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Das Bluterbe der Youkaifürsten

Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten"
von

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Am Ende der Verzweiflung...

Wie lange er einfach immer weiter gelaufen ist, kann Sesshomaru nicht sagen. In seinem Kopf herrscht momentan eine wattige Leere vor, die es ihm gnädig ermöglicht seine Schmerzen auszublenden und sich nicht mit dem Grund seiner Reise zu befassen. Er hat nicht einmal wirklich registriert, dass er den Canyon hinter sich gelassen hat und nun die schmutzig roten Felsen der Berge dahinter erreicht hat. Schritt für Schritt schleppt er sich durch die Felsenlandschaft und innerlich ist er froh darüber bisher keiner weiteren Heimsuchung begegnet zu sein.

Erst als er an einen Scheideweg kommt, hält er an. Sein Weg spaltet sich auf in einen lichten Tunnelweg und einen sandigen Pfad der scheinbar in eine Art Talkessel führt. Der Daiyoukai zögert. Wohin soll er sich wenden? Auf der einen Seite sind ihm Schluchten und Tunnel inzwischen gründlich verleidet worden, jedoch der Talkessel sieht eher wie eine Sackgasse aus. Doch mit Sicherheit kann man das auch nicht sagen.

Ein paar mal geht sein Blick abschätzend hin und her. Schließlich entscheidet er sich für den Hohlweg. Wie er feststellt, ist dieser oben nicht gänzlich geschlossen, sondern diffuses rötliches Licht dringt von oben herein und vermittelt einmal mehr den Eindruck von staubiger Leere in dieser Gegend. Doch schon nach ein paar Kurven führt der Weg wieder ins Freie und schlängelt sich durch eine Landschaft aus Felsen die wie gigantische rostrote Termitenhügel anmuten.

Zu hören ist allenfalls das gelegentliche Pfeifen eines schwachen Windes der sich zwischen den Felstürmen hindurch windet. Sesshomaru hebt den Kopf. Jede Brise ist ihm willkommen. Sie vertreibt zumindest ein wenig den permanenten Zustand der Leblosigkeit der hier überall vorherrscht und möglicherweise bringt er sogar ein paar Erkenntnisse darüber mit wo er das Ziel seiner Reise finden kann. Doch schließlich muss er sich eingestehen, dass der einzige Geruch den der Wind mit sich bringt, der Geruch von Staub ist. Wie sollte es auch anders sein, wenn es hier unten nichts weiter als nur Seelen ohne Körper gibt?

Während er weiterwandert blickt er sich nun aufmerksamer um. Nach Doros Schilderung soll er hier die Höllenhunde finden, seine Verwandtschaft wenn man es genau betrachtet. Hoffentlich trifft er bald auf sie, damit seine Suche endlich ein Ende hat. Hat er erst mal einen von ihnen gefunden, wird es hoffentlich nicht allzu schwer werden seinen Sohn aufzuspüren.

Sesshomaru beißt die Zähne zusammen. Entschlossen humpelt er weiter, auch wenn er jetzt bemüht ist, es sich nicht mehr allzu sehr anmerken zu lassen. Schließlich will er seinen Verwandten mit dem bisschen verbliebener Würde gegenübertreten, das er noch besitzt.

Doch er hat kaum weitere hundert Schritt zurückgelegt, als ihn urplötzlich ein unbehagliches Kribbeln den Nacken herunter rieselt, dass ihm die Haare aufstellen lässt. Auch wenn er weder etwas sieht, hört oder riecht, so weiß er doch mit zuverlässiger Sicherheit, dass er beobachtet wird. Und dies sind keine freundlichen Augen. Schwerfällig atmet er durch, warum sollte es auch keine weiteren Schwierigkeiten geben?

„Ja, da soll mich doch gleich der Schlag treffe!“, ertönt es dann auch kurz darauf hinter ihm. „Dich hätte ich jetzt wirklich nicht hier erwartet, Sesshomaru.“

Eine schaurige Gänsehaut kriecht über Sesshomarus Rücken als er die verhasste Stimme erkennt. Er ballt zähneknirschend die Fäuste. Warum bei allen möglichen Begegnungen ausgerechnet Er? Langsam dreht er sich zu der Stimme um.

