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Die Götter hassen mich

von

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Leistungsdruck

Als Ohnezahn seinen Paratei endlich wiedersah, berührte die Sonne bereits den Horizont. Mit einer Mischung aus Freude und Frust schlang er die Arme um Hicks und schmiegte sich an dessen Wange.

„Ich weiß. Ich weiß. Tut mir leid. Heute war wirklich viel los und ich hätte zwischendurch zu dir kommen sollen. Verzeihst du mir trotzdem?“ Astrid kicherte im Hintergrund und kraulte Sturmpfeil sanft den Nacken. Sie verstand inzwischen, dass das Band der beiden auf einer ganz anderen Ebene lag als das zwischen ihr und ihrer Sturmpfeil, auch wenn sie das anfangs nicht so recht hatte nachvollziehen können.

„Sieht gut aus“, riss sie die beiden Nachtschatten aus ihrem mentalen Gespräch und deutete auf Hicks.

„Danke. Das hat Mala mir organisiert. Meine alten Sachen waren zu dünn fürs Fliegen und haben meine Stacheln gestört.“ Hicks zupfte etwas unsicher an den Ärmeln seiner neuen Kleidung. Es war eine eng geschnittene Leder-Kombination aus Hose und Waffenrock, die strategische Schlitze für Hicks' Flügel, Schwanz und Stacheln aufwies.

'Meine Stacheln' klang noch immer seltsam in seinen Ohren und er wusste auch noch nicht so recht, was er von seinem drachenartigen Aussehen halten sollte, aber Astrid und vor allem Ohnezahn schienen recht angetan davon zu sein. Ehe er es sich versah, fuhr Astrid die flachen Stacheln an seinem rechten Unterarm mit den Fingern nach, während Ohnezahn fasziniert die Schuppen an seiner linken Schläfe betastete, die sich durch die Teilverwandlung nun viel weiter über sein Gesicht erstreckten als noch zuvor.

„Ehm... Darf ich mich wieder bewegen?“

„Hm? Achso, ja. Entschuldige. Es ist nur ziemlich cool, dass du das kannst.“ In Wirklichkeit war Astrid fast schon etwas neidisch auf Hicks' Fähigkeiten. Sie würde auch gern mit Sturmpfeil sprechen und selbstständig fliegen können.

Andererseits wusste sie nicht, ob sie dauerhaft mit Flügeln und Schuppen leben könnte. Immerhin war die Kunst der Verwandlung ja keine übliche Fähigkeit unter Flüsterern, und auch auf die Schmerzen, die Hicks ganz offensichtlich jedes mal zu haben schien, konnte sie gerne verzichten. „Wer hätte gedacht, dass du irgendwann mal fast so stark wie ich werden könntest.“

„Nur fast?“

„Natürlich nur fast.“ Mit einem breitem Grinsen auf den Lippen verpasste sie Hicks einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. „Selbst als halber Nachtschatten wirst du mich nie besiegen. Das steht ja wohl außer Frage.“
 

Zurück in ihrem Zimmer zupfte Ohnezahn ständig an Hicks' wärmerer Kleidung herum und schmiegte seinen Kopf an ihn.

„Also ich weiß wirklich nicht, ob du die Wintersachen magst oder hasst.“ Etwas verwirrt und belustigt versuchte Hicks in Erfahrung zu bringen, was das seltsame Verhalten seines Paratei auslöste und musste unwillkürlich lachen. „Du magst es nicht, dass ich nach jemand anderem rieche.“ Lachend schloss er Ohnezahn in die Arme. Die winterfeste und robuste Lederkluft war von den Platoniern für ihn angefertigt worden und roch daher fremd, was seinen Paratei wohl irgendwie störte und unruhig machte.

„Der Geruch ist in ein paar Tagen weg.“ Hicks drückte Ohnezahn spielerisch enger an sich. „Wobei ich bestimmt schon morgen früh wieder nach dir riechen werde, so energisch wie du dich an mich kuschelst.

