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Der letzte Sieg

Böse Vorahnung
von

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25. Meine dunkle Seite

Xia hatte sich mit ihrer Mutter in der Küche der Gast-Residenz zurückgezogen, wo die alte Ziege ihr einen Beruhigungstee reichte. Als König Wang ebenfalls in der Küche erschien, bat Yin-Yu ihre Tochter sie alleine zu lassen. Sie wusste, dass der Hunnenkönig etwas besprechen wollte, was nicht für die Ohren eines jungen Mädchens bestimmt war. Und Wang nahm kein Blatt vor dem Mund, dennoch fiel es ihm schwer die Frage zu stellen, auf die er aber sofort eine Antwort brauchte.

„Also?“, hackte er nach. „Was soll mit ihm geschehen?“

Yin-Yu sah zum Hunnenkönig auf. Dann schüttelte sie heftig den Kopf und starrte in ihre Teetasse. „Diesmal liegt die Entscheidung nicht nur bei mir.“

Wie aufs Stichwort stand plötzlich Shen im Türrahmen.

Der Hunnenkönig sah beide abwechselnd an. Dann nickte er. „Na schön. Aber trifft eure Entscheidung möglichst bald.“

Mit einem höflichen Kopfnicken verabschiedete er sich und verließ die Küche. Auch die Wahrsagerin zog es vor den Raum zu verlassen und ließ das Ehepaar allein. Yin-Yu sah zuerst nicht auf und blickte in das gefärbte Teewasser.

Schließlich ging Shen auf sie zu. Wieder blieb ihr Blick gesenkt. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie der weiße Lord neben ihr zum Stillstand kam. Er legte einen Flügel auf ihre Schulter. Yin-Yu schloss die Augen, als sich seine Fingerfedern auf ihr verkrampften. Er wollte es nicht sagen, aber sie verstand ihn völlig.

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Pfauenhenne war nicht in der Lage für die Seele ihres Ex-Mannes zu flehen. Shen schien das genau zu wissen und beugte sich etwas zu ihr runter. Anschließend wanderte sein Flügel zu ihrem Gesicht und strich ihr über die Wange. Und ohne ein Wort ging er wieder. Schweigend blieb Yin-Yu auf dem Stuhl sitzen. Eine Weile blieben ihre Augen geschlossen. Als sie sie wieder öffnete tropften ihr die Tränen ins Teewasser.
 

Po hatte sich in eine stille Ecke im Hof zurückgezogen und kaute genüsslich ein paar Kekse. Nachdem Xia mit Yin-Yu in die Küche gegangen waren, hatte er sich noch hastig etwas aus dem Vorratsraum geholt für einen Snack für Zwischendurch. Und vor allem um den ganzen Horror von vorhin so schnell wie möglich zu vergessen.

Nachdenklich schaute er zum Himmel hoch. Es war später Nachmittag. Müde reckte er sich und schluckte den letzten Krümmel hinunter. Dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Wand und ließ sich faul auf dem Boden sinken.

Eine kleine Weile döste er vor sich hin. Erst als er eine Bewegung wahrnahm, hob er den Kopf. Im Schatten des Hofes überquerte eine weiße Gestalt den Platz. Po schenkte ihm keine weitere Beachtung. War doch klar, dass es Shen war. Wer war sonst so weiß? Po schmunzelte über diesen Gedanken. Doch als er in der Abendsonne etwas aufblitzen sah, hob er dann doch den Kopf etwas höher. Shen trug sein Lanzenschwert mit sich über der Schulter.

Verwundert stand der Panda auf. Wieso war der Pfau bewaffnet? Die Schlacht war doch gewonnen. Oder musste er es spazieren führen, um den Stadtleuten seine Macht zu demonstrieren?

Unsicher beobachtete Po weiter, wie Shen die Stufen der Gast-Residenz runterging und in der nächsten Stadtstraße verschwand. In Po machte sich ein unangenehmes Gefühl breit. Kurzentschlossen rannte er die Stufen runter und blickte um die Ecke. Shen war noch nicht weit. Er ging recht langsam. So langsam, dass es einen erschrecken konnte.

Nachdem der Panda sich innerlich einen Ruck gegeben hatte, lief er dem weißen Pfau hinterher.

„Äh, Shen, wo willst du hin?“, fragte er.

Doch Shen sagte nichts, sondern ging einfach unbeirrt weiter die Straße runter.

„Äh, Shen? Hat dein Gehör von der Explosion Schaden genommen, oder hast du mich nicht verstanden?“

Wieder erhielt er keine Antwort, nur eine Fortsetzung von Schritten.

So langsam wurde Po dieses Schweigen unheimlich. Entschlossen packte er den Lord am Ärmel. „Shen, was ist los?!“

„Steh mir nicht im Weg, Panda!“, fauchte der Lord ihn an und stieß ihn weg.

Po zog die Augenbrauen zusammen. „Was hast du vor?“

Wieder setzte der Pfau seinen Weg fort. Diesmal allerdings in einem schnelleren Tempo.

Jetzt wurde Po richtig ungehalten. Ärgerlich sprang er dem Pfau vor die Füße. „Was hast du vor?!“

„Etwas was ich schon vor einem Jahr hätten tun sollen!“

Mit großen Augen betrachtete Po das Schwert in Shens Flügel. „Du hast doch wohl nicht etwa vor ihn…“

Er beendete den Satz nicht, sondern sah Shen nur an. Doch der Lord hob den Kopf und der Panda fand die Bestätigung seiner Befürchtungen.

„Nein, Shen! Du hast doch nicht etwa vor ihn… oder doch?“

„Was soll ich vorhaben, Panda?“

Po schluckte schwer. „Du hast doch wohl nicht vor ihn zu töten?“

Shens Augen verengten sich zu bösen Schlitzen, die auf Pos flehendes Gesicht trafen.

Plötzlich stieß der weiße Pfau ihn gegen die Wand und flitzte davon. Schwindelig rotierte der Bär um seine eigene Achse. Dann als er endlich wieder die Balance gefunden hatte, raste er ebenfalls die Straße runter.
 

Keuchend schaute Shen hinter sich. Die Straßen waren noch leer. Die Stadtleute befanden sich noch außerhalb der Gebäude. Zumindest solange bis das Schießpulver vollständig aus der Stadt entfernt wurde. Und das konnte dem ehemaligen Herrscher der Stadt Gongmen nur recht sein. Denn so würde niemand den Todesschrei hören. Schnell bog er um die nächste Hausecke. Es trennten ihn nur noch wenige Gassen von seinem Ziel. Doch kaum hatte er die vorletzte Straße hinter sich, fiel ihm ein Schatten vor die Füße.

„Autsch! Diese blöden Dachziegel. Man kann einfach nicht gescheit auf ihnen drauf rumrennen.“

„Panda! Ich sagte doch, du sollst mir aus dem Weg gehen!“

Mühsam rappelte Po sich auf. „Nein, Shen. Das kannst du nicht tun! Du kannst nicht einfach jemanden niederstrecken, der hilflos ist.“

„Es ist mein gutes Recht!“

„Ach, wirklich?!“

Diesmal war es Po, der wütend zurückkonterte, rief sich aber sofort wieder seine Gelassenheit zurück. Er durfte Shen nicht noch wütender machen, als er schon war.

„Willst du es dir nicht nochmal überlegen?“, versuchte der Panda es mit gefasster Stimme.

Shens Flügel krampften sich um den Schwertgriff. „Dafür ist es zu spät.“

Po verengte die Augen. „Und ich dachte, du hättest dich geändert.“

„Ich bin nicht wie du, Panda! Lass mich endlich durch!“

Shen sprang über den Panda. Doch Po bekam den Pfau noch am langem Federschwanz zu fassen. Shen fiel nach vorne und landete unsanft auf dem Boden.

„Du verdammter Narr!“

Zornig schwang der Pfau sein Schwert nach dem Panda. Doch diesmal ließ Po sich nicht davon ins Bockshorn jagen. Geschickt wich er dem scharfen Metall aus, zog ordentlich den Bauch ein, schwang nach unten und bekam das Schwert am Griff zu fassen. Wie angewurzelt hielt Shen inne, während der Panda unbeirrt seine Waffe festhielt.

„Zwing mich nicht dir weh zu tun, Panda!“

„Shen, dazu hast du keine Berechtigung…!“

„Oh, doch, Drachenkrieger. Die hat er.“

Überrascht sah Po auf. Wang war aufgetaucht und sah mit neutralem, aber festen Blick auf die beiden Streithähne herab.

„Ich habe gerade meine Einwilligung gegeben“, fuhr der Hunnenkönig fort.

„Du auch, Wang?“ Verwundert ließ Po Shens Schwert los.

Der große befellte Ochse verschränkte die Arme.

„Es liegt nicht in meiner Hand an ihm ein Urteil zu vollstrecken“, meinte der Hunnenkönig eisig und sein Blick fiel dabei auf Shen. „Xiang hatte bereits seine Begnadigung erhalten. Das war milde genug. Wäre er in meinem Gericht gewesen, hätte er schon vor einem Jahr die Todesstrafe erhalten.“

Po blieb der Mund offen. Dachte er jetzt die Explosion hat allen, außer ihm, das Gehirn verwirrt?

„Aber… aber…“ Verzweifelt suchte der Panda nach Worten und rubbelte sich heftig über den Kopf.

„König Wang!“

Alle drei schauten verwundert auf, als zwei Ochsen-Soldaten auf sie zu gerannt kamen.

„Er ist weg!“

Jetzt war es Wang der völlig verwirrt dreinschaute. „Weg? Wie weg?“

Der erste Soldat nahm eine stramme Haltung ein und zuckte die Achseln. „Einfach weg. Wir wollten gerade auf Eure Anweisung hin unseren Militärarzt von Ihrem Urteil in Kenntnis setzen, als wir dabei feststellen musste, dass der Verurteilte das Krankenbett unbemerkt ohne Vorwarnung verlassen hat.“

Wang wusste gar nicht, was er sagen sollte. Po erging es ähnlich und musste selber erst mal seine Gedanken sortieren. Nur Shen machte ein Gesicht wie Donnergewitter.

Endlich schaffte es Wang wieder einen klaren Satz zu formulieren. „Er kann unmöglich weit gekommen sein. So verletzt wie er war. Dazu war er überhaupt nicht in der Lage.“

„AAHHH!“

Alle fuhren erschrocken zusammen. Shen hatte mit einem lauten Aufschrei sein Lanzenschwert in den Boden gerammt, dass die Steinplatten unter ihm zersplitterten.

„Sucht ihn!“, schrie er. „Findet ihn! FINDET IHN! SOFORT!“

Obwohl die Soldaten gar nicht unter seiner Führung standen, machten sie sich sofort daran die Gegend abzusuchen. Sogar Wang hielt es für das Beste sich bei der Suche zu beteiligen. Denn Shen war so in Rage, dass jeder schnell den Kürzen zog. Mit Ausnahme von Po. Dieser sah nur mit fast schon traurigem Blick auf den Lord herab, der sich keuchend auf seiner Waffe abstützte.

Der Lord bemerkte den Vorwurf in Pos Augen und schnitt mit seinem donnernden Antlitz den Blickkontakt des Pandas. Es war wie, wenn eine Feuerbrunst auf eine ruhende Wasserquelle traf. Po versuchte mit aller Mühe die Ruhe zu bewahren. Doch das konnte Shen nicht friedlich stimmen.

Schließlich zog der Lord scharf die Luft ein. „Ich kann ihm nicht vergeben.“

Po zog die Augenbrauen zusammen. „Ach, aber ich, oder? Wie damals bei dir?“

Mit diesem Argument hatte der Kampfherr gerechnet. Mit voller Wucht schlug er mit dem Schwertgriff auf den schon kaputten Asphalt.

„Denkst du, es ist so einfach?! Einfach so, alles zu vergessen?“

Po holte tief Luft. „Denkst du, es ist mir super leichtgefallen?“

Erschrocken wich er Shens Schwert aus und verfehlte den Panda nur knapp an ein paar Kopfhaaren.

„Er hat es nicht anders verdient!“, fauchte der weiße Lord.

„Das haben all die anderen auch über dich gesagt“, versuchte Po es erneut. „Erinnerst du dich noch, damals im Verlies?“

Mit düsterem Blick wandte der Lord sich von ihm ab. Sein Lanzenschwert presste er fest in seinen Flügeln. „Er muss dafür büßen.“

Po schüttelte den Kopf. „Shen, dein Schmerz macht dich blind. Denkst du, danach wird es besser?“

„Er darf nicht mehr leben!“

„Hast du denn nichts dazugelernt?“

„ICH BIN NICHT WIE DU!“

Mit einem Mal wurde es gespenstisch still zwischen den beiden. Po stand weiterhin fassungslos da, während Shen ihm den Rücken zugekehrt die Stirn gegen die Metallklinge drückte.

Schließlich drang sich der Lord dazu durch etwas zu sagen. Wenn auch mit leiser, zittriger Stimme. „In all diesen Wochen, spürte ich in mir wieder die dunkle Seite.“

Pos Ärger wandelte sich in tiefe Bestürzung. Er hatte es zwar geahnt, dennoch hatte er stets das Beste gehofft. Doch er wollte ihn nicht unterbrechen, sondern ließ Shen einfach weiterreden.

„Eine dunkle Seite, die ich nie von mir wegbekomme.“ Endlich drehte Shen sich zu ihm um. Eigentlich hatte Po Tränen erwartet. Doch Shen gelang es erstaunlich gut, nicht in Emotionen zu verfallen. Stattdessen stand er da, mit verhärteten Gesichtszügen, ohne eine Spur von Trauer oder sonstigen Gefühlen.

„Wir sind verschieden“, fuhr er fort. „Das wird sich nie ändern.“

Wieder entstand ein Schweigen, begleitet von einem ununterbrochenen gegenseitigen Anstarren, welches Shen langsam unangenehm wurde.

„Ach, Panda“, wisperte Shen. „Es mag wohl daran liegen, dass dein Sinnen nach Vergeltung deshalb nicht so stark ist, weil es schon so lange zurückliegt. Und in so weite Ferne gerückt ist.“

Po kniff die Augen zusammen. Eine schweigsame Geste, dass er diesem nicht zustimmte.

Shen seufzte wehmütig. Er wandte sich ab, doch dann drehte er sich wieder zum Panda um und winkte ihn zu sich heran. „Kommt, Panda. Es wird Zeit, dir etwas zu zeigen.“



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