Ihr Verursacher steht ein Stück entfernt auf einer kleinen Felsenzeile neben dem Weg und blickt geringschätzig auf ihn herab. Er trägt einen roten Hakama und darüber einen silberweißen Haori mit blutroten Ornamenten. Die langen weiße Haare sind am Hinterkopf zu einem Samuraizopf hochgebunden und fallen weich über den Rücken herab.

Nun blickt Sesshomaru finster zu der Gestalt hoch und in seiner Stimme liegt so viel Zynismus wie er aufbringen kann. „Hallo, Arashitsume.“

Ein stechendes Paar violett funkelnder Augen starrt auf ihn herab. Der ehemalige Fürst des Ostclans der Inuyoukai legt leicht den Kopf schief und ein boshaftes Lächeln spielt um seine Lippen. „Du siehst so... unpässlich aus. Könnte es sein, dass du mitsamt deines lebenden Körpers hier bist?“, kommt die süffisante Frage.

„Scharfsinnig wie immer“, gibt Sesshomaru sarkastisch zurück. Innerlich kocht bereits wieder die Wut über den verhassten Daiyoukai vor ihm hoch.

„Na, so was!“, meint Arashitsume amüsiert. „Das bedeutet wohl, du bist noch gar nicht tot, hmm?“

„Und da bist du ganz alleine drauf gekommen?“, bemerkt Sesshomaru trocken. Schon jetzt widert ihn das Gespräch mit diesem elenden Verräter erneut an.

Doch der ehemalige Ostfürst überhört den Sarkasmus geflissentlich. „Bedauerlicherweise muss ich dich darauf hinweisen, dass die Hölle nur für Tote vorgesehen ist“, tadelt er. „Man könnte also sagen, dass du dich hier widerrechtlich aufhältst.“ Nun ertönt ein unschönes Knacken von seinem Handgelenk, als er seine scharfen Klauen ausfährt. „Aber ich bin gern bereit dir diesbezüglich aus der Klemme zu helfen.“ Bedrohlich macht er sich zum Sprung bereit.

Ohne Umschweife ergreift Sesshomaru Bakusaigas Griff und zieht sein Schwert. „Seit wann scherst du dich denn um Recht und Ordnung?“, entgegnet er mit Grabeskälte

Nur einen Wimpernschlag später stürzt sich der Ostyoukai mit einem wilden Schrei und gezückten Klauen auf den Youkai des Westclans herab, der sogleich den herabgehenden Schlag mit seiner Klinge pariert. Hart treffen die beiden Kontrahenten aufeinander und offenbar lässt sich der Daiyoukai des Ostens nicht davon abschrecken, dass er unbewaffnet einem Schwert gegenüber steht.

Eine rasche Folge an Schlägen und Hieben erfolgt und nach einem kurzen Kräfteringen, springt der Ostyoukai ein Stück zurück. Mit kindlichem Interesse beobachtet er seine Hände und Unterarme die vielfach von der Klinge seines Gegners aufgeschlitzt worden sind. Doch bereits jetzt schon fügen sich die Schnitte wieder zusammen, ohne die leiseste Spur zu hinterlassen. Ein breites, unnatürliches Lächeln zieht auf sein Gesicht. „Oh, was für eine köstliche Überraschung!“, meint er vergnügt. „So wie es aussieht, kannst du mich mit diesem Schwert gar nicht wirklich verletzen. Es tut noch nicht einmal weh.“

Sesshomarus starrer Blick entgeht ihm nicht. „Offenbar bin ich hier klar im Vorteil, meinst du nicht?“ Sein Grinsen wird breiter.

Der Westyoukai packt sein Schwert mit beiden Händen fester. Er hat es bereits befürchtet. Warum nur musste Tenseiga versiegelt werden? Selten hat er das Erbstück seines Vaters nötiger gebraucht als gerade jetzt.