Und jetzt kann ich immerhin wieder etwas länger mit dir fliegen. Ich hab halt kein inneres Feuer, das mich warm hält, so wie du.“ Innig kuschelten sich die beiden aneinander. Die ganze Situation hier war für sie beide nicht unbedingt ideal, aber sie mussten sich vorerst damit arrangieren und sich mit der wenigen Zeit, die sie am Tag miteinander hatten, abfinden. Allerdings war das nicht Hicks' einzige Sorge. Das Grinsen wich langsam von seinen Lippen und er seufzte tief.

„Ich hab etwas Angst vor dem Rettungseinsatz. Wenn ich etwas falsch mache, könnte das die ganze Truppe in Gefahr bringen, und wenn die Jäger uns überwältigen, ergeht´s uns genau wie Platons Anführerin.

Ich hab uns alle hierher gebracht. Wenn dir oder einem der anderen etwas passiert, ist das allein meine Schuld.

Sind wir wirklich schon bereit, um uns mit professionellen Drachenjägern anzulegen?“

Ohnezahn ließ seine Zunge neckend über Hicks' Schläfe wandern und drückte ihn aufmunternd an sich. Er konnte Hicks' hektischen Herzschlag gegen seine Brust hämmern spüren und nutzte nun ihre Verbindung, um seinen nervösen Paratei spüren zu lassen, dass er nicht allein war.

Hicks merkte erst jetzt, wie gut ihm diese Umarmung tat und wie sehr er diese spielerischen Berührungen im Laufe des Tages vermisst hatte.

Ohnezahn vergrub seine Finger in der neuen Lederkluft und hielt seinen gestressten Paratei zuverlässig fest. Auch er machte sich so seine Gedanken wegen des bevorstehenden Angriffs, aber er wollte Hicks nicht noch nervöser machen.

Es würde schon klappen, auch wenn Ohnezahn seinerseits Angst vor den Jägern hatte. Hicks war viel stärker, als er glaubte, und Ohnezahn vertraute ihm vollkommen, also war er zuversichtlich und versuchte alles, um Hicks nach Kräften zu unterstützen.

„Na mal sehen, ob du noch so optimistisch bist, wenn du mich da alleine reingehen lassen musst.

In den westlichen Zellenblock kannst du mich leider nicht begleiten.“ Und das war genau der Punkt, der Ohnezahn so sehr an diesem ganzen Vorhaben störte. Er hatte vehement dagegen protestiert, Hicks allein ins Nest der Jäger gehen zu lassen, aber leider ohne Erfolg.

Beschwichtigend ließ Hicks seine Hände über Ohnezahns Rücken wandern und streifte dabei dessen Flügelansatz. Wie auf Knopfdruck entspannte sich der gesamte Körper des Nachtschattens und er sank ruhig in Hicks' Armen zusammen.

Die Membran eines Hybriden war auf der Flügelinnenseite so nah am Körper ungewöhnlich empfindsam. Auch deshalb mieden sie es so strickt, sich dort berühren zu lassen, doch wenn Hicks das tat, störte sich Ohnezahn inzwischen nicht mehr daran. Ganz im Gegenteil. Hicks' Krallen-lose Finger waren ungefährlich für die lederne Membran und schickten bei jeder Berührung einen wohligen Schauer durch Ohnezahns Körper.

Hicks musste darüber noch immer ein schwaches Schmunzeln unterdrücken. „Wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich mir viel von deinem Gegrummel ersparen können“, scherzte er mit leiser Stimme und wurde als Antwort nur einmal spielerisch von Ohnezahn mit dem Flügel angestoßen und spürte dessen neckende Zunge an seinem Hals.

Dankbar streichelte Hicks weiterhin die empfindliche Membran und fuhr nun ebenfalls runter. Es brachte nichts, sich zu viele Gedanken zu machen, und Ohnezahns Nähe ließ sein Herz wieder etwas leichter werden.

