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Die Götter hassen mich

von

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Fackelschein und Gitterstäbe

Hastig rannte Hicks durch die verschlungenen Gänge der Basis. Menschliche Gefangene wurden in drei unterschiedlichen Blöcken gehalten und Hicks musste unbedingt in den westlichen gelangen, also folgte er unbeirrt dem Weg, den er sich von den Karten so gewissenhaft eingeprägt hatte. Der Zellenblock wurde streng bewacht und es würde nahezu unmöglich sein, dort unbemerkt hineinzukommen, aber Heidrun hatte auch dafür einen Plan gehabt und Hicks entsprechend instruiert.

Nur noch hier links um die Ecke biegen und... schon prallte Hicks zurück. Seine schmale Gestalt hatte der Körpermasse des muskulösen Wächters nichts entgegenzusetzen und so stürzte Hicks ungebremst zu Boden, während der Jäger sich nicht einmal bewegte.

„Na was haben wir denn hier? Du hast dich wohl auf die falsche Seite der Gitterstäbe verirrt, was?“ Mit einem überlegenen Grinsen packte er Hicks am Kragen und hob ihn mühelos in die Höhe.

Hicks dankte innerlich Mala für ihr unnachgiebiges Training, denn er musste all seine Selbstbeherrschung aufwenden, um seine Drachen-Gestalt unter Verschluss zu halten, während der Jäger ihn völlig selbstverständlich an seinen lachenden Kollegen übergab, so als wäre Hicks nichts weiter als ein kleiner Sack Mehl.

Auch der andere Jäger war hochgewachsen, durchtrainiert und viele Narben wiesen auf Erfahrungen im Kampf hin. Er durchsuchte Hicks, fand jedoch weder eine Waffe noch einen Dietrich bei ihm. Etwas skeptisch besah er sich den unscheinbaren Knaben, dann packte er ihn wieder am Kragen.

Ohne große Anstrengung zerrte er Hicks durch die Gänge und hielten nur wenig später vor einem großen, in die Wand eingelassenen Käfig, in dem bereits einige unglückliche Seelen saßen.

Die Jäger versuchten wirklich aus allem Profit zu schlagen, also wurden auch Reiter und menschliche Unterstützer der Flüsterer gefangen genommen und entweder als Arbeitskräfte missbraucht oder als Sklaven verkauft. Das gleiche Schicksal war wohl auch für die Insassen des Käfigs vorgesehen, in den Hicks nun grob gestoßen und weggesperrt wurde.

Hicks spielte seine Rolle als verängstigter Teenager makellos, denn er hatte ja noch immer innerlich damit zu kämpfen, seine Flügel und Klauen unter Verschluss zu halten. Und tatsächlich hatte keiner der Jäger Interesse an dem Jungen oder würdigte ihn einen zweiten Blickes, sondern sie sperrten ihn einfach nur wortlos zu den anderen, um sich wieder den wertvolleren Gefangenen zuwenden zu können, die es noch zu schnappen gab.
 

Kaum waren die Jäger aus Blick- und Hörweite verschwunden, setzte Hicks sich im Schneidersitz auf den kalten Zellenboden und konzentrierte sich auf seine Atmung. Verkrampft kniff er die Augen zusammen und unterdrückte jedes Geräusch, das der Schmerz aus seiner Lunge treiben wollte, während die spitzen, schwarzen Krallen aus seinen Fingerspitzen brachen.

Hicks atmete schwer. Es war eine Tortur für ihn, seine Klauen wachzurufen, ohne seine Schwingen hervorkommen zu lassen. Doch es gelang ihm.

Als er die Augen wieder öffnete, sahen ihn seine Mitgefangenen völlig überrascht und mit weit aufgerissenen Augen an.

„Macht euch bereit“, flüsterte er ihnen möglichst selbstbewusst und motivierend zu.

