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Caught Cold

von

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Träge öffnete er seine Augen, doch er wusste auch ohne hinzusehen, dass der Morgen gerade erst hereinbrach. Es war die Phase, in der es zu hell für die Nacht und zu dunkel für den Tag war. Eine Phase, in der sich weder der Mond noch die Sonne vollständig am Himmel zeigten und jegliche Strategien auf Eis gelegt wurden. Es war zu dunkel, um den Feind sehen zu können, zu hell, um nicht gesehen zu werden. Eine Phase, in der alles stillstand. Eine Phase, die nicht besser zu ihm hätte passen können. Alles stand still, es gab keinerlei Handlungsspielraum und er hatte keinerlei Kontrolle darüber, was als Nächstes passieren würde. Die einzige Gewissheit war, dass die Dinge sich ändern würden – ganz gleich wie.
 

Und er hasste es.
 

Schlimm genug, wenn sich eine Situation seiner Kontrolle entzog - doch jetzt?
 

All die Zeit war er nicht Herr seiner Sinne gewesen; sein Körper gehorchte ihm nach wie vor nicht. Ihm war nicht nur jegliche Kontrolle über die Situation und darüber, was mit ihm passierte abhanden gekommen, sondern auch über sich selbst. Er war all dem hilflos ausgeliefert – ein Gedanke, der ihm bitter aufstieß. Er konnte dem nicht entkommen. Wie sehr er es auch wollte, er konnte nicht weg. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr, ebenso wenig wie sein Geist. Er hatte es immer wieder gespürt; all die Gedanken und Erinnerungen, die Informationen, die versuchten sich an die Oberfläche zu drängen und dennoch nicht zu ihm durch drangen. Er hatte gewusst, dass sie da waren, gewusst, etwas stimmte nicht. Doch je angestrengter er versuchte, diese Gedanken festzuhalten, desto energischer entglitten sie seinem Griff. Als wären sie wie dunkler Rauch zwischen seinen Fingern hindurch geglitten, als er seine Hand nach ihnen austreckte.
 

Wann immer er sich diesem erlösenden Schwarz hingegeben hatte, waren seine Erinnerungen, sein Verstand, alles was ihn ausmachte, so nah gewesen. Doch jedes Mal waren dort auch diese unsichtbaren Mauern gewesen, die ihm die Sicht versperrt und den Weg abschnitten hatten. Jede Nacht, jeden Tag. Und mit nichts hatte er diese Mauern überwinden können. Seine Erinnerungen waren ihm verwehrt geblieben und nur Bruchstücke waren zu ihm durchgedrungen. Bruchstücke, die von nichts anderem deuteten, als dass alles, gegen das er sich so gewehrt hatte über ihn herein gebrochen war - Kontrollverlust, Gefühle, Nähe.
 

Und so war es auch gewesen – das wusste er. Jetzt.
 

Unausweichlich, wie eine Naturgewalt hatten die Dinge einen Lauf genommen, den er nicht mehr hatte aufhalten können.
 

Alles hatte damit angefangen, dass er die Kontrolle über die Situation verloren hatte. Schon lange, bevor sie angegriffen worden waren. Lange, bevor ihre Mission überhaupt startete. Es waren Details, denen er sich verwehrt und Regeln, die er missachtet hatte. Er hätte doch genau wissen müssen, wo das hinführen würde.
 

Er hätte es besser wissen müssen.
 

Er wusste doch, was passierte, wenn man die Regeln brach.
 

Im Nachhinein erschien alles so vorhersehbar, es war unvermeidlich gewesen, dass es zur Katastrophe gekommen war. Einer Katastrophe, deren Ausmaß er nicht hatte ahnen können, doch deren Ablauf ihm jetzt so logisch erschien, dass es ihm kalt den Rücken herunterlief.
 

Weil er es wieder wusste.
 

Alles.
 

~~
 

Sie waren da. Ganz eindeutig. Sie waren da und versuchten vergeblich, sich an die Oberfläche zu kämpfen und zu ihm durchzudringen. Dinge, an die er hätte denken müssen. Dinge, die er hätte tun müssen. Dinge, die er hätte sagen müssen. Sie waren da, er konnte es fühlen. Gefangen in den ungreifbaren Tiefen seines Geistes, darauf wartend, gedacht, gelebt und gesprochen zu werden. All diese Dinge waren da, bereit, das zerstreute Puzzle erneut zusammenzusetzen.
 

Doch das Einzige, worauf sich seine ganze Wahrnehmung fokussieren konnte, waren Tsunades Berührungen auf seinem Körper. Ihre kalten Hände, von denen er nicht wusste, ob sie eine kühlende Wohltat oder beißendes Eis auf seiner brennenden Haut waren.
 

Tsunade.
 

Sie hatte er erkannt. Nicht sofort, aber er hatte Tsunade erkannt; es war ihre Präsenz, an die er sich klar erinnert hatte.
 

Wieso sie? Warum kam ihm ausgerechnet als erstes die Erkenntnis darüber, wer Tsunade war, in den Sinn? Wieso diese Frau und nicht all die anderen Dinge, die so wichtig zu sein schienen? All die Dinge, die seit Tagen versuchten, in sein Bewusstsein zu dringen, seinen Verstand zu infiltrieren und die Mauer einzureißen.

Aber einzig und allein Tsunade war es, die diese Mauer sofort hatte durchdringen können. Tsunade, die er in der Vergangenheit nur ein einziges Mal gesehen hatte. In einer Vergangenheit, auf die er sonst keinerlei Zugriff mehr hatte.
 

Nur sie und ihre kalten Hände nahm er so deutlich wahr, wie den Schmerz, der seinen Körper so unaufhörlich heimsuchte.
 

Warum konnte er das nicht kontrollieren? Warum konnte er selbst seine Wahrnehmung nicht steuern? Es hatte keinen Zweck; egal, auf was er sich zu konzentrieren versuchte, da waren nur diese eisigen Finger, die seine brennende Haut malträtierten und den Schmerz ihn ihm weiter anfachten.

Wie Eiskristalle fühlten sich Tsunades Finger auf seinem Rücken an, selbst die Luft im Raum war wie eine Peitsche auf seiner offenliegenden lädierten Haut.
 

Seine Fähigkeit, sein Umfeld im Blick und die Situation unter Kontrolle zu haben, war wie ein lang vergangener Traum fernab der Realität. Der Raum, die Tür, die Laken - alles verschmolz vor seinen Augen immer weiter zu einem verschwommenen weißen Nichts, in dem keine Form und keine Gestalt mehr zu erkennen war.
 

Er wollte schreien, wollte weglaufen, sich all dem entziehen. Doch er konnte noch nicht einmal frei atmen.
 

Nur noch ein allumfassendes weißes Nichts und das wandernde Eis auf seiner Haut waren geblieben. Und noch etwas. Da war noch irgendetwas anderes.
 

Etwas Vertrautes. Er kannte es, doch je mehr er versuchte, sich darauf zu konzentrieren, desto mehr verblasste es und ebnete den Weg für den Schmerz, der bei jeder Bewegung und jeder von Tsunades Berührungen wie ein wildes Feuer durch seinen Körper wallte und sengend an seinem Fleisch züngelte.
 

Weißes Nichts, Eis und Feuer… und noch etwas.
 

Da war etwas, dass sich in sein Sichtfeld drängte. Etwas, an das er sich hätte erinnern sollen, aber gleich den Fetzen von Erinnerungen – Schreie eines Kampfes - die in seinen Gedanken aufgetaucht waren, wollte sich auch hier kein Bild in seinen Kopf schärfen. Da war nichts, was ihm in irgendeiner Weise Klarheit verschafft hätte. Nur allumfassendes Nichts.
 

Verdammt!
 

Innerlich verfluchte er nicht nur die Situation, sondern auch sich selbst. Es war ihm unbegreiflich, wie er in so eine Situation hatte kommen können. War es denn nicht einst sein Vorsatz gewesen, stets die Regeln zu befolgen? War das das Ergebnis, wenn man sich an die Regeln hielt? Hatte er sich denn an die Regeln gehalten?! Wenn da doch nur irgendeine Erinnerung wäre, doch er konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen und zu allem Übel konnte er noch nicht einmal definieren, was genau ihn so sehr quälte.
 

Verdammt! Verdammt!
 

Und dennoch wusste Kakashi, dass das so nicht stimmte – nicht ganz. Nicht alles war in dieses verschlingende Weiß getaucht. Die Verzweiflung und vor allem den Frust über seine Lage spürte er messerscharf. Tsunades Berührungen waren schneidend klar und auch die Frau selbst war ihm nicht unbekannt. Weder sie noch Sensei Minato, Rin und Obito. Konohagakure, die Regeln, Missionen…
 

Doch zur Hölle damit, das reichte nicht! Er wollte Antworten. Er wollte – nein, er musste wissen, was passiert war.
 

Der nahezu gleichbleibende Schmerz signalisierte ihm, dass Tsunade ihr Wort zu halten schien – sie sah sich die Hölle, die ihn gefangen hielt nur an. Kakashi war dankbar dafür, wusste jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis auch Tsunade andere Geschütze auffahren würde. Eigentlich sollte er sich freuen, immerhin würde dies bedeuten, dass sich sein Zustand in irgendeiner Weise ändern würde. Dennoch schien es trotz Tsunades Einschreiten viel zu unwirklich, diesem Inferno entfliehen, seinen Verstand klären und das fest verschlossene Tor zu seinen Erinnerungen jemals entriegeln zu können. Und nicht zu allerletzt in sein Leben zurückkehren zu können. Doch das schien nicht nur unwirklich, sondern gar unmöglich.
 

Die kalten Finger entfernten sich und etwas Weiches legte sich auf seinen Rücken, das peitschende Kalt der Luft auf seiner Haut verschwand.
 

Vorsichtige Berührungen, als sein gebrochener Körper bewegt wurde und Tsunades Versprechen, dass sie morgen wiederkommen würde.
 

Er hörte noch das sanfte Klacken ihrer Schritte und das Schließen der Tür.
 

Dann wurde es wieder still, seine Lider fielen herab und er ließ sich in die Dunkelheit sinken. Seine wenigen klaren Gedankengänge ließ er von dem dumpfen Pochen in seinen Gliedern und der zurückkehrenden Wärme auf seinem Rücken davontragen, die wie eine junge Flamme an seinem Fleisch züngelte.
 

Das tiefe Schwarz, dass seine Gedanken einlullte und den Schmerz linderte, eine Finsternis, in der die Zeit ohne ihn verstrich – das war genau das, wonach er sich jetzt sehnte.

Nichts denken. Nichts fühlen. Zeit außerhalb seines eigenen Gefängnisses.
 

Doch sie kam nicht.
 

Im Gegenteil.
 

Anstelle der betäubenden Dunkelheit, nach der er sich sehnte, hatte er das Gefühl, lediglich die Rückseite seiner Lider angestarrt zu haben, während das dumpfe Pochen in seinen Muskeln zu einem unerträglichen rasenden Pulsieren wurde.
 

Ein beißendes Höllenfeuer, das stetig wuchs und schließlich die letzte verbliebene Klarheit in seinem Kopf zunichte machte. Seine Gedanken waren so ungreifbar wie die Zungen des Feuers, wild tanzten sie wie kleine Teufel vor seinem inneren Auge, unkontrollierbar und durcheinander.
 

Ein imaginäres und zugleich so reales blutrotes Feuer, aufblitzende orangene Flammen inmitten einer Dunkelheit, die ihm keine Erlösung bringen würde.
 

Und plötzlich stierten ihn zwei scharlachrote Sharingan mit einer Intensität an, die das Feuer und die Pein in seinen Gliedern gegenstandlos machten. Wie ein Blitz waren die beiden Tod suchenden Iriden innerhalb eines Sekundenbruchteils wie aus dem Nichts aufgetaucht.
 

Zwei rasende Sharingan umrandet von einer orangenen Sturmbrille.
 

Uchiha Obito.
 

Und mit einem Mal stürzte alles auf ihn herein. Ein Durcheinander von Bildern, Worten und Bruchstücken seiner Erinnerung brach auf ihn nieder. Nein, nicht nur Bruchstücke, alles, was geschehen war, in seiner Gesamtheit mit all seiner Facetten. Es war so nah und so echt; er konnte sie hören, das von den Explosionen verbrannte Holz riechen, die metallenen Griffe seiner Kunai. Er war zurück im Wald.
 

All die Stimmen wüteten durch seinen Verstand, zornerfülltes Schreien, verzweifelte schmerzvolle Laute, das scharfe Klirren aufeinander treffender Klingen… wie ein unbändiges ohrenbetäubendes Chaos tobte es in ihm.
 

Er erinnerte sich.
 

Na? Ist der ach so tolle Uchiha etwa verletzt?! - Spar' dir deine Arroganz! - Hast du da etwa ein Weh-weh-chen? - Schnauze, Versager! Kümmere dich lieber um deine eigenen! –
 

Was sollte das?! - Ich bin nur hier, weil man dich Versager mal wieder suchen muss. Du bist wie immer zu spät! - Halt doch einfach die Klappe, Vogelscheuche. Ich bin nicht müde. –
 

Hör auf Kakashi, das ist nicht lustig und auch nicht sonderlich hilfreich. - Kakashi, Obito. Ihr werdet nach rechts weitergehen. Ich werde euch später einholen, der Rest kommt mit mir mit. –
 

Schneller! - Obito?! Was… - Verdammt! Was zum Teufel machst du da?! - Was ist dein Problem? - Antworte endlich! –
 

Du bist verliebt. Und weiter? – Nicht in Rin, du Idiot. – Dich -
 

Ich würde mal sagen, die Mission ist erledigt.- Was soll die Scheiße?! Dafür werdet ihr alle büßen! –
 

Kakashi… Ich bekomm' das schon hin, ich muss nur den Rest unseres Teams finden. Das wird schon...irgendwie. - Nein! - Ich… ich brauche Hilfe! - Helfen Sie mir! -
 

Der Gegner, das modrige und kalte Aroma der Ruine, die Wucht des Angriffs ihrer Feinde, der Hohn in deren Stimme, das Surren der Messer durch die Luft und das dumpfe Geräusch, als sie in sein Fleisch drangen.
 

Uchiha Obito.
 

Ein Schmerz, der erst verspätet kam. Alles, was er gespürt hatte, war die Wucht des Aufpralls und die Kälte der Klingen an seinem Rücken gewesen. Er war von dem Adrenalin wie berauscht gewesen, das durch seine Adern geströmt war. Es war nichts anderes, als genau dieses Adrenalin gewesen, das ihn so lange auf den Beinen gehalten und ihn angestachelt hatte; das ihn funktionieren ließ. Weil es ihm das Gefühl gegeben hatte, aus der Sache noch lebend herauszukommen. Weil es ihm die Illusion eines Kampfes gegeben hatte, in dem sie noch eine Chance hatten.
 

Weil es ihn dazu getrieben hatte, sich in diesem nahezu aussichtlosen Kampf auf Obito zu stützen.
 

Uchiha Obito.
 

Obito, der bereits verletzt gewesen war. Obito der die ganze Zeit schon seltsam gewesen war. Obito, der wie er selbst noch alte Verletzungen mit sich herumgetragen haben musste. Obito, der ihm bereits zu diesem Zeitpunkt bestenfalls etwas Deckung hätte geben können.
 

Uchiha Obito.
 

Obito, der das Adrenalin in seinem Körper hatte einfrieren lassen.
 

Uchiha Obito…
 

…hatte ihn innerhalb eines Augenblickes kampfunfähig gemacht.
 

Im Bruchteil einer Sekunde war alles wieder da. Seine Erinnerungen, sein Bewusstsein und all das, was er in diesem Moment gefühlt hatte - was damals tief in seinem Inneren geschwelt hatte und nur so aus ihm herausbrechen wollte.
 

Frust, Unverständnis, Panik, Wut… Schmerz.
 

Es war, als wäre wie aus dem Nichts ein Felsbrocken mit seiner ganzen Wucht auf ihn gestürzt. Er fühlte ein unsägliches Gewicht auf seiner Brust, das ihn unter sich zu zerquetschen drohte; seine Lungen zogen sich krampfhaft zusammen. Er konnte nicht atmen. Egal, wie sehr er es auch versuchte, jeder einzelne Muskel in seiner Brust verspannte sich so sehr, dass kein Sauerstoff mehr durch seinen Körper fließen konnte und jede Zelle seines Körpers begann qualvoll zu brennen. Wie ein Hammer schlug sein Herz hart und panisch gegen seine Brust, als würde es mit letzter Kraft aus dem enger werdenden Gefängnis ausbrechen wollen. Er brauchte Luft – irgendwie!
 

Doch nichts passierte.
 

Panik überkam ihn, seine Lider flogen getrieben von Angst und Schock auf. Seine Lunge, seine Brust – nein, alles in ihm brannte und spannte sich an. Er versuchte, sich instinktiv gegen den immensen Druck, der sich mehr und mehr auf ihn legte, aufzubäumen. Doch noch im selben Moment schoss stechender Schmerz durch seine Glieder und lähmte seine Sinne, es hatte alles nur schlimmer gemacht.

Kakashi spürte die Schnur, die sich immer enger um seinen Brustkorb zog, seine Muskeln und Lungen, die sich unter der Anspannung verhärteten und wie schwere Steine anfühlten; sie reagierten auf nichts. Irgendetwas blockierte seine Luftröhre, drückte sich gegen sie und drängte sich qualvoll gegen jede seiner noch so kleinen Bewegungen. Es verstärkte nur das höllische Brennen seiner Lungen und verriegelte seine Kehle so sehr, dass er das Gefühl hatte, an seinen eigenen Lauten zu ersticken.
 

Kakashi versuchte zu würgen und gegen diesen Widerstand anzukommen - vergebens. Zurück blieb nur noch die Panik vor dem Unvermeidlichen.
 

Wie durch Watte hörte er die helle Stimme, die plötzlich an seiner Seite auftauchte. Sie rief etwas. Seinen Namen? Hatte er seinen Namen gehört, rief sie nach ihm?

Seine Iriden zuckten gehetzt in die Richtung, aus der die Stimme kam, doch er konnte nur Schemen erkennen, alles war verschwommen.
 

Eine Person – eine Frau.
 

… Tsunade? War es Tsunade, die seinen Namen rief?
 

Er spürte kalte Finger auf seiner Brust und in seinem Nacken und eine verhallende Stimme, bevor sich größer werdende dunkle Flecken in seine Sicht drängten und nach und nach die unscharfen Umrisse in Schwärze getaucht wurden.
 

~~
 

„Nehmt ihn sofort von dieser verdammten Maschine“. Tsunades Stimme war nicht nur laut, sondern auch wütend. Und was sie selbst am meisten störte, war die Sorge, die in jedem einzelnen Wort mitschwang. Dabei hatte sie sich vorgenommen, dies wirklich nur einen Job sein zu lassen und ihre Distanz zu wahren.
 

„Unter keinen Umständen!“
 

„Bitte?!“, fauchte sie. Ihre Hände lagen noch immer auf dem zierlichen Körper vor ihr, strichen mit sanften Druck beruhigend im Takt des Pulses über das Herz und die Halsschlagader, ließen stetig Chakra in ihren Patienten hineinfließen.
 

Tsunade spürte, wie sich Kakashis Muskeln langsam entspannten und konnte an den aufleuchtenden Zahlen des kleinen Monitors erkennen, dass sein Körper wieder mehr und mehr mit Sauerstoff versorgt wurde. Es wirkte – zum Glück!
 

Immerhin das stand in ihrer Macht, wenn sie schon nicht direkt seine Wunden heilen konnte.
 

„Auf gar keinen Fall! Der Junge ist in keiner Verfassung, die das rechtfertigen würde!“
 

Der Junge wäre fast erstickt, weil er aufwachte und dieses verdammte Teil ihn am Atmen hinderte!“, ihre Stimme war eiskalt.
 

Sie würde keine Diskussionen zulassen und wenn es sein musste, dann würde sie auch selbst Hand anlegen. Aber eigentlich wäre es ihr wirklich lieber, wenn ein Arzt mit mehr Erfahrung in diesem Bereich das übernehmen würde, immerhin stützte sie sich vorrangig auf ihr Chakra und ihre Kenntnisse von medizinischen Gerätschaften basierten einzig und allein auf Theorie. Auf Shuichi wollte sie nicht warten müssen und auch bei ihm hatte sie keine Garantie, dass er bereits über die entsprechende Erfahrung verfügte.
 

Genervt seufzte sie, machte ihrem Verdruss Luft. Was für eine Nacht!
 

Es war purer Zufall gewesen, dass sie so spät noch vor Ort gewesen war. Sie hatte gemeinsam mit Shizune noch einmal alle Unterlagen gesichtet, beide waren sie die dokumentierten Verletzungen durchgegangen, hatten das jeweils Glimpflichste aber auch das Schlimmstmögliche durchdiskutiert und mit dem abgeglichen, was sie selbst bei Kakashi gesehen hatten. Je länger sie die Unterlagen gesichtet hatten, desto stärker hatte sich in ihr ein mulmiges Bauchgefühl breit gemacht und nur um sich selbst zu beruhigen, wollte sie noch einmal nach dem Hatake sehen und sicherstellen, dass er das Nachlassen der Schmerzmittel gut verkraftete.

Doch kaum war sie bei ihm angekommen, hatte sie auch schon eine der Krankenschwestern hektisch ins Zimmer eilen sehen.
 

Ihr lief es kalt den Rücken herunter, wenn sie an den Ausdruck in Kakashis Blick dachte. Blankes Entsetzen und panische Angst, der Horror eines real gewordenen Alptraums hatte sich tief in die dunklen Iriden gefressen.
 

Wieder seufzte sie. Was würde sie in diesem Moment für ein Glas Sake geben!
 

Die ganze Nacht hatte sie kein Auge zugetan – vor allem nach dem Zwischenfall mit Kakashi war es undenkbar gewesen, dass sie auch nur eine Minute ruhigen Schlaf finden könnte. Sie hatte dem Frieden kein Stück über den Weg getraut und seither die Stunden in unmittelbarer Nähe des Zimmers des Hatake verbracht, darauf gefasst jeden Augenblick einzugreifen.
 

Kaum hatte sich das Adrenalin in ihren Venen gelegt, war ihr die Erkenntnis über das Risiko, das sie so bereitwillig eingegangen war, wie ein Schlag ins Gesicht geflogen. Auch wenn sie in diesem Moment sofort hatten handeln müssen, war es vielleicht doch etwas töricht gewesen, Kakashi ganz sich selbst zu überlassen; erst hatte sie ihm die erlösenden Schmerzmittel genommen und nun auch die überlebenswichtige Zufuhr von Sauerstoff. Kakashi nahm nun zum ersten Mal das volle Ausmaß seiner Verletzungen wahr. Es war nicht mehr als eine kleine Hoffnung, dass der Junge mit dem physischen und psychischen Stress umgehen konnte, auf der ihre Handlungen inzwischen beruhten.
 

Gespannt war sie auf ihrem Platz verharrt und hatte gehofft, dass Kakashi die nötige Kraft hatte und seine Lungen diese Anstrengung allein bewältigen konnten. Sie mussten nur diese eine Nacht überstehen – so lange, bis sie damit anfangen konnte, Kakashis Wunden zu behandeln. Allen voran seine Lunge.
 

Ein Glas Sake würde nicht reichen.
 

Doch selbst Sake würde ihren Ärger dieses Mal nicht betäuben können; sie spürte, wie in ihr die Galle aufstieg. Soweit hatte sie es nicht kommen lassen wollen, soweit hatte sie Kakashi nicht kommen lassen wollen. Wann war das passiert, wann hatte Kakashi ihre Mauern durchdrungen und sich in ihrem Inneren einen Platz geschaffen, den sie ihm nie hatte einräumen wollen? Doch so sehr sie sich auch dagegen sträubte, konnte sie nicht leugnen, dass sie ihm um jeden Preis helfen wollte. Nicht, weil es ihre Verpflichtung war, nicht für ihren Sensei, nicht für Minato. Sondern weil sie Sympathie für ihn empfand. Sie hatte Mitleid mit ihm.

Ein junger Shinobi, der am Anfang seiner Laufbahn stand und noch so viel vor sich hatte. Ein Junge, der noch sein ganzes Leben zu leben hatte. Das Bild eines lachenden Jungen tauchte in ihren Gedanken auf und mit ihm ein Schmerz, von dem sie nicht wusste, wie lange sie ihn noch ertragen konnte.
 

Nawaki…
 

Der Schmerz, nein, dieser ganze Alptraum lag noch immer direkt unter ihrer Haut und versuchte unentwegt, sich an die Oberfläche zu drängen. Es war zu früh, ihre Wunden zu groß und ihre Qual zu lebendig, als dass sie sie hätte ignorieren können. Ihren kleinen Bruder hatte damals niemand mehr retten können.
 

Vielleicht, wenn es jemanden gegeben hätte, der seine Kräfte nur darauf mobilisiert hätte, ihm zu helfen. So, wie Obito es bei Kakashi getan hatte. Doch das war auf einem Kriegsschauplatz völlig unmöglich, am Ende hätte es nur das Leben von noch mehr Menschen gekostet.
 

Ihre Finger legten sich fast krampfhaft um den Anhänger ihrer Kette, suchten Halt, um nicht von all den Gefühlen, die sie durchfluteten, hinweggeschwemmt zu werden.
 

Sein großes Herz, das warme Lachen und die unbändige Freude am Leben…all das hatte der Krieg Nawaki genommen.
 

Und auch ihr.
 

Tsunade schüttelte fast unmerklich den Kopf. Sie sollte – nein, sie durfte sich nicht von ihren Gefühlen mitreißen lassen. Nicht, wenn sie das hier schnell und pragmatisch beenden wollte. Und vor allem, wenn sie das Ganze nicht noch näher an sich heran lassen wollte, sofern sie diese Grenze überhaupt noch ziehen konnte.
 

Lass den Mist. Kakashi ist nicht Nawaki. Nicht einmal im Ansatz!
 

Und dennoch war auch er ein junger Shinobi, der seine Pläne - seine Zukunft - noch verwirklichen konnte. Das durfte der Krieg ihm nicht nehmen.
 

Tsunade spürte, wie der Groll in ihr immer größer wurde und sich ihre Kehle hinauf drängte. Keine Bar hatte um diese Zeit bereits geöffnet und ob sie in diesem Dorf überhaupt eine aufsuchen wollte, stand auf einem ganz anderen Blatt.
 

