Zum Inhalt der Seite

Dein rettendes Lachen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eifersucht

„Wie fühlst du dich?“ fragte mich eine helle, ruhige Stimme. Mit geschlossenen Augen lag ich auf dem Sofa im Behandlungsraum und spürte die weichen Polster unter mir. Mein Atem ging ruhig und gleichmäßig und mein Körper fühlte sich schwer an. Ich war ausgelaugt, fühlte mich aber gleichzeitig ganz klar. Ich konnte es nicht beschreiben. Langsam öffnete ich die Augen und versuchte sie wieder an die Helligkeit zu gewöhnen. Ich hatte nicht alles von der Sitzung mitbekommen. Wo vorher der Nebel alles in meinen Gedanken verschleierte, lichtete er sich allmählig und ich sah die Bilder der letzten Tage, seit ich wieder in Neo Domino war, ganz klar.
 

„Jetzt verstehe ich, was alle mit ‚seltsam‘ meinten“ murmelte ich während ich mich aufsetzte und sah Doktor Arisawa schuldbewusst an. Ich hatte mich komplett zurückgezogen und es nicht mal bemerkt. Kein Wunder, dass sich so viele Sorgen um mich gemacht haben. Das wollte ich doch nicht! „Mach dir keine Gedanken“ sagte sie mit ihrer einfühlsamen Stimme. „Du kannst nichts dafür.“ Wer sollte denn sonst etwas dafürkönnen? „Es war nie deine Absicht, habe ich recht?“ Ich mied ihren Blick und nickte. Natürlich wollte ich niemandem Kummer bereiten. Ich hatte solche Schuldgefühle deswegen. Aber was mache ich, wenn diese Erinnerungen zurückkehren und ich mich wieder genauso verhalte? Konnte nicht alles wieder so sein, wie vor diesem ganzen Chaos? Konnte ich nicht einfach wieder glücklich sein?
 

„Warum muss ich mich überhaupt erinnern?“ fragte ich deshalb zögerlich. Ich wollte zwar wissen was passiert war, aber es muss doch einen guten Grund geben, warum ich es nicht konnte. Ich wollte den Menschen in meiner Umgebung nicht noch mehr Kummer bereiten. Sie betrachtete mich einen Augenblick, ehe sie zu einer Antwort ansetzte. „Die Frage ist nicht ob du dich erinnerst, sondern wann“ sagte sie schließlich, doch diese Antwort verwirrte mich nur noch mehr. „Die Fähigkeit des Gehirns, Amnesien aufrecht zu erhalten, lässt mit zunehmendem Alter nach. So können Erinnerungen an traumatische Erlebnisse irgendwann von alleine zurückkehren. Wenn das passiert, dann können dich diese Erinnerung mit einem Schlag übermannen.“
 

Ich sah sie erschrocken an und wusste nicht genau, was ich davon halten sollte. „Keine Sorge, Yusei. Deswegen bist du ja hier“ sagte sie mit einem aufmunternden Lächeln. „Mein Ziel ist es, dass du dich Schrittweise daran erinnerst. Und ich sagte ja schon, dass du das schaffen wirst. Da bin ich mir ganz sicher.“ Warum war sie nur so zuversichtlich? Langsam ließ ich meinen Blick sinken. Sie hielt mich vermutlich für stärker als ich war. Natürlich wollte ich es schaffen, aber ich hatte meine Zweifel.
 

Aber… Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Ich musste einfach wieder der Alte werden. Ich konnte mir diese Selbstzweifel nicht leisten. Jaden und seine Familie, all meine Freunde, hatten so viel Geduld mit mir, da kann ich keinen Rückzieher machen und mir einreden, ich könnte es nicht schaffen. Ich werde es schaffen. Ich muss es schaffen. Aber können mir die Menschen um mich herum überhaupt verzeihen?
 

„Ich sollte mich bei meinen Freunden entschuldigen“ sagte ich leise und sah wieder auf. Sie lächelte. „Wenn es dir dann besser geht, tu das. Aber was willst du sagen, wenn sie dich nach dem Grund fragen?“ Ich sah auf meine Hände in meinem Schoß und dachte nach. Ich kann ihnen die Wahrheit nicht sagen, wenn ich sie nicht einmal selbst weiß. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich bereit dafür bin mich zu öffnen. Irgendwann werde ich ihnen die Wahrheit erzählen, aber bis dahin will ich erst selbst herausfinden, warum ich mich an nichts erinnern kann. „Ich lass mir schon was einfallen“ sagte ich leise.
 

