Stoff seiner Robe tief in das Holz. Die Waffen trafen kein Fleisch, sondern sollten die Fesselung nur zusätzlich absichern.

 

Nejis Blick loderte zornig, sein Körper wurde gefährlich ruhig. „Du Bastard…

 

„Jetzt beruhig dich endlich, verdammt!“ Shikamaru kam zu ihm herüber marschiert, packte unsanft Nejis Kiefer und drückte seinen Kopf nach hinten. „Glaubst du im Ernst, dass dein Verhalten irgendetwas lösen wird?“

 

„Du elender Feigling. Kämpf gegen mich!“

 

„Du glaubst wirklich, mich windelweich zu prügeln würde irgendwie dazu führen, dass du dich besser fühlst?!“

 

Neji keuchte einen unterdrückten Fluch und lenkte damit Shikamarus Aufmerksamkeit auf seine blutverschmierten Lippen. „Ich würde lieber gegen dich kämpfen, anstatt mir auch nur noch ein weiteres Wort deines erbärmlichen Gefasels anhören zu müssen.“

 

„Warum, ist es zu nah an der Wahrheit für deinen Geschmack?“

 

„Bastard!“

 

„Vollidiot!“

 

„Feigling!“

 

Du bist derjenige, der wegrennt, Hyūga!“ Shikamarus Griff um Nejis Kiefer verstärkte sich, seine Nägel gruben sich in die Haut über dem Gelenk, als er sich weiter nach vorn lehnte. „Spielen wir hier mit vertauschten Rollen, oder was? Es passt nicht zu dir, abzuhauen.“

 

„Aber es ist in jeder Hinsicht deine Natur, nicht wahr, Nara?!“, knurrte Neji und keuchte abgehackt.

 

Shikamaru grinste und sein Atem entwich bebend seinen Lippen. „Es ist für mich so natürlich wie atmen, aber im Moment bist immer noch du es, der hier wegrennt.“

 

Spannung begann zwischen ihnen zu knistern, Funken der latenten Gewalt, die in der Luft lag und von etwas anderem, entzündeten sich aufgrund ihrer Nähe. Ihre Blicke schienen sich gegenseitig in ihr Fleisch zu krallen, intensiv und ursprünglich mit einer beinahe fleischlichen Aggression.

 

„Dafür bring ich dich um!“, fauchte Neji, sein Atem schlug gegen Shikamarus Mund. 

 

Und in dem Moment, in dem der Hauch auf seine Lippen traf, spürte Shikamaru ein unbeschreibliches Kribbeln, das seine Nerven entlang jagte und etwas Entscheidendes in seinem Verstand kurzschloss. Es sandte einen Impuls durch seinen Körper, der so triebgesteuert und übermächtig war, dass er ihn ergriff, bevor er ihn überhaupt begreifen konnte.

 

„Was zur Hölle ma…“ Neji wurde zum Schweigen gebracht – aber nicht von einer Faust oder einem harschen Wort, sondern von Shikamarus heißem zornigen Mund, der hart auf seinen eigenen traf.

 

 

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Und es geht los...eine lange lange Reise, auf der mich hoffentlich viele von euch begleiten werden!

Ich freue mich über jede Art von Feedback, bitte lasst mich wissen, wie ihr die Geschichte findet! :)



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