Der ehemalige Ostfürst geht gemächlich ein paar Schritte auf und ab, wobei Sesshomaru ihn keinen Moment aus den Augen lässt. „Weißt du eigentlich, dass unser Zusammentreffen hier wahrlich ein glücklicher Zufall ist?“, sinniert Arashitsume vor sich hin. „Unsere letzte Begegnung stand ja unter keinem guten Stern. Wenn du wüsstest wie oft ich mir schon gewünscht habe, wir könnten unsere kleine Meinungsverschiedenheit von damals bereinigen.“

Sesshomaru schnaubt verächtlich auf, sein Schwert noch immer zum Kampf gehoben. „Du hast noch immer diesen widerlichen Hang zur Untertreibung“, grollt er finster. „Du hast meine Familie getötet, wolltest mich ermorden lassen, einen Krieg vom Zaun brechen und die Macht über das ganze Land an dich reißen und dafür hab ich dich letztlich einen Kopf kürzer gemacht.“

Nun wird Arashitsumes Blick gefährlich und seine Reißzähne schieben sich grimmig hervor. „Deshalb sagte ich ja, dass ich das bereinigt wissen will. Wie reizend von dir, dass du mir die Gelegenheit ermöglichst dich diesmal wahrhaftig ins Jenseits zu befördern!“ Mit diesen Worten stößt er sich vom Fleck weg ab und schnellt mit erhobenen Klauen auf den Westfürsten los. Seine Augen funkeln erbost.

Doch Sesshomaru reagiert und wehrt den Angriff erneut mit seinem Schwert ab. Auch wenn er seinen Gegner damit nicht verletzen kann, so hält er ihn dennoch auf Abstand. Doch der ehemalige Ostfürst ist schnell, erschreckend schnell. Schließlich ist er nicht durch übermäßiges Körpergewicht in seiner Beweglichkeit eingeschränkt. Sesshomaru reagiert so schnell wie es ihm möglich ist, doch er spürt deutlich wie sehr die bisherige Reise ihm seine Kraftreserven dezimiert hat.

Zwei wuchtige Schläge wehrt er mit der Schwertschneide ab, beim dritten strauchelt er einen Moment und verfehlt den Schlag, woraufhin sich Arashitsume unter der Klinge hindurch duckt, sie mit der flachen Hand zur Seite schlägt und dann alle fünf Klauen seiner rechten Hand in Sesshomarus linke Schulter rammt.

Der Westyoukai keucht schmerzhaft auf und mit weit aufgerissenen Augen starrt er Arashitsume ins Gesicht, der sich jetzt hoch vor ihm aufgebaut hat und mit kühler geringschätziger Miene auf ihn herabblickt.

„Du hättest nicht herkommen sollen, Sesshomaru“, sagt der Daiyoukai berechnend. „Es gibt hier nicht die geringste Chance für dich, irgendetwas gegen mich ausrichten zu können. Und ich bin nicht dafür bekannt einen Vorteil zu verschenken, wenn er sich mir so bereitwillig anbietet.“

„Ich bin nicht deinetwegen gekommen!“, faucht Sesshomaru grimmig, während er versucht zu ignorieren, dass sein Gegenüber ihm die Klauen in der Wunde herumdreht.

Mit einem Ruck stößt Arashitsume den Westfürsten von sich. Seine Klauen sind blutverschmiert, doch es stört ihn nicht. Sesshomaru taumelt kurz zurück aber kann sich gerade noch auf den Beinen halten. Er beißt die Kiefer aufeinander und versucht den neuen Wunden keine Beachtung zu schenken.

„Das hatte ich auch nicht angenommen“, meint Arashitsume während er wie beiläufig seine blutigen Finger betrachtet. „Aber da du es schon mal ansprichst, würde es mich doch sehr interessieren, weshalb du diese beschwerliche und offensichtlich entbehrungsreiche Reise angetreten hast.“

„Das geht dich nicht das Geringste an!“, zischt Sesshomaru giftig zurück.

Nun hebt Arashitsume wieder den Kopf. „Na, so viele mögliche Gründe wird es wohl nicht geben“, erwidert er zynisch. „Du warst schon immer erschreckend durchschaubar, Sesshomaru. Und da ich nicht annehme, dass es dich durch puren Zufall gerade hierher verschlagen hat, kann es nur bedeuten, dass dein Anliegen einen Inuyoukai betrifft. Lass mich raten!“

„Erspare es mir!“, funkelt Sesshomaru bissig.

Doch der Daiyoukai tut als hätte er nichts gehört. „Vielleicht ein Plausch mit einem deiner Vorfahren, deinem Vater womöglich?“

„Das hat dich nicht zu interessieren!“, erwidert Sesshomaru erneut. Ärgerlich packt er sein Schwert fester.

„Ach nein“, redet Arashitsume weiter ohne ihn zu beachten. „Für ein simples Gespräch würdest du diese Strapazen nicht auf dich nehmen. Du bist doch um ein vielfaches dreister. Mit Worten gibst du dich nicht zufrieden.“ Nun hellt seine Miene sich auf. „Ja, sicher! Ein Sesshomaru würde doch ohne Weiteres die Frechheit besitzen, jemanden von den Toten zurückholen zu wollen. Das wird es sein!“

Wütend wendet Sesshomaru ihm den Rücken zu. „Ich muss mir diesen Unsinn nicht anhören.“ Steif setzt er sich wieder in Bewegung.

„Wie es aussieht habe ich Recht“, man kann Arashitsume grinsen hören. „Wer könnte wohl der Glückliche sein? Wer könnte dir wohl so viel bedeuten, dass du bis hier herunter kommst dafür?“

„Warum sollten persönliche Gefühle dabei eine Rolle spielen“, entgegnet Sesshomaru mit Grabeskälte. „Als ob es nicht Wichtigeres gäbe.“

„Vielleicht Hanaki?“, kommt die genüssliche Mutmaßung hinter seinem Rücken.

Sesshomaru bleibt stehen. Sein Nacken verspannt sich. Dann dreht er sich wieder langsam zu Arashitsume um. Mit funkelnden Augen blickt er den ehemaligen Ostfürsten an. „Nein, nicht Hanaki! Und jetzt scher dich weg, bevor ich noch einmal kurzen Prozess mit dir mache!“

Nun kommt Arashitsume langsam aber mit äußerst geringschätzigem Blick auf ihn zu. „Oh bitte!“, schnaubt er verächtlich. „Wir wissen doch beide, dass du dazu gar nicht mehr in der Lage bist. So wie du gerade aussiehst, brauche ich dich doch bloß mit dem Finger anzustoßen und du brichst zusammen.“ Er seufzt theatralisch. „Und das alles nur wegen meiner Schwester. Wie jämmerlich!“

„Ich sagte doch schon, es ist nicht wegen Hanaki!“, stößt Sesshomaru aufgebracht hervor. Ärgerlich hält er sein Schwert umklammert dabei, doch er spürt wie die Waffe in seiner Hand immer schwerer wird und seine Knie langsam anfangen zu zittern durch die Anstrengung schon alleine aufrecht stehen zu bleiben.

Nun bleibt Arashitsume nur wenige Schritte vor ihm stehen. Er scheint kurz zu überlegen. Dann hellt sich urplötzlich seine Miene auf. „Nicht Hanaki, wie?“, kommt es nun spöttisch von ihm. „Ich frage mich...“ Nun verzieht er sarkastisch das Gesicht. „Oh bitte, Sesshomaru, sag mir nicht du bist wegen Tenmaru hier.“

Die Augen des Westfürsten meiden seinen Blick nur für einen Wimpernschlag, doch Arashitsume ist das nicht entgangen. Mit einem triumphalen Lachen schlägt er sich kurz auf den Oberschenkel. „Ich glaub es ja nicht!“, ruft er missgünstig aus. „Du bist wirklich und wahrhaftig wegen Tenmaru hier!“ Und dann bricht ein schallendes Lachen aus ihm heraus.

Mit tödlichem Blick fixiert Sesshomaru seinen Gegenüber der sich offenbar gerade vortrefflich amüsiert zu seinen Missgunsten.

„Ist das wirklich so schwer vorstellbar für dich?“, fragt er mit so viel Verachtung wie er aufbringen kann.