Es würde schon gut gehen. Mala, Heidrun und auch Wolkenspringer hatten Hicks im Training ausreichend vorbereitet und im Notfall würden Ohnezahn, Astrid und die anderen ihn nicht im Stich lassen.

Hicks atmete einmal tief durch und spürte, wie die Anspannung vorerst von ihm abfiel und die Erschöpfung des Tages sich in ihm bemerkbar machte. Müde ließen er und Ohnezahn sich aufs Bett fallen und ehe Hicks es sich versah, fielen ihm auch schon die Augen zu.

Ohnezahn hingegen lag noch einen Moment lang wach und konzentrierte sich auf das sanfte Heben und Senken von Hicks' Brust, auf der sein Kopf ruhte. Der fremde Geruch störte Ohnezahn tatsächlich genügend, um ihm das Einschlafen zu erschweren, aber auch die Aussichten darauf, seinen menschlichen, zerbrechlichen Paratei zwischen all den Jägern allein lassen zu müssen, raubte ihm den Schlaf.

Er hatte lange mit Hicks darüber diskutiert und letzten Endes akzeptiert, dass er Hicks mit seiner Anwesenheit nur noch mehr in Gefahr bringen würde, aber glücklich war er damit trotzdem nicht.

Müde schmiegte er sich noch enger an Hicks' Brust und versuchte den störenden, fremden Geruch zu überdecken, bis er endlich ebenfalls in den Schlaf sank.
 


 

Ein letztes Mal atmete Hicks tief durch, dann trat er in den großen Raum im Erdgeschoss des Hauptturms ein. Alle anderen waren bereits dort, diskutierten die letzten Details des Plans oder versuchten sich mit Scherzen vom Risiko ihres Vorhabens abzulenken.

Heute war es soweit. Heute würden sie direkt ins Hauptquartier der professionellen Drachenjäger fliegen und sich gegen sie behaupten müssen.

„Du siehst etwas blass aus“, begrüßte ihn Mala mit einem Anflug von Sorge in der Stimme. „Traust du dir deine Schlüsselrolle doch nicht zu? Niemand würde dir einen Vorwurf machen, aber wenn wir aufbrechen, ist es zu spät für -“

„Nein nein. Alles okay. Ich mache das und ich schaffe das auch.

Wie sieht es bei euch aus? Sind alle bereit und kennen ihre Aufgaben?“, wechselte Hicks schnell das Thema und wurde sofort von Heidrun in den Stand der Dinge eingeführt.

Ohnezahn klammerte sich das gesamte Gespräch über an Hicks' Kleidung fest. Er wollte ihn nicht loslassen. Die Angst, dass er nicht aus den Zellenblöcken der Jäger zurückkehren könnte, war mehr als präsent bei ihm und da Hicks selbst ebenfalls nervös war, konnte er ihn auch nicht beruhigen.
 

„Das wäre dann also alles. Gibt es noch irgendwelche Unklarheiten?“, erkundigte sich Heidrun.

„Was für ´ne blöde Frage. Ich – wir sind bereit geboren.“ Rotzbakke verschränkte die Arme vor der Brust und streckte sein Kinn überheblich in die Höhe. Hakenzahn hinter ihm setzte kurz seinen Körper in Brand, um Rotzbakkes Aussage zu untermalen.

Hicks wusste inzwischen, dass Hakenzahns Haut und Haare überhaupt nicht feuerfest waren. Es war vielmehr so, dass die Haut eines Riesenhaften Albtraumes eine Flüssigkeit absondern konnte, die sich wie ein dünner Film um dessen Körper legte und ihn sowohl in Brand setzte als auch vor seinen eigenen Flammen schützte.

Die Kopfhaut produzierte dabei genügend von dieser Flüssigkeit, um auch die Haare ein Stück weit einzuhüllen. Allerdings reichte dieser Film nur einige Zentimeter weit, und so wurden die Spitzen von Hakenzahns rot-orangen Haaren stets angesengt und verkohlt, und verliehen ihm so eine unregelmäßige Kurzhaarfrisur, aus der ab und an etwas Asche rieselte.

