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Das Bluterbe der Youkaifürsten

Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten"
von

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Vorsätze

Das erste Licht des neuen Tages bricht über die Spitzen der nahen Berge. Man kann noch kaum die Hand vor Augen sehen. Über dem verlassenen Schlachtfeld, wo die meisten Krieger des Nordclans ihr Ende gefunden haben, hängen dichte Nebelfelder. Die Luft ist noch kühl und der Boden aufgeweicht vom Regen. Ein unangenehmer Geruch liegt in der Luft wie von verderbendem Fleisch, süßlich und ekelerregend. Kaum ein Laut ist zu hören. Kein Vogel begrüßt den Morgen mit Gesang, denn sämtliche Tiere haben diese Gegend verlassen.

Zwischen den traurigen Überresten dessen was einmal Bäume gewesen waren, nähert sich nun eine Gestalt. Sie wirkt schmal und zierlich und ist in weiße Gewänder gekleidet. Auch ihre Haut ist unnatürlich weiß und glimmende, orangefarbene Augen durchforsten aufmerksam die Dämmerung.

Die junge Frau schreitet gemächlich hinaus auf die Stätte der Verwüstung. Dies alles hat ihr Herr verursacht. Sie riecht noch immer seinen Geruch der hier überall in der Umgebung hängengeblieben ist. Was für eine Macht! Kaum ein Stein ist auf dem anderen geblieben und nur wenige Bäume stehen noch. Doch die meisten sind entwurzelt, zerstückelt oder abgebrannt worden. Das sieht ihm ähnlich. Zurückhaltung liegt offenbar nicht in seiner Natur.

Wachsam blickt sie sich um. Es ist immerhin möglich, dass noch einige Inuyoukai zurückgeblieben sind um Totenwache für die Verstorbenen zu halten und sie kann es jetzt nicht gebrauchen, dass man sie beobachtet; nicht bei dem was sie im Begriff ist zu tun.

Langsam schreitet sie über das Schlachtfeld und zählt im Stillen die Toten die sie beschaffen soll. So viele Leben mussten für den Hunger ihres Herrn herhalten. Sein Verlangen nach Energie muss wirklich gewaltig sein. Und gerade jetzt kann er all diese Körper nicht verwerten, weil dieser Hanyou ihm den Magen geraubt hat. Eine Schande! Und was für eine Verschwendung all dieser Überreste. Wem nutzen sie noch etwas, wenn sie hier im Schlamm verrotten?

Geschmeidig sinkt sie neben einem der Toten in die Hocke. Ihre schlanke Hand greift nach seinem Haarschopf und hebt sein Gesicht auf Augenhöhe. Mit regloser Miene mustert sie ihn. Wie grobschlächtig und wild er aussieht, von seinem Geruch ganz zu schweigen. Der ganze Körper und seine Kleidung stinken nach Blut, Schweiß und anderem Unrat. Dieser Mann hat sich gewiss schon längere Zeit vor seinem Tod nicht mehr gewaschen.

Sie lässt das Haar los und der Kopf sackt mit einem unschönen Klacken zurück auf einen Stein. Mit dem was jetzt mit ihnen geschieht, sind diese Krieger gewiss besser dran als zuvor. Sie erhebt sich wieder. Es macht keinen Sinn noch mehr Zeit zu verschwenden. Ihr Herr will die Energie dieser Männer und er will sie ehe der Tag herumgeht. Besser sie fordert seinen Zorn nicht heraus.

Auch wenn er es bisher nicht fertiggebracht hat sie zu töten, verspürt sie wenig Lust darauf erneut von ihm zerstückelt zu werden. Sie muss es ihm lassen, er ist kreativ. Er gibt sich wirklich Mühe ihrem Leben ein Ende zu setzen, doch manchmal fragt sie sich, ob er wirklich mit dem Herzen bei der Sache ist. Wenn er ihr wirklich den Rest geben wollte, würde er sicher einen Weg finden, statt ihr nur mit jedem neuen Versuch diese unaussprechlichen Schmerzen zu bereiten.

Nun ja, sie hat über die Jahre gelernt es nicht zu zeigen und dieser Agonie möglichst keine Beachtung mehr zu schenken. Die Leute reagieren immer so komisch wenn man aus vollem Hals schreit.

Diese Einsicht kommt ihr auch in der Hinsicht zugute auf das was sie gleich tun muss. Doch es ist der einzige Weg um an die Energie der Männer zu gelangen. Immerhin sind sie schon tot und ihr Lebensfunke hat sie verlassen. Dass bedeutet aber nicht, dass die als Youkai ihnen eigene Energie schon verschwunden ist. Nicht umsonst sind Gebeine und andere Teile von Youkai in gewissen Kreisen heiß begehrt. Diese ganzen Körper haben noch immer eine hohe Restenergie, die sich lediglich mit dem Zersetzungsprozess verflüchtigen wird. Es ist also Eile geboten.

Sie seufzt ein wenig. Wenn sie mehr Zeit hätte, würde sie sich mit jedem Körper einzeln befassen. Ihr zersetzendes Gift vermag die Körper aufzulösen und die Energie freizusetzen die noch in der rohen Masse steckt. Danach ist es nicht sehr schwierig sich diese Energie einzuverleiben. Allerdings hat sie noch nie zuvor eine solch große Menge aufgenommen. Die Schwierigkeit liegt darin sie in ihrem Körper zu speichern. Mal ganz abgesehen davon, dass es viel zu lange dauern würde jeden einzelnen Körper nacheinander aufzulösen, denn hier liegen hunderte von toten Körpern herum. Also muss sie zu einer anderen Strategie greifen.

Sie zieht ein schmales, silbernes Messer aus ihrem Gewand und beißt leicht die Zähne aufeinander. Wenn sie nicht überall zugleich sein kann, dann muss es ihr Körper sein. Sie zielt kurz auf die Finger ihrer anderen Hand und schlägt einmal rasch zu. Wie kleine Nüsse tropfen ihre Finger ins Gras und ein leichtes Schnaufen entfährt ihr. Sie beobachtet stoisch wie die abgeschnittenen Gliedmaßen umgehend wieder nachwachsen. Das wird sie noch einige Male wiederholen müssen. Mit starrer Miene ignoriert sie den schneidenden Schmerz der fortwährend in ihrer linken Hand nachebbt und hebt dann die abgetrennten Glieder auf.

Nun ist erkennbar, dass eine Art Flüssigkeit aus den Fingerkuppen heraus sickert; sie ist klar, und etwas zähflüssig. Ohne scheinbar einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, legt sie nun einen der Finger auf den Körper des Leichnams ab der am dichtestes bei ihr ist und wendet sich dann auf gleicher Weise dem nächsten zu.

Während sie fortfährt nach und nach jeden Toten mit ihren Körperteilen zu bestücken, kann man beobachten, wie sich die Flüssigkeit, bei den Körpern hinter ihr, über den ganzen Leib verteilt, als hätte sie ein Eigenleben, dann beginnen die Körper zu dampfen, und schließlich scheinen sie einer nach dem anderen in sich zusammenzuschmelzen als wären sie aus Wachs. Was letztlich übrig bleibt ist ein rötlicher Dunst der über der entsprechenden Stelle hängt wie eine unheilvolle Wolke.

Und nun kann man auch erkennen, wie sich dünne, feine Fäden aus den Wolken herausbilden und alle langsam aber beständig in Richtung der jungen Frau durch die Luft gleiten bis sie schließlich ihren Körper erreicht haben. Unablässig verschwindet nun der Energiestrom durch ihre Haut in ihrem Rücken und je länger dieser Strom anhält, um so schwerfälliger und zittriger werden ihre Bewegungen.

Es ist einfach viel zu viel. Sie kann jetzt schon spüren, dass diese gewaltigen Energiemaßen Gefahr laufen ihren Körper zu sprengen. Sie hatte stets gerade nur so viel Energie aufgenommen wie sie zum Leben brauchte, doch nun sammelt sie nicht für sich sondern für ihren Herrn und er braucht viel davon. Schon jetzt hat sie den Eindruck, dass diese Menge an Energie sie zerreißen droht und dabei hat sie noch nicht einmal die Hälfte der Inuyoukai absorbiert.

Keuchend knicken ihr die Knie ein. Nein, sie kann jetzt nicht aufgeben. Sonst war alles vergeblich und die Energien werden sich verflüchtigen und von niemandem mehr genutzt werden können. Auch wenn ihr Herr alle Energie wünscht, sie wird ein wenig davon selbst verwenden müssen um diese Prozedur zu überstehen. Verkniffen zweigt sie ein wenig davon für sich selbst ab und nun gelingt es ihr wieder auf die Füße zu kommen.

Und sie kann verstehen warum es ihren Herrn nach gerade diesen Youkai gelüstet. Die Energie ist wild und grob aber reichlich und gleich darauf fällt es ihr wieder leichter ihren Körper zusammen zu halten.

Unverdrossen arbeitet sie sich weiter über das Schlachtfeld. Die ersten Sonnenstrahlen zeichnen sich bereits am Horizont ab, doch allmählich spürt sie, dass sie die maximale Menge an Energie, die ihr aufzunehmen möglich ist, erreicht hat. Schwerfällig torkelt sie von Leiche zu Leiche um ihr schauriges Werk fortzuführen und noch immer sind reichlich davon da.

Schließlich kickt sie erneut zusammen. Ihre Gliedmaßen fühlen sich kraftlos an, ihr Körper ist ein einziger Schmerz und sie blutet aus Augen und Ohren. Nur noch ein Bisschen! Ein Bisschen mehr!

Es hilft alles nichts. Sie konzentriert sich einen Moment und lässt ihre eigenen Energien fließen. Ihre Augen leuchten für einen Moment auf und dann verzerren sich ihre Züge und werden immer animalischer, bis die Frauengestalt verschwunden ist und an ihrer Stelle ein drei Meter langer Salamander dort sitzt. Die ledrige Haut ist schneeweiß und über ihren Rücken ziehen sich versprenkelte, goldgelbe Musterungen bis hin zu ihrer Schwanzspitze.

Das große Geschöpf wirkt nun ein wenig entspannter. Nun nimmt der Energiestrom wieder zu und dieses Mal konzentriert er sich auf den hinteren Teil ihres Schwanzes, welcher nun in einen unwirklichen, rötlichen Schimmer getaucht wird. Die goldenen Symbole auf ihrem Rücken leuchten immer heller auf und mit schleppenden Schritten bewegt sich der Salamander vorwärts. So streift der mächtige Lurch weiter über das Schlachtfeld und sammelt Energie. Die Sonne schiebt sich bereits über den Horizont als endlich auch der letzte Leichnam in eine rötliche Wolke aufgegangen ist. Mit letzter Kraft wie es scheint, schleppt sich das riesige Tier dahin und als dann die letzte Spur von rötlichem Schimmer in ihrem Körper verschwunden ist, geht ein scheußliches Zittern über ihren Körper. Doch dann hebt sie sich schwerfällig jedoch nach mehreren Anläufen erfolgreich in die Luft und verlässt den Ort des Geschehens. Ihr Herr wartet und er duldet keine Verzögerung.
 

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Der neue Tag ist hereingebrochen und die Morgensonne steigt gemächlich höher. Mit leicht unsicherem Schritt setzen Inu Yashas Füße auf dem Waldboden auf. Gerade hat er zusammen mit Kagome erneut eines dieser Portale durchquert mit denen man große Entfernungen überbrücken kann ohne viel Zeit zu verlieren. Er torkelt einen Moment lang und kommt dann zum Stehen. Noch immer trägt er seine Freundin auf dem Rücken und normalerweise ist dies keine große Belastung für ihn. Doch nun muss er für einen Moment innehalten und Luft holen. Erschöpft stützt er sich für einen Augenblick auf seinen Oberschenkeln ab. Schweiß läuft ihm über das Gesicht und sein Herzschlag ist unangenehm beschleunigt.

„Alles in Ordnung mit dir?“, lässt sich Kagome besorgt vernehmen.

Er richtet sich mühsam wieder auf. „Diese Portalreisen sind einfach nichts für mich“, erwidert er mürrisch. „Man fühlt sich hinterher wie durch die Mangel gedreht.“ Doch er weiß es besser. Bestimmt schon über eine Stunde rennt er so schnell ihn seine Füße tragen mit Kagome auf dem Rücken nur um so rasch wie möglich wieder die Grenze des Westreiches zu erreichen. Er kann von Glück reden, dass Ki-sama ihm vor seiner Abreise noch mitgeteilt hat, dass es noch einen kürzeren Weg von ihrem Standpunkt aus zur Grenze gibt, sonst hätte er den ganzen anderen Weg wieder zurücklaufen müssen, was mehrere Stunden gedauert hätte, und schon jetzt spürt er wie ihn allmählich die Kraft verlässt.

Nein, die Verletzungen aus seinem letzten Kampf sind, selbst nach der kurzen Nachtruhe, lange noch nicht ausgeheilt, das spürt er genau. Noch immer hat er überall Schmerzen und in jedem Knochen der gebrochen war, fühlt er nach wie vor ein unangenehmes Ziehen. Das alles zehrt unbarmherzig an seinen Kräften und im Grunde wäre er für eine kleine Pause jetzt ganz dankbar. Doch leider kann er sich diese im Augenblick nicht gönnen. Auch wenn ihm von dem langen Dauerlauf schon ein bisschen schwindelig ist, hat er noch immer eine Aufgabe zu erfüllen.

Er hofft nur, dass Kagome nicht mitbekommt wie zerschunden er sich noch immer fühlt. Auf ihr Mitleid möchte er jetzt gerne verzichten. Wenn er sich schon gedanklich dafür wappnet in Kürze Kagemori und den anderen arroganten Schnöseln zu begegnen, kann er es jetzt nicht brauchen, dass sie ihn bedauert. Wenn er sich auch nur ein bisschen Gehör verschaffen will muss er jetzt jedes bisschen Selbstbewusstsein und Fürstenwürde, das ihm verblieben ist, zusammenkratzen und das durchziehen wozu er sich entschlossen hat.

Es hilft alles nichts. Er reckt sich noch einmal, wischt sich kurz den Schweiß aus den Augen und dann läuft er wieder los, immer dem Palast des Westens zu.
 

Zum Glück ist es nicht mehr weit. In nur knapp einer Viertel Stunde hat er das Haupttor des Palastes erreicht. Eigentlich möchte er nicht zeigen wie sehr er erschöpft ist, aber trotzdem ist er außer Atem und mit jedem Schritt werden ihm die Glieder schwerer. Die letzten Schritte bis zum Eingang kommen nur noch schleppend und zum ersten Mal werden ihm die Arme lahm während er seine Freundin trägt.

Kagome hat es natürlich bemerkt, doch sie beschließt ihren Hanyoufreund nicht darauf anzusprechen. Was soll sie ihm auch sagen? Nur Mut, das wird schon? Gemessen an den Umständen erscheint ihr das höchstens wie eine hohle Phrase. Ihr fällt aber auch keine wirklich hilfreiche Aufmunterung ein. Zumal noch immer die Begegnung mit dem Rat des Westreiches aussteht und niemand kann sagen wie sie auf die neusten Entwicklungen reagieren werden. Sie hat aber den Eindruck dass Inu Yasha im Augenblick wenig Lust hat sich über den Mund fahren zu lassen.

Er hat sich verändert seit sie in den Norden aufgebrochen sind. Irgendwie ist er ernster geworden. Und wie er sie vor Ki-sama verteidigt hat, hat sogar ihr ein wenig Angst gemacht. Hätte er wirklich den ganzen restlichen Nordclan umgebracht nur um sie zu rächen? Frauen und Kinder? Sie kann es sich eigentlich nicht vorstellen, aber seine Stimme hat so unerbittlich geklungen dabei, dass ihr doch ein wenig unbehaglich wird bei dem Gedanken. Natürlich ist die Lage ernst und der Hanyou hat einiges mitgemacht seit dem, körperlich wie mental, aber dass es einen solchen Eindruck bei ihm hinterlässt, verwundert sie doch etwas.

Schließlich stehen sie vor dem Eingangstor und ohne, dass sie etwas sagen müssen, wird es auch schon geöffnet. Erleichtert setzt Inu Yasha Kagome ab. Da kommt ihm auch schon der Vizehauptmann Dokutoge entgegen, verneigt sich respektvoll und begrüßt sie. „Willkommen zurück, mein Fürst! Eure Rückkehr wurde bereits sehnsüchtig erwartet nach dem Bericht den wir erhielten. Wie gut, dass Ihr wohlauf seid.“

„Shida ist also schon wieder da. Immerhin das hat geklappt“, murmelt Inu Yasha bei sich. Dann reckt er sich steif und atmet einmal tief durch. Ernst blickt er Dokutoge an. „Ihr seid also schon im Bilde, das ist gut. Alles Weitere werde ich in Kürze bekannt geben. Richtet dem Rat aus, dass ich ihn in einer halben Stunde zu sprechen wünsche! Und schickt mir Myoga her, und sagt ihm, er soll sich diesmal gefälligst beeilen!“ Er wirft einen kurzen Blick auf seine Freundin. „Und Kagome wird solange bei Rin und Kohaku untergebracht, sofern die beiden noch da sind.“ Ein fragender Blick geht zu Dokutoge hinüber.

„Ja, sie sind noch hier, mein Fürst“, bestätigt dieser.

„Gut!“, nickt Inu Yasha. „Dann soll sie dort untergebracht werden und jemand soll sich um ihre Verletzungen kümmern!“

„Hey, Moment mal!“, meldet Kagome sich nun zu Wort. „Entscheide das nicht einfach über meinen Kopf hinweg.“

Nun wendet er sich ihr zu. „Bei dem Sturz gestern hast du dich doch bestimmt verletzt, oder nicht?“, meint er etwas bedächtiger. „Du hast noch immer überall Schrammen und dein Handgelenk ist grün und blau. Glaub nicht, das wäre mir nicht aufgefallen.“ Leicht verschämt wendet er den Kopf weg. „Du ziehst jedes Mal die Luft ein, wenn jemand dran kommt. Das sollte wirklich verarztet werden.“

„Inu Yasha...“, sprachlos blickt Kagome ihren Freund an. Sie wollte ihn mit ihrem verstauchten Handgelenk nicht beunruhigen, doch offenbar hat er es trotz all der turbulenten Ereignisse bemerkt.

„Brauchst du denn nicht ein wenig moralische Unterstützung auf dem Rat?“, hakt sie noch einmal nach. „Soll ich nicht doch lieber mitkommen?“

Er schüttelt den Kopf. „Nein, ich muss das alleine klären.“ Er blickt wieder auf und ihr direkt in die Augen. „Und da will ich dich diesmal nicht dabei haben!“

Verblüfft schaut sie ihn an. Doch sie bringt kein Wort heraus.

Ohne eine Antwort abzuwarten wendet sich Inu Yasha von ihr ab und richtet noch einmal das Wort an Dokutoge: „Ich wünsche, dass sie erstklassig versorgt wird und nicht vergessen: In einer halben Stunde im Ratszimmer!“ Dann marschiert er erhobenen Hauptes an dem Hauptmann der Garde vorbei, durchquert das Tor und ist kurz darauf nicht mehr zu sehen.

Ein wenig überrumpelt blicken die beiden ihm hinterher. „Wer hätte gedacht, dass er sich mal so verhalten würde?“, murmelt Dokutoge bei sich.

„Warum auch nicht?“, kommt es jetzt pikiert von Kagome. Hoch aufgerichtet steht sie da und bedenkt den Youkai mit einem erhabenen Blick. „Schließlich ist er der Fürst. Wie sollte er sich denn sonst verhalten?“ Mit diesen Worten lässt sie den verdatterten Youkaikrieger stehen und spaziert ebenfalls durch das Tor. Es ist nicht nötig, dass sie jemand eskortiert. Den Weg zurück zu den fürstlichen Quartieren getraut sie sich noch alleine zu finden. Und vermutlich werden auch dort ihre Freunde sein. Das hofft sie zumindest, es gibt viel zu besprechen.
 

„Kagemori-sama!“

Der würdevolle Inuyoukai hebt den Kopf. In der Tür zu seinem Arbeitszimmer kniet ein Diener und verneigt sich ehrerbietig. „Was gibt es?“

Der junge Diener hebt den Blick. „Mit Verlaub, mein Herr, Inu Yasha-sama ist in den Palast zurückgekehrt. Er wünscht den Rat in einer halben Stunde im Sitzungszimmer zu sprechen.“

Kagemori verzieht keine Miene. „Gut, du darfst gehen!“, weist er den Diener an, welcher sich auch rasch wieder zurückzieht.

Ruhig beginnt der Truchsess seine Unterlagen auf seinem Pult zu ordnen. Der Hanyou ist also nun doch wieder zurück. Das wird wohl bedeuten, dass der besagte Youkai inzwischen vom Heer des Nordens besiegt worden ist. Wie erwartet. Natürlich bleibt die Frage, was er nun mit dem Rat besprechen möchte.

Vielleicht sieht er es als seine Pflicht an, den gesamten Rat über den Stand der Dinge zu informieren. Natürlich ist ihm das dafür gängige Prozedere nicht geläufig, dass es unnötig macht, alle Verantwortlichen persönlich zu informieren. Doch sicher kann das in Bälde nachgeholt werden. Da der Bursche nun der Fürst ist, wird er nicht drum herumkommen, sich einiges an Wissen und Verhaltensmustern anzueignen, wenn die weitere Zusammenarbeit reibungslos klappen soll. Im Kopf geht er bereits einige Namen durch, die für die Aufgabe in Frage kommen würden, den neuen Fürsten in den Pflichten seines Amtes zu unterweisen.

Kagemoris Hände ruhen für einen Moment. Doch möglicherweise geht er auch von falschen Annahmen aus. Vielleicht will der Hanyou ihnen auch mitteilen, dass dieser Fremde mit dem Norden gemeinsame Sache macht und sie nun zusammen gegen den Westen mobil machen. Es wäre fahrlässig dies nicht in Erwägung zu ziehen. In diesem Fall muss die Erziehung des Hanyous noch eine Weile warten und die neue Bedrohung hat erst mal Vorrang.

Was auch immer der Grund für die Einberufung des Rates ist, es bringt hoffentlich endlich ein wenig Licht in diese undurchsichtige Situation. Aber wenn es eine ernste Angelegenheit wäre, würde er sicher nicht unnötig eine halbe Stunde verstreichen lassen. Also wird es wohl hauptsächlich zu informativen Zwecken sein. Doch das ist nicht weiter schlimm, zumal es noch den einen oder anderen Punkt gibt weshalb der Rat ohnehin hätte tagen müssen. Dass der junge Prinz sie nun zu sich zitiert ist also nicht die schlechteste Idee.

Gemächlich bringt Kagemori seine bürokratischen Pflichten zu ende. Eine halbe Stunde ist mehr als genug Zeit dafür.
 

Erstaunlich zügig hat Kagome den Weg zurück zu ihrer Unterbringung gefunden. Die Frage ob sie ihre Freunde hier antrifft, erübrigt sich, denn man hört ihre Stimmen schon vom Eingang des Flures aus.

„Und ob ich weiß was ich tue!“, ereifert sich Rin gerade in ihrem Quartier. „Ich weiß vermutlich besser was ich hier tue als du!“

„So? Was denn?“, kommt es herausfordernd von Kohakus Stimme. Er klingt ziemlich aufgebracht. „Willst du wirklich ganz alleine hier im Schloss bleiben? Nur umgeben von einem ganzen Rudel Youkai die dich hassen und am liebsten wieder los wären?“

Man hört ein entnervtes Geräusch. „Wie oft denn noch? Ich bin die Tochter von Sesshomaru-sama und deshalb werden sie mir bestimmt kein Haar krümmen. Und ich bleibe hier, weil es der Anstand nun mal so gebietet!“

„Was für ein Anstand?“, kommt der verzweifelte Ausruf von Kohaku. „Ob du nun hier auf ihn wartest, oder bei uns im Dorf ist doch gleich. In beiden Fällen kommt er ganz sicher um nach dir zu sehen, falls er zurückkommt.“

Wenn!“, der resolute Ausruf lässt keine Wiederworte zu.

„Also schön, wenn!“, grollt Kohaku. „Trotzdem, niemand weiß wie lange das sein wird. Willst du wirklich die ganze Zeit hier im Palast hocken, umgeben von Feinden, oder ist es nicht besser du kommst erst mal zurück zu uns?“

„Und was soll ich da? Kann ich da irgendetwas ausrichten?“, kommt es trotzig zurück. „Und du? Warum hast du es so schrecklich eilig hier wegzukommen?“

„Ich bin ein Dämonenjäger!“, kommt es grimmig. „Mich können sie genau so wenig leiden. Außerdem muss ich zurück zu Sango und sie warnen. Ich halt es nicht aus hier untätig herumzusitzen und dabei zu riskieren, dass dieses... Monster über unser Dorf herfällt.“

„Dann geh doch!“, drängt Rin nachdrücklich. „Niemand hält dich auf! Kümmere du dich um deine Familie und ich kümmere mich um meine.“

Man hört Kohaku mühsam beherrscht mit den Zähnen knirschen.

Diesen Moment beschließt Kagome zu nutzen um das Zimmer zu betreten. Zwei zunächst überraschte doch dann erfreute Gesichter fliegen zur Tür hinüber.

„Kagome-sama!“, ruft Kohaku erleichtert. „Du bist wieder da! Wie gut, dass dir nichts passiert ist. Ist Inu Yasha auch wieder zurück?“

Rin springt rasch auf und läuft auf sie zu. „Kagome-san!“ freudig herzt sie die junge Frau. „Erzähl, was habt ihr erlebt!“

Nur mühsam kann sich Kagome der Zutraulichkeit erwehren. Es ist nicht ganz leicht das Mädchen mit nur einer Hand von sich zu lösen, doch schließlich sitzen sie wieder alle im Kreis. Die beiden jungen Leute, die sich gerade noch emsig gezankt haben, sitzen nun ganz einvernehmlich und brav da und hängen an ihren Lippen während sie sie nötigen ihre Reise bis ins kleinste Detail zu erzählen.

Ein wenig beklommen schildert Kagome die vergangenen Ereignisse. Von ihrer Ankunft im Norden und dem verwüsteten Schlachtfeld, von ihrem Treffen mit dem Nordclan und dem Auffinden des kümmerlichen Rest der entsandten Abordnung. Und sie berichtet so gut sie es vermag von der Begegnung mit dem furchtbaren, schwarzen Hundedämon. Sie erzählt von der Aura die alle Inuyoukai vor Furcht erzittern lässt, und wenn auch widerwillig, von Inu Yashas Flucht, doch auch davon wie er sich besonnen hat und seinem Feind heldenhaft gegenübergetreten ist und ihn schließlich mit letzter Kraft in die Flucht geschlagen hat. Auch vom Auffinden der Nordfürstin und dem kläglichen Rest ihres Heeres erzählt sie, sowie von dem Rat der darauf folgte.

Als sie geendet hat, schauen die beide sie betreten aber auch überwältigt an. Rin ist blass geworden und Kohakus Mund ist ein dünner Strich. Hart ballt er die Hand zur Faust.

„Es ist noch schlimmer als ich zunächst vermutet hatte. Ich wusste immer er ist mächtig, aber nicht wie sehr.“

Kagome seufzt. „Ja, das ging uns wohl allen so. Aber immerhin wissen wir, dass wir wenigstens eine kleine Chance haben, solange Inu Yasha die Meido beherrscht.“

„Und wir haben die Prophezeiung!“, verkündet Rin selbstbewusst. „Ihretwegen ist Sesshomaru-sama in die Unterwelt gegangen, und er kommt bestimmt wieder, und ganz sicher nicht mit leeren Händen.“

„Dein Vertrauen in ihn in allen Ehren“, meint Kagome, „aber gerade im Moment ist er leider nicht hier und deshalb hat er Inu Yasha die Verantwortung überlassen. Und das heißt, dass wir uns jetzt mit dieser Sache befassen müssen. Und was wir tun können, ist erst mal Kamukiku nach dem Rest der Erzählung zu fragen, damit wir endlich erfahren wer dieser Kerl überhaupt ist.“

Gerade öffnet sich die Tür zum Quartier und der Heiler Yasugi kniet davor. „Mir wurde aufgetragen mich um die Verletzungen der Begleiterin von Inu Yasha-sama zu kümmern“, gibt er höflich an.

„Mein Name ist Kagome“, entgegnet Kagome ernsthaft. Warum nur die Youkai immer so viele Probleme haben sie beim Namen zu nennen?

Rasch erhebt der Arzt sich und kommt zu ihr herüber. Es bedarf keiner weiteren Aufforderung. Ohne weitere Umschweife nimmt er ihre Verletzungen in Augenschein. Er legt einen fachkundigen Verband um ihr verstauchtes Handgelenk und versorgt ihre Schürfwunden mit einer lindernden Salbe.

Wortlos lässt Kagome es geschehen. Doch schließlich richtet sie doch das Wort an ihn. „Ich habe schon bei Eurer Behandlung von Kohaku gesehen, dass Ihr viel herkömmliche Medizin verwendet. Verbände, Kräutersalben und so. So etwas Ähnliches lerne ich gerade von der Miko bei uns im Dorf. Es ist wirklich interessant, dass doch so viele Gemeinsamkeiten bestehen.“

Der Youkai blickt nun ein wenig unbehaglich drein, doch ehe er dazu kommt etwas dazu zu sagen, meldet sich Kohaku zu Wort. „Mit dem Unterschied, dass dämonische Arznei wesentlich schneller wirkt.“

Kagome nickt zustimmend. „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Aber was ich eigentlich fragen wollte, gibt es noch eine andere Art des Heilens? Wir trafen gestern nämlich eine Heilerin des Nordclans. Sie scheint hauptsächlich durch eine Art Magie zu heilen. Jedenfalls legt sie den Verletzten nur die Hände auf und es geht ihnen hinterher besser. Könnt Ihr so etwas auch?“

Nun richtet sich Yasugi langsam im Sitzen auf. Er scheint nach den richtigen Worten zu suchen.

„Was Ihr da beschreibt, ist offenbar eine Art Magie um Energie zu übertragen. Sehr effektiv, aber auch sehr gefährlich für den Benutzer. Wenn ein Youkai keine exzellente Kontrolle über seine eigene Energie hat, funktioniert es höchstwahrscheinlich gar nicht und kann im schlimmsten Fall nicht nur gefährlich für den Anwender sondern auch für den Patienten sein. Aus diesem Grund verwenden wir in unserem Clan diese Technik nur sehr selten und nur im allergrößten Notfall. Als Leibarzt der Fürstenfamilie, steht es außer Frage, dass das Wohlergehen und die Gesundheit des Fürsten für mich oberste Priorität hat und keinen Raum für Eventualitäten einräumt.“

Kagome nickt zustimmend. „Das verstehe ich. Und ich bin wirklich froh das zu hören. Wenn Inu Yasha von seinem Rat zurückkommt, solltet Ihr ihn vielleicht auch einmal untersuchen. Er hat zwar nichts gesagt, doch ich bin mir sicher, dass er noch immer verletzt ist nach dem letzten Kampf. Ki-sama hat ihn zwar einigermaßen wieder hingekriegt mit ihrer Technik, aber ich bin sicher er hat noch immer starke Schmerzen.“

Abschätzend mustert der Heiler sie. „Diese Ki-sama vom Nordclan, hat Inu Yasha-sama mit ihrer Magie geheilt?“ Ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln und eine leicht gehobene Augenbraue zieren nun sein Gesicht. „Interessant.“ Dann wendet er sich wieder seiner Arbeit zu.

Niemand in diesem Zimmer kommt auch nur auf den Gedanken, dass gerade in diesem Moment der Vizehauptmann Dokutoge am Haupttor des Palastes mit einem neuen Problem konfrontiert wird. Ein unerwarteter Neuankömmling begehrt Einlass und Dokutoge ist sich bewusst, dass ihm nur Sekunden bleiben um zu entscheiden ob er den Betreffenden passieren lässt.

Der ungewöhnliche Besucher scheint von seinen Bedenken keinerlei Notiz zu nehmen und trottet, ohne langsamer zu werden, weiter auf das Eingangstor zu. Für einen kurzen Moment ringt Dokutoge noch mit sich, doch dann gibt er rasch Befehl den Weg freizugeben. Ohne weitere Behinderung passiert der Neuankömmling den Eingang, bleibt kurz sinnend stehen, hebt dann den Kopf und schlägt dann ohne weitere Umschweife den Weg zu den Fürstenquartieren ein. Dass dabei sämtliche Bediensteten die ihm begegnen eilig aus dem Weg hechten, ignoriert er völlig. Mit wenigen Sätzen hat er die Treppe zum Eingang der Fürstenwohnung überwunden und tritt nun durch den Vordereingang, der keine Probleme hat die ungewöhnlich massige Gestalt passieren zu lassen.

Noch einmal hebt sie die Nase und stapft dann leichtfüßig zu dem hinteren Zimmer in dem Kagome gerade von Yasugi zu ende versorgt wird. Verwundert wenden Kagome und die Anderen sich der Tür zu, denn dahinter sind Schritte und leichte Erschütterungen zu vernehmen.

Und plötzlich stößt ein gewaltiger Kopf durch die dünne Papierwand und lässt die Anwesenden kurz erschrocken zusammenfahren und aufkreischen. Doch nicht für lange. Ein paar Schrecksekunden später hellt sich Rins Gesicht auf. „Kamukiku-sama!“, strahlt sie.

Die Lefzen der alten, weißen Youkaifrau in ihrer riesigen Hundegestalt heben sich amüsiert und eine tiefe Altstimme brummt: „Da ist ja meine kleine Urenkelin!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yvibel
2021-07-27T15:14:14+00:00 27.07.2021 17:14
So heute mal wieder ein Stückchen weiter. Interessante Art, diese ganze Energie zu sammeln. Hab mich schon gefragt, wie sie das machen will. Brr....da schüttelts einen ja bei der Vorstellung. Und der Gefräßige bekommt noch mehr Futter. Das kann ja noch was werden. So und Inuyasha ist nun wieder daheim. Na hoffentlich haut er da mal ordentlich auf den Tisch! *g*
Thihi....und Rin und Kohaku sind ja goldig...zu allem Ernst tragen die beiden dann wieder etwas Erheiterung bei. Und Kohaku kann anscheinend sagen was er will, gegen Rin´s Dickkopf kommt er nicht an. :)
Bin wie immer neugierig, was noch so kommt. Bis zum nächsten Kapitel.

Grüßle Yvi
Von:  Hotepneith
2021-03-06T17:17:34+00:00 06.03.2021 18:17
Nette kleine Überraschungen bietest du da an.
 
Und ja, Inu Yasha wird reifer, wächst an seinen Aufgaben udn ich kann mir vorstellen, was du meintest, dass die Halbbrüder sich am Ende entwickelt haben. Pass nru auf, dass es nciht zu weit geht, die Charaktere sich verändern, aber noch erkennbar sind.
Im Schloss des Westens dürfte sowieso bald einiges los sein, wenn der Rat tagt ,Kamuikiku aufkreuzt - und Sesshoumaru vermutlich im  nächsten Kapitel hrt, was da einst lso war. Ein paar Informationen für alle gefällig? Notwendig wären sie.
Die salamanderin auf dem Schlatfeld hast du übrigens so richtig schön beschreiben, gruselig und doch Verständnis weckend.
 
 
hotep
Antwort von:  Weissquell
06.03.2021 23:04
Hi du! Nicht wundern, ich hab die Reihenfolge ein wenig geändert, weil es so im Gesamtbild besser passt. Die nächsten Kapitel laufen aber normal weiter.


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