Zum Inhalt der Seite

Die Götter hassen mich

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die jungen Meisterinnen von Platon

Als Hicks am nächsten Tag die Augen aufschlug, stand die Sonne bereits hoch am Himmel und von draußen drangen die lauten Geräusche eines geschäftigen Dorfes durch das Fenster ins Zimmer.

Ohnezahn war schon wach, hatte sich aber dazu entschieden bei ihm liegen zu bleiben und darauf zu warten, dass Hicks von allein aufwachte.

„Morgen, mein Kleiner“, begrüßte der ihn und setzte sich im Bett auf. „Danke, dass du mich hast schlafen lassen. Das war wirklich nötig.“ Knackend streckte Hicks seine Glieder und schüttelte seine Schläfrigkeit ab. Die lange Reise und die unruhigen Nächte auf hartem Grund hatten ihren Tribut von ihm gefordert, und entsprechend nötig hatte er den langen, friedlichen Schlaf in einem gemütlichen Bett gehabt.

Freiwillig hielt er Ohnezahn seine Wange hin und ließ ihn die Schnittwunde versorgen. Hicks spürte, wie die Zunge über seine Haut glitt, das unangenehme Brennen abklang und der leichte Schmerz betäubt wurde. In ein paar Tagen würde der Schnitt trotz seiner enormen Größe und Tiefe wohl endlich verheilt sein und nur noch eine Narbe zurücklassen.

Nachdem Ohnezahn mit ihm fertig war und ihn wieder gehen ließ, legte Hicks ihm die künstliche Schwanzflosse an und schnappte sich seine Tasche. Die Prothese musste unbedingt in der Schmiede überarbeitet werden, also würde er dieses Vorhaben so bald wie möglich in Angriff nehmen.
 

Es überraschte Hicks relativ wenig, dass sie beide die letzten im Haus war. Alle anderen waren längst wach und vermutlich irgendwo auf der Insel unterwegs. Also würde auch er wie verabredet Heidrun aufsuchen.

Auf dem Weg zu ihr verfolgten sie wieder die verwunderten Blicke der Platonier, und Hicks wurde immer neugieriger darauf, endlich deren Ursprung zu erfahren.

In dem Turm vom Vortag traf Hicks zu seiner Überraschung nicht nur auf Heidrun, sondern auch auf Astrid, die gemeinsam mit ihr über einer gewaltigen Menge an Karten und Skizzen gebeugt war und offensichtlich Plane schmiedete.

„Auch endlich wach?“, begrüßte ihn Astrid mit einem breiten Grinsen. „Du hast geschlafen als hätte dich Thor persönlich mit seinem Mjölnir getroffen.“ Hicks kratzte sich am Hinterkopf und lächelte schuldbewusst.

„Ja so in etwa hab ich mich auch gefühlt.“ Suchend sah er sich in dem ansonsten leeren Raum um. „Wo stecken denn die anderen alle?“

„Astrid und ich sind uns bei unserem Morgenflug begegnet und bei der Gelegenheit hat sie mir erzählt, dass ihr alle nicht ganz unfähig im Umgang mit Drachen und auch im Kampf seid.

Darum hab ich mir erlaubt jedem eine Aufgabe hier zu geben, um sich nützlich zu machen.

Das gibt mir genügend Zeit um mich ausreichend auf Valkas Befreiung zu konzentrieren.“ Hicks kam zu den beiden Mädchen rüber und besah sich die Karten genauer. Sie zeigten allem Anschein nach die Basis der Jäger und deren nähere Umgebung.

„Wow. Die sind ziemlich detailliert.“

„Wir waren schon recht oft da drin.

Es ist ein niemals endender Kreislauf – sie fangen Drachen und sperren sie ein, wir greifen die Basis an und holen sie wieder raus.

Wir sind zu schwach um sie zu besiegen, aber zu stark als das die Jäger uns endgültig schlagen könnten. Aber nun da sie unsere Anführerin haben, könnte sich das ändern.“

„Hicks, stell dir vor, das alberne Geschwafel von Alvin – diese Geschichte über den Fluch – das hat er von den Jägern.“ Heidrun nickte bestätigend und erzählte nun auch Hicks, was sie zuvor Astrid erklärt hatte.

„Das ist einer ihrer Versuche uns langsam zu schwächen und leider trägt er Früchte.

Sie verbreiten diese Gerüchte über einen Fluch, der Menschen in Drachen verwandelt und ihnen langsam den Verstand raubt, damit die Leute Angst vor uns kriegen.

Menschen, die als Paratei ausgewählt werden, glauben sie wären verflucht oder sehen in ihrer Gabe eine Strafe der Götter. Sie werden von ihren Stämmen verstoßen, eingesperrt oder hingerichtet, oder nehmen sich aus Angst vor dem Wahnsinn selbst das Leben.

Dadurch verlieren wir potenzielle Unterstützer, Verbündete und auch Paratei, die ansonsten hätten zu uns stoßen können.“ Hicks ballte die Fäuste und sah mit leerem Blick zu Boden. Wenn Johann bei seinem Besuch auf Berk diese Geschichte anstelle der Legende Platons erzählt hätte, wäre sein Leben vermutlich ganz anders verlaufen. Ganz zu schweigen davon, was hätte passieren können, wenn der Glaube an den Fluch auf Berk bereits etabliert gewesen und jemand Hicks mit seinen Flügeln gesehen hätte.

