Zum Inhalt der Seite

Besser, ihr rennt! - Old version

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

1 -7

Er hasste es, wenn er anfing, zu stottern. Fühlte sich dabei immer wie ein Kind, wie der kleine Junge, der vor seiner Klasse stand und ein Gedicht aufsagen sollte, sich jedoch bereits dermaßen am Titel aufhängte, dass der Lehrer ihn schließlich mit einer Mischung aus Mitleid und Ungeduld aufforderte, sich wieder auf seinen Platz zu setzen, während die Mitschüler in hämisches Kichern ausbrachen.

Aber er war kein kleines Kind mehr, und das hier war nicht die Schule. Hier waren keine Leute, die er kannte, und trotzdem fing er wieder mit diesem verdammten Gestottere an, fühlte sich hilflos und unfähig, als sei seit damals nicht ein einziger Tag verstrichen…

Er war kein Kind mehr, er war zweiundzwanzig Jahre alt, und in der Schule war er zum letzten Mal vor fünf Jahren gewesen. Vor ihm saßen keine Mitschüler, sondern Menschen, die ihm vollkommen fremd waren, die zwar nett zu ihm waren, denen er aber nicht zu viel Vertrauen entgegenbringen durfte, und die sich insgeheim bestimmt über seine Unfähigkeit, zu sprechen, amüsierten.

Er war kein Kind mehr, und… Erst jetzt registrierte Jonny, dass seine Gedanken sich immer und immer wieder im Kreis drehten. Wie ein Mantra wiederholten sie sich, sorgten dafür, dass er sich schwach fühlte, etwas, was er sich nicht leisten konnte in einer solchen Situation, die…

Ja. Was für eine Situation war das hier überhaupt? Draußen auf der Straße war er bereits von Robins Art überfordert gewesen. Sapphire jedoch, deren Namen er bereits einige Male gehört hatte, von der er jedoch kaum mehr wusste, alles dass sie eine Art Berühmtheit war; nicht bloß hier in der Eastside, sondern in der gesamten Stadt, wirkte nicht weniger irritierend auf ihn. Sie hatte nichts an sich, was ihn ihr gegenüber misstrauisch werden lassen würde, sodass er sich selbst geradezu dazu zwingen musste, eben dieses Misstrauen dennoch nicht zu vergessen. Wenn er etwas wusste, dann, dass es vollkommen gleichgültig war, wie freundlich oder harmlos jemand nach außen hin wirkte. Jeder erste Eindruck konnte eine Fassade sein. Eine Maske, hinter der sich finstere Abgründe verbargen, Bosheit und Zorn, das Vorhaben, mit der Zeit aufgebautes Vertrauen gnadenlos auszuschlachten und zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Aber nicht mit ihm. Nicht noch einmal.

So sehr war er in seine Gedanken versunken, in diesen Strudel aus Erinnerungen und Warnungen an sich selbst, dass er erst zum Ende hin mitbekam, dass Sapphire wieder mit ihm sprach. „…du nun?“, war alles, was er von der an ihn gerichteten Frage mitbekam.

Mit einem entschuldigenden Lächeln – dass er lächelte, fiel ihm erst einige Sekunden später auf – wandte er sich ihr erneut zu, ohne sie dabei direkt anzusehen, das wäre zu anstrengend gewesen, zu beängstigend. „Entschuldigung, w-wie bitte?“

„Ich wollte wissen, wie du heißt.“ Sapphire lächelte ebenfalls, wirkte weiterhin nicht ungeduldig oder dergleichen, nahm dann noch einen Schluck von ihrem Getränk, bevor sie hinzufügte: „Ich könnte natürlich auch Robin fragen. Aber ich finde es unhöflich, über jemanden zu reden, der mit am Tisch sitzt.“

Jonny atmete tief durch. Das ist keine schwierige Frage, sagte er sich selbst in Gedanken, als würde das dabei helfen, ruhiger zu werden. Ja, vielleicht war es keine schwierige Frage, aber seinem Stottern war es egal, wie komplex etwas war, was er sagen wollte; es war eben manchmal einfach da.

