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Dein rettendes Lachen

von

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Besuch

* Die Sicht von Jaden *
 

Ich war gestern ziemlich enttäuscht, als wir Yusei während der Mittagspause nicht gefunden hatten. Ich muss mich endlich richtig bei ihm entschuldigen! Das macht mich noch wahnsinnig! Nach dem, was Alexis mir gestern erzählt hatte, war er jetzt noch wütender auf sie. Ehrlich gesagt war sie da aber selbst dran schuld. Als wir zur Schule fuhren, legte sich eine Stille über uns, was auch unserer Mutter auffiel. „Was ist denn mit euch beiden los? Normalerweise redet ihr doch auf dem Schulweg ununterbrochen. Vor allem du, Jaden.“ Ich seufzte. Der Gedanke an diesen blöden Dienstagnachmittag machte mich immer noch traurig. „Naja, wir haben Yuseis Vater versprochen, dass wir ein Auge auf ihn haben. Aber er geht uns die ganze Zeit aus dem Weg!“ Sie lächelte mich sanft durch den Rückspiegel an. „Könnt ihr es ihm verübeln? Er macht zurzeit einiges durch, und kennt euch kaum. Anscheinend will er noch keine Hilfe annehmen, aber das wird schon. Sein Vater ist ebenso ein Sturkopf! Ihr müsst wissen, wir kennen uns schon länger als nur die eine Woche die er bei mir auf der Station gearbeitet hat.“ Vermutlich schaute ich meine Mutter ebenso überrascht an wie meine Schwester. Woher kennt die denn jemanden aus Osaka? Sie lachte nur über unsere Gesichter. „Wenn ihr euch sehen könntet! Ja, ich kenne Hakase Fudo seit etwa zwei Jahren. Wir sind uns mal auf einer Tagung begegnet und seitdem stehen wir in flüchtigem Kontakt. Ich war es auch, die ihm die freie Stelle bei uns ans Herz gelegt hat, nach-“ Mitten im Satz brach sie ab und schüttelte den Kopf. „Ist nicht so wichtig. Wir sind da.“
 

Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass wir schon an der Schule waren. Alexis stieg zuerst aus. Ich blieb noch kurz bei meiner Mutter im Auto sitzen. „Sag mal, Mama?“ Sie drehte sich zu mir. „Was ist denn, mein Spatz?“ Normalerweise hasste ich es, wenn sie mich so nannte, aber heute ignorierte ich das mal. Ich spielte nervös mit den Fingern in meinem Schoß und hatte den Blick gesenkt. „Weißt du wie wir ihm helfen können?“ Als keine Antwort kam, sah ich zu ihr auf. Sie schien zu überlegen, dann sah sie mich sanft an. „Gib ihm Zeit“ war ihre einzige Antwort. Wieder seufzte ich. „Toller Ratschlag!“ Ich griff zur Autotür, öffnete sie und stieg aus. Dann winkten ich und meine Schwester ihr kurz zum Abschied, ehe wir in das Gebäude gingen.
 

„Was hast du denn noch mit Mama im Auto gemacht?“ fragte sie mich plötzlich. „Ich hab sie nur was gefragt, ist nicht wichtig.“ Sagte ich und bog in die Richtung meines Klassenraums ab.
 