Der Daiyoukai wischt sich theatralisch die Lachtränen aus den Augen. „Oh, Verzeihung!“, lächelt er spöttisch. „Das ist sehr unhöflich von mir. Aber die Vorstellung, was du wohl alles erdulden musstest um so völlig derangiert vor mir zu stehen, und ich wünschte du könntest sehen, wie du im Augenblick aussiehst“, fügt er verächtlich hinzu, „und das alles nur um Tenmaru aus der Hölle zurückzuholen. Das ist wirklich zum Lachen!“ Eine neue Lachsalve bricht aus ihm heraus.

Sesshomaru spürt wie ihm das Blut ins Gesicht steigt bei dem offen demütigenden Spott des ehemaligen Ostfürsten. Hart mahlen seine Kiefer gegeneinander und der Blick den er dem Daiyoukai zuwirft ist tödlich.

„Ich frage nochmal“, bringt er mühsam beherrscht hervor, „Warum ist das so abwegig für dich? Ich dachte gerade du solltest doch inzwischen begriffen haben, wie weit ich bereit bin dafür zu gehen, oder?“

Nun verstummt Arashitsumes Lachen und dann macht er drei Schritte auf Sesshomaru zu und baut sich hoch vor ihm auf. „Der Punkt ist, mein Lieber“, und das Wort trieft nur so vor Verachtung, „dass das alles, deine ganze Odyssee hierher, vollkommen vergebens war.“

Nun entgleisen Sesshomaru für einen kurzen Moment die Gesichtszüge. Dann fängt er sich wieder. „Was soll das heißen?“, bringt er scharf hervor.

„Das soll heißen“, kommt es mit einem fiesen Lächeln zurück, „dass Tenmaru sich überhaupt nicht in der Hölle befindet. Er war niemals hier. Und du hast dich völlig unnötig zugrunde gerichtet. Ist das nicht wirklich lachhaft?“

Sesshomaru merkt wie ihm bei diesen Worten alle Farbe aus dem Gesicht weicht. Innerlich hört er sich die Worte wiederholen, doch er weigert sich sie anzuerkennen.

„Unsinn!“, stößt er ungläubig hervor. „Du lügst, wie gewöhnlich. Aber dieses Mal falle ich nicht auf dich herein. Deine Lügen haben mein Leben schon einmal ruiniert, glaub nicht, dass ich das noch einmal zulasse!“

Nun hebt Arashitsume vergnüglich die Augenbrauen. „Tatsächlich? Mir war ja gar nicht klar, dass deine Naivität damals einen solchen Schaden angerichtet hatte. Da hab ich es ja gleich noch mal so gern gemacht. Aber warum sollte ich denn lügen? Ich könnte dich die Wahrheit auch allein herausfinden lassen. Du würdest ihn vergeblich hier suchen, bis du nur noch in Fetzen hängst, aber dann hätte ich keine Gelegenheit das ganze Ausmaß der Verzweiflung in deinen Augen zu bewundern, wenn du erkennst, dass all dein Leid und deine Zähigkeit völlig umsonst gewesen sind.“

Sesshomaru spürt wie ein unangenehmes Schwindelgefühl ihn zu übermannen versucht. Seine Gliedmaßen werden taub und er merkt wie jetzt auch seine Hände unkontrolliert zu zittern anfangen. Ein seltsames Rauschen erfüllt seinen Kopf und die Spitze seines Schwertes senkt sich Richtung Boden.

„Warum sollte ich deinen Worten auch nur einen Moment lang Glauben schenken?“, hört er sich schwach fragen.

Ein genüssliches Lächeln legt sich um Arashitsumes Lippen. „Aber das tust du doch schon bereits, Sesshomaru.“

„Das ergibt keinen Sinn! Tote Youkai kommen in die Hölle. Das ist ihr endgültiger Bestimmungsort. Tenmaru muss hier sein!“ Seine Stimme ist nur noch ein Flüstern während er sich noch immer verzweifelt an die Logik klammert die ihm immer so vertraut war.

Nun stemmt Arashitsume den Arm in die Seite. „Wenn du nur für einen Moment nachdenkst, wirst du selbst dahinterkommen“, entgegnet er herablassend. „Tenmaru wurde nicht getötet, er wurde geläutert! Geläuterte Seelen kommen nicht in die Hölle. Sie warten ihre Zeit ab um wiedergeboren zu werden. Ich bin sicher, auch du weißt das sehr genau.“

Nun erstarrt Sesshomaru unwillkürlich und ein entsetztes Keuchen entfährt ihm. Er hat recht! Wie hatte ihm das nur entfallen können? Wie konnte er nur so unglaublich töricht sein und diesen Umstand nicht bedenken? Und warum musste es ausgerechnet wieder Arashitsume sein, der ihn darauf hinweist? Der Schock darüber sitzt so tief, dass er nicht in der Lage ist auch noch einen Finger zu rühren. Erst ein harter Schlag mitten ins Gesicht, der ihm die Nase bricht und ihn sein eigenes Blut schlucken lässt, bringt ihn wieder zur Besinnung. Unkoordiniert taumelt er ein Stück zurück und hält sich das Gesicht. Einen kurzen Augenblick später spürt er einen harten Tritt gegen sein Knie der ihm äußerst schmerzhaft die Kniescheibe zertrümmert und ihn unsanft zu Boden zwingt. Unwillkürlich schnappt er nach Luft. Doch schon im nächsten Moment spürt er einen heftigen Schlag an der Brust und als er wie in Trance hinabblickt, sieht er erneut die Hand seines Gegners die ihre Klauen in sein Fleisch geschlagen hat.

In trägem Reflex packen seine Hände die fremde Klaue um sie herauszureißen, doch dem schwachen Griff seiner Finger entzieht sie sich schneller als er realisieren kann. Ihm kommt es vor als hätte mit der jüngsten Erkenntnis auch noch das letzte bisschen Kraft seinen Körper verlassen. Der Kampfeswille der ihn bis hierher geprügelt hat, ist wie eine Seifenblase zerplatzt und sein geschundener Körper trägt nun seinem wahren Zustand Rechnung.

Es war alles vergeblich! Tenmaru ist gar nicht hier! Wozu also noch weiterkämpfen? Welchen Sinn hat das Durchhalten nun noch? Er kann sich nicht mehr daran erinnern. Es ist ihm gleich.

Auf einmal spürt er einen kräftigen Arm der sich unerbittlich von hinten um seinen Hals legt und ihm gnadenlos die Luft abdrosselt. Direkt neben seinem Ohr hört er nun die verhasste Stimme: „Hat dir diese Erkenntnis so sehr zugesetzt, dass dich einmal mehr jeglicher Lebenswille verlassen hat? Heute muss wirklich mein Glückstag sein.“ Nun wird die Stimme hart. „Ich sagte es dir doch vorhin bereits, dass ich keinen Vorteil verschenke der sich mir so offen bietet. Dabei fällt mir ein, ich schulde dir ja noch was!“

Nun spürt Sesshomaru wie sich zwei kräftige Hände um sein Kinn legen und nur Augenblicke später fühlt er die Kraftanstrengung die unbarmherzig darum bemüht ist, ihm den Kopf von den Schultern zu drehen. Er bemerkt wie ihm der Puls in die Höhe schießt und wie seine Hände ganz automatisch hinauf greifen um seinem unabwendbaren Schicksal Einhalt zu gebieten, doch der Kraft, die auf sein Genick wirkt, hat er kaum etwas entgegenzusetzen. Schon merkt er wie der zunehmende Sauerstoffmangel seine Sicht schummrig macht und seine Arme in leblose Gliedmaßen verwandelt die einfach an ihm herabfallen. Der Schmerz im Nacken wird immer unerträglicher und er ist kurz davor sein Bewusstsein und damit dann auch sein Leben zu verlieren. Das war es also. Er hat versagt auf ganzer Linie und niemand wird jemals erfahren wie vollständig seine Niederlage ist. Zumindest das ist ein Trost.

Jeden Augenblick rechnet er mit einem trockenen Knacken und einem widerlichen Reißen, dem vermutlich letzten Geräusch seines Lebens, doch es bleibt aus. Stattdessen geht auf einmal ein heftiger Ruck durch seinen Körper und er stürzt zu Boden. Zu seiner Überraschung ebbt der Schmerz in seinem Nacken nun ab und er kann wieder atmen. Schwer nach Luft ringend liegt er da und begreift nicht, was gerade passiert ist. Er will den Kopf heben und nachsehen, doch er bringt es nicht fertig. Kraftlos liegt er da und ist kaum noch in der Lage die Augen zu öffnen. Verschwommene Geräusche dringen an sein Ohr und fast glaubt er Rufe und Schmerzensschreie zu hören, doch sein Bewusstseinszustand lässt kaum eine genauere Analyse zu.

Dann ist plötzlich Stille. Kein Laut ist mehr zu vernehmen und noch immer ist er nicht in der Lage nach dem Rechten zu sehen. Sein Atem geht schwer und rasselnd und sein Herz pocht nur noch schleppend von einem Schlag zum nächsten. Es ist fraglich ob sein Körper es diesmal schafft dem Tod noch einmal zu entrinnen. Vielleicht stirbt er diesmal wirklich und Sesshomaru stellt fest, dass ihm das inzwischen recht attraktiv erscheint. Nie wieder anstrengen, nie wieder Schmerzen, nie wieder Leid! Nie mehr... nie mehr...

Doch dann sind da plötzlich Hände auf ihm. Hände die seinen Oberkörper packen und in die Höhe richten. Da sind Hände die ihn leicht aber entschlossen rütteln und Finger die über sein Gesicht streichen. Und da ist eine Stimme. Eine Stimme die besorgt seinen Namen ruft.

„Sesshomaru! Sesshomaru, mach die Augen auf!“

Eine bekannte Stimme. Eine Stimme die immer mehr zu schwanken beginnt je eindringlicher sie auf ihn einredet.

„Sesshomaru! Kannst du mich hören? Komm zu dir, hörst du? Sesshomaru? Sesshomaru, bitte!“

Unter größer Anstrengung gelingt es ihm die Augen zu öffnen. Über ihm hängt ein Gesicht. Ein Gesicht das bleich auf ihn herabblickt und das mit deutlichen Sorgenfalten überzogen ist. Er braucht ein paar Augenblicke bis ihm klar wird woher er dieses Gesicht kennt, doch dann entgleisen ihm die Gesichtszüge und ein unkontrolliertes Zittern bemächtigt sich seiner Gliedmaßen.

Sie ist es! Niemals wird er dieses Gesicht vergessen. Der blasse Teint, die schwarz glänzenden, langen Haare, die hohen Wangenknochen und die purpur-funkelnden Augen in denen jetzt ernste Besorgnis liegt. Wie könnte er sie je vergessen? Und im selben Augenblick stürzen all seine Gefühle die in ihm toben auf ihn ein und schnüren ihm die Luft ab. Sie ist es! Sie ist hier! Hier bei ihm! Nach all der langen Zeit! Sie ist ihm so nah, dass er sie berühren kann! Wie sehr hat er sich danach gesehnt?

Es ist ihm nicht möglich den Blick von ihr zu wenden, und je länger er sie ansieht um so verlorener kommt er sich vor. So klein und schwach und verzweifelt und einsam. Mühsam hebt er eine Hand und wie in Zeitlupe berühren seine Fingerspitzen ihre Wange. Ein erleichtertes Lächeln huscht kurz über ihr Gesicht. Sesshomaru schluckt schwer. Dann urplötzlich streckt er die Arme aus, schlingt sie um ihren Oberkörper und presst sein Gesicht an ihre Schulter. Sein ganzer Körper zittert unkontrolliert.

„Hanaki...!“, kommt es erstickt aus dem Stoff ihrer Kleidung und dann schüttelt ein hilfloses Schluchzen sein Körper, während er sich krampfhaft an sie presst und nicht gewillt scheint, sie je wieder loszulassen.

Völlig überrumpelt lässt die Youkai den Gefühlsausbruch des Verletzen über sich ergehen. Kein Wort fällt, doch ihr Blick geht starr geradeaus und ihre Lippen beben verdächtig. Sanft hat sie ihre Arme um seine Schultern gelegt und ohne, dass sie sich dessen bewusst ist, streichen ihre Finger behutsam über seinen Nacken.

Schwer lehnt Sesshomaru an ihr. Heiße Tränen durchtränken ihr Gewand, doch er hat sich einfach nicht unter Kontrolle. Grenzenlose Erleichterung hat sich seiner bemächtigt. Wie sehr hat er diesen Augenblick gefürchtet. Wie viel Unsicherheit war mit dieser Begegnung verbunden und nun stellt er fest, dass seine Sorge völlig unbegründet war, denn er riecht sie nicht. Wie sollte er auch? Sie ist tot und hat keinen Körper mehr. Und dennoch möchte er lieber sterben, als sie jetzt in diesem Moment noch einmal gehen zu lassen. All die Gefühle waren doch echt. Es war weder eine Lüge noch ein Betrug. Und er liebt sie! Er spürt es mit jeder Faser seines Körpers. Eine Woge der Wärme überflutet seinen Körper und dieses Mal ist es nicht die brennende, zerstörerische Hitze aus dem Feuerfluss, sondern etwas anderes. Etwas viel angenehmeres.

Und dann spürt er noch etwas. Eine andere Wärme die von seiner linken Hüfte ausgeht. Ein grelles Leuchten erringt für einen Moment seine Aufmerksamkeit und er stellt zu seiner Überraschung fest, dass das helle Schimmern von Tenseiga ausgeht. Zwar ist das magische Schwert noch immer in Ketten gehüllt, doch zwischen den Kettengliedern sickert nun unaufhaltsam die Macht des heilenden Schwertes hervor und hüllt seinen Körper völlig ein. Und auf einmal spürt er wie die Schmerzen in seinem Körper immer mehr verblassen und wie hartnäckige Verletzungen verschwinden und Wunden sich schließen. Eine eigentümliche Stille kehrt in seinem Körper ein und es bedarf einiger verwunderter Augenblicke, bis er begreift, dass dies von der Abwesenheit der Schmerzen herrührt, die jetzt schon so lange Zeit sein ständiger Begleiter gewesen sind.

Langsam hebt Sesshomaru den Kopf und blickt in das Gesicht der Daiyoukai vor sich. Auch sie scheint erfasst zu haben was gerade passiert ist und ein erstauntes Lächeln spielt um ihre Mundwinkel als sie die unausgesprochene Frage zurückgibt.

Für einen kurzen Moment trifft dieses Lächeln Sesshomaru unvorbereitet. Und dann legen sich seine Hände wie von selbst an ihre Kinnlinie, zieht ihr Gesicht sanft aber begehrlich zu seinem heran und dann treffen seine Lippen auf ihre als wollten sie die vergangenen zweihundert Jahre Lügen strafen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Yvibel
2021-07-14T19:03:33+00:00 14.07.2021 21:03
Ohje, ohje, der arme Sesshomaru macht wirklich was mit. Noch tiefer ging es ja fast wirklich nicht mehr runter, buchstäblich in den Staub. Unglaublich, wenn man das so gar nicht gewohnt ist. Und dann gräbst du ausgerechnet den fiesen Ex-Ostfürsten wieder aus. Da hatte ich einen Moment lang echt Angst, unser Lieblingsdämon könnte doch sterben. Aber ist ja nochmal gut gegangen und das Ende war dafür richtig schön. :) Es sei ihm an dieser Stelle absolut gegönnt, dass er seine Liebste wieder hat. Nach allem was er bis dahin durchgemacht hat. Und er lebt noch. Da atme ich jetzt erst mal durch. Hätte auch nicht gedacht, dass man ihn mal so emotional erlebt. Überraschend aber auch schön.
Na jetzt bin ich erst recht neugierig, weil ich vermute, dass er Hanaki ja leider nicht bei sich behalten kann.
Zumindest ist er jetzt aber mal wieder ein bisschen auf der Höhe dank seines Schwerts.
Denn mal bis zum nächsten Kapitel.

Grüßle Yvi
Von:  Hotepneith
2021-02-23T17:39:06+00:00 23.02.2021 18:39
Endlich mal was Positives für den armen Jungen - genuügend wahrliche Nahtoderlebnisse hast du ihm ja schon verschafft. Aber mal was Positives wäre auch notwenig, damit er sich erholen kann und weiter machen...
*Tenseiga gefällt es*
 
hotep
 
 


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