Trotzdem. Einfach schweigend dazusitzen war auf Dauer auch keine Option.

„Jonny“, antwortete er schließlich, und eine Welle der Erleichterung überkam ihn, als er es geschafft hatte, das Wort ohne Probleme herauszubekommen.

Sapphires Lächeln wurde noch ein wenig breiter. „Okay. Freut mich! Ich bin Sapphire, aber das wird Robin dir ja sicherlich schon erzählt haben.“

Jonny nickte, griff dabei nach dem Handtuch auf seinem Kopf, dessen Existenz er kurzzeitig vergessen hatte, und zog es herunter. Er zitterte noch immer ein wenig, doch bei Weitem nicht mehr so stark, wie es draußen der Fall gewesen war, und allmählich war Wärme im Begriff, sich in seinem Körper auszubreiten.

So sehr er auch an seinem Misstrauen festhielt – mittlerweile war er zu der Überzeugung gelangt, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, mit hier herzukommen, statt draußen im Regen zu verharren.

„Wird nur nicht zu leichtsinnig, Jonny!“ Da war sie wieder, die Stimme. Jonny konnte nicht wirklich sagen, dass er sie vermisst hatte, viel mehr hatte ihre Abwesenheit, seit sie die Bar betreten hatten, ihn verwundert.

Es störte ihn auch nicht, dass sie jetzt da war, er hoffte bloß, dass sie es nicht übertreiben würde damit, auf ihn einzureden, dass sie ihn nicht in einem Ausmaß mit Warnungen und Kommentaren überschütten würde, dass es ihm schwerfallen würde, klare Gedanken zu fassen.

So nervös ihn diese Situation auch machte, so beängstigend er sie immer wieder empfand… er hatte nicht vor, die Kontrolle abzugeben.

Die Kellnerin kam zurück und stellte, auf eine Geste von Sapphire hin, eine große Tasse voll mit dampfendem Kakao vor Jonny ab. „Das Sandwich kommt gleich“, verkündete sie, bevor sie sich umdrehte und weiter ihrer Arbeit nachging.

Jonny nickte automatisch, schaffte es aber nicht, ein „Danke“ hervorzubringen – verdammt, er hasste sich manchmal so sehr dafür, wie schwer ihm soziale Interaktion fiel.

„Oh, das ist doch nun wirklich irrelevant“, kommentierte die Stimme in einem nun etwas spöttischen Tonfall, der ziemlich typisch für sie war, wenn sie gerade einmal anstatt Warnungen bissige Kommentare von sich gab. „Hier wird sich ohnehin niemand an dich erinnern!“

Nun, das stimmte wohl. Wenn er die Bar nachher verlassen würde war es unwahrscheinlich, dass er jemals hierher zurückkommen, geschweige denn jemanden, mit dem er heute hier zu tun hatte, wiedertreffen würde. Was machte es da schon, dass er auf die Kellnerin vermutlich unhöflich gewirkt hatte? Wieso machte er sich überhaupt über so etwas Gedanken?

„Dann lass es dir schmecken“, hörte er Robin sagen, und automatisch hob er den Kopf und warf ihm ein scheues Lächeln zu. Bloß eine kleine Geste, eine winzige Handlung, auf die die Stimme jedoch sofort mit einem verärgerten Zischen reagierte. „Du sollst aufpassen, Jonny! Du bist viel zu nett!“

Was für ein unsinniger Kommentar, in Anbetracht der Tatsache, dass Jonny bisher kaum geredet und sich eigentlich die ganze Zeit über abweisend verhalten hatte. Aber gut, im Vergleich zu dem, was dieses Ding in seinem Kopf Robin und Sapphire womöglich bereits entgegengeworfen hätte, war er vermutlich wirklich nett.