Es lief ihm kalt den Rücken runter und er verbannte die Bilder entschieden aus seinem Kopf. Ohnezahn spürte seine Unruhe und suchte instinktiv seine Nähe.

„Wir müssen was dagegen unternehmen!“

„Deinen Tatendrang in allen Ehren, aber erst mal müssen wir Valka befreien.

Ohne sie ist es nur eine Frage der Zeit bis Platon fällt. Genau wie eure Heimat.“

„Wie sieht der Plan aus?“ Hicks war Feuer und Flamme. Das musste man Heidrun lassen, sie wusste wie man jemanden subtil motivierte.

„Astrid und ich gehen einige Möglichkeiten durch und sammeln Ideen. Mit euch haben wir immerhin fünf neue Reiter und ein neues Paratei-Paar als Unterstützung. Und keiner der Jäger weiß, dass ihr zu uns gehört. Auch das ist ein bedeutender Vorteil.

Aber bevor ich euch guten Gewissens in einen Einsatz schicken kann, muss ich wissen, was ich euch zutrauen kann.

Bei Astrid und Sturmpfeil habe ich bereits einen Einblick in ihre Fähigkeiten bekommen und die anderen vier und ihre Drachen nehme ich mir auch noch vor, aber einen Paratei kann ich nicht beurteilen.

Also wirst du dich mit Mala treffen.

Sie ist an den Klippen im Westen des Dorfes und unterweist dort einige Rekruten. Sie weiß bereits Bescheid, also geh einfach zu ihr.“ Hicks nickte. Natürlich würde er zuerst seine Fähigkeiten und seine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis stellen müssen. Immerhin waren sie Fremde und Heidrun hatte bei ihrer ersten Begegnung bereits erwähnt, dass Platon nicht zwingend für seine Gastfreundschaft bekannt war.

Astrid schien Heidruns Vertrauen und Freundschaft allerdings bereits gewonnen zu haben, was in Hicks' Kopf sofort die Erinnerung an ihre Aussage vom Vortag wachrief – 'Ich mag sie nicht.' Ein amüsiertes Schmunzeln stahl sich auf seine Lippen, während er die beiden Mädchen wieder ihren Karten und Plänen überließ und sich gemeinsam mit Ohnezahn auf den Weg zu Mala machte.
 

Als sie dort ankamen, flog Mala in einem derart stabilen Flug über einer feste Stelle am Grund, dass es aussah als würde sie dort schweben. Scheinbar mühelos stand sie circa eine halbe Armlänge über dem Boden in der Luft und beobachtete die Rekruten, die vor ihr allem Anschein nach einen Hindernisflug absolvierten.

Auf den ersten Blick keine besonders anspruchsvolle Übung, doch Hicks erkannte schnell die Tücken dieser Stelle.

Hier auf Platon kam der Wind fast immer von Nordwesten, und so auch heute. Der Küstenwind verfing sich in den hohen, säulenartigen Felsen und peitschte unermüdlich gegen die Steilwand der Klippen.

Hicks selbst hatte die Gefahren solcher Windverhältnisse bei seinem ersten Flug mit der Gruppe am eigenen Leib erfahren. Diese Flugübung war also alles andere als trivial und erforderte ein großes Maß an Mut und Geschick.

Daher war es den Rekruten auch zu verzeihen, dass keiner von ihnen fehlerfrei das Ende des Parkurs erreichte. Mala schien das allerdings anders zu sehen. Mit strengem Blick und bestimmender Stimme wies sie ihre Rekruten gnadenlos auf jeden Fehltritt hin und erklärte in knappen Worten und mit klinischer Präzession wie es besser ging.

Hicks wollte ersteinmal abwarten um Malas Lektion nicht zu unterbrechen, doch leider blieben seine und Ohnezahns Anwesenheit den Rekruten nicht verborgen, und so verloren sie reihenweise die Konzentration und trudelten durch die tückischen Winde ihrer Flugstrecke.

Von dem plötzlichen Leistungsabfall ihrer Schüler überrascht drehte sich jetzt auch Mala zu ihnen um und begrüßte Hicks und Ohnezahn mit einem förmlichen aber freundlichen Nicken.

„Pause!“, rief sie ihren Rekruten zu und landete federleicht auf dem Gras vor Hicks. „Willst du es auch mal probieren? Vielleicht schlägst du dich ja besser als meine Schüler.“

„Die Winde hier sind ziemlich tückisch. Es ist eine schwierige Stelle zum Fliegen.“ Mala und auch ihre Schüler, die nun nach und nach in respektvollem Abstand auf der Klippe landeten, schenkten ihm einen anerkennenden Blick.

„Das hast du gut erkannt. Und ganz ohne selbst einmal hier geflogen zu sein. Sehr gut.

Trotzdem würde euch beide gerne in der Luft sehen. Das Vergnügen hatte ich ja bisher noch nicht.“ Hicks nickte und zog seine Weste aus.