Der Rest der Truppe verdrehte genervt die Augen ob der Selbstinszenierung des Reiter-Paares und rüstete sich dann für den Aufbruch.

Während die anderen ihre Ausrüstung überprüften oder letzte Absprachen trafen, kam Wolkenspringer zu den beiden nervösen Nachtschatten. Unhörbar für alle anderen versicherte er Hicks, dass er bestens für seine Aufgabe vorbereitet war und sie erfolgreich bewältigen würde.

Für Wolkenspringer ging es hier nicht nur einfach um die Rettung der Anführerin und er würde die jungen Drachen und Menschen nicht dem Risiko der Jäger aussetzen, wenn er sich nicht absolut sicher wäre, dass sie alle bereit dafür waren. Auch auf Ohnezahn wirkte Wolkenspringers Zuversicht ermutigend und sein Griff in Hicks' Lederkluft lockerte sich ein wenig.
 

Schließlich brach der Einsatztrupp auf.

Während eine Truppe Platonier – angeführt von Heidrun – einen Scheinangriff von Nordwesten auf die Insel ausübteführten, führte Mala das Team „Berk“ in einem Bogen zur Südseite der Jäger-Basis.

Die Sonne begann gerade erst den Horizont zu erklimmen und verschleierte die Silhouetten der anfliegenden Drachen vor dem Blick der Späher. Vermutlich wären das kleine Team auch am helllichten Tag nicht bemerkt wurden, denn Heidruns Fronttruppe erledigte ihren Job mit Bravur. Selbst über die Entfernung konnte Hicks die Feuer sehen und das Rufen hören.

Eine ernsthafte Chance hatte dieser plumpe Ansturm allerdings nicht. Die Basis der Jäger war auf natürlichem Wege gut gesichert, denn sie lag inmitten eines gewaltigen Berges, der die Insel dominierte. Flüsternde Tode hatten hier lange Zeit gelebt, bis die Jäger den damals recht kleinen Schwarm rücksichtslos ausgerottet und deren alte Höhlen und Gänge zum Kernstück ihres Hauptquartiers gemacht hatten.

Hicks flog in stabilem Flug neben Ohnezahn her und blickte der gefährlichen Insel entgegen, die unentwegt näher kam. Er verbannte alle Zweifel und Ängste aus seinem Kopf und konzentrierte sich nur auf seine Aufgabe. Einige Flocken des ersten Schnees umtanzten die Drachen im Flug und wurden bei jedem Flügelschlag kunstvoll verwirbelt.
 

Nur kurze Zeit später landeten sie bereits am Rand der Basis. Eilig zwang Hicks seine Flügel zurück in seinen Körper und nickte Mala bestätigend zu.

Noch ein letztes Mal legte er seine Stirn an die von Ohnezahn und versprach ihm, dass er vorsichtig sein würde und bald zu ihm zurückkommen würde. Dann schlüpfte Hicks durch einen kleinen Felsspalt, durch den er nur mit angehaltenem Atem passte, ins Innere des Berges.

Ohnezahn sah ihm noch einen Moment unglücklich nach, und er war nicht allein damit. Auch Astrids besorgter Blick ruhte auf dem unscheinbaren Spalt im Gestein. Als Erwachsener oder mit Flügeln passte man dort nicht hindurch, also hatte sie Hicks an Ohnezahns Stelle begleiten wollten, doch das hätte im späteren Verlauf des Plans zu Problemen geführt, also musste Hicks da nun ganz allein durch.

Aufmunternd legte sie kurz eine Hand auf Ohnezahns Schulter und zog so dessen Aufmerksam von der Felsspalte weg.

„Komm. Hicks verlässt sich darauf, dass wir ihm den Rücken freihalten, also tun wir, was wir können, um ihm zu helfen.“ Kaum merklich zuckten Ohnezahns Mundwinkel nach oben, während er Astrid leicht zunickte und ihr dann nach einem letzten Blick auf den Spalt folgte.



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