Die Reiter sahen erschöpft und gebrochen aus. Die Zeit in der dunklen Zelle ohne ausreichend Nahrung und Wasser und die harte Arbeit hatten offenkundige Spuren hinterlassen und sowohl die jüngeren Rekruten als auch die erfahrenen Reiter vorübergehend eher kampfunfähig gemacht. „Wir sind hier, um euch und Valka zu retten.

Kennt ihr den Weg zu den Drachen-Käfigen?“ Noch etwas perplex nickten die Reiter und rappelten sich so langsam vom Boden auf. „Die anderen erwarten euch da. Schnappt euch eure Drachen und verschwindet dann so schnell wie möglich von hier. Wir kümmern uns um den Rest.“

Die Insassen nickten erneut – dieses mal sehr viel hoffnungsvoller.
 

Aber bevor er die Reiter retten konnte, musste er sie und sich selbst erst mal aus ihrer Gefangenschaft holen. Eilig wandte er sich ihrer Zellentür zu und untersuchte dessen Schloss. Hicks atmete tief durch. Er hatte das hier mit Wolkenspringer geübt – wieder und wieder. Der Sturmbrecher hatte ihn erbarmungslos darin unterrichtet und Hicks hatte sich als sehr kompetent in dieser Kunst erwiesen.

Geschickt steckte er die schmalen Krallen seiner beiden Zeigefinger in das Schlüsselloch. Geduldig schob er mit der rechten Hand einen Riegel nach dem anderen in Position, während er mit der Linken den Zylinder des Schlosses drehte.

Endlich erklang das ersehnte Klicken und das massive Eisenschloss sprang bereitwillig auf.

Als Hicks sich wieder zu den anderen Gefangenen umwandte, fand er etliche beeindruckte Paare erschöpfter Augen vor.

„Das hast du von Wolkenspringer“, stellte einer der älteren Reiter anerkennend fest und Hicks nickte bestätigend.

„Am Ausgang stehen zwei Wachen, aber beide stehen mit dem Rücken zu den Zellen und werden wahrscheinlich auch recht schnell als Verstärkung in Richtung der Nordblöcke gerufen werden. Trotzdem solltest ihr vorsichtig sein.“

„Wer-“

„Später. Wir haben keine Zeit. Mala erwartet euch bei den Drachenkäfigen.“ Kaum erwähnte Hicks Malas Namen, streckten sich die Rücken der jüngeren Rekruten reflexartig durch und zwangen sie trotz ihrer Erschöpfung in eine gerade Körperhaltung. Malas Drill war ihnen wohl tatsächlich in Fleisch und Blut übergegangen.

So lautlos wie möglich schlichen die Gefangenen – immerhin 17 an der Zahl – aus ihrer Zelle und in die Richtung, in die Hicks sie geschickt hatte. Er selbst hatte ein anderes Ziel.
 

Eilig huschte er durch die dunklen Gänge, die noch hinter dem westlichen Zellenblock lagen. Hier war er nun so tief im Inneren des Berges, dass Hicks die Kälte deutlich spüren konnte, die die steinernen Wände abstrahlten. Hicks musste sich auf seinen Tastsinn verlassen, um seinen Weg zu finden, denn ohne Fackel war es hier stockfinster. Eine Lichtquelle mitzunehmen, wäre jedoch viel zu riskant gewesen, denn während seine erste Gefangennahme zum Plan gehört hatte, war es jetzt unerlässlich, dass er unbemerkt blieb.

Das Widerhallen von mehreren schweren, sich nähernden Schritten ließ Hicks in der Bewegung erfrieren. Panisch tastete er an der Wand entlang und suchte vergeblich nach einer Möglichkeit sich zu verstecken, als er plötzlich etwas seltsames bemerkte.

Der Widerhall seines Atems und der Schritte klang irgendwie unregelmäßig. Einem Impuls folgend schloss Hicks die Augen und konzentrierte sich auf sein Gehör. Das Echo doppelte sich links von ihm ganz leise und ein Instinkt in Hicks verriet ihm, dass sich genau an dieser subtilen Dopplung eine größere Nische in den Felswänden befinden musste, die das zweite, leisere Echo erzeugte.