Darauf konzentriert, der Stimme nicht allzu viel Beachtung zu schenken – sie machte ihn im Moment bloß nervös, und überhaupt, was war überhaupt verkehrt daran, ein wenig freundlich zu sein, immerhin war er ja trotzdem vorsichtig – betrachtete Jonny die vor ihm stehende Tasse. Der Kakao roch köstlich. Oben befand sich eine kleine Krone aus Sahne, die mit etwas Dunklem – vermutlich Schokoladenpulver – bestreut worden war, neben der Tasse, auf dem Untersetzer, lagen dazu zwei Kekse.

Allein ihr Anblick rief Jonny ins Gedächtnis, wie hungrig er eigentlich war, und ohne wirklich Kontrolle über diese Handlung zu haben griff er nach einem davon, tauchte ihn kurz in den Kakao und biss dann hinein.

Es war einfach nur ein trockener Keks, doch er schmeckte unfassbar gut. Nach wenigen Sekunden bereits griff Jonny nach dem zweiten Keks, um diesen in einer ähnlich kurzen Zeitspanne zu verspeisen, dann nahm er einen Schluck von der heißen Schokolade.

Wie gut es sich anfühlte, wie die warme Flüssigkeit seine Kehle hinunterlief, ihn von innen wärmte und das Zittern seines Körpers noch weiter verringerte. Gleichzeitig überkam Jonny ein irgendwie nostalgisches Gefühl. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass er das letzte Mal Kakao getrunken hatte.

Als Kind hatte er dieses Getränk geliebt, hatte es praktisch jeden Tag getrunken während er in seinem Zimmer gesessen hatte, vertieft in ein Buch oder einen Comic.

Nein, Stopp. Immer noch nicht. Keine Gedanken an die Vergangenheit, an Zeiten, die längst vorüber waren, und die nicht mehr zurückkommen würden. Niemals mehr.

„Werd nicht sentimental!“, bestätigte ihn die Stimme auch sofort in diesem Vorsatz, und Jonny gab sich Mühe, bei dem nächsten Schluck den er nahm nicht an das zu denken, was früher einmal gewesen war.

Es würde ihn bloß traurig machen. Verletzlich. Und das wiederum bedeutete Schwäche.

Jonny stellte die Tasse ab und hob den Blick. Sapphire und Robin hatten sich jeweils ihren eigenen Getränken zugewandt, wechselten dabei ein paar Worte über eine Person, deren Namen Jonny nichts sagte, und schenkten ihm dabei nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit, was ihm nur recht war. Falls einer der beiden etwas von seinem spontanen, leichten Anfall von Sehnsucht mitbekommen hatte, so ließ er es sich nicht anmerken.

Mit einem leisen Aufatmen lehnte Jonny sich zurück.

Er fühlte sich in der Tat ein wenig entspannter, und das nicht bloß, weil das Zittern mittlerweile aufgehört hatte. Ihm war immer noch leicht kalt, was in Anbetracht der nassen Klamotten, die er immer noch trug, nicht verwunderlich war, aber diese Kälte war nichts im Vergleich dazu, wie er sich da draußen gefühlt hatte.

Draußen. Alleine der Gedanke daran ließ ihn erneut kurz frösteln.

Sofort sprang die Stimme wieder ein. „Gewöhn dich nicht an diesen Luxus hier, Jonny! Du weißt, dass du praktisch nur eine kurze Schonfrist bekommen hast! Du musst wieder da raus, das ist dir ja wohl klar, oder?“

Ja, natürlich war es das. Aber das bedeutete ja wohl nicht, dass er die Zeit, die er hier saß und nicht Wind und Wetter ausgesetzt war, nicht genießen durfte…

„Wenn du es genießt, dann wird es dir schwer fallen, wieder zu gehen! Muss ich dir das wirklich sagen?“

Leicht schüttelte Jonny den Kopf. Nahm noch einen Schluck Kakao, einfach, um irgendetwas zu tun.

Das alles war ihm doch klar. Überhaupt, diese Gedanken waren doch vollkommen überflüssig. Robin hatte ihm angeboten, sich aufzuwärmen, und Sapphire spendierte ihm nun etwas zu essen, aber das war es auch. Sie saßen in einer Bar, an einem öffentlichen Ort…

„Das habt ihr damals auch getan!“

Dieses Mal ließen die Worte Jonny zusammenzucken. Schnell stellte er die Tasse wieder ab, verschränkte die Finger ineinander und fixierte einen Punkt an der Wand hinter Robin, der ihm gegenüber saß. Er hatte wieder angefangen zu zittern. Dieses Mal aber nicht vor Kälte.

Wie er es hasste, wenn die Stimme darauf abzielte, ihn zu verletzen. Sie wusste genau, dass ihn das beeinflussbarer und kontrollierbarer machte, und genau das war es, was sie wollte: Die Kontrolle übernehmen, der Situation auf ihre Weise begegnen, was in diesem Fall wohl bedeutete, ohne ein weiteres Wort aufzustehen und zu gehen. Für den Fall, dass Robin oder Sapphire versuchen würden, ihn aufzuhalten, noch einen bissigen Kommentar ablassen, und dann weiter nach draußen gehen und verschwinden.

Ja. Mit Sicherheit war das das, was die Stimme für das Beste hielt.

Aber das war nicht das, was Jonny wollte.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sich bei jeder Gelegenheit auf das Ding in seinem Kopf verlassen, ihm quasi jedes Mal die Kontrolle überlassen, wenn ihn etwas verunsichert hatte.

Das war leichter gewesen damals, als er kaum in der Lage gewesen war, seinen Alltag durchzustehen, als er noch regelmäßiger und heftiger von Panikattacken heimgesucht worden war als heute.

Aber er hatte keine Lust mehr, sich jedes Mal in sich selbst zurückzuziehen, wenn er verunsichert war, und alles dieser Stimme zu überlassen, die sich und ihn vielleicht gut verteidigen konnte; das wollte er gar nicht abstreiten, aber mit Sicherheit auch nicht immer die richtigen Entscheidungen traf.

Und die Entscheidung, die Chance auf etwas Wärme und sogar eine richtige Mahlzeit einfach wegzuwerfen, erschien Jonny alles andere als richtig.

Zu seiner Überraschung schwieg die Stimme nun. Es war nicht immer ein gutes Zeichen, wenn sie das tat – manchmal zog sie sich einfach bloß eine Weile zurück, um dann so überraschend wieder aufzutauchen, dass es ihm schwerfiel, nicht vor ihr zurückzuweichen und die Kontrolle zu verlieren.

Für den Augenblick jedoch war er einfach bloß froh, dass sie ruhig war.

Als hätten sie mitbekommen, dass Jonny nun dazu in der Lage war, ungestört ein wenig klarere Gedanken fassen zu können, wandten Robin und Sapphire sich ihm wieder zu. Robin hatte sein Glas in der Zeit, in der sie hier saßen, bereits halb geleert, wie Jonny nun feststellte, und irgendwie fand er diesen Gedanken beunruhigend.

Das war doch Alkohol, was er dort trank, oder?

Allerdings wirkte Robin nicht wirklich so, als wäre er betrunken, oder zumindest nicht auf die Art, die Jonny beunruhigen würde. Die Art von Betrunkenheit, die er gewohnt war.

Er hatte jedoch nicht die Gelegenheit, weiter über diese Sache nachzudenken, denn Sapphire hatte offensichtlich die Absicht, ein Gespräch mit ihm anzufangen.

„Darf ich fragen, was du so spät und im strömenden Regen in diesem eher… nun, wenig attraktiven Stadtviertel machst?“, fragte sie, wobei sie Jonny mit einem Blick bedachte, der ehrliches Interesse ausdrückte.

Ein wenig unschlüssig erwiderte Jonny eben diesen Blick für Bruchteile einer Sekunde, bevor er wieder dazu überging, die Tischplatte zu betrachten. „Nun“, begann er, ohne wirklich eine Idee zu haben, wie er diesen Satz fortsetzen sollte. „I-ich…“

Wieder dieses verdammte Stottern! Er schloss die Augen, atmete einmal tief durch.

„Ich wollte eigentlich… nicht ausgerechnet unbedingt hier sein. Ich bin e-einfach durch die Straßen gelaufen… w-wollte mich ein bisschen ausruhen… und bi-bin dann wohl eingeschlafen.“

„Ah.“ Sapphire nickte. „Das heißt, du hast keinen bestimmten Ort, an den du normalerweise gehst, um dich auszuruhen?“

„Nun…nein.“ War das nicht eine irgendwie unnötige Frage? Sah er nicht aus wie jemand, der seit Monaten auf der Straße lebte und es irgendwie immer grade so geschafft hatte, am Leben zu bleiben?

Wieder nickte Sapphire, und als sie ihre nächste Frage stellte war da kein Mitleid in ihrem Blick, wie Jonny es manchmal in den Augen von Leuten auf der Straße sah, die ihn betrachteten und wahrscheinlich darüber nachdachten, was für ein armseliger und unglücklicher Mensch er doch sein musste. Nein, da war weiterhin einfach bloß ruhige Freundlichkeit in Sapphires Stimme: „Du hast also kein Zuhause?“

Allein dieses Wort – „Zuhause“ – reichte aus, um Jonny zusammenzucken zu lassen.

Er zog instinktiv die Schultern hoch, so als würde ihn das vor der Wirkung dieses Wortes schützen, was es natürlich nicht tat… Zuhause. Zuhause. Zuhause. Was bedeutete das überhaupt?

Nun, zum Philosophieren war das hier definitiv nicht der richtige Zeitpunkt und so zwang Jonny sich dazu, den Kopf zu schütteln.

Eigentlich wäre das als Antwort genug gewesen. Wenn Sapphire noch mehr wissen wollte, dann würde sie sicherlich nachfragen, und sollte dem nicht so sein, dann war das auch okay, Jonny hätte wohl kaum ein Problem damit gehabt, nicht mehr von sich preiszugeben als unbedingt notwendig.

Und trotzdem, ohne es wirklich zu wollen, geschweige denn zu wissen, warum er es tat, sprach er weiter.

„Ich bin eigentlich seit Monaten dr-draußen unterwegs. Nicht unbedingt hier in diesem Viertel, a-aber in der Stadt.“

Warum war es irgendwie so erleichternd, zu reden? Vielleicht hatte die Stimme recht, vielleicht war er wirklich dabei, all seine Vorsicht zu verlieren und direkt auf den nächsten Abgrund zuzulaufen, nachdem er aus dem Letzten gerade erst entkommen war…

„Das klingt wirklich anstrengend.“ Diesmal war es Robin gewesen, der das Wort ergriffen hatte. Auch er sah zu Jonny und auch in seinem Blick war kein Mitleid auszumachen. Dafür etwas anderes, das Jonny nicht zuzuordnen vermochte…

Jonny zuckte mit den Schultern. Murmelte, bemüht, dabei möglichst gleichgültig zu klingen: „Man gewöhnt sich daran.“

Das war eine Lüge, oder zumindest nicht die ganze Wahrheit. Natürlich wurde es leichter mit der Zeit, man lernte einige Tricks, mit denen man besser zurechtkam, fand Orte, an denen man relativ gut Zuflucht suchen konnte, lernte, wie man am besten an Essen kam. Aber wirklich daran gewöhnen, mit nichts als zwei dünnen Decken auf meist hartem Untergrund zu schlafen, dabei immer Wachsam sein zu müssen, dass niemand ihm zu nahe kam, morgens nicht zu wissen wo er abends landen, ob er überhaupt noch am Leben sein würde, würde er sich wohl nie.

Wahrscheinlich war das auch Robin und Sapphire klar, aber niemand widersprach ihm, und dafür war Jonny ihnen sehr dankbar. Überhaupt empfand er ihre Art als recht angenehm. Dass sie ihn nervös machten war nichts Besonderen, doch schienen sie ihn nicht zu verurteilen, nicht auf ihn herabzusehen, wie es die meisten Leute, die sich nicht in einer Situation wie der seinen befanden, es taten.

„So, bitteschön!“ Die Kellnerin war wieder da und stellte einen Teller mit einem noch dampfenden Sandwich vor Jonny ab, dieses Mal, ohne auf eine Geste von Sapphire zu warten.

Möglicherweise lag es daran, dass er bis eben noch geredet hatte, zumindest schaffte Jonny es dieses Mal, sich ansatzweise in ihre Richtung zu drehen und ein leises, aber deutliches „Dankeschön“ herauszubringen.

Ein Anfang.

„Dann guten Appetit!“, meinte Robin lächelnd, während Jonny sich dem Essen zuwandte, und mit einem Mal schien sein Hunger noch einmal größer geworden zu sein.

„Dankeschön“, murmelte Jonny noch einmal, dieses Mal an Robin gewandt.

Das Sandwich roch ebenso köstlich wie der Kakao, zwischen den Toastscheiben quoll gegrillter Käse hervor, und daneben lagen einige Tomaten- und Gurkenscheiben.

Und es schmeckte genau so gut wie es aussah.

Vielleicht hatte Sapphire noch mehr Fragen an ihn, wollte mehr über seine Situation, sein Leben wissen, warum auch immer; irgendwie hatte Jonny den Eindruck, dass sie sich wirklich für ihn interessierte. Aber falls dem so war, dann schien sie damit noch warten zu wollen, und so konnte Jonny sich erst einmal ganz auf sein Essen konzentrieren; die erste richtige Mahlzeit, die er seit einer gefühlten Ewigkeit zu sich nahm.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Drachenprinz
2020-11-09T21:59:39+00:00 09.11.2020 22:59
Oh Gott, diese Situation, die da direkt am Anfang beschrieben ist, klingt richtig awkward und furchtbar. X__X Ich kann mir vorstellen, wie Jonny sich fühlt... Ich stotter ja zum Glück nicht GANZ so viel, aber wenn mir das passiert, während jemand zuhört, ist mir das auch immer peinlich. :'D Ich mein, es ist meistens nur meine Familie, die das hört, und dann muss ich selbst auch lachen, aber ich ärger mich trotzdem immer, und wenn das bei Fremden passieren würde, wär das echt wahrscheinlich viel schlimmer. ._.
Hach, diese ominöse Stimme in Jonny... Sie ist so freundlich. u_u
Also... Wenn ich nicht gerade Oreokekse mit Milch gegessen hätte und satt wäre, würde ich von diesen Beschreibungen jetzt auch total Bock auf diesen Kakao da kriegen. XD So wie Jonny geht es mir aber auch irgendwie, ohne dass ich halb am Verhungern bin, immer, wenn ich irgendwo warmen Kakao bestelle und so einen Keks da reintunke. :'D Das ist halt geil!
Mann, ich frage mich ja immer mehr, was es mit dieser Sache auf sich hat, die da in Jonnys Vergangenheit passiert ist. qwq Das scheint ja was wirklich Schlimmes gewesen zu sein...
Boah, auf dieses Sandwich krieg ich gerade doch Appetit, trotz Keksen! xDD
War wieder schön zu lesen, ich kann mich auch echt gut bisher in alle reinversetzen! Aber das kann ich bei dir ja auch generell immer. Ja, ich weiß... schleim schleim. X'D Aber ist halt wirklich so!!
Antwort von:  ReptarCrane
10.11.2020 00:02
Jaaa kam mir auch vorstellen dass das nich angenehm is :'D
Jaaa sehr freundlich, auf jeden Fall.
Während ich das geschrieben hab, hab ich ja Marzipan Kakao getrunken xD
Jaja, die dramatische Backstory...qwq
Antwort von:  Drachenprinz
10.11.2020 00:08
Marzipan Kakao...! °^° Davon hab ich noch nie gehört, aber das klingt super!
Und ja, dramatische Backstory ist Pflicht!! WOOBIES!!!


Zurück