Eigentlich hatte er wenig Lust darauf nach ihrer langen Reise einen Hindernisflug zu absolvieren, und dann auch noch vor Publikum, aber er wollte nicht unhöflich sein oder Malas Autorität vor ihren Schülern in Frage stellen. Bei ihren Schützlingen handelte es sich hauptsächlich um Reiter mit ihren Drachen. Nur ein einziges Paratei-Paar war unter ihnen. Heidruns schien als Recht damit zu haben, dass die Geschichten der Jäger junge Paratei das Leben kosteten und sie es daher nie bis hierher nach Platon schafften.
 

Hicks wandte sich der Klippe zu und drehte dadurch Mala und den Rekruten den Rücken zu, die hörbar die Luft einzogen, als sie beobachten konnten, wie Hicks' schwarze Flügel aus seinem Rücken brachen und ein dazugehöriger Schwanz aus seinem Steiß wuchs.

Woher die Überraschung rührte, verstand Hicks nicht so recht. Paratei waren schließlich das Normalste, was einem hier auf Platon begegnen konnte, aber vielleicht war das wieder so eine seltsame Nachtschatten-Sache, die er einfach nicht verstand. Aber darüber konnte er Mala ja später noch ausfragen.

Prüfend hielt er seine Hand über die Klippe und in den aufsteigenden Wind. Er war kalt, trug Salz und Meerwasser mit, aber war nicht annähend so stark wie jener, der ihn damals auf Berk so unglücklich getroffen hatte. Hicks stellte kurz Blickkontakt mit Ohnezahn her. Sein Nachtschatten konnte den Wind in diesem unbekannten Terrain besser abschätzen als er, also würde er vorausfliegen und Hicks so helfen, die bestmögliche Flugbahn zu finden.

Synchron stießen sich von der Klippe ab und begaben sich am Anfang des Parkurs in Startposition. Ohnezahn warf ihm einen letzten prüfenden Blick zu, dann begann er den Hindernisflug.

Mühelos umflog er die steilen Felsen und nutzte dabei die unregelmäßigen Verwirbelungen für Drehungen und kleine Spielereien, und ließ Hicks so unwillkürlich schmunzeln. Ganz egal wie erschöpft auch er von ihrer langen Reise war, Ohnezahn würde sich nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ein wenig vor den Schülern Platons anzugeben und seinen manchmal etwas eigenwilligen Flugstil vorzuführen.

Hicks hingegen hielt sich etwas zurück. Der Muskelkater brannte in seinem Rücken und der Zwischenfall an Berks Klippe hatte ihn eine gewisse Demut vor unvorhersehbaren Winden gelehrt.

Allerdings erkannte er schnell, wieso Ohnezahn seine Kunststücke hier trotz seiner beschädigten Prothese so leicht fielen. Der Wind zirkulierte hier an vielen Stellen von ganz allein um die Felsen und kreierte so einen leitenden Strom, dem man folgen konnte. Beziehungsweise folgen musste, denn gegen ihn anzukämpfen war anstrengend, knifflig und auch nicht ganz ungefährlich.

Hicks folgte Ohnezahn und orientierte sich dabei an dessen Körperhaltung und Flügelstellung. Das eine oder andere Mal kollidierte er trotzdem fast mit den Felsen und musste sich mit den Armen und Beinen an den senkrechten Wänden abfangen und wieder abstoßen.

Diese Technik hatte er sich in weiser Voraussicht von Ohnezahn beibringen lassen. Es tat zwar trotzdem weh, war aber nicht so schmerzhaft, wie ungebremst gegen eine solide Steinwand zu klatschen – das wusste Hicks aus erster Hand.
 

Und so absolvierte er Malas Prüfung zwar nicht fehlerfrei und auch mit wenig Eleganz, aber immerhin ohne eine schwere Kollision oder einen Absturz, und landete schließlich wieder neben Mala – ohne dabei auch nur die leiseste Spur ihrer vorgeführten Leichtigkeit zu zeigen.

„Einen ungewöhnlichen Flugstil hast du“, merkte sie skeptisch an, schien alles in allem aber zufrieden mit seiner Leistung zu sein.

„Findest du?“

„Er ist... recht impulsiv und ungeordnet, wenn ich das so sagen darf. Aber wenn ich mir den Flug deines Nachtschattens so ansehe, ahne ich schon woher das kommt.“

„Ist das ein Problem?“ Hicks gefiel der Unterton in ihren Worten nicht.

„Ganz und gar nicht. Er scheint offenkundig für dich zu funktionieren.

Es ist allerdings nicht das, was ich unterrichte, und ich möchte nicht, dass meine Schüler sich zu derart riskantem Fliegen hinreißen lassen. Das ist auch schon alles.“ Bei dem vorletzten Satzteil warf sie ihren Rekruten einen mahnenden Blick zu. Sie trug die Verantwortung für deren Sicherheit während des Trainings, daher wollte sie verhindern, dass einer von ihnen versuchte Hicks oder gar Ohnezahn zu imitieren.

Das sie die beiden damit beleidigen könnte, kam ihr gar nicht in den Sinn.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück