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Caught Cold

von

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Das Leid in den Zügen eines Menschen.
 

Die Qualen, unter denen sich ein Verwundeter wand.
 

Die Angst in den Gesichtern der Umstehenden.
 

Die Resignation in den Augen der Betroffenen.
 

Das Ende.
 

Das alles waren Dinge, die mit den Aufgaben eines Iryo-Nin einhergingen. Dinge, vor denen sie vorher keiner gewarnt hatte. Dinge, die erst auf dem Schlachtfeld die hässliche Seite ihres Weges offenbarten. Anfangs wurde ihnen nur gesagt, dass sie nicht alle retten konnten, dass Menschen – Verbündete, Freunde und nicht zuletzt Geliebte – sterben würden, ohne dass sie etwas dagegen tun konnten.

Und dennoch, jemanden zu verlieren war hart; ein grausames Spiel, das der Krieg mit ihnen spielte.

Doch zu sehen, wie sich Verbündete unter Höllenqualen unter ihren Händen wanden und Mitstreiter mit angehaltenen Atem angsterfüllt das Blut ihrer Begleiter anstierten… was das mit einem machte, hatte ihnen keiner gesagt.
 

Doch all das hatte Tsunade mit der Zeit in Kauf genommen. Es waren die erfolgreichen Momente, die sie antrieben. Die Erleichterung, wenn sie den Schmerz linderte, die Last, die von den Schultern aller fiel, sobald Linderung eintrat und die Hoffnung, dass alles gut werden würde. Dass dies nicht das Ende war.
 

Es war der Moment, wenn sie mit ihren Fähigkeiten das Blatt wendete. Wenn sich Angst in Hoffnung umkehrte und sie als eine Einheit auf dem Schlachtfeld standen, bereit, alles zu geben und gemeinsam heimzukehren.
 

Wenn Resignation in Lebenswillen umschlug.
 

Das war es, das sie als Iryo-Nins immer weitermachen ließ; der Glaube daran, die Verluste schmälern zu können.
 

Aber das Vertrauen darauf, das Richtige zu tun und das fragile Selbstbewusstsein, aufgebaut auf den Kriegsverletzungen anderer, waren wie ein Kartenhaus, das jeden Moment in sich zusammenfallen konnte.
 

Wenn sich die Hoffnung, die trotz aller Qualen so unerbittlich festgehalten wurde in Resignation wandelte und sich das Bewusstsein, dass dies das Ende des Weges war, in den freudlosen Iriden ihres Patienten widerspiegelte.
 

„Wie wird es jetzt weitergehen?“
 

Sie hatte Kakashi einmal mehr durch die Hölle geschickt, als sie sich seinen Verletzungen gewidmet hatte. Viel zu viele davon bei seinen Wirbeln, in der Nähe von Nervenzentren und so tief, dass selbst seine Lunge Schaden genommen hatte. Aber er hatte es tapfer über sich ergehen lassen. Tsunade zweifelte jedoch nicht daran, dass ihm mehr als einmal durch den Kopf gegangen sein musste, einfach aufzugeben.
 

Doch sie hatte ein Versprechen gegeben.
 

„Aber du wirst sehen, Kakashi, noch bevor der Tag rum ist, wirst du dich schon besser fühlen. Und mit jedem Mal wird es noch ein bisschen besser – nicht wahr, Tsunade?“

„Ja.“
 

Und Kakashi hatte daran festgehalten. An der Hoffnung, dass es ihm besser gehen würde. Dass es gut werden würde.
 

„Wie wird es jetzt weitergehen?“
 

Es war sein gutes Recht, diese Frage zu stellen. Und sie hatte die eigentliche Frage in seinen Augen ablesen können.
 

Bekomme ich mein altes Leben zurück?
 

Doch nach allem, was sie in Erfahrung gebracht hatte, hatte sie diese Frage und vor allem ihre Antwort verdrängen wollen. Bis ins hinterste Eck ihres Bewusstsein hatte sie diesen Punkt geschoben und hatte sich auch während der Behandlung nicht damit befassen wollen. Was sie gesehen hatte, hatte sie alles überdenken lassen.
 

Und obwohl Kakashi jedes Recht hatte, diese Antwort von ihr zu verlangen und sie die Frage hatte kommen sehen, hatte sie keine Antwort parat gehabt.
 

Sie hatte gezögert.
 

Noch im gleichen Moment hatte sie Kakashis Hoffnung brechen sehen.
 

Sein Lebenswille wandelte sich vor ihren Augen in Resignation, ohne dass sie es hätte aufhalten können.
 

Sie hatte gezögert.
 

Und wie ein Dominostein, der alles zu Fall brachte, war sie stumm und wie gelähmt verblieben und hatte nur zugesehen. Vor ihren Augen brach ein so komplexes System in sich Stück für Stück zusammen, dass keines ihrer Worte diesen Zerfall noch hätte stoppen können.
 

Es war nur ein kleiner entscheidender Augenblick gewesen, der auch Shizune nicht unbemerkt blieb. Sie hatte noch versucht, die Situation zu retten. Vergebens.
 

Tsunade stöhnte genervt.
 

Es war ihr Job, den Verletzten ihr Leid zu nehmen und ihre Resignation in Hoffnung und den Willen, weiterzumachen zu wandeln.
 

Nun hatte sie Hoffnung zerstört und mit Leid den so qualvoll festgehaltenen Lebenswillen in Resignation umgewandelt.
 

Allerdings…rein faktisch hatte sie ihr Versprechen gehalten. Es ging ihm bereits besser, viel besser. Zumindest körperlich.
 

Trotzdem hatte sie das Gefühl, ihr Wort gebrochen zu haben.
 

„Shizune, wenn ich nicht bald ein Glas Sake bekomme, dann-“
 

„Tsunade, bitte! Nicht so laut! Wenn das Krankenhauspersonal dich hier so reden hört!“
 

„Na und? Was soll dann sein?“ Sie massierte sich mit den Fingern genervt den Nasenrücken. Da hatte sie ihr Sensei wieder in etwas hineinmanövriert!
 

Dieser elende alte Mann…
 

„Shizune!“, sie spürte das regelmäßige Pochen, das sich unterschwellig in ihrem Kopf breit machte.
 

„Gewiss nicht. Ich werde keinen Sake in dieses Krankenhaus schmuggeln.“ Und selbst war sie leider bekannt, wie ein bunter Hund. Verdammter Mist.
 

„Wo bin ich da nur wieder reingeraten…“
 

„Du solltest die Sache klären.“
 

„Mit den Barbesitzern?“
 

„Mit Kakashi!“ Shizunes tadelnder Tonfall verstärkte das Pochen unter ihren Schläfen. Sie musste ihre Begleiterin nicht ansehen, sie konnte den Blick erahnen, mit dem sie sie strafte.
 

„Ich habe ihm seine Frage bereits beantwortet. Du warst doch dabei, als ich ihm erklärt habe, wie es weitergeht.“
 

„Ja, das schon…“, stammelte Shizune zögerlich. Tsunade wusste, worauf sie anspielte. Die unausgesprochene Frage, die noch immer unbeantwortet im Raum stand. „aber ich denke, dass Kakashi von dir noch etwas anderes hören wollte.“
 

Bekomme ich mein altes Leben zurück?
 

„Seine Frage war, wie es weitergeht. Die habe ich ihm beantwortet.“ Und Kakashi hatte nur noch geschwiegen, seine Iriden ausdruckslos nach vorne gerichtet und jegliches Interesse an dem, was sie noch gesagt hatte, war erloschen. Es war egal gewesen. „Eine andere Frage gab es da nicht.“
 

Noch immer mied sie Shizunes Blick, hörte nur, wie ihre Begleiterin geräuschvoll ihre Unterlagen ordnete und die Mappe zuschlug.
 

„Dann ist ja gut. Dann brauchst du auch keinen Sake.“, sagte Shizune streng.
 

„Eeeh?!“ Doch noch bevor die Sannin reagieren konnte, ergriff Shizune erneut das Wort. „Und nun möchte ich dich bitten, wieder zurück an die Arbeit zu gehen.“
 

Manchmal zweifelte die Ältere, wer wessen Schülerin war, wenn sie sich Shizunes Umgangsform ansah, sobald sie unter sich waren. Aber dazu gehörten vermutlich zwei und wahrscheinlich schadete es ihr nicht, jemand so pflicht- und verantwortungsbewusstes wie Shizune an ihrer Seite zu haben.
 

Genervt stieß die die Luft aus und sank gegen die Lehne ihres Stuhls. Immerhin hatte die Jüngere nicht länger in dem Thema herumgebohrt.
 

Mit müden Augen beobachtete Tsunade die Schwester, die leise die Tür hinter sich schloss, als sie das Krankenzimmer verließ; behutsam balancierte sie ein kleines graues Essenstablett in ihrer Hand, darauf eine kleine Schale und ein Glas.
 

„Nanu? Er hat gar nichts angerührt. Schläft er etwa?“, fragte Shizune mit hörbarer Verwunderung.
 

„N-nein, er ist wach und wirkte auch nicht müde. Aber er hat auf das Essen keinerlei Reaktion gezeigt.“ Die Krankenschwester wirkte unsicher in ihrer Antwort. Doch das überraschte Tsunade nicht; für das Personal dieser Einrichtung war eine so rasche Besserung eines Patienten ungewohnt. Ohne den Gebrauch heilenden Chakras war die Genesung dem ganz natürlichen Lauf der Dinge überlassen.
 

„Was meinst du Tsunade, ob er zu starke Schmerzen hat?“
 

Anstelle einer Antwort richtete Angesprochene auffordernd ihren Blick auf die junge Schwester und gab die Frage im Stillen an sie weiter. In Gedanken versunken blickte die Frau auf das Tablett in ihren Händen. Sie zögerte einen Moment, bevor sie antwortete; wägte ab, was sie gesehen hatte.
 

„Nein, auf mich hat es nicht den Anschein gemacht, als hätte er Schmerzen. Im Gegenteil, er wirkte seltsam ruhig. Ich hatte das Gefühl, dass er mich ganz bewusst nicht beachtete. Weder sah er mich an noch reagierte er auf mein Nachfragen, ob er nicht etwas essen wolle.“
 

Es muss in ihm wüten, vielleicht brodelt er sogar vor Wut und Frust. Von ‚ruhig‘ kann kaum die Rede sein.
 

Tsunade legte den Kopf in den Nacken, um ihn an der Rückseite ihres Stuhls abzustützen, ihr Blick war ziellos geradeaus gerichtet.
 

Nur ein einziges Glas Sake…
 

~~
 

„Obito, ich werde morgen gegen vier Uhr Nachmittag noch zum Dorfvorstand gehen und ein paar letzte Dinge regeln. Danach können wir uns am Rand des Dorfes westlich vom Krankenhaus treffen und aufbrechen.“
 

„Soll ich dann etwa eine Stunde später dort auf Sie warten, Sensei?“
 

„Hmmm“ Minato legte nachdenklich die Finger ans Kinn und sah zum Himmel hinauf; dann seufzte er. „Nein, ruhig etwas später. Der Dorfvorstehende ist ein sehr gesprächiger Herr und nach all der Gastfreundschaft, möchte ich ihm nicht das Wort abschneiden.“
 

Obito hatte am Gesicht seines Senseis erkannt, dass mehr dahinter stecken musste, als pure Gastfreundschaft – politisch bedacht wäre wohl eine treffendere Beschreibung gewesen.
 

Gesprächig huh?
 

Er zuckte ergeben mit den Schultern. Das war nichts, in das er seine Nase stecken sollte; vermutlich wollte ihr Sensei ihn einfach nur nicht beunruhigen. Der Uchiha hatte also die Chance genutzt, sich bei Rens Familie zu bedanken und zu verabschieden, um am Nachmittag noch einmal mit Misami das kleine Lokal zu besuchen, in das sie ihn zuvor eingeladen hatte.
 

Heute würden sie abreisen; es kam ihm seltsam und unwirklich vor. So viel Zeit hatte er hier verbracht, so viele Tage waren es gewesen, die nichts weiter als ein intensiv gelebter Alptraum gewesen waren – alles im völligen Kontrast zu seinem Leben in Konoha. Wie es wohl sein würde, zurück nach Konoha zu kehren und Rin und die anderen alle wiederzusehen? Alle – außer Kakashi.
 

Ob sie bereits wussten, was passiert war? Hatte Rin es ihnen erzählt? Was wohl die Nohara die ganze Zeit ohne ihr Team gemacht hatte? Er konnte nicht leugnen, dass er sich auf Zuhause, seine Familie und Freunde aus der Akademie und seine gewohnten vier Wände freute. Und gleichzeitig war da dieser bittere Beigeschmack der Schuld, die er trug und das schlechte Gewissen, das ihn quälte.
 

Zielsicher ging er die Straße entlang auf dem Weg zum Krankenhaus. Obito spürte das nervöse Kribbeln in seinem Magen mit jedem weiteren Schritt stärker werden. Er würde Kakashi noch ein letztes Mal hier besuchen und sich verabschieden - das musste er. Aber genau das bereitete ihm Unbehagen – was, wenn Kakashi wach war? Er wusste, dass es keine Rolle spielte, ob er bereit war, sich Kakashi zu stellen; es war einfach das Unvermeidbare, das ihn früher oder später einholen würde. Dennoch linderte dieses Wissen seine Angst vor diesem Moment kein Stück.
 

Das letzte Mal, als er wirklich mit Kakashi gesprochen hatte… der Uchiha schluckte. Bilder ihres Kampfes, der Ruinen im Wald und seines letzten Gespräches huschten durch seine Gedanken. Erinnerungen, die er am liebsten nie gemacht hätte. Er hatte das Kakashi niemals antun wollen – nie!

Wenn er doch nur stärker gewesen wäre, wenn ihm dieser Kampf nicht so unglaublich schwer gefallen wäre! Und dann noch sein völliges Versagen im Krankenhaus, als Kakashi endlich die Augen geöffnet hatte; was war er ihm nur für ein erbärmlicher Kamerad. Er hatte auf ganzer Linie bewiesen, dass er bis zum heutigen Tag Kakashi nicht ein einziges Mal zur Seite hatte stehen können – nicht einmal dann, wenn er es wirklich gewollt hatte.
 

Vor dem Eingang des Gebäudes blieb er stehen. Es war sein nicht enden wollender innerer Kampf: sollte er Kakashi der Freund sein, der er eigentlich sein wollte oder ihn besser in Ruhe lassen, angestellt hatte er immerhin mehr als genug.
 

Obito seufzte; für all diese Zweifel hatte er eigentlich gar keine Zeit. Was auch immer er tun würde, er musste es bald tun. Sensei Minato hatte dem Ganzen einen zeitlichen Rahmen gesetzt, an den er sich halten musste.
 

Er betrat die Eingangshalle des Krankenhauses, sein Blick schweifte an der Stuhlreihe an der Wand entlang; hier hatten sie sich alle wiedergefunden. Ihr Sensei, Rin und auch Ren waren hier hergekommen. Rin hatte sich so gefreut, ihn zu sehen, doch in dem Moment, als sie nach Kakashi gefragt hatte, war ihm das Herz in die Hose gerutscht.
 

Seine Iriden durchwanderten die restliche Halle; die grauen Fließen, auf denen er vor seinem inneren Auge noch immer das Blut sah, das von Shuichis Händen auf das Anthrazit tropfte; Blut des Jungen in seinen Armen. Obito erschauderte bei dieser Erinnerung, er spürte den kalten Schweiß an seinem Rücken hinablaufen, die Härchen auf seiner Haut stellten sich auf.
 

Und letztendlich war da noch die Rezeption, an der Misami ihn immer herzlich begrüßt hatte. Er würde sie vermissen.
 

Seine Beine bewegten sich unentwegt weiter durch die Flure, für seinen Geschmack kannte er sich hier viel zu gut aus. Die Gänge waren ihm viel zu vertraut, an den Geruch des Desinfektionsmittels gewöhnte er sich viel zu schnell und den weisenden Schildern schenkte er keinerlei Aufmerksamkeit mehr.
 

Er wurde langsamer, als er auf der Station ankam, die er angestrebt hatte. Vorsichtig näherte er sich dem Schwesternzimmer, um seinen Besuch ankündigen. Doch vor allem wollte er wissen, wie es Kakashi ging und ob er wach war.
 

„Hallo Obito! Schön dich zu sehen“, die junge Frau lächelte ihn sanft an.
 

Zögerlich erwiderte er ihren Gruß und beobachtete sie, während sie ein befülltes Tablett auf einen der kleinen Transportwagen abstellte. Es sah aus wie eine der typischen Mahlzeiten, die den Patienten gereicht wurden; nur diese war unberührt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er ihren Namen eigentlich gar nicht kannte, obwohl sie häufig hier war und sich jedes Mal freute, wenn ihre Patienten Besuch bekamen. Ob sie vielleicht ein Namensschild trug? Er würde darauf achten, wenn sie sich ihm zuwandte.
 

Doch noch während Obito sich darauf konzentrierte, entgingen ihm die beiden Augenpaare, die ihn neugierig fixierten und ebenso die Person, die sich ihm näherte.
 

„Dann bist du Obito? Obito Uchiha? Freut mich dich kennen zu lernen!“ Erschrocken riss er den Kopf in Richtung der Stimme herum, die plötzlich hinter ihm aufgetaucht war.

Vor ihm stand eine Frau mit kurzen dunklen Haaren, sie sah jung aus. Ihre Haltung war aufrecht, die Schultern gestrafft, ihre Hände hinter dem Rücken gefaltet und ihre Züge waren durch und durch freundlich. Kannte er sie? Sie schien jedenfalls ihn zu kennen…

Hinter ihr sah er eine weitere Frau auf einen der Stühle des Stationsstützpunktes sitzen.
 

Seine Augen zuckten zurück zu der Person vor sich, als sie weitersprach. „Bestimmt hast du schon gehört, dass wir hier sind. Ich bin Shizune und das ist meine Lehrmeisterin-“
 

„Tsunade-sama.“, beendete Obito den Satz für sie. Ja, das war eindeutig Tsunade. Auch wenn er sie nur vom Sehen kannte, bestand daran gar kein Zweifel.
 

Shizune stockte kurz, verwarf ihre Verwirrung dann jedoch lächelnd mit einem Kopfschütteln. „Natürlich, mir hätte klar sein müssen, dass du sie kennst. Alte Gewohnheit, außerhalb Konohas erkennt nicht jeder Tsunade sofort.“, erklärte sie sich ihm freundlich.
 

Doch Obito hörte nur auf halbem Ohr zu. Zu wissen, dass die Sannin für Kakashi in dieses Dorf gekommen war, war eine Sache. Sie direkt vor sich zu haben, eine völlig andere.

Tsunade war wirklich hier. Eine Sannin und die wohl anerkannteste Heilerin unter den Shinobi.
 

Fast gelangweilt saß sie in dem Raum, ihr Blick lag auf ihm, als würde sie versuchen, ihn einzuordnen und die Situation abzuwägen.
 

Kakashis Hoffnung – vielleicht die einzige. Und somit auch Obitos.
 

Kein Wort verließ Obitos Lippen, viel zu gebannt starrte er auf die blonde Frau vor sich, ein warmes Kribbeln erfüllte seinen Brustkorb. Erst jetzt wurde diese Erkenntnis, dass wirklich alles getan wurde, um zu Kakashi zu helfen, zu etwas Realem; Tsunades Anwesenheit war nicht mehr nur eine Information, die sein Sensei ihm gegeben hatte.
 

Aber so sehr die Hoffnung auch in ihm keimte, einen wirklich wohlwollenden Eindruck machte die Sannin auf ihn nicht. Obito wusste zwar, dass Tsunades Ruf über den einer Heilerin hinausging und es viele Dinge gab, die in Bezug auf die Schülerin des dritten Hokage unter vorgehaltener Hand gesagt wurden, doch das erklärte nicht das seltsame Gefühl, das sich unter ihrem wachsamen Iriden in ihm breit machte.
 

Er beobachtete, wie die Sannin ihre Position änderte, sich ihm zuwandte, den Ellenbogen auf der Tischplatte aufgestellt, den Kopf auf der locker geformten Faust gestützt. In ihrem bislang kalkulierenden Blick blitzte auf einmal etwas auf, das Obito nicht einzuordnen wusste und ihre Lippen verzogen sich zu einem fast spöttischen Grinsen.
 

Was…?
 

Von dem gelangweilten Eindruck, den sie bis gerade eben noch gemacht hatte, war nichts mehr übrig. Und so schnell das warme Kribbeln in Obitos Brustkorb gekommen war, so schnell war es auch wieder im Keim erstickt. Irgendetwas an Tsunade verunsicherte ihn.
 

Und er sollte recht behalten.
 

„Soso, du hast also deinen Freund ins Krankenhaus gebracht.“
 

Die Worte trafen Obito direkt in die Magengrube. Er wusste nicht, wie Tsunade an diese Information hätte kommen können, aber er war sich sicher, dass Tsunade sich der Zweideutigkeit ihrer Frage bewusst war. Ja, sie hatte ihre Worte ganz eindeutig so gewählt.
 

Aber warum sollte sie so etwas tun? Woher konnte Tsunade überhaupt davon wissen? Er hatte es hier im Dorf niemanden erzählt, Ren war damals bei Rin und ihrem Sensei, gegenüber Shuichi und Misami hatte er kein Wort diesbezüglich über die Lippen gebracht. Hatte er im Schlaf gesprochen?! Dass er im Schlaf vor sich hin murmelte, war nicht auszuschließen, aber gleich einen ganzen Bericht über ihre Mission inklusive der persönlichen Note? Nein, unmöglich. Völlig ausgeschlossen.
 

Und wenn Tsunade es doch anders gemeint hatte? Sein Gefühl sagte ihm allerdings, dass dem nicht so war.
 

Obito schluckte, seine Kehle war wie ausgetrocknet und seine Gedanken überschlugen sich förmlich. Er wagte es nicht, seinen Blick von Tsunade abzuwenden. Das war völlig absurd.
 

Die einzige Person, die außer ihm wusste, was damals passiert war, war Kakashi. Ob er…? Hatte Tsunade es geschafft, Kakashi zu heilen, sodass er ihr… dass er… dass…
 

„Ist Kakashi…?“
 

Tsunades ihre Augenbraue wanderte langsam auf ihrer Stirn nach oben. Der Junge vor ihr war bei ihren Worten innerhalb von Sekundenbruchteilen kreidebleich geworden und hatte sie wie versteinert angestarrt. Sie hatte erwartet, dass er es abstreiten würde, dass sie ihm vielleicht sogar einen Hinweis entlocken könnte, was dort im Wald wirklich passiert war. Ein ‚Nein, so ist das nicht gewesen‘ oder Ähnliches war es, worauf sie spekuliert hatte. Doch anstelle sich zu erklären, fragte er einfach nur nach seinem Kameraden.
 

Genau wie die alte Dame es gesagt hatte. Er suchte die Schuld bei sich und es schien ihn im Stillen fast umzubringen.
 

Doch das kam Tsunade recht. Es bestätigte ihr nur, dass irgendetwas auf der Mission außer Kontrolle geraten sein musste. Etwas, das mit ihren Gegnern möglicherweise in keinem Zusammenhang stand.
 

Vielleicht war es Zeit, den beiden etwas auf die Sprünge zu helfen. Vor ihr ein leichenblasser Uchiha, der von Schuldgefühlen aufgefressen wurde und nur eine Tür entfernt der Hatake, der sich seiner Resignation in vollen Zügen hingab.
 

Kakashi hatte die Schwester nicht ignoriert, weil er etwa keinen Hunger oder Schmerzen hatte. Er gab auf. Und obwohl die Sannin mehr von dem Hatake erwartet hatte, so konnte sie es ihm nicht verübeln. Der Junge hatte sein ganzes Leben seinem Dasein als Shinobi gewidmet, sein Alltag – alles – war darauf ausgerichtet. Wie viele Regeln hatte er verinnerlicht und sich strikt an sie gehalten; der letzte Grashalm, an den er sich noch geklammert hatte, nachdem die Person, zu der er aufblickte und die er von ganzen Herzen geliebt hatte, seine Familie, entschieden hatte, ihn zurückzulassen. Kakashi hatte alles getan, um Sakumos Fußstapfen zu füllen und ihm gleichzeitig auf seinem Weg nicht zu folgen; irgendwie das Loch in seinem Inneren zu füllen.
 

Sie konnte verstehen, dass der Junge sich nach dem Tod seines Vaters emotional abgeschottet hatte, dass er niemanden an sich heranließ. Sie wusste selbst zu gut, wie es war, eine geliebte Person zu verlieren. Und was für Kakashi jetzt auf dem Spiel stand war alles, was noch übrig geblieben war. Alles, was ihm seither Halt gegeben hatte.
 

Innerlich schalt sie sich selbst – sie hätte nicht zögern sollen. Aber dass der Junge gleich aufgab, ohne es vorher probiert zu haben… und jetzt stand das perfekte Gegenstück dazu direkt vor ihr. Obito Uchiha.
 

Hn. Vielleicht kann der Junge ja ein bisschen die Lebensgeister des Hatake wecken.
 

Wie auch immer das aussehen würde. Und da die beiden offensichtlich das Hühnchen ihres Schweigens gemeinsam zu rupfen hatten, half sie ihnen dabei gerne auf die Sprünge.
 

„Minato und du, ihr brecht heute auf, nicht wahr?“, überging sie seine Frage.
 

Stocksteif stand Obito vor ihr als würde er jedes weitere Wort von ihr fürchten, eine Antwort auf ihre erste Frage hatte sie noch immer nicht bekommen. Aber damit hatte sie auch nicht gerechnet.
 

„…Ja. Das ist richtig“, entgegnete er ihr atemlos. Obito versuchte noch immer der Situation zu folgen. Tsunade konnte sehen, wie angestrengt es hinter den dunklen Iriden des jungen Shinobi arbeitete und er doch zu keinem Ergebnis zu kommen schien.
 

„Hmmm, du wolltest dich also verabschieden.“
 

Gespielt zog sie die Brauen zusammen, der Klang ihrer Stimme war nun lockerer.
 

„J-ja.“, sagte Obito zögerlich. Nicht nur, weil er Tsunade nicht einschätzen konnte. Sondern weil er sich nach wie vor nicht sicher war, was er nun machen sollte. Ob er Kakashi gegenüber treten konnte.
 

„So ein Pech.“
 

War es nicht.
 

„Er schläft. Tief und fest.“
 

Tat er nicht.
 

Kalkulierend lag Tsunades Blick auf dem jungen Uchiha. Sie konnte die leichte Entspannung in seinen Zügen sehen. Es stimmte also; er hatte Angst vor einer Konfrontation mit Kakashi.
 

Es war zu ihrem Vorteil, dass Obitos gesamte Aufmerksamkeit auf ihr lag und er weder Shizune noch der Krankenschwester Beachtung schenkte. Es war ihr nicht entgangen, wie Shizunes Kopf reflexartig in ihre Richtung flog, ihre Lippen bereit ihr ins Wort zu fallen. Und auch die Krankenschwester formte lautlos ihren Einspruch.
 

Doch ihr Wort war schneller.
 

„Du kannst natürlich trotzdem kurz zu ihm und dich verabschieden.“
 

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Nach dem, was sie bis jetzt mitbekommen hatte, war sie sich sicher, dass die beiden einiges zu besprechen hatten. Und sei es nur, um ihre Geschichte miteinander abzustimmen.
 

Was auch immer dort im Wald passiert ist…
 

~~
 

Es war wie damals, als Guy seinen Kick mit voller Wucht auf seinen Solarplexus geschmettert hatte. Spüre die ewige Jugend hatte er dabei gerufen, aber weder konnte Obito in diesem Moment irgendeinen Hauch von ewigem Leben, geschweige denn von Jugend spüren. Im Gegenteil, in diesem Moment hatte sich sein Dasein sehr endlich, wenn nicht gar an der Klippe zu vorbei angefühlt. Und das, obwohl der der Schmerz erst mehrere Augenblicke später in seinem gesamten Körper bis in die Fingerspitzen explodiert war.
 

Das hier war vergleichbar.
 

Es war ein Angriff, auf den er weder vorbereitet gewesen war noch hätte er ihn irgendwie abwehren können. Er traf ihn mit voller Wucht mitten ins Gesicht, auf die Brust und hallte bis tief in die Eingeweide nach. Doch der Nachklang war nicht nur der schwelende Schmerz in seinem Körper, sondern auch ein nervöses eisiges Kribbeln.
 

Aber hatte Tsunade nicht gesagt, dass…
 

„D-du…bist…“ Obitos Stimme versagte, wie gebannt blickte er in das Augenpaar, das auf ihm lag.
 

Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt, sein Magen überschlug sich und er konnte nicht sagen, ob es an der Angst vor dem, was ihm bevorstand, oder an der Aufregung und Freude lag, die ihn wellenartig durchfluteten.
 

„…wach.“ Es war nur noch ein Hauch, der über seine Lippen strich.
 

Kakashi lebt. Kakashi lebt. Kakashi lebt.
 

Obitos Gedanken konnten an nichts anderes denken, als dass die Person, die ihm am wichtigsten war, wirklich lebte. Den Hatake jetzt so zu sehen und zu erleben, war etwas völlig anderes, als ihn blass in diesem Bett liegen zu sehen.
 

Den Rücken tief in den weißen Stoff des Kissens gelehnt und seine Miene ausdruckslos und abwartend wie all die Male, die er auf dem Trainingsplatz den Beginn ihrer Mission ersehnt hatte; es wirkte fast entspannt, wie Kakashi vor ihm saß.
 

Fast.
 

Wäre da nicht diese eiserne Kälte in seinen Augen, die wie eine Klinge durch die Luft schnitt und ihn zu zerfetzen drohte. Von den getrübten Iriden, die einst so ziellos in seine Richtung gerichtet waren, war keine Spur mehr.
 

Obito schluckte trocken. Irgendwie erleichterte ihn der Anblick, der sich ihm bot, doch zugleich spürte er den Druck auf seiner Brust zunehmen.

Obwohl er vor Freude außer sich sein sollte, konnte er dieses seltsame, mulmige Gefühl nicht abschütteln. Dabei war das doch genau das, was er sich so sehnlichst erhofft hatte. Aber letzten Endes – und das würde er keine Sekunde wagen zu vergessen – trug er die Schuld.
 

Seinen Instinkten und den eiskalten Schweiß, der sich langsam seine Wirbelsäule hinab bahnte, zum Trotz, verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln – unsicher, aber keinesfalls gezwungen.
 

„W-wie geht es dir?“, fragte er leise. Sein Blick war fest auf Kakashi gerichtet, doch so sehr er sich anstrengte, er konnte kaum eine Reaktion in dessen Zügen erkennen. Die Konturen, die sonst Anmut und Stolz ausstrahlten und sorgfältig hinter dunklem Stoff versteckt waren, verweilten regungslos; es blieb nur die Kälte in Kakashis Augen.
 

Wieso sagte er denn nichts? Konnte er nicht? Hatte er sich etwa zu früh gefreut und der Schein trog?

Ein weiterer Schweißtropfen rann seinen Rücken hinab.
 

„Ka… Kakash-“ Doch weiter kam er nicht, scharf durchschnitt die Stimme des Hatake sein Wort.
 

„Bist du jetzt fertig?“ Die tonlose Kühle traf Obito wie ein Schlag in die Magengrube. Ein weiterer. Seine Lippen öffneten sich, doch es kam kein Laut heraus. Er verstand nicht, was Kakashi meinte.
 

„Was?“, krächzte er.
 

„Bist du zufrieden? Hast du genug begafft, was du angerichtet hast?“
 

Der Moment in dem der Schmerz, der erst mehrere Augenblicke nachdem Guy ihn voll erwischt hatte, wie Sprengstoff in ihm detonierte und ihn keuchend zu Boden gerissen hatte – das war er.
 

„Was? N-nein… das stimmt nicht… so war das ni... nein…“ Atemlos versuchte er seine Gedanken zu sammeln, spürte, wie die Panik in ihm langsam empor kroch und seine Glieder mit jeder Sekunde steifer wurden.
 

Nein! So war das nicht, das stimmt nicht!
 

Was sagte Kakashi da? Nein, nicht was – warum sagte er das?
 

„Ach nein?! Bist du nicht zufrieden, dass ich dir nie wieder im Weg stehen werde?!“ Gestochen scharf und ohne dem Uchiha eine Pause zu gönnen, durchtrennten die Worte des Hatake gewaltsam den Raum zwischen ihnen; die Feindseligkeit und Gehässigkeit in seiner Stimme waren Obito fremd. Nie zuvor hatte er Kakashi so erlebt, dabei wahrte der Hatake nach wie vor seine abweisende und kühle Fassade.
 

Nie wieder im Weg stehen…? Nein! Das stimmt nicht! Ich wollte das nicht – nie!
 

„Gratuliere. Du hast deinen ewigen Rivalen kampfunfähig gemacht.“
 

Nein! Nein! Nein! Nein! Der Schock über Kakashis Worte legte sich wie ein eisiger Schleier über seine Knochen. Das stimmte alles nicht. Nichts davon hatte er gewollt!
 

„A-aber … wir wurden angegriffen.“
 

„Richtig. Einen Angriff, den wir hätten bewältigen oder vielleicht sogar vermeiden können, wenn du der Mission und nicht deinen privaten Angelegenheiten Vorrang gegeben hättest!“
 

Einmal mehr traf ihn die Realität wie ein Fausthieb ins Gesicht; auch wenn Kakashi auf den ersten Blick gelassen gewirkt hatte, bei vollen Bewusstsein war, mit ihm sprach und bereits so viel besser aussah… nichts würde jemals zu seinem gewohnten Status zurückkehren. Es gab kein ‚wie früher‘ mehr und das würde es auch niemals wieder geben.
 

Der Schaden war da. Und er trug Schuld.
 

Kakashi hatte recht. Nur weil er seine eigenen Probleme bei dem Hatake abgeladen hatte, hatte er die Mission gefährdet und letztendlich zum Scheitern gebracht.

Er hatte Kakashi abgelenkt, er war nicht in der Lage gewesen sein Erbgut rechtzeitig zu aktivieren, er hatte nicht das nötige Chakra, egal wie sehr er sich auch anstrengte. Er hatte die Situation völlig unterschätzt und sich anfangs – und Obito schämte sich, sich dies einzugestehen - über ein bisschen Action sogar insgeheim ein klein wenig gefreut. Wenn er doch nur nicht so töricht gewesen wäre! Nur weil… weil er…Obito schluckte.
 

Kakashis Worte entsprachen der Wahrheit. Es hätte nicht so laufen müssen – dürfen! Und gleichzeitig machte der Hatake ihm klar, dass er keines seiner Worte vergessen hatte. Dass er sich genau daran erinnerte, wie es zu dieser Katastrophe gekommen war.
 

Kakashi wandte den Blick ab. Der Uchiha hatte seine Nerven bereits bis zum Zerbersten gespannt und zerrte unaufhaltsam an seiner Selbstbeherrschung.

Wenn Obito nur bei der Sache gewesen wäre, hätten sie all das vielleicht noch abwenden können und ihrem Feind nicht so hoffnungslos erliegen müssen. Wenn er sich an die Regeln gehalten hätte, wenn er seine privaten Probleme nicht mit auf das Schlachtfeld gebracht hätte, nur um sie dort vorzutragen, nur um... !
 

Innerlich in Rage merkte er, wie seine Atmung stetig schneller wurde. Er spürte das unsägliche Brennen in seinem Rücken, das sich durch ihn hindurch bis hin zu seiner Brust fraß; die Verletzungen, die an seinem gesamten Körper zehrten. Er musste versuchen, sich zu beruhigen – zumindest körperlich. Er schluckte einen Teil seiner Wut runter, aber es war, als würde jeder Funke seines Zorn beim Aufprall gegen seine kühle Außenfassade in tausend kleine weitere Funken gestreut werden.
 

Bemüht, sich auf eine flache Atmung zu konzentrieren, schenkte er Obito keinerlei Aufmerksamkeit. Der Uchiha sollte einfach gehen und ihn in Ruhe lassen.
 

Doch als er den erstickten Laut vernahm, den Obito so kläglich versuchte zurückzuhalten, spürte er, wie sich anderes ein unangenehmes Gefühl in ihm ausbreitete. Eines, das er nicht beschreiben konnte.

War es ein Schluchzen, das der Uchiha zu unterdrücken versuchte? Nein, viel mehr klang es, als würde er nach Luft ringen. Und so leise und schwer erkennbar dieses Geräusch auch war, er konnte das Beben des Uchiha deutlich hören.
 

Verdammt…
 

Ruhig schloss er seine Augen und konzentrierte sich weiter auf seine Atmung. Was interessierte ihn Obito? Er hatte im Moment ganze andere Probleme.
 

Kameraden sind wir ja jetzt ohnehin nicht mehr, zynisch legte sich dieser Gedanke gemeinsam mit dem bitteren Geschmack von Galle auf Kakashis Zunge, doch er verkniff sich den Kommentar. Es ging den Uchiha nichts an.
 

„Es…es… Kakashi… es tut mir leid“ Nur schwer und mit brüchiger Stimme hatte Obito sich überwinden können, diese Worte über seine Lippen zu bringen. Er meinte es, allerdings wusste er auch, dass das nicht ausreichte. Doch was hätte er noch sagen sollen? Er wusste selbst, dass nichts, was er jetzt hervorbrachte, irgendetwas an der Situation ändern würde. Dafür war es zu spät und es gab nichts, mit was der das irgendwie ausgleichen konnte.

Eiskalte Schauer wallten stoßartig durch seinen Körper, alles um ihn herum fing sich langsam an zu drehen. Es war fast so, als würde sein Körper ihn mit Gewalt an Ort und Stelle halten wollen. Er schaffte es nicht, sich zu bewegen.
 

Auch Kakashi kämpfte mit sich selbst, er konnte seine Wut kaum zurückhalten und spürte, wie sie sich langsam ihren Weg aus ihm heraus fraß. Es tat ihm leid?! Als ob diese lächerlichen Worte irgendetwas ändern würde! Eine weitere Aussage des Uchihas auf die er ohne Weiteres hätte verzichten können.
 

Voller Zorn huschte sein Blick zurück zu seinem ungebetenen Gast und wieder mischte sich für den Bruchteil einer Sekunde ein anderes Gefühl zu dem emotionalen Gemisch, das in seinem Inneren brodelte. Kreidebleich stand der junge Shinobi vor ihm und zittere sichtbar; der Welt schutzlos ausgeliefert. Hilflos starrten Obitos gerötete Augen zu ihm, als würden sie ihn um Halt anflehen.
 

Mitleid. Es war Mitleid, das sich ihm aufdrängen wollte.
 

Es versetzte Kakashi einen Stich, Obito so zu sehen, auch wenn er sich nicht ganz erklären konnte, warum das so war.
 

Wäre die Situation eine andere gewesen, hätte er ihn auf seine Art und Weise vielleicht unterstützt, aber es war alles ganz anders gekommen. Die Situation war keine andere und er nicht gewillt, dem Uchiha entgegenzukommen.

Er konnte und wollte jetzt keine Rücksicht auf Obito nehmen; das hatte er lange genug getan. Nur weil er Rücksicht auf den Uchiha genommen hatte, befand er sich nun in dieser Lage. Weil der Uchiha sein Privatleben nicht von der Mission trennen konnte und er selbst ihm dann auch noch entgegen seiner Prinzipen eine helfende Hand gereicht hatte.

Nur damit Obito… damit er… Was war das für ein krankes Schauspiel, dass sich damals im Wald abgehandelt hatte? Was zur Hölle hatte Obito Uchiha damals geritten und was um alles in der Welt hatte er damit erreichen wollen?!
 

Er wurde förmlich überrannt von Zorn, Verzweiflung und dem Frust, der sich in ihm angestaut hatte. Und je länger er Obito anblickte, desto deutlicher wurde ihm bewusst, dass er es war, der der Welt komplett hilflos gegenüberstand. Und sobald er seine Ninja Laufbahn offiziell aufgeben musste, konnten es alle sehen.
 

Er versuchte nicht einmal mehr, sich zurückzuhalten als die Worte wie von allein aus ihm heraussprudelten.
 

„Geht es dir jetzt besser? Hast du jetzt endlich dein Gewissen befriedigt? Hättest du dich nämlich einmal an Regeln gehalten, wäre das anders gelaufen. Wir hätten eine Chance gehabt. Sieh dir genau an, was du angerichtet hast. Ich hoffe du hast, was du wolltest.“
 

Kakashis Worte hafteten im Raum und Obito wagte es nicht, sich zu rühren. Der Hatake hatte ihn mit jeder einzelnen Silbe härter und brutaler getroffen. Obito wollte nur noch weg, fliehen – ganz egal wohin. Doch er war wie versteinert. Entsetzt von der Wirkung, die Kakashis Anschuldigungen auf ihn hatten, spürte er, wie sich sein Brustkorb schmerzhaft zusammenzog. Nichts von dem Gesagten war ihm neu, es hatte ihn jeden Tag ein Stück mehr zermürbt, lange bevor Kakashi es ihm vorwerfen konnte. Aber es hörte sich nochmal verdammt anders – erbarmungsloser, endgültiger - an, wenn der Hatake es sagte. Vernichtender.
 

Die darauffolgende Stille war lediglich ein Verstärker der Wut, die der Hatake auf dem Uchiha abgeladen hatte. Gefangen in seiner Schockstarre stand Obito vor ihm, mitten im Raum an den Pranger gestellt und gerichtet. Es kostete den lädierten Shinobi fast all seine Energie, seine Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen und sich zu beruhigen. Er erkannte sich selbst nicht wieder – aber wie sollte das unter den gegebenen Umständen auch möglich sein? Nichts davon war er, oder passte zu ihm.

Erschöpft ließ er sich in das Kissen sinken und schwieg. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen und die Überhand über die Emotionen, die ihn wie eine Puppe lenkten und mit ihm spielten, zurückzugewinnen. Aber der Uchiha war der Letzte, der ihm dabei half.
 

„Verschwinde!", knurrte er sein gegenüber an.
 

Obito bewegte sich kein Stück. Er hatte Kakashis Aufforderung verstanden und obwohl seine Muskeln zum Zerreißen gespannt waren und nur auf ein Startsignal warteten, sein Körper blieb starr und unbewegt. Er wollte weg, einfach nur noch weg. Raus aus diesem Zimmer, weg von dieser Situation und vor allem weg von Kakashi.
 

Weg, weg, weg.
 

Doch seine Glieder rührten sich einfach nicht.
 

Übertönt von dem unaufhörlichen Trommeln seines Herzschlags in seinen Ohren, rasten seine Gedanken so schnell durch seinen Kopf, dass er keinen einzigen von ihnen greifen konnte. Was sollte er machen? Die ganze Situation war real und irreal zugleich.

Seine Muskeln brannten höllisch unter der Spannung, der Schmerz seiner abgeheilten Verletzungen zog sich stechend durch seine Glieder; Schweiß lief langsam sein Rückgrat herab. Es war, als wäre er in seinem eigenen Körper gefangen.
 

Wie eine Erlösung war das leise Geräusch und der sanfte Luftzug, der ihn umspielte, als die Tür sich öffnete und somit die peinigende Stille zwischen ihnen durchbrach.
 

„Nanu? Du bist noch hier, Obito? Dabei habe ich mich extra beeilt, um nochmal bei Kakashi vorbeizuschauen, weil ich mir sicher war, dass du schon am Treffpunkt auf mich wartest!“.
 

Sensei?!
 

Nervös zuckten Obitos Iriden zu ihrem Lehrmeister, der mit seiner offenen und munteren Natur gegen die gespannte Atmosphäre zwischen ihnen kämpfte. So, wie er es schon immer getan hatte. Nicht immer klar, was Absicht und was Zufall war – ersteres trotz allem in der Überhand.
 

„Ich dachte, dass ihr beide euch schon verabschiedet hättet, wenn ich hier ankomme“, flunkerte Minato in seiner gewohnten Art. Denn eigentlich hatte er etwas ganz anderes gedacht. Etwas, das zu Obitos verhaltenem Handeln in letzter Zeit passen würde. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn Obito bis zuallerletzt Kakashi gemieden hätte – aus welchen Gründen auch immer es so weit kommen konnte. Doch in keinem Moment hatte er damit gerechnet, dass seine beiden Schüler sich so anfeinden würden.
 

Er hatte Kakashis letzte Worte gehört, auch wenn sie von außerhalb des Raums nur gedämpft zu verstehen waren. Beunruhigt war er allerdings schon vorher, als Shizune ihm einen besorgten Blick zugeworfen hatte und Tsunade im Gegensatz zu ihrer Schülerin noch immer völlig unberührt in ihrem Stuhl lehnte.
 

Gerade als er zu den Jungen in den Raum treten wollte, hatte er die wütende Stimme des Hatake vernommen. Und eigentlich hatte er warten und die beiden das unter sich klären lassen wollen, doch als beide verstummten und selbst nach einigen Augenblicken noch immer nicht das geringste Geräusch zu hören war, hatte er sich Sorgen gemacht – und war eingeschritten.
 

Die Atmosphäre, die um die beiden Shinobi herrschte, bestätigte nur sein ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Und wie so oft in letzter Zeit, huschte der Gedanke durch seinen Kopf, dass ihm etwas Entscheidendes entgangen war. Es behagte im ganz und gar nicht, dass dieses Gefühl wieder einmal in Zusammenhang mit Kakashi und Obito in ihm aufkeimte.
 

Minatos Gesichtsausdruck gab nichts von seinen Bedenken preis, als er mit einem zuversichtlichen Lächeln tiefer in den Raum trat und auf den Uchiha zuging. Doch noch bevor seine Hand Obito erreichen konnte, um ihn aus seiner Starre zu holen, zuckte der junge Shinobi vor ihm zurück.

Reflexartig schnellte Obito unter der Berührung hervor und an ihm vorbei, als würde er einem Angriff ausweichen.
 

Von Obitos instinktiven Reaktion erschrocken, schaffte es Minato nicht rechtzeitig seinen Schüler aufzuhalten, der panisch an ihm vorbei und aus dem Zimmer rannte.

„Obito?! Hey, Obito!“ Doch zu spät, der junge Uchiha war bereits in den Gängen des Krankenhauses verschwunden. Minato war der verletzte und anklagende Blick nicht entgangen, den der Junge Kakashi noch zugeworfen hatte, bevor er losgerannt war. Bevor er geflohen war.
 

Besorgt sah Minato noch einige Augenblicke in den nun leeren Korridor, ehe er sich Kakashi zudrehte. Offensichtlich war dem Hatake der Ausdruck auf Obitos Miene nicht entgangen. Und auch, wenn er nicht einschätzen konnte, was zwischen den beiden vorgefallen war - es war Obitos gutes Recht, die Vorwürfe des Hatake nicht einfach so zu schlucken. Denn ganz gleich, was auch passiert war, es handelte sich immer noch um seine Schüler, Kakashi und Obito; er kannte die beiden gut genug. Obito Uchiha würde niemals einem Kameraden absichtlich Schaden zufügen.
 

Niemals. Und zur Hölle, das weißt du Kakashi!
 

Angespannt atmete Minato geräuschlos aus. Es war unwahrscheinlich, dass die beiden das ohne Zutun unter sich regeln würden. Doch gerade eben gab es nichts, das er als ihr Sensei tun könnte. Obito hatte die Flucht ergriffen und zu Kakashi würde er im Moment wahrscheinlich auch nicht durchdringen können.
 

„Ich habe bereits von Tsunade gehört, dass es dir besser geht. Sie konnte deine Lungen vollständig heilen – das sind doch großartige Neuigkeiten, Kakashi!“ Ein warmes Lächeln umspielte seine Züge. Nach allem, was geschehen war, hatte Minato diese Nachricht zutiefst erleichtert. Er wusste, dass Kakashi das nicht reichte, aber der Hatake würde sich gedulden und abwarten müssen, was passierte. Ein Schritt nach dem anderen.
 

„Hm…ja.“ Kakashi war nicht überzeugt. Wenn sein restlicher Körper nicht mithalten konnte, brachte ihm die beste Lunge nichts.
 

„Hab etwas mehr Geduld, Kakashi. Du solltest Tsunade eine Chance geben.“
 

„Wenn Sie das sagen, Sen-“ Kakashis Antwort war teilnahmslos, doch er geriet ins Stocken, bevor er seinen Satz beenden konnte. Sensei. Wenn Tsunade ihn nicht heilen konnte, dann war Minato Namikaze nicht mehr sein Sensei. Und er kein Ninja.
 

Dem Älteren entging das Zögern des Hatake nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, was gerade in dem Jungen vorgehen musste und es versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, ausgerechnet Kakashi so zu sehen.
 

„Es ist zu früh, um schon aufzugeben. Findest du nicht?“ Er ging ein paar Schritte auf seinen Schüler zu, ehe er weitersprach. „Obito und ich werden heute noch nach Konoha aufbrechen. Tsunade wird sich hier um alles Weitere kümmern.“
 

Sanft legte Minato seine Hand auf Kakashis Schulter, dann: „Wenn etwas sein sollte, bin ich da.“ Er lächelte ihn warm an. Dieses Mal wäre er das wirklich; dass er seine Schüler im Stich ließ, würde ihm kein zweites Mal passieren.
 

Kakashi quittierte dies jedoch skeptisch und hob misstrauisch eine Augenbraue. „Haben Sie mich gerade mit Ihrem Jutsu an meiner Schulter markiert?!“
 

Namikaze lachte. „Lass es nicht drauf ankommen und bau keinen Mist, sonst bin ich sofort da. Also dann, Kakashi!“
 

Der Hatake beobachtete, wie sein Sensei noch die Hand zum Abschied hob als er zur Tür hinaus verschwand.
 

Für einen Augenblick hatte Minato Namikaze es geschafft, seine Wut und Verzweiflung zu zerstreuen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tobirama_
2022-07-10T07:10:06+00:00 10.07.2022 09:10
Finde diese Geschichte prima und freue mich wenn es weiter geht
Antwort von:  Komori-666
10.07.2022 12:27
Aaaw, vielen lieben Dank für dein Review! Es freut mich riesig, dass dir die Geschichte gefällt und du sie weiterverfolgen wirst! :)


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