Sarutobi… dieser Hund.
 

Wenn er sie doch nur nicht auf diesen Fall angesetzt hätte, wenn er doch nur irgendeinen anderen Iryo-Nin gesucht und hierher gesandt hätte… Ach was, wenn er von Anfang an den Grad der Mission richtig eingeschätzt und ein adäquates Team damit beauftragt hätte - eines, das den Anforderungen einer solchen gerecht werden würde! Dann müssten sie alle nun nicht seine Fehler ausbaden. Das waren nicht Minatos Fehler, die sie hier versuchten gerade zu biegen. Auch, wenn der Namikaze es blind vor Sorge und Reue im Büro des Kage behauptet hatte.
 

Und warum nochmal muss ausgerechnet ich das Ganze geradebiegen?
 

Ein verstimmtes Murren entwich ihrer Kehle, als sie auf ihrem Stuhl hinabrutschte und ihren Ellbogen auf dem Tisch neben ihr aufstellte, um ihren Kopf genervt auf der locker geformten Faust aufzustützen.
 

Sie hatte aus gutem Grund um ihres eigenen Friedens willen das Dorf gemieden und dann schickte ihr Sensei auch noch Jiraiya nach ihr. Als ob sie dem Perversling nichts ausschlagen könnte – was sollte das? Was hatte sich ihr Sensei dabei gedacht? Und wieso hatte sie sich eigentlich dazu breitschlagen lassen…
 

Aber vielleicht hatte ihr Sensei bereits erkannt, dass er eine nicht zu verachtende Mitschuld an dieser ganzen Misere trug. Und als ob das alles nicht schon genug gewesen wäre, waren diese beiden Shinobi zu allem Übel auch noch mit alten Verletzungen zu dieser Mission aufgebrochen.
 

Wem auch immer sie hatten etwas beweisen wollen, das war es ganz gewiss nicht wert gewesen…
 

„Können wir los, bist du soweit?“, fragte Shizune. Sie stand an der Tür und blickte zu ihrer Meisterin hinüber; ihre helle, zuversichtliche Stimme hallte in Tsunades Ohren wider.
 

„Keine Lust.“
 

„W-wie bitte?“ Shizunes Tonfall war augenblicklich gesunken und Tsunade konnte bereits an der Frage ihrer einstigen Schülerin hören, dass sie sie gleich zum Arbeiten verdonnern würde.
 

„Die Nacht war viel zu lang, ich habe kein Auge zugetan und außerdem hatte ich seit Ewigkeiten keinen Sake mehr.“
 

„Tsunade, würdest du bitte deinen Pflichten nachkommen?“, knurrte Shizune. Sie hatte sich darauf gefasst gemacht, dass Tsunade heute nicht erpicht darauf sein würde, Kakashi zu behandeln. Immerhin entsprach dieses Vorgehen auch nicht ihrer Art, sie wollte die Menschen heilen und sie dabei nicht noch größeren Qualen aussetzen. Aber dass ihre Meisterin wie ein quengelndes Kind vor ihr saß, spannte letztendlich auch Shizunes Geduldsfaden bis aufs Äußerte.
 

„Meine Güte, lass den Jungen doch noch ein bisschen schlafen, bevor wir anfangen.“
 

„Glaubst du wirklich, dass er schläft oder überhaupt schlafen kann?“
 

„Nein, eigentlich nicht. Aber besser wär’s.“
 

„Tsunade…“
 

„Schon gut, ich komme ja schon.“
 

~~
 

Sein Blick war starr an die Decke gerichtet, als seine Gedanken durch seinen Kopf rasten und ihn keine Ruhe ließen.
 

Es war seltsam. Alles, was er zuvor nicht hatte greifen können, was sich ihm so verwehrt hatte, lag nun ganz klar vor ihm. Erinnerungen an das was passiert war; Dinge, die er gehört und gesehen hatte. Die Worte, die der junge Arzt zu ihm gesagt hatte, Tsunades Ankunft und alles, was sie damit ausgelöst hatte; der undefinierbare Schmerz, den er nicht hatte zuordnen können.

Und dann noch dieses Etwas, das er gesehen hatte und das ihm so vertraut vorgekommen war. Dieses Etwas, das nichts anderes war als Obitos Sturmbrille.
 

„Alles klar. Du bist verliebt. Und weiter?“
 

„Ja. Das ist ja genau das Problem.“
 

„Na und? Jeder weiß, dass du in Rin verliebt bist.“
 

„Nein, nicht in Rin, du Idiot.“
 

„Sondern?“ Er wurde ruhiger, fordernder und auf seltsame Weise auch neugierig.
 

„In...“ Der Uchiha sah betrübt zu Boden, es wirkte, als hätte sich ein dunkler Schatten auf sein Gesicht gelegt. Bedauern, Schmerz und Traurigkeit.
 

„...dich.“
 

Wieder und wieder hallte dieses Gespräch seit dieser Nacht in seinem Kopf wider und er konnte es einfach nicht abstellen. Wie hatte es nur jemals zu diesem Punkt kommen können?! Und das inmitten eines feindlichen Angriffs!

Aber er kannte die Antwort bereits und jedes Mal, wenn sich Obitos Worte erneut in seine Gedanken zwangen, fragte er sich ein bisschen mehr, ob er wirklich alle seine Erinnerungen hatte zurückerlangen wollen.
 

Aber wenigstens passte jetzt alles zusammen, endlich fügten sich die Teile zusammen. Wäre die Situation eine andere, dann hätte er vielleicht gelacht. Obito soll also immer hier gewesen sein und ihn besucht haben? Er konnte sich lebhaft vorstellen, was den Uchiha dazu bewegt hatte.
 

„In... dich.“
 

Genug davon! Er hatte ganz andere Probleme als Obito Uchiha. Besser gesagt hatte er Probleme wegen Uchiha Obito.
 

Wie würde es jetzt weitergehen? Er war weiß Gott wie lange bereits hier in diesem Krankenhaus, von dem er nicht einmal wusste, wo es sich befand – jedenfalls nicht in Konohagakure.

Und er war in erbärmlicher Verfassung, sofern diese Beschreibung der Realität auch nur annähernd gerecht wurde.

Kurz zuckte der Gedanke, wie viele Wunden er wohl haben musste, durch seinen Kopf. Doch im fast gleichen Moment war in ihm alles wie leer gefegt von der Erinnerung an die Wucht und die Kälte der Messer, die eines nach dem anderen in seinen Körper drangen. Eine Erinnerung, die so lebendig war, dass das Gefühl der schneidenden und bohrenden Klingen noch immer wie im ersten Moment durch seinen Körper rauschte.
 

„In... dich.“
 

Verdammt…
 

Er fühlte sich wie gelähmt. Seine Glieder waren schwer wie Blei und der Schmerz, der nahezu unerträglich und so allgegenwärtig war, schloss selbst den Versuch einer Bewegung aus.

Waren es diese Zeichen des Körpers, die einem das Ende des Weges signalisierten, dass es vorbei war… dass es sinnlos war, von hier aus weiterzumachen…
 

Nein. Er würde nicht aufgeben, bis nicht auch der letzte Funke Hoffnung erloschen war – Tsunade. Mit ihrer Ankunft war auch seine Erinnerung zurückgekehrt, seine Gedanken klar und er wagte, seiner Wahrnehmung wieder Glauben zu schenken.
 

Doch er war kein Idiot.
 

Er wollte so sehr daran glauben, dass es nur Wunden waren, dass es bald alles vorbei sein würde, doch dass ausgerechnet Tsunade hier war, bestätigte nur das Ausmaß seiner Verletzungen. Von allen Iryo-Nins, die Konoha zur Verfügung hatte, war nun Tsunade hier.

Er musste kein Genie sein, um zu wissen, dass es nichts Gutes bedeutete, wenn eine der drei Sannin geschickt wurde, um sich eines Falles anzunehmen. Nein, dass Tsunade hier war, sagte bereits viel zu viel über seine Lage aus.

Ihre Anwesenheit und seine vage Vorahnung, ließen ihn letztendlich nur einen kleinen Funken Hoffnung. Die Sannin war als beste Heilerin Konohas auch weit über die Grenzen des Landes bekannt. Allerdings war sie keine Wunderheilerin, sie konnte keine Wunder schaffen, sie konnte das Unmögliche nicht möglich machen. Und ihn ließ die Befürchtung nicht los, dass er aber genau das brauchte.
 

„In... dich.“
 

Wieder spürte er die kalten Klingen seinen Körper durchbohren, den Stoß, der jedes Mal durch seinen Köper fuhr, als jede einzelne von ihnen ihr Ziel fand. Kakashi merkte, wie allein die Erinnerung seinen Puls beschleunigte und sich in seiner Brust eine schnürende Enge ausbreitete. Mit irgendetwas musste er sich ablenken, weg von diesen Worten, weg von den Messern. Doch sein Verstand brachte ihn immer wieder zurück zu diesem Moment. Er versuchte sich an den Feind zu erinnern, ihre Gesichter, das Stirnband, das sie trugen, die Ausrüstung… in welches Kriegsgebiet waren sie eingedrungen, was hatte sie zum Ziel gemacht? Wer hatte ihn angegriffen?
 

Uchiha Obito.
 

Verdammt…! Verdammt! Verdammt!
 

Es war zwecklos auch nur zu versuchen seine Gedanken umzulenken. Es würde ohnehin nicht klappen. Nicht, solange er hier lag und das Gefühl hatte, auf sein Ende zu warten.
 

„In... dich.“
 

Nein. Nein. Nein! Er musste sich von diesem Irrsinn ablenken. Es konnte, nein, es durfte nicht sein, dass wegen eines solch schlechten Scherzes sein Leben gänzlich auf den Kopf gestellt wurde. Er musste einfach daran glauben, dass Tsunade ihm helfen konnte. Dafür war sie doch hier – um ihn zu helfen. All das, wofür er so hart gearbeitet hatte, die Kraft und die Zeit, die er in sein Training gesteckt hatte, um so weit zu kommen… das durfte nicht einfach so - nicht wegen so etwas - umsonst gewesen sein.
 

Nicht wegen Uchiha Obito.
 

Fast erleichtert schloss er die Augen, als es an der Tür klopfte und ihn aus dem Teufelskreis seiner Gedanken riss.
 

Keinen Moment später hörte er das Öffnen der Tür. Seine Iriden folgten dem Geräusch, bis sie auf Tsunade liegen blieben.

Obwohl ihre Miene auf nichts schließen ließ, konnte er ihre schlechte Laune deutlich spüren.
 

„Morgen.“ Kakashi sah, wie sie ergeben die Luft aus ihren Lungen stieß und augenblicklich ihre aufrechte Haltung nachgab. So neutral ihr Gesichtsausdruck auch sein mochte, es war unschwer zu erkennen, dass sie nicht hier sein wollte.
 

Nun… er auch nicht.
 

Tsunade hatte deutlich gemacht, was ihm bevorstand. Und so sehr es ihm auch Angst einjagte, er musste einfach daran glauben, dass das Ergebnis es wert war; dass Tsunade ihm helfen konnte. Denn noch weniger Lust hatte er, sein Leben, wie es war, aufgeben zu müssen. Auch, wenn es kein sonderlich glückliches bislang gewesen war - ein anderes wollte er nicht.
 

„Guten Morgen, Kakashi!“ Hinter Tsunade trat eine weitere Frau in das Zimmer. Ihr Lächeln war warm, ihre Züge freundlich die Haare dunkel und kurz. Sie stand im totalen Kontrast zu der Sannin. War sie am Tag zuvor auch bereits bei ihr gewesen?
 

„Shizune ist meine Assistentin. Sie wird mir zur Hand gehen.“
 

Shizune… Der Name kam ihm bekannt vor. Wenn er sich recht erinnerte, dann hatte Rin ihn einmal erwähnt und dass sie sie beneidete; sie hätte auch gerne das Zeug dazu, von Tsunade unterrichtet zu werden.
 

Noch immer lächelte die junge Frau ihn an, in ihren Händen hielt sie ein kleines Tablett mit einem Glas gefüllt mit Eiswürfeln und einer kleinen Karaffe. „Ich habe dir etwas Wasser und Eis mitgebracht. Ich dachte, dass etwas Kaltes dir vielleicht gut tun wird.“
 

Er hatte den Eindruck, der jungen Frau irgendwie antworten zu müssen. Doch was sollte er schon sagen? ‚Danke‘ noch bevor es begonnen hatte? Kakashi ahnte, was Tsunade vorhatte, der gestrige Tag hatte ihm einen guten Vorgeschmack gegeben und mehr wollte er auch gar nicht wissen. Es sollte nur schnell vorbei sein, aber das war pures Wunschdenken, das wusste er.
 

Es gab nichts, was er in diesem Moment hätte sagen wollen. Und abgesehen davon, fühlte sich seine Kehle staubtrocken und rau an, sodass allein der Versuch, ein Wort über die Lippen zu bekommen, wahrscheinlich nicht mehr als ein brennendes Kratzen in seinem Hals verursachen würde. Sein Blick fiel auf das Wasser. Das alles hatte sie wohl bereits geahnt.
 

„Keine Sorge, sobald du in einer aufrechten Lage bist, kannst du so viel trinken, wie du willst. Danach werden wir uns ein paar der Verletzungen ansehen, die wir am kritischsten betrachten.“ Tsunades Stimme war eiskalt; eine Kälte, die Kakashi bekannt vorkam. Wie eine Mauer, die man um sich errichtete.
 

„Wir arbeiten uns Stück für Stück voran und sehen dann weiter. Das ist natürlich alles auch von dir abhängig.“
 

Keine Sorge, huh?! Innerlich lachte Kakashi auf. Er hatte verstanden, was Tsunade gesagt hatte und vor allem auch, was das implizierte. Allein das Atmen quälte ihn so sehr, dass es für ein ganzes Leben an Schmerz ausreichte und sie hatte nun wer-weiß-was mit ihm vor. Es war abhängig von ihm. Abhängig davon, wie viel er ertragen konnte.
 

Im Raum wurde es still. Tsunade wollte sich einreden, Kakashi noch diesen einen Moment Gnadenfrist zu gewähren. Insgeheim wusste sie jedoch, dass sie ihn nur sich selbst gab. Wenn sie ihm wenigstens garantieren könnte, dass all das nicht umsonst war und es ihm danach gut gehen würde. Aber sie wusste es nicht. Wenn sie damals direkt vor Ort gewesen wäre, wenn sie ihn sofort behandelt hätte, vielleicht hätte sie ihm dann dieses Versprechen geben können. Gerade eben jedoch war sie sich nicht sicher, ob sie nicht einfach nur Schadensbegrenzung betrieben.
 

Shizune fühlte sich nicht wohl, die Situation lief in eine völlig falsche Richtung. Sie konnte spüren, wie Tsunades Stimmung mit jedem Schritt, den sie Kakashis Zimmer nähergekommen waren, weiter gesunken war. Die Entwicklung, die das Ganze seit Betreten des Raumes angenommen hatte, bedarf keiner weiteren Worte. Doch sie war der festen Überzeugung, dass Kakashi dabei nicht mit reingezogen werden durfte.

Tsunades Laune und Kakashis Behandlung waren zwei verschiedene Dinge – sie waren hier, um dem Jungen zu helfen! Ganz gleich, welche Meinung ihre Meisterin dazu hatte; Shizune konnte es nicht gutheißen, Kakashis Hoffnung und seinen Willen, zu genesen, aufs Spiel zu setzen, noch bevor sie überhaupt angefangen hatten!
 

„Aber du wirst sehen, Kakashi, noch bevor der Tag rum ist, wirst du dich schon besser fühlen. Und mit jedem Mal wird es noch ein bisschen besser – nicht wahr, Tsunade?“
 

Angesprochene zögerte kurz, sie hatte Shizunes verstecke Nachricht an sie verstanden. Tsunade seufzte im Stillen.
 

„Ja.“



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