„Übrigens, was den Artikel betrifft“ sprach sie weiter und ich sah zu ihr auf. Sie hielt die beiden Blätter in der Hand. „Du hast nur die ersten Absätze gelesen, richtig?“ Ich nickte. „Sehr gut. Es ist zwar schön, dass du dich anscheinend an einige Augenblicke erinnern konntest, aber es wäre besser, du erinnerst dich selbst daran. Der Artikel ist nicht sonderlich objektiv geschrieben und ich will nicht, dass deine Erinnerungen verfälscht werden.“ „Verfälscht?“ Ich sah sie irritiert an. Wie kann man denn Erinnerungen fälschen? Sie nickte. „Die Psyche eines Menschen lässt sich sehr leicht manipulieren. Ich könnte dir auch ein Märchen erzählen, was du an diesen Tagen gemacht hast. Wenn du es glaubst, dann wird dein Kopf dir einfach falsche Erinnerungen daraus generieren. Und so ähnlich ist es auch mit dem Artikel.“
 

Ist der menschliche Verstand wirklich so leicht manipulierbar? Ich konnte es mir schwer vorstellen, aber ich nickte zur Antwort. Sie sollte ja wissen, wovon sie redet. Außerdem hatte ich ohnehin keine große Lust, ihn weiterzulesen.
 

~*~
 

Bevor ich mich bei meinen Freunden entschuldige, wollte ich zuerst zu meinem Vater gehen. Ihm habe ich auch Kummer bereitet, ohne es zu wollen. Als ich den Gang entlanglief, sah ich seinen Arzt aus seinem Zimmer kommen. Ich hoffte, ich kam nicht ungelegen. Zögerlich klopfte ich und betrat anschließend sein Zimmer. Er stand mit dem Rücken zu mir am Fenster und seufzte. „Was wollt ihr denn jetzt noch?“ fragte er gereizt. Was auch immer er eben mit dem Arzt besprochen hatte, er war wohl unzufrieden. Ich hoffe, er ist nicht auch sauer auf mich. Langsam ließ ich die Tür ins Schloss fallen und ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich wollte mich entschuldigen“ sagte ich leise. Ruckartig fuhr er herum und sah mich erschrocken an.
 

„Yusei“ sagte er fast tonlos und starrte mich noch immer an. Ich senkte den Blick und versuchte meine Worte zu sammeln. Mein Körper war komplett angespannt. „Entschuldige. Ich habe mich in den letzten Tagen nicht verhalten wie ich selbst. Ich wollte nicht, dass ihr euch alle Sorgen macht. Ich wollte-“ Doch weitersprechen konnte ich nicht. Viel zu überrascht war ich von der plötzlichen Umarmung, in die mich mein Vater zog. Er drückte mich fest an sich und legte eine Hand auf meinem Kopf. Drückte ihn fest gegen seine Brust. Zögerlich legte ich ebenfalls meine Arme um ihn und die Anspannung verschwand. Anscheinend war er nicht wütend auf mich, ihm ging es wie mir. Er war erleichtert.
 

* Die Sicht von Jaden *
 

Ich stand in unserem Wohnzimmer und starrte Alexis fassungslos an. Was hat sie gerade gesagt?! „Also, bist du jetzt dabei, oder nicht?“ hakte sie nach. „I-Ich glaube, das ist keine gute Idee“ sagte ich und versuchte mir noch einmal bewusst zu werden, was sie eigentlich genau sagte. Sie wollte ernsthaft, dass ich Yusei verkuppeln sollte… mit Aki!?
 

„Warum denn nicht?“ fragte sie und musterte mich. „Aki ist schon seit Wochen in ihn verknallt und versucht ständig seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Und er mag sie auch. Sie würden wirklich wunderbar zusammenpassen. Außerdem tut ihm eine Beziehung vielleicht ganz gut, bei alldem was um ihn herum los ist. Es geht ihm ja auch schon wieder besser.“ Schlechteste. Idee. Überhaupt… Jede Faser meines Körpers zerriss fast vor Anspannung. „Wie kommst du überhaupt auf die Idee?“ fragte ich deshalb etwas lauter als gewollt.
 