Dort angekommen, begrüßte mich Jim, unser Abwehrspieler in der Mannschaft. Er war einen Kopf größer als ich und hatte kurze, schwarze Haare. Seine dunkelgrünen Augen musterten mich. „Sag mal, ist alles ok? Du wirkst geknickt.“ Oh Mann, dem Kerl entgeht aber auch gar nichts. Da fiel mir etwas ein und ich setzte ein Grinsen auf. „Ach was, alles gut. Sag mal, wie lief denn das Training gestern?“ Zu meiner Verwunderung zog er eine Grimasse. „Also echt, der Kerl, den du uns da vor die Nase gesetzt hast, ist wirklich seltsam! Ständig hat der uns Anweisungen gegeben wie und wo wir den verdammten Ball treten sollen, und die ganze Zeit hat er diesen strengen Gesichtsausdruck gehabt. Der hat nicht einmal eine Miene verzogen! Aber zugegeben: selbst Aster und Ohara haben mal ein paar ordentliche Pässe geschafft, also hat es wohl gewirkt.“ Ich grinste. „Sag ich doch!“ Auch er wirkte belustigt „Na gut. Ja, hast recht, aber wenn der noch einmal mit Hausaufgaben um die Ecke kommt, boykottiere ich. Als hätte ich nichts anderes zu tun!“ „Ach komm schon, von nichts kommt nichts. Hat er sich sonst gut im Team eingefunden?“ Jim musterte mich und schien seine Worte sorgfältig zu wählen. „Naja, wir haben ihm nicht widersprochen oder so, aber seine ganze Art war irgendwie recht abweisend und kühl. Da hat keiner von uns wirklich was mit ihm zu tun haben wollen. Ich weiß echt nicht, ob der bei uns reinpasst.“ Das waren nicht unbedingt die Worte die ich hören wollte, aber zumindest lehnte das Team ihn nicht komplett ab.
 

~*~
 

Zu meiner Enttäuschung war Yusei heute überhaupt nicht in der Schule. Auf meine Nachfrage hin wusste auch niemand wo er steckte. Da fiel mir wieder ein was sein Vater gesagt hat, und warum er auf der Station im fünften Stock liegt. Besorgt nahm ich Alexis in der Mittagspause kurz beiseite. „Was ist denn?“ fragte sie. „Naja… was ist, wenn er heute wegen eines bestimmten Grunds nicht in der Schule war?“ Sie schaute mich nur fragend an und zog eine Augenbraue nach oben. „Naja, irgendeinen Grund wird er sicher haben heute nicht aufzutauchen. Vielleicht ist er einfach krank.“ Ich packte sie an beiden Schultern und sah in ihr überraschtes Gesicht. „Ja, aber sein Vater hat doch auch gesagt es geht ihnen beiden nicht gut. Was, wenn er auch… Ich meine nach der Sache von gestern, da…“ Ich brach ab, aber Alexis verstand meine Sorge. Ihre Augen weiteten sich. Doch dann riss sie sich zusammen und nahm meine Hand. „Hey, geh nicht gleich vom Schlimmsten aus! Ich glaube Mama hat eine Telefonnummer vom Haus, sie kann ja mal anrufen. Zusätzlich schicke ich ihm noch eine E-Mail.“ Sie nahm ihr Handy, wählte die Nummer unserer Mutter und ging etwas abseits zum Telefonieren. Ein paar Minuten später kam sie wieder zu mir. „Siehst du? Mach dir keine Sorgen, sie ruft mal bei ihm an, und jetzt komm!“ Sie griff mein Handgelenk und zog mich ein Stück zu unseren Freunden, die heute auf der Tribüne saßen, da der Rasen noch immer zu nass vom Regen war.
 

Wir setzten uns dazu und unterhielten uns. Währenddessen tippte Alexis auf ihrem Handy, sie schien wohl die Mail zu schreiben. Carly war wieder besser gestimmt als gestern, doch sobald man sie auf diesen Artikel ansprach, senkte sie ihren Blick, wurde still und spielte am Saum ihres Rockes. „Man Carly! Was hat er dir gesagt?“ platzte es aus Jack heraus. „Ich schwöre, wenn er dir gedroht hat, dann-“ Erschrocken blickte sie auf und legte ihrem Freund beruhigend eine Hand auf den zitternden Arm, dessen Hand sich wieder zur Faust geballt hatte. „Nein, er hat mir nicht gedroht! Wirklich nicht! Ich will nur nicht darüber reden.“ Jack beruhigte sich wieder etwas, aber er sah noch immer angepisst aus. „Der Typ bringt echt alles durcheinander! Wieso ist er nicht in seiner verdammten Heimatstadt geblieben?“ Alexis schaute auf ihr Handy und nuschelte geistesabwesend: „Ich glaube da hatte er keinen Einfluss drauf. Er will genauso wenig hier sein wie du ihn hier haben willst.“
 

Crow sah sie neugierig an. „Wieso? Was weißt du denn?“ Erschrocken blickte sie auf und realisierte anscheinend jetzt erst, was sie gesagt hatte. „Ähm, naja, er hat doch am Montag gesagt, er ist wegen eines Jobwechsels hier. Ich wäre sicher auch wütend, wenn meine Eltern mich in eine andere Stadt mitnehmen.“ Sie weiß sich wirklich gut aus der Affäre zu ziehen. Gruselig. Ob Mama oder Yusei ihr schon geantwortet haben? Sie schien meinen Blick zu spüren, denn sie sah mich an und schüttelte leicht den Kopf.
 