Blind stolperte Hicks in die Richtung, die sein Gehör ihm wies, und tatsächlich ertasteten seine Finger, an denen noch immer die schwarzen Krallen prangten, einige Fässer und Holzkisten, die in einer geräumigen Nische gelagert wurden. Hastig kletterte er dahinter und schaffte es im letzten Moment, sich hinter ein feuchtes, muffiges Fass zu drucken, bevor der Schein einer brennenden Fackel die Besitzer der schweren Schritte als sechs weitere Jäger entlarvte, die sich schnell nährten.

Hicks hielt reflexartig den Atem an, während die bewaffneten Männer im Stechschritt und begleitet von unterdrücktem Fluchen an ihm vorbei eilten.

Erst als die Schritte in der Ferne langsam wieder verklangen, kletterte Hicks aus seinem Versteck und schlich weiter in die Richtung, aus der die Jäger gekommen waren. Und nur wenig später erreichte er auf diesem Wege eine große, natürliche Höhle, die von einigen Wandfackeln spärlich beleuchtet wurde.
 

Hier endeten die Pläne und Karten der Platonier. Niemand, der es je bis hierher geschafft hatte oder hierher verschleppt wurden war, hatte je davon berichten können. „Dann werden Valka und ich wohl die Ersten sein“, hatte Hicks großspurig getönt, als der Plan noch in Arbeit gewesen war, doch nun war er wirklich hier – allein und ohne eine konkrete Karte – und kam sich fast wieder so klein und unfähig wie damals auf Berk vor, als er Ohnezahn noch nicht gekannt hatte und einfach nur die Lachnummer des Dorfes gewesen war.

Energisch schüttelte er die lähmenden Zweifel und Gedanken ab. Er war nicht mehr der Gleiche wie damals, und der jetzige Hicks konnte auch dieses Problem bewältigen.
 

Geschickt schlich er durch die flackernden Schatten, die das Licht der vereinzelten Fackeln in die Höhle warf. Auch hier gab es Wachen, aber das allgemeine Chaos und die spärliche Beleuchtung ließ sie den unscheinbaren, schmalen Hicks nicht bemerken.

Jetzt musste er hier drinnen allerdings noch die Anführerin Platons finden. Und auch bei dieser Aufgabe bekam er unerwartete Hilfe von seinem Gehör.

Es ging fast in den anderen Geräuschen unter – den Gesprächen der Jäger, den wirren Schritten, dem Klappern von Waffen und Rüstungen – doch da war ganz unverkennbar das leise, helle Rasseln von eisernen Ketten. Hicks hörte es genau hinter der Wand, an die er grade seinen Rücken presste, also huschte er bei der nächsten Gelegenheit in den Gang, der vermutlich in die richtige Richtung führte.

„Sichert den Zugang aus den Westzellen!“, ertönte der Befehl und im Eiltempo rannten ihm zwei weitere Jäger aus dem Gang entgegen, vor denen Hicks sich grade so noch in die Schatten ducken konnte. Auch viele andere Jäger, die bis eben noch in der großen Haupthöhle Vorbereitungen getroffen hatten, nahmen nun ihre Waffen auf und liefen in die Richtung, aus der Hicks gekommen war – und erschwerten ihm dadurch die Flucht. Klasse.

Aber darüber würde er sich Gedanken machen, wenn er Valka gefunden hatte.

Die zwei Jäger, die Hicks eben fast entdeckt hätten, waren wohl Valkas Wachen gewesen, denn der Gang stellte sich als kurze Sackgasse heraus, an deren Ende sich eine einzige Zelle befand, in deren Innerem ein menschlicher Paratei so an die Wand gekettet wurden war, dass ihre Füße knapp über dem Boden hingen, so wie Alvin es damals auch bei Hicks getan hatte.