„Brüll doch nicht gleich so. Aki meinte, er wäre wohl unglücklich verliebt. Sie will ihn trösten. Wenn nichts aus der ganzen Sache wird, dann ist es eben so, aber wir können ihn ja ein wenig in sein Glück schupsen.“
 

„Unglücklich verliebt?“ fragte ich verwirrt. „Hat er das wirklich so gesagt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Zumindest hat Aki das vor zwei Wochen erzählt. Sie war ganz schön niedergeschlagen, weil sie von ihm einen Korb bekommen hat.“ Ein wenig von der Anspannung fiel von mir ab. Yusei hat das also vor meinem Geständnis gesagt. Er hat zwar nie direkt gesagt, dass er in mich verliebt ist, aber er hat mich immerhin geküsst. Allerdings weiß ich immer noch nicht, ob er sich daran erinnern kann. Ich muss versuchen, Alexis von dieser bekloppten Idee abzubringen.
 

„Aber er hat Aki schon einen Korb gegeben, warum glaubt sie dann, dass er was von ihr will?“

„Keine Ahnung, sie hat eben Hoffnung. Ihr geht doch heute Abend zusammen ins Kino, tu ihr doch den Gefallen.“

„Und was ist mit ihm? Was, wenn er das gar nicht will, hast du schon mal daran gedacht?“ Meine Stimme klang aufgebracht. Wie oft will sie sich eigentlich noch in sein Leben einmischen, obwohl er das gar nicht will?

Sie seufzte. „Ich will sie doch nicht auf Teufel komm raus zusammenbringen. Vielleicht lenkt es ihn ab und aus den beiden wird wirklich was, vielleicht gibt er ihr auch wieder einen Korb. So oder so liegt die Entscheidung bei ihm, also reg dich doch nicht so auf. Oder hast du was dagegen, wenn die beiden zusammenkommen?“
 

Mit der Frage hatte sie mir den Wind aus den Segeln genommen. Ich wollte ihr noch nicht sagen, dass ich in ihn verliebt war. Nicht, bevor ich nicht wirklich wusste, dass er diese Gefühle auch erwiderte. Das macht mich noch wahnsinnig! Heute muss ich mit ihm reden, oder ich dreh durch!
 

~*~
 

Wir trafen uns halb acht an der kleinen Pizzeria im Einkaufszentrum. Ich hatte Alexis gesagt, dass ich mich nicht einmischen wollte, aber ehrlich gesagt wollte ich, dass das zwischen den beiden nicht klappte. Ich erschrak selbst vor meinen eigenen Gedanken. Natürlich wollte ich, dass Yusei glücklich ist, aber warum denn mit ihr? Sollte es klappen, würde ich den beiden nicht im Weg stehen, aber ich hatte das Gefühl als würde es mir das Herz brechen.
 

„Was willst du?“ riss mich Crows Stimme aus meinen Gedanken und ich sah mich kurz um. Vor uns stand eine Kellnerin, die gerade unsere Bestellung aufnehmen wollte. „Eine Cola bitte“ gab ich vermutlich als letzter meine Bestellung auf. Sie nickte, kritzelte etwas in ihren Block und verschwand dann wieder.
 

Aki sah sich um. „Wollen wir nicht noch auf Yusei warten?“

„Der hat doch gesagt, dass er erst im Kino dazukommt“ antwortete Jack, der gerade die Karte studierte.

„Hm, stimmt.“

Crow ließ seine Karte sinken und sah mich an. „Was hat er um die Zeit eigentlich noch vor?“

Auch Aki schielte zu mir.

Ich konnte den dreien wohl schlecht sagen, dass er ab jetzt zwei Mal die Woche zum Therapeuten geht. „Er hat noch einen Termin“ antwortete ich deshalb vage und fixierte wieder die Karte vor mir. Damit ließen es meine Freunde gut sein.
 

Das kann ja heiter werden heute.
 

~*~
 

Als wir auf den Weg zum Kino waren, zupfte Aki die ganze Zeit unauffällig an ihren Klamotten herum. Wenn es nicht Yusei gewesen wäre, für den sie das machte, dann hätte ich mich darüber amüsiert. Aber so war ich einfach nur nervös und verunsichert. Irgendwie musste ich vor dem Film noch mit ihm reden.
 