~*~
 

Die Stunde bei Sensei Flannigan zog sich wie Kaugummi und natürlich gab es einen Berg an Hausaufgaben bis Montag. Großartig! Nach der Schule wartete mein Vater auf dem Parkplatz auf mich. Alexis hatte heute länger Schule und wird von einer Freundin mitgenommen. Bin ich froh, wenn der Hausarrest vorbei ist und die beiden uns nicht mehr ständig überwachen. „Schönen Tag gehabt?“ fragte er mich. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern und stieg ein. „Wir müssen vorher nochmal schnell ins Krankenhaus zu deiner Mutter“ sagte er als wir losfuhren. Da wurde ich hellhörig. Geht es um Yusei? Mein Herz raste bei dem Gedanken, dass ihm was zugestoßen sein könnte. Ich schluckte und fragte meinen Vater nach dem Grund. Inständig hoffte ich, dass Mama nur was zuhause vergessen hatte. „Es geht irgendwie um einen Klassenkameraden deiner Schwester. Er ist wohl nicht ans Telefon gegangen und wohnt zurzeit allein. Deine Mutter macht sich Sorgen um ihn, du kennst sie ja.“ Ich starrte ihn ungläubig an und merkte kaum wie jede Farbe aus meinem Gesicht verschwand. Das war genau die Bestätigung meiner Befürchtungen. „Und… warum fahren wir dann zu Mama?“ fragte ich heiser. Ich hatte einen Kloß im Hals. Er musterte mich. „Ich soll kurz nach dem Rechten sehen, er wohnt nicht sehr weit von uns entfernt. Deine Mutter hat den Schlüssel vom Vater des Jungen bekommen. Der liegt im Krankenhaus.“ Er seufzte. „Armer Kerl. Der Junge ist die nächsten sechs Wochen auf sich gestellt.“ Mein Vater ist genauso mitfühlend wie Mama. Wahrscheinlich haben die beiden deshalb Berufe, in denen sie Menschen helfen können. Die Fahrt bis zum Krankenhaus fühlte sich wie ein Weg von einer Stunde an, dabei fuhr mein Vater schon so schnell er konnte, ohne einen Strafzettel zu kassieren. Insgesamt waren wir nur 15 Minuten unterwegs. Papa wartete im Auto und ich sollte schon rein gehen, sodass wir uns die Parkplatzsuche sparen konnten. Ich rannte schon halb durch das Krankenhaus bis zu meiner Mutter.
 

„Ah, da bist du ja, Jaden!“ hörte ich eine Stimme aus dem Schwesternzimmer. Ich drehte mich um und sah meine Mutter auf mich zulaufen. In ihrer Hand hatte sie einen Schlüssel und einen Zettel. „Hat dein Vater dir gesagt um was es geht?“ fragte sie mich. Nervös nickte ich. „Gut, dann hör zu: Ich hoffe natürlich, dass es Yusei gut geht, aber falls er verletzt oder nicht da ist, rufst du mich sofort an, ja? Oh, ich hoffe er ist klüger als sein Vater!“ Ich sah sie schockiert an. Hat sie etwa die Gleiche schlechte Ahnung wie ich? Ein leichtes Zittern überkam mich. Plötzlich spürte ich ihre Hände an meiner Schulter und zuckte zusammen. Sie blickte mich mitfühlend an. „Entschuldige, vergiss das! Er liegt sicher nur mit einer Erkältung im Bett und hat das Telefon ausgestöpselt, um seine Ruhe zu haben. Auf dem Zettel steht seine Adresse. Jetzt aber schnell!“ Ich nahm ihr die Sachen ab und lief zum Parkplatz, wo mein Vater vor dem Eingang wartete. Yuseis Haus war wirklich nicht sehr weit von unserem entfernt. Vor dem Gebäude blieben wir stehen. „Es tut mir leid Jaden, aber es ist schon recht spät, und ich habe einen wichtigen Termin. Wäre es okay für dich selbst nach dem Rechten zu sehen und dann nach Hause zu laufen?“ Ich nickte und stieg aus. Der Schlüssel war schon in meiner Hand, da hörte ich den Wagen meines Vaters wegfahren.
 

Ich klingelte. Nach einem gefühlt unendlich langen Moment, kam jedoch keine Reaktion. Mit zitternder Hand steckte ich den Schlüssel ins Schloss und hielt kurz inne. Was, wenn er verletzt ist? Wie kann ich ihm schon helfen? Und was wir er sagen, wenn ich plötzlich in seinem Haus stehe und es ihm gut geht? Schaut er mich dann wieder mit diesem geschockten Blick an und ignoriert mich wieder? Ich schüttelte den Kopf um diese Gedanken loszuwerden und drehte den Schlüssel. Die Tür öffnete sich und vorsichtig trat ich ein. Ich kam in einen Flur, der nur spärlich eingerichtet war. Ich sah nichts Persönliches in diesem Raum, in dem nur ein paar Türen abgingen und eine Treppe, die nach oben führte. „Yusei?“ rief ich zaghaft. Keine Antwort. Oh, bitte lass ihm nichts zugestoßen sein! Hinter der ersten Tür auf der linken Seite war die Garage. Sein Motorrad stand da, er war also vermutlich im Haus. Außerdem konnte ich einige Möbelstücke unter mehreren großen, weißen Laken sehen, sowie mehrere Umzugskartons. Schnell schloss ich die Tür und ging durch die Nächste. Die Küche. Dahinter war das Wohnzimmer, aber auch hier war er nicht. Ich ging wieder zurück und öffnete die letzte Tür, die sich als Zugang zum Bad herausstellte. Ich wurde immer nervöser und ging die Treppe rauf.
 

Oben angekommen waren wieder vier Türen. Dieser Flur war leer und hatte am Ende des Gangs ein Fenster. Wieder rief ich seinen Namen und bekam keine Antwort. Ich fing auf der linken Seite an und öffnete die erste Tür. Ein Bad, etwas größer als das im Erdgeschoss. Die nächste führte mich in ein kleines Schlafzimmer. Gegenüber vom Schlafzimmer war ein fast leerer Raum. Nur ein paar weitere Umzugskartons und ein großer Gegenstand, von einem Laken abgedeckt standen darin. Was sollte das denn? Dann stand ich vor der letzten Tür und mich überkam wieder dieses wilde Herzklopfen. Hier musste er doch jetzt sein. Ich schluckte und drückte die Klinke nach unten.
 

Vorsichtig öffnete ich das Zimmer und ließ meinen Blick schnell durch den Raum schweifen. Ein Schreibtisch mit Drehstuhl, ein Kleiderschrank, ein Spiegel und ein Bett. In diesem lag mein schwarzhaariger Freund auf dem Rücken und rührte sich nicht. „Yusei!“ rief ich wieder und ging schnellen Schrittes auf sein Bett zu. Vorsichtig setzte ich mich auf die Bettkante. Er atmete flach und zitterte. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Er lebte. Aber seine Haut war bleich und schweißnass. In seinen Augenwinkeln konnte ich getrocknete Tränen sehen, er tat mir so unendlich leid. Langsam legte ich ihm eine Hand auf die Stirn. Sie war heiß. Er hatte ziemlich hohes Fieber. „Yusei“ flüsterte ich wieder und betrachtete ihn mit einem sorgenvollen Blick. Unbewusst wanderte meine freie Hand zu seiner und hielt sie fest. Er war eiskalt. Ich spürte einen leichten Druck auf meiner Hand. Seine Lider flackerten und öffneten ein Stück. Desorientiert ließ er seine tiefblauen Augen durch sein Blickfeld schweifen und schließlich ruhten sie auf mir. Sie hatten ihren Glanz verloren und waren glasig und trüb. Ich versuchte zu lächeln, doch mein Magen verkrampfte sich bei seinem Anblick. „Hey, Yusei, ich hab mir schon Sorgen gemacht“ sagte ich leise. Zu meiner Verwunderung legte sich für einen kurzen Augenblick ein Lächeln auf seine Lippen, ehe er seine Augen wieder schloss. Ich wusste nicht warum, aber mein Herz schlug wie wild in meiner Brust als ich diesen Gesichtsausdruck sah. Es war das erste Mal, dass ich ihn Lächeln sah.
 

Langsam zog ich mich zurück und verschwand im Bad, um ein Fieberthermometer zu suchen. Schnell fand ich es, lief zu ihm und setzte mich wieder auf die Bettkante. Strich ihm vorsichtig mit der Hand über seine Wange, um ihn zu wecken. Wieder öffnete er langsam seine Lider und sah mich an. Ich lächelte zuversichtlich und begann leise mit ihm zu sprechen. „Hey Yusei, ich würde gerne dein Fieber messen, würdest du deinen Mund öffnen?“ Es dauerte einen kleinen Moment, ehe er verarbeitet hatte, was ich sagte, doch dann öffnete er seinen Mund ein Stück, sodass ich ihm das Thermometer unter die Zunge legen konnte. „Und jetzt aufpassen, dass es nicht rausfällt“ sagte ich mit einem Grinsen, ehe ich wieder in das Bad lief. Hier muss es doch irgendwo eine Schüssel und ein Tuch oder sowas geben. Ich wurde fündig und füllte die Schüssel mit kühlem Wasser, ehe ich wieder zu ihm lief und ihm einen kalten Umschlag gegen das Fieber auf die Stirn legte. Er hatte seine Augen wieder geschlossen. Dann ging ich in das andere Schlafzimmer und holte eine zweite Decke, um den Rest seines Körpers zu wärmen. Das Thermometer piepte. Vorsichtig nahm ich es an mich und las die Zahl ab. 39,7°C. Das ist ziemlich hoch, ich sollte Mama anrufen, also wählte ich ihre Nummer und schloss Yuseis Zimmer hinter mir.
 

Sie ging schon nach dem ersten Klingeln ans Handy. „Jaden, was ist passiert?“ fragte sie aufgeregt. Ich versuchte sie zu beruhigen. „Alles gut, nichts Schlimmes! Es geht ihm aber ziemlich schlecht. Er hat 39,7 Fieber und ist eiskalt. Ich weiß nicht was ich sonst noch machen soll. Ich hab ihm eine zweite Decke geholt und einen kühlen Umschlag gemacht!“ ratterte ich meine Vorgehensweise runter. Sie schien kurz zu überlegen. „Erstmal hast du das sehr gut gemacht, mein Spatz. Weißt du wo das Badezimmer ist?“ Ich bestätigte ihr das und sie forderte mich auf ein kleines Medizinschränkchen zu suchen. „Gefunden!“ sagte ich. Es war hinter einem Spiegel. Sie nannte mir ein paar Medikamente, die ihm jetzt helfen würden, doch davon fand ich nur eine Paracetamol. Sie seufzte. „Naja, besser als nichts. Kannst du sie ihm gegen das Fieber geben? Er muss aber unbedingt etwas dazu trinken, auch wenn er erschöpft ist! In drei Stunden habe ich Feierabend, dann komme ich zu dir, mein Spatz. Ist es in Ordnung, wenn du bis dahin bei ihm bleibst?“ Für diese Antwort brauchte ich nicht lange überlegen. „Ja, klar.“
 

Ich beendete das Telefonat und holte ein Glas Wasser aus der Küche, ehe ich wieder zu Yusei ins Zimmer schlüpfte. Noch immer lag er so regungslos da, wie ich ihn vorgefunden hatte. Ich setzte mich neben ihn und strich ihm die Strähnen aus dem Gesicht, wodurch er wieder wach wurde und mich ansah. „Yusei, du musst was trinken. Ich hab hier was gegen dein Fieber, schaffst du es dich hinzusetzen?“ Langsam regte er sich und versuchte Folge zu leisten, aber man konnte ihm die Anstrengung in seinem Gesicht ablesen. Ich stellte das Glas Wasser neben dem Bett ab und schob ihm eine Hand zwischen die Matratze und seinen Rücken und half ihm hochzukommen.
 

Als er aufrecht saß, hatte ich ihn noch immer abgestützt und spürte seinen flachen, heißen Atem an meinem Schlüsselbein, weil er den Kopf durch seine Erschöpfung gegen meine Schulter legte. Inständig hoffte ich, dass er meinen erhöhten Herzschlag nicht mitbekam. „Du… Du musst die hier runterschlucken und etwas trinken.“ Er nickte kaum merklich und hob leicht seine zitternde Hand, doch ließ sie gleich wieder sinken. Er war zu schwach. Wie lange lag er in diesem Zustand eigentlich schon allein in diesem einsamen Haus? Eine Träne vernebelte mir die Sicht und ich musste sie wegblinzeln. Dann führte ich die Tablette zu seinem Mund und sah wie er ihn zaghaft einen kleinen Spalt öffnete. Für einen kurzen Augenblick berührte ich seine weichen Lippen, ehe ich schnell zu dem Glas griff und mein Herz dafür verfluchte, dass es Luftsprünge in meiner Brust zu machen schien. Ich setzte ihm das Glas an die Lippen. „Bitte trink!“ flüsterte ich. Erleichtert stellte ich fest, dass er es schaffte ein wenig zu trinken, ehe er sich verschluckte. Ich stellte das Glas wieder ab und lehnte ihn ein Stück weiter nach vorn, damit er das Wasser abhusten konnte. Vollkommen erschöpft sackte er in meinen Armen zusammen und brauchte anscheinend all seine Kräfte um nicht sofort wieder einzuschlafen. Sachte legte ich ihn wieder in sein Kissen und deckte ihn zu. Der Umschlag lag auf der Decke und ich erneuerte ihn um ihn wieder auf seine Stirn zu legen. Er war wieder eingeschlafen. Jetzt heißt es wohl warten, bis meine Mutter kommt.
 

Ich setzte mich auf den Boden neben dem Bett und stützte meine Arme neben ihm ab. Beobachtete, wie seine Brust sich hob und senkte. Sein Atem war flach, aber gleichmäßig. Keine Ahnung wie lange ich ihn in dieser Position beobachtete aber langsam senkte sich mein Kopf und ich schlief ein.
 

* Die Sicht von Yusei *
 

Ich hatte wieder diesen Alptraum. Eine liebevolle Stimme, ein Schrei, ein Knall und dann diese bedrückende Stille. Wie oft verfolgten mich diese Geräusche schon in den letzten Wochen? Ich hatte aufgehört zu zählen. Doch noch wie am ersten Tag jagten sie mir einen kalten Schauer über den Rücken. Angst, Verzweiflung, Trauer. All diese Gefühle übermannten mich erneut und drohten mich in die Tiefe zu reißen. Wie lang lag ich hier schon? Alles um mich herum war dunkel und kalt. Doch dann sah ich diesen gleißenden Lichtstrahl. Er wärmte mich, schenkte mir ein Gefühl von Geborgenheit, wie lange nicht mehr. Ich ging auf ihn zu und spürte eine Berührung an meiner Hand. Verzweifelt versuchte ich daran Halt zu finden.
 

Eine Stimme. Wo kam sie her? Mit aller Kraft versuche ich meine Augen zu öffnen. Ich war in meinem Zimmer, aber wo kam dieses wohlige Gefühl her? Mein Blick schweifte durch den Raum und dann sah ich ihn. Er macht sich wohl Sorgen. Bitte schau mich nicht mit diesen mitleidigen Augen an! Wie kann ich ihn nur aufmuntern? Ich freute mich so ihn zu sehen und lächelte, doch dann wurde es wieder schwarz. Die Kälte drohte mich erneut zu übermannen, als ich plötzlich eine Bewegung an meiner Wange spürte. Wieder versuchte ich meine Lider zu bewegen und meine Augen trafen die kastanienbraunen Seen meines Gegenübers. Sie gaben mir Halt. Er hat mir eine Frage gestellt. Was hat er gesagt? Fieber. Er wollte Fieber messen? Ich versuche meinen Mund zu öffnen und spürte gleich im nächsten Moment etwas Kaltes darin. Es war ein seltsames Gefühl. Doch dieses Lächeln in seinem Gesicht. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, aber er war schon wieder verschwunden. Wieder schloss ich meine Augen und versuchte etwas Ruhe zu finden, aber es wollte mir nicht gelingen. Irgendwas machte er um mich herum aber ich war zu schwach um ihn zu beobachten. Das kalte Stäbchen in meinem Mund wurde langsam warm und ich hörte ganz leise ein Piepen. Dann verließ es meinen Mund wieder. Erneut legte sich diese Stille um mich herum und verschluckte mich.
 