Das war sie also. Valka – die Frau, auf deren Befehl ganz Platon hörte, die sich genau wie Hicks verwandeln konnte und die darüber entscheiden würde, ob Platon Berks Bewohnern beistehen würde.

Im schummerigen Fackellicht konnte Hicks kaum Details ausmachen, doch er erkannte ganz eindeutig mehrere lange, dicke, brünette Zöpfe, einen schmalen aber sportlichen Körper und zwei Paar mittlerweile sehr vertrauter Flügel. Hicks hatte die Vermutung schon länger gehabt, doch nun war er sich ganz sicher, dass es sich bei Valka tatsächlich um Wolkenspringers Paratei handelte.

„Also könnten Drachen mit einem menschlichen Paratei sich doch verwandeln“, schoss es Hicks ganz unwillkürlich durch den Kopf, doch er schob den Gedanken erstmal beiseite. Er hatte jetzt Wichtigeres zu tun.

Flink huschte er zu der verschlossenen Käfigtür und wiederholte das Kunststück, das er bereits bei seinem eigenen Käfig vollführt hatte. Diese Art ein Schloss zu knacken, war zwar auch nicht immer ganz schmerzfrei und er war auch nicht annähernd so geschickt darin wie Wolkenspringer, aber bisher hatte Hicks sich immerhin noch keine Kralle abgebrochen und beide Schlösser zuverlässig öffnen können.
 

Die Insassin der Einzellhaft schreckte ob ihres unverhofften Besuchs hoch und versuchte zu erkennen, wer da vor ihrem Käfig stand, doch die Gitterstäbe nahmen ihr die Sicht auf das Gesicht des Jungen.

Mit einem leisen Quietschen schwang die Tür auf und die fremde Gestalt trat ein. Valka wusste nichts mit der unbekannten Silhouette anzufangen. Die Jäger ließen ihre Kinder und Rekruten nicht in diesen Teil der Basis und keiner ihrer Reiter hätte es allein und unbewaffnet bis hierher geschafft.

„Ich bin mit Wolkenspringer hier“, flüsterte ihr eine fremde Stimme zu, um sie von eventueller Gegenwehr abzuhalten. Und im nächsten Moment wurden die Fesseln, die ihre Hände so schmerzhaft gehalten hatten, gelöst und Valka rutschte an der Wand hinab auf den dreckigen Zellenboden.

„Kannst du aufstehen? Wir haben nicht viel Zeit.“ Valkas Körper wehrte sich gegen die plötzlichen Bewegungen. Vor etwa drei Stunden hatte man sie hier aufgehängt und ihre Beine waren natürlich längst eingeschlafen. Mühevoll stemmte sie sich dennoch hoch und versuchte das schmerzhafte Kribbeln und die Taubheit abzuschütteln. Wieder konnte sie das Gesicht ihres jungen Retters im Gegenlicht nicht erkennen, doch irgendetwas sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte.
 

„Hey! Was-“ Hicks fuhr erschrocken zusammen. Hinter ihm war ein einzelner Jäger in den Gang getreten, der nun eilig sein Kurzschwert zog.

Panik überfiel Hicks' Körper, der sofort mit dem Ausbilden seiner Flügel reagierte, und noch während der Jäger von seiner Überraschung überrumpelt wurde, traf Hicks ihn gezielt mit einer seiner Schwingen an der Schläfe und schaltete dadurch dessen Lichter vorübergehend aus. Hastig drehte er sich zu Valka um, um ihr aufzuhelfen, und stand dabei nun zum ersten mal für sie sichtbar im Licht. Mit geweiteten Augen und voller Unglaube starrte sie ihn an.

„Du bist -“

„Auch ein Paratei, ja. Komm, wir müssen uns wirklich beeilen.“ Hicks war die Verwunderung der Platonier inzwischen gewohnt und zog die Frau nun eilig auf die Füße. Die anderen würden ihnen den Rücken nicht ewig freihalten können, also mussten sie sich sputen.



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