In der Eingangshalle war wegen der Premiere ziemlich was los und wir mussten uns zum Teil durch die Menschenmassen drängeln, die vor den Kassen standen. „Ich hol schon mal die Tickets“ meinte Crow plötzlich und verschwand ans Ende der Schlange. Wir standen mittlerweile in einem kleinen Bereich am Rande der Halle, wo es recht ruhig war. Jack war groß genug, um etwas über die Menschenmenge zu sehen und drehte sich dann wieder zu uns. „Ich leiste der kleinen Krähe Gesellschaft, wollte sowieso kurz mit ihm reden. Ihr beide könnt in der Zwischenzeit nach Yusei Ausschau halten“ bestimmte er und wurde kurz darauf wieder von der Masse verschluckt.
 

Aki und ich sahen uns an und mussten kurz auflachen. Dieser Befehlston war typisch Jack. „Ich sehe noch mal an den Eingängen nach“ sagte Aki. „Vielleicht ist er noch gar nicht da. Wartest du hier?“ Als Antwort gab ich ihr ein Nicken und sie verschwand. Ich holte mein Handy raus und wollte eine Nachricht an ihn schreiben, aber ehe ich damit fertig war, berührte jemand meinen Oberarm. Ich erschreckte mich, sah auf und blickte in diese schönen blauen Augen. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen, das mich augenblicklich in ein wohliges Gefühl hüllte. „Da bist du ja, wo ist denn der Rest?“ fragte er.
 

„Jack und Crow stehen für die Tickets an und Aki sucht am Eingang nach dir.“

„Dann hole ich sie lieber mal, sonst steht sie noch die ganze Zeit dort und wartet“ sagte er und wollte sich schon abwenden. „Warte!“ Das war doch die Gelegenheit, um ihn zu fragen. Er drehte sich wieder zu mir und musterte mich neugierig. Wir standen etwas abseits von der Menschenmenge und niemand würde uns hören.
 

„Wie war‘s heute?“ fragte ich deshalb vorsichtig.

„Was meinst du?“

„Naja, dein Termin“ hakte ich nach. Ich musste es wissen, ehe Aki zu uns stößt.

„Ach das meinst du. Ja, ich konnte mich zumindest an die letzten Tage genauer erinnern. Deswegen wollte ich euch später auch was sagen.“

Euch? Dann hatte er sich wohl daran nicht erinnert… „Hast du den Artikel zu Ende gelesen?“ fragte ich weiter.

Er schüttelte mit dem Kopf. „Nein, Doktor Arisawa meinte, das wäre keine gute Idee.“

„Wieso? Du hast dich doch dadurch an etwas erinnert.“

„Ja, aber ich soll mich wohl eigenständig daran erinnern. Sie meinte, wenn mir irgendjemand genau erklärt, was ich an diesem Tag gemacht haben soll, kann das meine Erinnerungen verfälschen.“ Er zuckte mit den Schultern „Oder so ähnlich. Warum fragst du?“
 

Verdammt. Also kann ich ihn ja gar nicht darauf ansprechen. Er muss sich selbstständig daran erinnern. „Nichts, ich war nur neugierig“ sagte ich deshalb mit einem nicht ganz überzeugenden Lächeln. Er öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch in dem Moment hörten wir Akis Stimme. „Hey, da bist du ja!“ Wir drehten uns in die Richtung, aus der ihr Ruf kam. Sie huschte auf uns zu und gab Yusei eine flüchtige Umarmung. Er sah ziemlich überrascht aus. Ich hingegen war schon wieder genervt und hasste mich dafür selbst.
 

„Schade, dass du beim Essen nicht dabei warst, es war ziemlich lustig! Aber schön, dass du es rechtzeitig zum Film geschafft hast“ sagte sie mit einem freudigen Lächeln. „Was hattest du eigentlich noch für einen Termin?“

„Ich habe jemanden im Krankenhaus besucht“ antwortete er zögerlich.

„Oh je, wen denn?“

Ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen, ehe er antwortete „Eine Freundin.“
 

Okay, diese Antwort machte mich stutzig. Ich dachte, er hätte seinen Vater nach dem Termin besucht. Oder war das nur eine Ausrede? Ich sah ihn fragend an und er lächelte zur Antwort. Im nächsten Moment kamen Jack und Crow mit den Tickets zu uns. Während Aki und ich uns zu ihnen drehten, legte Yusei mir einen kurzen Augenblick lang seine Hand auf den Rücken und flüsterte mir ins Ohr: „Erkläre ich dir später.“ Wieder überkam mich eine Gänsehaut, als ich seinen Atem an meiner Wange spürte und mein Herz machte einen Satz. Dann löste er sich wieder von mir.
 

„Was ist denn mit euch beiden los?“ fragte Aki und ich kam wieder in der Realität an. Hat sie jetzt mich und Yusei gemeint? Crow sah ziemlich genervt aus und Jack verkniff sich ein Grinsen. „Die blöde Kuh an der Kasse wollte meinen Ausweis sehen, weil sie mir nicht geglaubt hat, dass ich 18 bin“ grummelte er. Jack hatte Mühe sich zusammenzureißen. „Aber der Film ist doch ab 16“ warf Aki ein. Crow warf ihr einen bösen Blick zu und in diesem Moment konnte Jack sich nicht mehr halten und lachte schallend drauf los. Ich versuchte wirklich mit größter Mühe mich zu beherrschen, denn Crow war ziemlich empfindlich was seine Größe und sein Alter anging.
 

„Bevor wir reingehen, wollte ich euch noch was sagen“ kam es plötzlich von Yusei und alle Augen waren auf ihn gerichtet. „Ich wollte mich entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich in den letzten Tagen so abweisend war, das war nicht meine Absicht.“

„Als ob wir das nicht wüssten!“ sagte Crow unbeeindruckt und erntete dafür Yuseis überraschten Gesichtsausdruck. „Wir wissen, dass irgendwas bei dir los war, nur nicht was.“

„Crow hat recht“ warf Aki ein. „Wir wussten, dass du dich nicht absichtlich so komisch verhalten hast.“

„Geht’s dir wenigstens wieder besser?“ fragte Jack.

Aki ging einen Schritt auf Yusei zu und sah ihn fragend an. „Was war eigentlich los?“
 

Nachdem mein schwarzhaariger Freund sich etwas gesammelt hatte, setzte er ein kleines Lächeln auf. „Ja, ich glaube mir geht es besser, aber das ist eine längere Geschichte und wir sind ja wegen des Films hier.“ Ich konnte nicht sagen warum, aber irgendwie sah er erleichtert aus.
 

Allmählich wurde es Zeit, sich im Saal einzufinden und bei der Menge an Menschen dauerte es etwas, ehe wir uns zu unseren Plätzen durchgekämpft hatten. Jack saß ganz links von unserer kleinen Gruppe, daneben Crow, ich, Yusei und ganz rechts saß Aki. Letztere rutschte aufgeregt auf ihrem Platz umher. „Ich bin schon total gespannt! Der Film hat im Internet tolle Kritiken bekommen!“

Crow stöhnte genervt. „Jetzt erzähl bloß nichts, sonst habe ich noch hohe Erwartungen und bin am Ende enttäuscht!“

Ich lachte. „Hey, jetzt entspann dich doch mal! Oder bist du immer noch sauer wegen der Sache mit dem Ausweis?“

Er sah mich an, grummelte und fixierte dann die Eiscremewerbung auf der Leinwand.

„Es geht los!“ sagte Aki fröhlich, als das Licht im Raum gedimmt wurde. Augenblicklich legte sich eine gespannte Stille über den Saal.
 

Die Story des Films war keine Neuheit für einen Zombie-Film. Eine kleine Gruppe kämpfte sich durch eine plötzlich aufgetretene Apokalypse und nacheinander starben einige von ihnen durch, zugegebenermaßen ziemlich spannende, Angriffe der Untoten. Die Dialoge waren ziemlich lahm, die Sterbeszenen wirklich übertrieben und ich war mir ganz sicher, dass beim Durchtrennen der Halsschlagader keine zehn Liter Blut meterweit durch die Luft spritzen sollten. Und diese Kostüme! Als ich 14 war, bin ich zu Halloween mal als besserer Zombie gegangen.
 