Ich versuchte mit aller Kraft wach zu bleiben und spürte kurze Zeit darauf eine Berührung in meinem Gesicht. Wieder öffnete ich die Augen und war froh, dass er noch da war. Bitte geh nicht schon wieder weg! Er bat mich etwas zu trinken. Jetzt erst merkte ich wie trocken mein Mund eigentlich war. Ich versuchte mich aufzusetzen aber egal wie sehr ich es versuchte, es gelang mir nicht. Dann nahm ich seine Wärme wahr und mir wurde schwindlig. Plötzlich saß ich in meinem Bett und spürte die Nähe und die Wärme meines Gegenübers. Zufrieden und erschöpft legte ich meinen Kopf an seine Schulter. Ich hörte seinen Herzschlag, nahm seinen Duft wahr. Er bat mich eine Tablette zu nehmen, doch ich konnte mich kaum bewegen. Verdammt. Dann aber spürte ich seine Finger an meinen Lippen. Kurz darauf gab er mir etwas Wasser. Gierig trank ich es, denn ich hatte unglaublichen Durst. Durch meinen Körper ging ein Beben und ich verschluckte mich. Wieder verließ mich die Kraft. Doch dieses Mal wurde ich nicht von der Dunkelheit gefangen genommen. Ich fühlte mich wohl. Ich wusste, dass er an meiner Seite war. Ich driftete in einen traumlosen Schlaf und bemerkte zum ersten Mal seit langem, wie ich mich entspannte.
 

Ein Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Hatte ich mir diese Fürsorge nur eingebildet? Ich fühlte mich besser. Langsam öffnete ich meine Augen und drehte den Kopf, sodass ich mein Zimmer betrachten konnte. Da lag er, mit dem Kopf auf meinem Bett abgestützt. Draußen dämmerte es schon langsam und die tiefstehende Sonne warf einen warmen Lichtschein auf ihn. Er sah so friedlich aus. Ich wollte diesen Moment genießen, ihn in meinem Gedächtnis abspeichern. Warum nur fühlte ich mich in seiner Nähe so wohl? Da hörte ich wieder das Geräusch, dass mich weckte. Die Türklingel. Wer könnte das denn um diese Uhrzeit sein? Jaden schlief friedlich weiter und schnarchte leise. Ich schmunzelte und fuhr ihm durchs Haar, ehe ich mich wieder zusammenriss. Was sollte das? Ich hatte einfach das Bedürfnis ihn zu berühren. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich schlug die Decke zur Seite, versuchte mich aufzusetzen und bemerkte, dass ich mich nun besser bewegen konnte. Da fiel plötzlich ein Tuch von meinem Kopf. Verwundert musterte ich es und bemerkte jetzt auch die zusätzliche Decke meines Vaters in meinem Bett. Wieder wanderte mein Blick zu meinem schlafenden Freund. Hatte er sich die ganze Zeit um mich gekümmert? Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen und stand langsam und leise auf, um ihn nicht zu wecken. Als ich das Zimmer verließ, schnappte ich mir noch ein Shirt und zog es mir über, während ich vorsichtig die Treppe runterstieg. Mir war noch immer etwas schwindlig.
 

An unserer Haustür angekommen, öffnete ich diese und sah in das verwunderte Gesicht von Frau Yuki. „Yusei?“ fragte sie verwirrt. „Wo ist Jaden, er war doch bei dir, oder?“ Ich nickte. „Er ist oben eingeschlafen.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Kratzen. Mein Hals fühlte sich wahnsinnig trocken an und schmerzte. Die brünette Frau vor mir sah mich mit einem strengen Blick an. „Jetzt aber wieder ab ins Bett mit dir! Du siehst ja furchtbar aus!“ Sie legte mir ihre Hand auf die Stirn. Die Berührung ließ mich kurz zusammenzucken. „Zumindest dein Fieber scheint gesunken zu sein“ fügte sie beruhigt hinzu.
 

Ich ging die Treppe nach oben und Frau Yuki folgte mir. Belustigt stellte ich fest, dass er sich keinen Millimeter bewegt hatte. Ich setzte mich neben ihn auf das Bett und seine Mutter betrat den Raum. „JUNGER MANN, WAS MACHST DU DA?“ rief sie laut. Mir klingelten die Ohren und Jaden erschreckte sich so sehr, dass er zur Seite umkippte.
 

Verwirrt richtete er sich auf und sah zu seiner Mutter. „Mama? Wie bist du denn hier reingekommen?“ „Yusei hat mich reingelassen. Also ehrlich, er sollte im Bett liegen bleiben und stattdessen läuft er hier im Haus rum, weil du schläfst!“ „Yusei?“ fragte er verwundert und drehte seinen Kopf zu mir. Ich saß noch immer auf dem Bett neben ihm und stellte verwundert fest, dass er rot anlief. Ging es ihm etwa wie mir? Auch mir schoss die Hitze wieder ins Gesicht und ich wandte den Blick ab um seine Mutter anzusehen. „Machen Sie ihm bitte keinen Vorwurf, Frau Yuki, er hat sich wirklich lieb um mich gekümmert.“ Ich musste husten und sollte wirklich was trinken. Mein Hals bringt mich noch um. Sanft wurde ich wieder ins Bett gedrückt und hatte die Decke über meinem Körper. Ich lag auf der Seite und über mir stand Jadens Mutter. Sie lächelte. „Du solltest dich noch etwas ausruhen, und nenn mich doch bitte Naomi.“ Schamesröte legte sich auf mein Gesicht. Es war mir unangenehm sie beim Vornamen zu nennen. Sie kicherte nur über meine Reaktion und half dann ihrem Sohn auf. „Also ehrlich Jaden, du bist der einzige, den ich kenne, der während eines Krankenbesuchs einschläft! Würdest du kurz das Zimmer verlassen? Ich will mit Yusei allein sprechen.“ Er nickte etwas überfordert und folgte ihrer Anweisung. Ich hörte seine Schritte die Treppe runter und betrachtete wieder die Frau vor mir.
 

„Wie fühlst du dich?“ fragte sie. „Besser. Jaden hat mir wirklich geholfen.“ Sie nickte. „Darf ich dich kurz untersuchen?“ „Ähm, sicher.“ Sie tastete meinen Bauch ab und untersuchte mit einem Stethoskop die Lunge und das Herz. Dann prüfte sie nochmal meine Temperatur. „Ich habe deinem Vater Bescheid gesagt wie es dir geht, ich hoffe das ist in Ordnung.“ Ich nickte. Als sie fertig war, kam Jaden mit einer großen Tasse ins Zimmer. „Ich hab Tee gemacht, falls du was willst“ sagte er und legte ein Grinsen auf. Da fiel mir mein trockener Hals wieder ein und ich nahm das Getränk dankend entgegen. Seine Mutter strich ihm lächelnd durchs Haar, was ihn anscheinend verärgerte. Dann drehte sie sich wieder zu mir. „Ich schau morgen früh noch mal bei dir vorbei, wenn das okay für dich ist. Heute ruhst du dich erst einmal aus.“ „Danke“ antwortete ich und sah zu Jaden. „Euch beiden!“ Unweigerlich musste ich lächeln. Es war ein ehrliches und aufrichtiges Lächeln. Er grinste mich an und wandte sich dann ab um die Treppe runterzugehen. Seine Mutter verabschiedete sich ebenfalls und schloss die Tür hinter sich. Ich war wirklich müde, also legte ich mich wieder hin und driftete augenblicklich in einen seligen Schlaf.



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