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Kapitel 11

Schmatzend schlage ich die Augen auf. Während ich mir den Sabber vom Mund wische, taste ich mich mit der anderen Hand zur Seite. Doch als neben mir nur gähnende Leere herrscht, setze ich mich auf. Verwirrt schaue ich im Zimmer umher. »Victor? Bist du hier?«

Mein Blick fällt auf einen beigen Schlafanzug, der über die Lehnen der Couch hängt. Ich schwinge die Beine aus dem Bett, strecke mich ausgiebig und laufe zum Sitzbereich. Der Anzug scheint genau meine Größe zu haben. Victor muss ihn für mich rausgelegt haben, nachdem er – wann auch immer – gegangen ist. Deshalb ziehe ich ihn mir kurzerhand über, bevor ich aus dem Zimmer tapse.

Ich schlendere barfuß durch den unbekannten Gang. Gestern habe ich mich verlaufen, weshalb ich hier herausgekommen bin. Zu meiner rechten Seite sind weitere Zimmer, auf der linken hingegen ist ein offener Bereich. Für mich wirkt er fast wie die Aussichtsplattform eines Turms. Er bietet einen rundum Panoramablick auf den unberührten Wald. An der Wand zur rechten steht eine lange Bar mit zehn Hockern und vor den schier unendlich breiten Fenstern Cocktailsessel wie in einer Lounge. Keine Ahnung wie spät es ist, aber die Sonne bewegt sich eilig zum Höhepunkt. Der gesamte Bereich ist mit Licht geflutet.

Das sieht krass aus, schießt es mir durch den Kopf. Nachts ist es hier bestimmt perfekt. Ein Cocktail, sanfte Musik, die Sicht zu den Sternen… Victor führt ein Leben wie im Traum. Ich möchte hier auch mal sitzen. Mit ihm.

Mein Blick bleibt an zwei bekannten Personen hängen, die am linken Bereich sitzen und gedankenverloren zum Wasserfall über den Baumwipfeln starren. Ich gehe langsam zu ihnen.

»Hast du das Shampoo aufgebraucht?«, höre ich Adrian, als ich näherkomme. »Du weißt, dass wir keines mehr haben?«

»Reg dich ab«, stöhnt Elliot. »Du wolltest doch unbedingt, dass ich spüle.«

»Mit Shampoo?«

»Der Geschirreiniger ist halt auch alle, was weiß ich!«

»Gibt es etwas, das nicht ausgegangen ist?«

Elliot grinst. »Also Kondo…«

Adrian springt wie vom Blick getroffen auf, als er mich bemerkt. Dann schneidet er Elliot das Wort ab: »Ja, ja, genau! Gut, dass wir das geklärt haben!« Er lächelt mir freundlich zu. »Ah! Mr Carter! Ein schöner Morgen, nicht wahr?«

»Habe ich gestört?«

»Ja, kannst du dich verpissen?«, murrt Elliot, wofür er einen bösen Blick von Adrian kassiert.

»Bitte verzeihen Sie, Mr Carter. Setzten Sie sich doch«, richtet Adrian die Situation gerade. Er deutet auf den letzten der drei Sessel, weshalb ich platznehme. Dann setzt sich auch Adrian wieder.

»Wo ist Victor«, frage ich.

»Unten, glaub ich«, meint Elliot, der sowohl Kopf als auch Arme kraftlos über die Lehnen baumeln lässt. »Geh doch zu ihm und lass dich durchnehmen, anstatt uns hier zu nerven.«

»Das reicht jetzt«, mahnt Adrian mit erhobener Stimme.

»Warum? Wir sind nicht aus dem Schlafzimmer des Bosses gekommen…«, raunt Elliot anzüglich, bevor er mir einen amüsierten Blick zuwirft. 

Ich beiße mir auf die Lippe, als mir die Röte ins Gesicht schießt. Die beiden wussten zwar vorher schon, weshalb mich Victor hat entführen lassen, aber nun habe ich es wirklich getan!

»I-Ist ja auch egal«, sage ich und räuspere. »Was anderes: Ihr seid irgendwie rund um die Uhr beim Boss und ich sehe euch auch nicht gehen. Wohnt ihr mit hier oder so?«

Adrian deutet nach draußen auf ein Häuschen, kaum zwanzig Meter von diesem Anwesen entfernt. »Wir wohnen nebenan. In unserer Stellung müssen wir zu jeder Zeit abrufbereit sein.«

»Der Fernseher ist echt nicht schlecht«, ergänzt Elliot die Ausführungen. »Und die Kaffeemaschine, oder die Saune… oder 

»Dann seid ihr quasi jeden Tag und wirklich 24 Stunden zusammen? Geht ihr euch da nicht manchmal selbst auf den Keks? Und was ist mit Victor? Ihr klebt jeden Tag an ihm.«

»Es ist eine sehr große Ehre, unserem Boss in dieser Form nützlich zu sein. Für uns gibt es keine lobreichere Anerkennung«, erklärt Adrian, als hätte er diese Sätze mehrere Jahre auswendig gelernt.

Elliot stöhnt. »Ehre schön und gut. Trotzdem ist es manchmal echt zum Kotzen«, antwortet er ehrlicher.

»Wenn das der Boss hört!«, raunt Adrian.

»Komm schon, als ob wir ihm nicht auch hin und wieder auf den Zeiger gehen.«

»Was soll Mr Carter denken, wenn du so abwertend über unser Pflichtgefühl sprichst?«

Elliot mustert mich intensiv. Dann sieht er mich direkt an. »Ich hab nur gesagt, dass es eben nervt, jemanden ständig an der Backe zu haben.« Er verengt die Augen. »An meiner Loyalität ändert das nichts. Für die Familie würde ich Tausend Tode sterben.«

Ich schlucke. Einen Moment kehrt Stille ein. Adrian nimmt seine Tasse, die auf dem niedrigen Tisch steht und trinkt vom Tee. Um das Thema in eine friedfertigere Richtung zu lenken, frage ich: »Hat eigentlich jeder in eurer Familie so ein Drachentattoo wie Victor? Ist das vielleicht ein Erkennungszeichen?«

»Äh, nö. Was für ein Quatsch. Du hast wohl zu viele Mafia-Filme gesehen«, prustet Elliot, was mich die Zähne zusammenbeißen lässt. »Aber Adrian hat eines. Er wollte damals unbedingt das gleiche haben wie sein großes Vorbild, Victor Lassini.«

Unsere Köpfe wirbeln herum, als Adrian sich plötzlich am Tee verschluckt und röchelnd nach Luft ringt. 

Elliot grinst böse. Dann fragt er mich: »Willst du wissen, wo er die putzige Mini-Version hat?«

»Wo?«

»Direkt über seinem…«

Wie ein Katze springt Adrian auf und schlägt seinem Kumpanen die Hand vor den Mund. Seine Augen glühen, als er mit unterdrückter Wut zu mir sagt: »Bitte entschuldigen Sie uns, Mr Carter. Wir beide haben eben etwas unter vier Augen zu besprechen.«

Elliot kann gar nicht so schnell aufstehen, da wird er schon von Adrian aus der Kuppel gezerrt. Blinzelnd sehe ich zu, wie sie hinter der Ecke abbiegen, dann bin ich wieder allein. Seufzend verlasse ich ebenfalls den Bereich und folge dem Gang weiter, bis ich zu meinem Zimmer komme. Ein Blick hinein bestätigt meine Annahme, wieder hergefunden zu haben. Und draußen folgt auch das bekannte Poolzimmer, das ich von oben aus betrachten kann. Diesmal allerdings mit einem entscheidenen Detail: Victor schwimmt im türkisfarbenen Wasser. 

Er breitet seine muskulösen Arme aus, um sich nach vorne zu drücken. Dabei taucht sein Kopf unter Wasser, damit er die Dynamik besser ausnutzt. Als er wieder auftaucht und das schimmernde Wasser von seinen Haarspitzen abperlt, setzt mein Herz einen Sprung aus.

Was ist das?, schießt mir durch den Kopf. Ich kralle mich in mein Pyjamaoberteil, direkt auf meiner Brust. Mein Blick liegt weiterhin auf Victor, welcher am Ende der Bahn ankommt und seinen trainierten Körper zurückwirft. Er fährt sich anziehend durch die Haare, als wäre da eine Kamera, die sich rund um die Uhr nur auf ihn richtet, um seine Attraktivität einzufangen. Ich verdrehe die Augen. Er könnte über seine eigenen Füße stolpern und sähe dabei noch sexy aus.

Victor wendet sich, um die nächste Bahn zu ziehen. Allerdings hebt sich sein Kopf, sodass er in der Bewegung stoppt, als er mich bemerkt. Ein herrisches Grinsen erscheint auf seinen kantigen Zügen. Er hebt den Finger und winkt mich zu sich heran. Erst zögere ich, dann laufe ich die Treppe herunter. Ich entdecke an der Seite des Poolzimmers eine Glastür, durch die ich trete.

»Du musst sehr zufrieden gewesen sein, so lange wie du geschlafen hast«, begrüßt mich Victor. Er stemmt sich am Beckenrand hoch. Dabei ziehen sich seine Muskeln unter der Anstrengung zusammen. Als er wieder in voller Größe dasteht, kommt er mit ausgelassenen Schritten zu mir. Nur mit einer Badehose bekleidet, muss ich schlucken, als ich ihn unwillkürlich mustere.

»Du treibst so früh am Morgen schon Sport?«, frage ich und sehe mich im Zimmer um. Neben dem Pool befindet sich auch eine Sauna an der gegenüberliegenden Wand. Davor sind kleinere Becken in den Boden eingelassen. Ein Whirlpool steht in einer marmorierten Erhöhung neben dem Sofaeck zum Entspannen. Zudem ist auch hier die Decke verspiegelt, allerdings nur über dem Bereich des Pools.

Plötzlich greift Victor nach meiner Hüfte und zieht mich heran. Erschrocken wirbelt mein Kopf hoch, während er mich an seinen nassen Körper drückt. Er raunt in mein Ohr: »Ich muss für dich fantastisch aussehen.«

Meine Nackenhärchen stellen sich auf. Ich winde mich räuspernd aus Victors Griff. »Was tust du? Der Schlafanzug wird ganz nass!«

Schnell ist er wieder bei mir und hält mich in seinen Armen. Seine linke Hand findet an meinen Ausschnitt und schleicht zum ersten Knopf, den er geschickt öffnet. Er raunt verführerisch: »Dann solltest du ihn besser ausziehen.«

Empört schlage ich die freche Hand von mir und verziehe die Lippen. »Du denkst nur mit deinem Schritt.«

Victors Augen zucken gefährlich ob meiner anmaßenden Bemerkung. Aber das Grinsen des Mafia-Bosses wird nur breiter. Auf einmal fasst er mich unter den Kniekehlen und am Rücken. Dann hebt er mich einfach hoch. Aus Reflex schlinge ich meine Arme um seinen Hals und presse mich an ihn.

Meine Wangen laufen rot an. »W-W-Was tust du?«

Anstatt mir zu antworten, läuft Victor direkt auf den Pool zu. Mir dämmert was er vor hat. Doch als ich zu dem klaren Wasser sehe, bilde ich mir ein, dass es sich pechschwarz verdunkelt. Ich höre die Wellen, die gegen das Schiff schlagen, spüre die Kälte, die meine Haut zerfrisst und die Luft, die ich vergebens suche.

»V-Victor…«, flüstere ich heiser. Meine Augen weiten sich bei den Erinnerungen an den Abend auf Victors Yacht. Meine Finger krallen sich in seinen Rücken. »N-Nicht… Lass mich los…«

Er hört nicht auf mich, überwindet den letzten Abstand und hält mich direkt über das Wasser. Ich beginne unkontrolliert zu zittern. Bisher konnte ich diese Beinahe-Tod Erfahrung verdrängen, aber jetzt kommt sie mir wie real vor. 

»Victor! Lass mich runter! Lass mich runter!«, kreische ich jetzt panisch. Ich beginne mit den Beinen um mich zu treten. Victor runzelt verwirrt die Stirn. Mit voller Kraft drücke ich mich von ihm, obwohl das eher kontraproduktiv ist, weil ich so in den Pool fallen könnte. Meine Stimme überschlägt sich: »Runterlassen! Lass mich runter! Ich will nicht! Hör auf! Lass mich runter!«

Victor macht ein paar Schritte rückwärts, dann setzt er mich auf den nassen Fliesen ab. Kaum spüre ich Boden unter den Füßen, geben meine Beine nach. Kraftlos falle ich auf die Knie. Ich hole tief Luft, wieder… und wieder. Victors abschätziger Blick sticht in meinen Rücken. Deshalb gleite ich zur Seite, bis ich auf dem Hintern sitze und sehe ihm in die Augen. 

»Was ist das für ein Theater?« Der Mafia-Boss verschränkt die Arme.

»Theater…«, flüstere ich entrüstet, habe allerdings keine Kraft, aufzubegehren. Mein Herz schlägt vor Todesangst. »Du bist daran Schuld. Niemals mehr werde ich vergessen können, was passiert ist.«

»Sprichst du von dem Abend auf meiner Yacht?«

»Bei dir ist jede verstrichene Minute ein Hoch und Tief aus Gefühlen. Mein Kopf ist das reinste Chaos.«

Victor verdreht die Augen, als wäre er genervt von meinen Ängsten. Jemand wie er fürchtet den Tod natürlich nicht. Er kann nicht verstehen, wie ich mich fühle, wenn ich die zarten Wellen im Pool nur anschaue.

Victor verringert den Abstand zum Becken und vollführt einen Kopfsprung hinein. Das Wasser spritzt zu mir, sodass ich einen Arm vor mein Gesicht halte. Weil er nach einigen Momenten nicht auftaucht, rutsche ich näher zum Pool, um nach ihm zu schauen. Plötzlich durchbricht er die Oberfläche, bevor er zu mir an den Beckenrand schwimmt. Eine Hand wird mir ausgestreckt, fordert mich dazu auf, weiter heranzukommen.

»Erst die Beine«, sagt Victor.

»W-Warte, das geht nicht…« Ich kralle die Finger in meinen Schlafanzug. »Mit den Sachen kann ich doch nicht ins Wasser. Zudem will ich nicht. Ich kann nicht.«

»Die Sachen sind egal. Komm einfach.«

»A-Aber die waren sicherlich teuer…«, suche ich nach Ausreden, nicht in den Pool zu müssen. »Die Nähte könnten reißen. Das Chlor ist schädlich für die Farbe.«

Victor legt den Kopf schief. »Etwas besseres fällt dir nicht ein? Schon mal davon gehört, dass man gleich wieder in ein Auto steigen soll, wenn man ein Unfall gebaut hat? Kommst du jetzt nicht, wirst du es nie.«

»Dann bade ich eben nie wieder!«, protestiere ich. Die Bilder in meinem Kopf sind zu grauenvoll. Dunkelheit, welche mich umschließt, das Gefühl zu ersticken… Ich schlinge die Arme um meinen Körper.

Victor stöhnt: »Tu was du willst«, dann dreht er um und beginnt zum Ende der Bahn zu schwimmen. 

Während er mit dem Training fortfährt, lasse ich die Schultern hängen. Mit meinen Augen folge ich den geübten Bewegungen von Victors muskulösem Körper. Das Wasser schwappt bei jedem seiner Züge über den Beckenrand, hinein in den vergitterten Abfluss. Langsam strecke ich mein rechtes Bein aus, bis ich den großen Zeh in den Pool stecken kann. Die Temperatur ist nicht so kalt wie in einem Hallenbad, aber auch nicht kochend heiß wie in einer Therme. Zudem scheint es gerade so tief zu sein, dass mir das Wasser bis zum Kinn reichen würde.

Völlig anders als das grauenhafte Meer, denke ich nach, gleite ein weiteres Stück heran. Diesmal teste ich mit meiner Hand die Beschaffenheit des Wassers, lasse die Wellen durch meine Finger gleiten. Hier kann mir kaum etwas passieren. Warum traue ich mich nicht?

»Bist du eine Katze?«, spottet Victor, als er am linken Rand auftaucht, um durchzuatmen. 

Ich verziehe den Mund. »Lässt sich leicht sagen, wenn man selbst nicht beinahe ertrunken ist.«

»Das weißt du woher?«, fragt Victor, zieht die Augenbrauen abschätzig hoch.

Ich horche auf. »Wie meinst du das?«

»Mein Vorgänger war der Meinung, ein Kind lernt am schnellsten, wenn es ins kalte Wasser geworfen wird – wortwörtlich.« Victor schwimmt heran. Ich schlucke hart, als er sich auf den Rand abstützt. »Habe ich jemals gejammert, wenn ich beinahe gestorben wäre? Die ganze Welt hat es auf meinen Kopf abgesehen, trotzdem ziere ich mich nicht wie eine Prinzessin.« Er verengt die Augen zu Schlitzen. »Also reiß dich gefälligst zusammen.«

Ich schüttele empört meinen Kopf. »Unfassbar.«

Victor will sich bereits wieder abwenden, um mit Schwimmen fortzufahren, da balle ich die Fäuste. Wütend schlage ich durch den Pool. Das Wasser schwappt auf und spritzt dem Mafia-Boss direkt ins Gesicht. Victor kneift die Augen zusammen. Stille kehrt ein. Er beleckt sich die Zähne, dann fährt er sich über seine geschlossenen Lider. Seine Hand beginnt vor unterdrücktem Zorn zu Zittern. Dann hebt er langsam – fast wie in Zeitlupe – seinen drohenden Blick zu mir. Ich habe ihn gedemütigt, ja, das ist es wahrscheinlich, was ihm durch den Kopf geht. Egal, ob ausschließlich ich alleine es gesehen habe, das verletzt seinen Stolz. Der eitle Boss – ich habe seine Unantastbarkeit durchbrochen.

»Was?«, frage ich todesmutig. Als er mir nicht antwortet, spritze ich ihn einfach nochmal mit Wasser voll. Diesmal wischt er sich nicht über die Augen, sondern verengt sie weiter zu Schlitzen. Ein hartes Schlucken kann ich nicht verhindern. Aber ich will ihm keine Furcht zeigen. Stattdessen wiederhole ich diese Aktion. Bei einem Mal stoppe ich nicht – Ich beginne ihn unentwegt mit Wasser vollzuspritzen. »Hm? Was? Was, was, was?«

Durch die Wucht des Wassers, das mir selbst die Sicht nimmt, kann ich Victor nicht erkennen. Plötzlich spüre ich eine kräftige Hand an meinem Knöchel. Bevor ich überhaupt realisieren kann was geschieht, fährt ein Ruck durch meine Glieder, der mich direkt vom Rand in den Pool zerrt. Für einen Augenblick bin ich Unterwasser, doch ich werde gleich an die Oberfläche gezogen und gegen die Fliesen gedrückt. Meine Hände werden schmerzhaft fest auf den Beckenrand gepresst. Die Kante bohrt sich in meinen Rücken. Das Herz rast mir durch die Überraschung. 

Victor beugt sich zähnefletschend über mich. »Wo ist deine Dreistigkeit jetzt? Hast du Angst?«

Als Antwort puste ich das Wasser aus, das ich noch im Mund habe – erneut direkt in Victors Gesicht. Diesmal kann ich nicht anders, als amüsiert zu lachen, als Victors Strähnen in sein Gesicht rutschen, was ein wenig wie Seetang aussieht. Anschließend meine ich: »Bin im Pool. Yippie… oder so?«

Victor streicht sich die Haare aus dem Gesicht, dann sieht er mir böse in die Augen. Ich wende mich nicht ab, verberge das Schmunzeln nicht. Keine Ahnung wie lange wir so verweilen. Wir sehen uns bloß an, bewegen uns kaum. Nur der Griff um meine Handgelenke lockert sich, sodass sie nicht mehr wehtun.

Was denkst du gerade?, frage ich Victor innerlich. Er scheint in meinem Blick zu forschen. Ich versuche das gleich bei ihm zu tun. Mein Herz, das sich in unseren Momenten des Schweigens beruhigt hat, setzt einen Sprung aus. Was siehst du in mir? Wer genau bist du eigentlich? Warum tust du mir weh und siehst mich in der nächsten Sekunde so eindringlich an?

Victor hindert mich nicht daran, dass ich meine Hände aus seinem Griff löse und sie an seine Wangen lege. Ich streiche mit den Daumen über seine raue Haut. Dann ziehe ich ihn zu mir heran, damit wir uns küssen können. Seine warmen Lippen bewegen sich gierig auf meinen. Er schlingt einen Arm um meine Hüfte. Die nassen Sachen im Wasser flattern schwerelos. Wiederum kleben sie an anderen Stellen an unserer Haut.

Ein Schauer schleicht durch meine Nerven, als sich Victors Hände zu meinem Hintern tasten und ihn zu massieren beginnen. Kurz darauf packt er meine Schenkel, um mein Becken auf seines zu ziehen. Automatisch schlinge ich die Beine um seinen Rumpf. Ich ziehe ungeduldig Kreise mit der Hüfte. Victor wird schon hart, ich spüre es durch seine Unterhose und den klebrigen Stoff meines Pyjamas. Er küsst mich ungezügelt, öffnet die ersten Knöpfe meines Oberteils. Ich seufze.

Plötzlich wird die Tür zum Poolzimmer aufgerissen. Überrascht lösen wir uns voneinander und sehen zu dem störenden Eindringling, der sich als Adrian herausstellt. Als dessen Blick über uns gleitet, senkt er schnell den Kopf und räuspert sich. »Ich bitte um Verzeihung für die Störung, aber es ist sehr dringlich, Sir.«

Victors Hände verkrampfen sich. Er knurrt böse: »Ich hoffe für dich, dass das Haus in Brand steht. Ansonsten drehe ich dir den Hals um.«

Adrian schluckt schwer. »Schlimmer, Sir. Wir haben gerade Meldung bekommen, dass der Carlos Clan dreizehn unserer Männer in der 19ten getötet hat. Wie es scheint, haben sie sich eine Art Stützpunkt aufgebaut und klappern jetzt das Revier ab.«

Victors Augen weiten sich. Eine pulsierende Ader tritt an seinem Hals hervor. Er lässt von mir ab, dann stemmt er sich aus dem Wasser, um ein Handtuch vom Sofa zu schnappen und sich abzutrocknen. Er befiehlt Adrian mit eiserner Stimme: »Ruf zusammen, wer sich in zehn Minuten mobilisieren lässt. Wir brechen sofort auf.«

Nach Adrians Verbeugungs-ähnlicher Bewegung verschwindet dieser so schnell, wie er gekommen ist. Verwirrt blicke ich von der Tür zu Victor und wieder zurück.

»Komm raus. Zieh dich an. Beeilung«, befielt Victor mir. Er wischt mit dem Handtuch über die Haare. Danach schmeißt er es achtlos nach hinten.

»Was… Wohin?«, frage ich zögerlich.

»Wir fahren zur 19ten. Mach hin.«

»Moment.« Ich drücke mich wie Victor zuvor am Beckenrand hoch, bis ich sitze. »Du hast mir versichert, dass du mich aus deinen kriminellen Angelegenheiten raus lässt. Warum soll ich auf einmal mitkommen?«

Victor läuft zur Tür. »Du bleibst nicht alleine hier.«

»Was soll das?« Ich verenge die Augen.

»Beeil dich. Ich werde mich nicht wiederholen.«

Ich stehe hoch, bevor ich die Zähne zusammenbeiße. Anschließend brülle ich: »Du hast es mir versprochen! Erinnerst du dich an gestern Abend? Wir saßen auf deinem Bett, bevor du mich entjungfert hast! Und du gabst mir dein Wort, dass deine Verbrechen deine Sache ganz alleine bleiben werden!«

Victor bedenkt mich mit einem letzten abschätzigen Blick. »Wie schade, dass ich ein böser Junge bin. Wir halten bekanntlich nicht, was wir versprechen.«   



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