Aber mich nervte eigentlich mehr die Tatsache, dass sich Aki in den spannenden Szenen immer an Yusei klammerte. Es war zu dunkel, als dass ich sein Gesicht dabei hätte sehen können, aber er wehrte sich auch nicht wirklich gegen ihre Nähe. Vielleicht hatte Alexis doch recht. Vielleicht würden die beiden wirklich gut zusammenpassen. Während die Leute in dem Film durch einen verlassenen Freizeitpark liefen, lehnte sich Yusei so weit zu mir, dass ich die Wärme seines Gesichts spüren konnte. Leise flüsterte er mir zu: „Wenn ich noch eine meterhohe Blutfontäne sehe, dreh ich durch.“ Ich versuchte ein Lachen zu unterdrücken und sah ihn an. Er lächelte. Einen kleinen Augenblick lang blendete ich den Film komplett aus, bis mich ein Schrei zusammenzucken ließ. Einer der Typen im Film wurde gerade wieder angegriffen.
 

Letzten Endes blieben nur ein männlicher und ein weiblicher Protagonist am Leben, die sich natürlich unsterblich ineinander verliebten. Als der Abspann über die Leinwand lief, fing Crow neben mir an zu murren. „Siehst du? Hohe Erwartungen. Der Film war furchtbar!“

„Ach, so schlimm war es doch nicht“ meinte Aki. „Zumindest das Ende war gut.“

Ja, aber auch nur, weil es zu Ende war. Aber den Gedanken behielt ich lieber für mich.
 

Aki und Crow stritten noch eine Weile über den Film, während wir aus dem Kino und zu den Parkplätzen liefen. Die Motorräder von Jack und Crow standen nahe am Eingang. „Wie kommst du eigentlich nach Hause, Aki?“ fragte Crow, der sich eben seinen Helm aufgesetzt hatte.

„Meine Mutter wollte mich abholen“ sagte sie und sah sich um. „Aber anscheinend kommt sie später.“

„Dann warten wir lieber so lange, bis sie da ist“ sagte Yusei.

Aki lächelte und wurde etwas rot. „Das ist lieb von dir, Danke!“
 

Und wieder nervte es mich, aber ich konnte ihn verstehen. Ich wollte natürlich auch nicht, dass sie hier um diese Uhrzeit allein wartet. Sie tippte auf ihrem Handy herum, hielt es an ihr Ohr und ging ein paar Schritte abseits. Anscheinend versuchte sie ihre Mutter zu erreichen. Mit irgendjemanden am anderen Ende der Leitung redete sie zumindest.
 

Kurze Zeit später kam sie wieder zu uns und wirkte ziemlich sauer. „Und?“ fragte Jack knapp.

Sie stöhnte genervt auf. „Sie hat es vergessen und ist gerade in einem Online Meeting mit irgendwelchen Kollegen außer Landes, also kann sie mich nicht abholen. Und mein Vater hat heute Nachtschicht. Ich werde wohl den Bus nehmen müssen.“

Yusei sah sie besorgt an. „Du willst um diese Uhrzeit allein mit dem Bus nach Hause fahren? Bist du sicher?“

„Na ja, mir bleibt doch nichts anderes übrig. Oder könntest du mich mitnehmen?“ Sie sah ihn hoffungsvoll an.

„Tut mir wirklich leid, aber ich habe nur Platz für einen Mitfahrer.“

Sie sah mich irgendwie traurig an. Vermutlich wusste sie, dass ich damit gemeint war.

„Dann steig auf!“ bot Crow an und zeigte auf sein eigenes Motorrad. „Jack hat einen Zweithelm dabei, den kannst du dir sicher ausleihen.“

Jack nickte und holte seinen zweiten Helm aus der Einbuchtung am Motorrad heraus, den er ihr reichte. Sie bedankte sich mit einem freundlichen Lächeln und drehte sich noch einmal zu mir und Yusei. „Na dann, wir sehen uns morgen. Kommt gut nach Hause!“ Damit stieg sie auf Crows Motorrad und die drei fuhren los. Als wir auf dem Weg zu Yuseis Fahrzeug waren, unterhielten wir uns über den Film. Lustig machen wäre wohl die treffendere Beschreibung gewesen. Der Film war wirklich in so mancher Hinsicht eine Enttäuschung, aber es war trotzdem ein lustiger Abend.
 

~*~
 

Ich lag in meinem Bett, auf dem Rücken und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Mein Zimmer lag im schwachen Schein der Straßenlaterne vor dem Fenster und ich starrte an die Decke. Das einzige Geräusch, das ich wahrnahm, war Yuseis Atem. Wieder schwirrten die Bilder von Aki und Yusei in meinem Kopf herum und es nervte mich, dass sie in ihn verliebt war, aber dagegen konnte ich nichts machen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mal eifersüchtig werde. Was für ein dämliches Gefühl! Sie war doch meine Freundin. Ich mochte sie.
 

Aber ich war nun mal auch in ihn verliebt und hatte einfach keine Ahnung, ob er nach all dem Chaos der letzten Tage noch immer so für mich fühlte, oder ob er es vergessen hatte. Und direkt darauf ansprechen konnte ich ihn nicht. Diese Therapeutin sagte doch, er soll sich selbstständig daran erinnern! Es zerriss mich förmlich, dass ich es einfach nicht rausbekam. Wie gerne würde ich ihn einfach fragen?
 

„Hast du…“ brach es plötzlich leise aus mir heraus und ich hoffte inständig, dass er es nicht verstanden hatte. Dass er schon schlafen würde. „Habe ich was?“ versuchte er mir nach einer kurzen Stille auf die Sprünge zu helfen. Mein Herzschlag erhöhte sich vor Nervosität. Er hat es also gehört. Drumherum kommen werde ich jetzt nicht mehr. Ich brauchte einiges an Mut, um diese Frage zu stellen und atmete noch einmal tief durch um meinen verdammten Herzschlag zu beruhigen. „Hast du alles vergessen, was an dem Wochenende passiert ist?“
 

Eine kurze Stille trat ein und Yusei kicherte leise. Na toll, was soll ich denn jetzt davon halten? Ich sah etwas beleidigt in die Richtung seiner Silhouette und bemerkte, dass er sich bewegte. Meine Matratze gab neben mir etwas nach. Er hatte sich wohl neben mich gesetzt und ehe ich es mir versah, platzierte er seine Hand nehmen meinem Körper. Ich spürte seinen Atem in meinem Gesicht. Mein Herz schlug etwa doppelt so schnell und meine Wangen fingen an zu glühen. „Nein, nicht alles“ hauchte er gegen meine Lippen, bevor er seine sanft darauflegte.
 

Mein Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. Ich hatte das Gefühl mein Herz würde an meinen Rippen zerschellen und mir wurde etwas schwindlig. Dieser süßlich-herbe Duft, der mich einhüllte, raubte mir den Verstand. Er hatte es nicht vergessen. Er fühlte noch immer so für mich. Ich seufzte erleichtert in den Kuss hinein, erwiderte ihn, ehe ich meine Arme um Yusei legte und ihn fester an mich zog. Vielleicht war das egoistisch, doch ich wollte ihn bei mir haben. Aber er wehrte sich auch nicht dagegen. Stattdessen spürte ich, wie seine Zunge vorsichtig über meine bebende Unterlippe fuhr. Etwas überfordert öffnete ich meinen Mund. Es war ein seltsames Gefühl, seine Zunge an meiner zu spüren, aber ich ließ mich darauf ein. Nach wenigen Sekunden genoss ich es. Ich hatte zwar keinen Vergleich, aber er konnte das verdammt gut! Dieses Kribbeln, das meinen gesamten Körper dabei durchzog, war so angenehm.
 

Ich fuhr mit meiner Hand über seinen Rücken und an der Seite wieder nach oben. Irgendwas löste das in ihm aus, denn er seufzte zufrieden, intensivierte den Kuss noch, drückte mich tiefer in mein Kissen. Langsam kapselte sich mein Verstand ab und ich gab mich ganz diesem Moment hin. Ich strich ihm weiter über seine Taille und berührte die weiche Haut unter seinem Shirt, doch dann löste er sich von mir. Ich wollte schon protestieren, aber stattdessen schnappte ich keuchend nach Luft.
 

„Entschuldige“ hauchte er fast atemlos gegen meine Wange, was mir erneut eine Gänsehaut bescherte. „Ich war wohl etwas zu… schnell.“ Meint er das ernst? Ich konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Wie oft habe ich mir in den letzten Tagen gewünscht ihm wieder so nahe zu sein? Im schwachen Licht der Straßenlaterne erkannte ich seine schönen Augen, die mich verwundert musterten. Ich lächelte und zog ihn wieder näher an mich heran. So nah, dass ich die Wärme seines Gesichts auf meinem spüren konnte. „Idiot“ flüsterte ich, ehe ich auch die letzte Distanz zwischen uns überwand und seine Lippen auf meinen lagen. Ich war wirklich hoffnungslos in meinen besten Freund verliebt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück