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Centuries

von

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Prolog

Die untergehende Sonne tauchte das Schlachtfeld zu seinen Füßen in unwirkliches Licht, so satt und rot wie das Blut, welches den Boden der Talsohle tränkte. Hier oben auf dem Hügel blieb ihm der Übelkeit erregende Gestank von Gewalt und Tod weitestgehend erspart, obwohl die auffrischende Brise bereits einen Hauch davon erahnen ließ. Seine Augen hingen unverwandt an der Form der alten Eiche, die wie ein Mahnmal inmitten des Kampfplatzes stand und der Zerstörung ringsum trotzte. Ein Mahnmal? Nein, vielmehr ein Grabstein für den einzigen Grund seiner Existenz, der ihm heute erneut durch die Finger geronnen war. Manchmal fragte er sich, wie es selbst nach all den Jahrhunderten noch immer so schmerzen konnte. Ein langer Atemzug glitt über seine zerschlagenen Lippen, sein Mund ein einziger, pochender Schmerz, aber das war nicht von Bedeutung. Nichts war von Bedeutung in einer Welt, die den letzten Herzschlag seiner Liebe gesehen hatte. Seine schweren Lider sanken herab, ein jämmerlicher und sinnloser Versuch, der Realität zu entfliehen.

 

Denn nun konnte er sie wieder hören; ihre Klingen, die aufeinanderprallten, konnte die Schwere seiner Arme fühlen, je länger ihr Kampf angedauert hatte. Er hatte gewusst, dass er ihn wiedersehen würde, hatte sich so lange nach diesem Tag gesehnt und gleichzeitig eine unergründliche Angst in seinem Herzen getragen. Es war seine Bestimmung, ihn in jedem Leben wiederzufinden, aber selbst dieses Wissen hatte ihn nicht darauf vorbereiten können, ihm in dieser Schlacht entgegentreten zu müssen. Der Anführer der Rebellen und er selbst General der kaiserlichen Armee. Sie waren einander ebenbürtige Gegner gewesen, obwohl er allein schon durch seine Erfahrung im Feld einen Vorteil hätte haben müssen. Aber … wie hätte er noch siegen können, wenn das Wissen, dass er seiner Vorhersehung gegenüberstand, wie eine Flutwelle über ihn hereingebrochen war? Ein Blick in diese seelenvollen Augen hatte genügt, ihm jeden Funke Kampfeswillen zu rauben, als ihn die Erinnerungen früherer Leben zu überwältigen drohten. Er war verloren gewesen, auch wenn ihm das erst später bewusst geworden war. Er glaubte, erneut den Aufprall spüren zu können, als ihnen ihre zu schwer gewordenen Waffen aus den Fingern geglitten und sie am Ende ihrer Kräfte auf den Boden gesunken waren. Für keine Sekunde hatten sie sich aus den Augen gelassen, als würde die Schlacht selbst in der Stille ihrer Gedanken kein Ende finden. Aber er war des Kämpfens so müde gewesen und bevor er sich hätte zurückhalten können, hatte er die Hand ausgestreckt und seinen Kontrahenten von dem Tuch befreit, das die Hälfte seines Gesichts unkenntlich gemacht hatte. Ein Stich war durch sein Herz gegangen, als seine Augen endlich wieder die vertrauten Züge hatten schauen und seine Finger den Menschen berühren dürfen, der auf ewig an ihn gebunden war.

 

„Ich habe dich gefunden.“

 

„Wer bist du?“

 

Kaum hörbare Worte, in vollkommenem Gleichklang gesprochen, die sein gesamtes Sein auf diesen einen Moment reduziert hatten. Ein Lächeln hatte seine Lippen geteilt, die Erleichterung ein beinahe greifbares Gut, das ihn hatte schwindeln lassen. Für einen Herzschlag war er glücklich gewesen, hatte sich vollständig gefühlt, und hatte doch nie eine Chance gehabt. Laute Rufe waren mit einem Mal über den Schlachtenlärm zu hören gewesen, das Donnern schwerer Hufe auf dem lehmigen Boden, und noch bevor er hatte reagieren können, war das Leben aus den geliebten Augen verschwunden.

Er hatte nicht begreifen können, was geschehen war, hatte nur auf die weißen Federn starren können, die den Pfeilschaft schmückten, der sich tief in die Brust des Rebellenfürsten gebohrt hatte. Alles, was danach passierte, war ein verschwommenes Chaos aus dem Surren seiner Klinge, den Schreien seiner Kameraden und der alles überschattenden Agonie des Verlusts gewesen, die ihn in den Wahnsinn zu treiben gedroht hatte. Fünf seiner besten Soldaten waren seiner Raserei zum Opfer gefallen, bevor er mit brutaler Gewalt überwältigt worden war. Er hatte geschworen diese Männer zu beschützen und hatte ihnen doch nichts als den Tod gebracht. Seine Brüder in der Schlacht hatten mit ihrem Leben bezahlt, weil sie ihrem General zur Hilfe geeilt waren. Aber wie hätte er sie verschonen können, wenn ihre Tat sein Schicksal auf so grausame Weise besiegelt hatte?

 

Er öffnete die Augen, betrachtete ein letztes Mal die Eiche, die Zeuge seines ewigen Versagens geworden war, bevor er den Blick auf das Schwert senkte, das zu seinen Füßen auf einem weißen Tuch lag. Er kniete sich davor, fragte sich für einen Moment, wer seiner Leute es gereinigt und geschärft haben mochte. Wer war ihm noch immer so loyal verbunden, dass er über einen Kameradenmord hinwegsehen konnte? Es war lediglich seiner hohen militärischen Stellung zu verdanken, dass er nicht unverzüglich hingerichtet worden war und man ihm die Gnade eines ehrenvollen Selbstmords schenkte. Er konnte die Blicke in seinem Rücken spüren, die sicherstellen sollten, dass er seinem Schicksal nicht entfliehen würde. Er lächelte zynisch, als er das Schwert anhob und der Spiegelung seiner gepeinigten Augen im polierten Metall entgegensah. Als wäre das hier ein Schicksal, dass er nicht würde tragen können. Wüsste er nicht, dass die Vorsehung viel grausamer war, als sich alle hier Versammelten vorstellen konnten, würde er die Endgültigkeit eines schnellen Tods herbeisehnen. Aber als er sein Schwert umklammerte und es ohne weiteres Zögern durch seine Mitte stach, wusste er, dass sein Leid lediglich von Neuem beginnen würde.

 

„Verzeih mir.“

 
 

~*~

Some legends are told

Some turn to dust or to gold

But you will remember me

Remember me for centuries

And just one mistake

Is all it will take

We'll go down in history

Remember me for centuries

~*~
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  -Pharao-Atemu-
2024-04-26T16:13:52+00:00 26.04.2024 18:13
Uff, wow, ein Prolog soll ja Lust machen die geschichte zu lesen, soll Spannung erzeugen und Fragen aufwerfen. Und ich muss dir leider ehrlich sagen
Maaan ich kipp gleich um vor Spannung und will unbedingt weiter lesen
Äh ja das wird kein langes Kommi... XD
Von:  Ryo-ki
2023-02-06T19:39:30+00:00 06.02.2023 20:39
Was für ein wortgewaltiger und ausdrucksstarker Prolog.
Du erschaffst in diesem kurzen Abschnitt unglaublich viele bedeutungsvolle und inhaltsschwere Bilder und Vergleiche, die all die Qual und das Leid so greifbar machen, als würde ich direkt daneben stehen oder wäre sogar Teil des Ganzen.
Und natürlich habe ich jetzt endlos viele Fragen, die sich hoffentlich im Laufe der Geschichte klären werden.
Nicht nur Fragen dazu, wer von beiden wer ist (dazu habe ich meine Wunschvorstellung), sondern auch dazu, wie genau die Verbindung aussieht, eventuell, warum sie so miteinander verbunden sind, ob sie zu einem guten gemeinsamen Ende finden können, ob die Schuld tatsächlich eine ist oder nicht usw.
Antwort von:  yamimaru
07.02.2023 19:51
Hallo,
es freut mich riesig, dass du den Weg zu meiner Geschichte gefunden hast und dass der Prolog gleich so einen guten Eindruck hinterlassen und dein Interesse geweckt hat.
Wenn ich davon ausgehe, was ich bislang von dir gelesen habe und was du in deiner ENS geschrieben hast (die Antwort kommt noch, versprochen ^^) bin ich mir recht sicher, dass dir gefallen wird, wer Erzähler und wer derjenige ist, der in jedem Leben wiedergefunden wird. ;)
Ich bin wirklich sehr glücklich, dass ich so viele spannende Fragen bei dir aufwerfen konnte und denke schon, dass sich im Laufe der Story alles aufklären wird. ^_°
Herzlichen Dank für deinen lieben Kommentar, ich hab mich sehr darüber gefreut.
LG
Yami
Von:  QueenLuna
2020-10-04T16:38:38+00:00 04.10.2020 18:38
Da du mir heute die Freude gemacht hast, mit dem 2. Kapitel um die Ecke zu kommen, musste ich glatt noch mal den Prolog lesen und ich muss sagen, er hat mich beim zweiten Mal sogar noch mehr berührt <3
Irgendwie habe ich gleich vom ersten Absatz diese Sehnsucht, die Trauer und auch Resignation des Protagonisten gespürt.
Gerade bei solchen Sätzen wie: "Nein, vielmehr ein Grabstein für den einzigen Grund seiner Existenz, der ihm heute erneut durch die Finger geronnen war." hat es schmerzhaft in meiner Brust gezogen. Oder auch hier: "Nichts war von Bedeutung in einer Welt, die den letzten Herzschlag seiner Liebe gesehen hatte."
Das sind Sätze bei denen man wirklich mitleiden muss, wenn man sich richtig auf die Geschichte einlässt. Jetzt beim zweiten Mal ist mir das Draufeinlassen leichter gefallen, da ich ja schon wusste, was im Prolog passiert und mich nicht die ganze Zeit gefragt habe "und was passiert jetzt? Worauf läuft es hinaus?" Gut, letzteres weiß ich immer noch nicht komplett, auch wenn man schon eine gute Ahnung davon bekommt.^^
Das Getümmel des Schlachtfeldes war wieder allgegenwärtig und greifbar und ich konnte regelrecht die... Naja... Erleichterung wars zwar nicht richtig, aber irgendsowas in der Art, als sie sich plötzlich gegenüberstanden und wieder getroffen haben.

Und weil du fragtest, was ich denke, aus wessen Sicht das geschrieben ist: ich weiß nicht mehr was meine letzte Antwort drauf war, aber diesmal hatte ich das Gefühl aus Zeros Sicht zu lesen und dabei bleib ich jetzt auch *lach*

Liebe Grüße
Luna
Antwort von:  yamimaru
07.02.2023 20:11
Hallo, meine treue Seele,

ich glaub, es geht schon als peinlich durch, einen Kommentar über zwei Jahre lang nicht zu beantworten, oder? Ich hatte überhaupt nicht mehr auf dem Schirm, dass du den Prolog hier noch einmal kommentiert hattest. Dickes, fettes SORRY deswegen. ^^

Ich liebe es ja, wenn du dir Sätze rauspickst, die dich besonders berührt haben oder die dir im Gedächtnis geblieben sind. Das ist so ein lieber Push für meine kleine Schreiberseele. ^^
und schön finde ich es auch, dass du dich beim zweiten Lesen noch mehr auf den Prolog und die Handlung einlassen konntest.
Es hat mir echt Spaß gemacht, hier etwas hochtrabender und in eher altertümlicher Sprache schreiben zu können und ich bin sehr froh, dass das wohl die richtige Entscheidung war, weil es offensichtlich zur Stimmung der Geschehnisse beiträgt.
Dass du Erleichterung oder so etwas Ähnliches verspürt hast, als die beiden sich wiedergefunden haben, freut mich umso mehr, da ich heute aus gegebenem Anlass den Prolog noch mal gelesen habe und dasselbe Gefühl dabei hatte.
Schon krass, wie viel man vergessen kann, obwohl man der Autor ist. XD

und ja, deine Vermutung ist mal wieder goldrichtig, aber das weißt du ja längst. XD

Vielen, vielen lieben Dank für deinen Kommentar, der mir beim Lesen jetzt wieder ein breites Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. <3

Alles Liebe
Yami


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