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Green Rain

von

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Wagnis

Die zweite Nacht hatte unsere Vermutung bestätigt. Wie gestern schon hatten sich mit Einbruch der Dunkelheit unzählige Gestalten draußen versammelt, wo sie reglos gestanden hatten. Zwar fragten wir uns, warum sie dieses Verhalten zeigten, doch wir beschwerten uns nicht. Ganz im Gegenteil hatten wir die Gelegenheit genutzt, uns etwas zu erweitern. Erneut hatten wir uns aus unserem Versteck gewagt. Dieses Mal hatte mein Herz noch wilder geschlagen, bei dem Gedanken an die Person, die Tagsüber auf den Gängen ihr Unwesen getrieben hatte. Doch die Gänge waren leer und das Gebäude still gewesen. Möglichst leise und schnell hatten wir uns daran gemacht, die Türen des Ganges mit allerlei Gegenständen aus den umliegenden Klassenräumen abzuriegeln, so dass wir uns auch am Tag sicher darin bewegen können sollten. Am wichtigsten aber war, dass wir nun eine Toilette zur Verfügung hatten.

Wir waren fast die ganze Nacht wach gewesen, immerhin hatten wir am Tag zur Genüge geruht. Dementsprechend müde war ich, als die Sonne schließlich aufging. Das grüne Licht drang durch die kleinen Fenster. Langsam aber sicher machte mich diese Farbe wahnsinnig. Ich saß an der Wand, hatte meinen Kopf an diese gelehnt und meine Augen geschlossen. Gerne hätte ich geschlafen, doch mit jeder Minute die verging, stieg die Nervosität in mir.

„Marik, steh auf“, forderte mich Bakura schließlich auf. Ich warf ihm nur einen ungnädigen Blick zu. Der Junge stand mitten im Geräteraum, während sich Miho an der Tür befand, die nicht verbarrikadiert war. „Wir müssen schauen, ob wir wirklich sicher sind. Falls sie reinkommen, müssen wir schnell handeln.“ Natürlich wusste ich, dass er Recht hatte und dass sie auch mich dafür benötigten, trotzdem dauerte es einige Sekunden, ehe ich wirklich aufstand.

Wir befanden uns im Erdgeschoss, doch der Teil des Flures, den wir abgesichert hatten, besaß keine Fenster, so dass es düster war. Gleichzeitig waren wir so aber vor Blicken von draußen geschützt. Anders sah es in den anliegenden Klassenräumen aus. Wir hatten die Türen offen gelassen, um zumindest etwas Tageslicht sehen zu können. Dummerweise waren die Zwischentüren, die wir für unsere Blockaden genutzt hatten, aus Glas. Wer auch immer davorstehen würde, würde uns sehen können. Wir waren uns nicht sicher, was dann geschah. Gestern war bereits deutlich geworden, dass sie eindeutig in der Lage dazu waren, gewalttätig zu werden. Sicherheitshalber platzierten wir uns so, dass wir die beiden Türen, die die einzigen Zugänge darstellten, zwar im Blick hatten, selbst aber nicht sofort entdeckt wurden. Miho war im Geräteraum geblieben, während Bakura die vordere Tür überwachte und ich die hintere. Ich saß in der Tür des anliegenden Klassenraums, so dass ich möglichst nicht sichtbar war. Hinter mir hatte ich zwei Tische umgelegt und aufeinander gestapelt, die mich vor möglichen Blicken von draußen verbargen. Für den Fall, dass sich tatsächlich jemand die Mühe machen sollte, einen Blick in die höherliegenden Fenster zu werfen. Nach wir vor wussten wir nicht, wie intelligent diese Menschen noch waren. Oder wie viel von ihrem menschlichen Dasein überhaupt noch in ihnen steckte.

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ich die ersten Bewegungen hinter dem Glas ausmachen konnte. Es waren zwei Frauen, die definitiv nicht zu dieser Schule gehörten. Sie verhielten sich vollkommen normal. Der einzige Grund, aus dem ich nicht anzweifelte, dass diese beiden hier waren um uns zu schaden war, dass sie nicht hierher gehörten. Vorsichtig um die Ecke schauend beobachtete ich sie dabei, wie sie versuchten die Tür zu öffnen. Kurz beschleunigte sich mein Herzschlag, doch unsere Konstruktion aus Tischen und Stühlen hielt stand und hinderte die ungebetenen Gäste daran, diesen Abschnitt des Flures zu betreten. Kurz standen sie einfach nur da, ehe sie zurückgingen. Erleichtert atmete ich aus. Auch wenn es unheimlich war, dabei zuzuschauen, wie sie versuchten hier reinzukommen, ohne zu wissen, was sie genau vorhatten, so fühlte ich mich deutlich wohler damit, sehen zu können was vor sich ging.

Irgendwann kam Bakura zu mir ins Zimmer.

„Es scheint zu funktionieren“, stellte er zufrieden fest, was mich nicken ließ.

„Zumindest wenn sie nicht wissen, dass wir hier sind.“

„Wir sollten vermeiden, dass sie uns sehen. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob sie es nicht doch wissen.“ Bakura musste anscheinend genauso wie ich an den Mann von gestern denken, der eindeutig mit uns gesprochen hatte. „Den Gang sollten wir eh nur im Notfall nutzen.“ Erneut nickte ich. Ich wusste, dass er mit dem Notfall einen Toilettengang meinte. Daneben hatten wir diese Flur in erster Linie abgesperrt, damit niemand mehr direkt vor unserer Tür stand und wir in der Falle saßen. So würden wir zumindest noch die Möglichkeit zur Flucht bekommen, auch wenn ich daran erst gar nicht denken wollte.

„Danke, Bakura.“ Sofort richteten sich seine braunen Augen mit einem fragenden Ausdruck auf mich, was mich weitersprechen ließ. „Hätten wir nicht zusammen geschwänzt und hättest du mich nicht dazu überredet trotz des Alarms in der Schule zu bleiben, dann... dann wärn wir jetzt wohl nicht mehr da. Die Situation ist zwar alles andere als toll und...“ Ich sprach nicht weiter, als mein Kumpel mir seine Hand auf den Kopf legte und meine Frisur durcheinander brachte. Eigentlich etwas, wofür ich ihn lautstark anmaulen würde, gerade wagte ich es aber, meinen Kopf leicht gegen seine Hand zu drücken. Noch immer hatte ich eine Heidenangst, wussten wir schließlich weder was genau vor sich ging, noch was aus uns werden würde. Doch alles war mir lieber, als so fremdgesteuert durch die Gegend zu rennen oder noch schlimmer von diesen Ovalen durchbohrt und zu diesen riesigen Schiffen gebracht zu werden.

„Mach dir nicht so viele Gedanken, wir schaffen das schon.“ Ich konnte nicht anders, als ihm einen zweifelnden Blick zuzuwerfen. Die Frage war doch nicht, ob wir es schafften, sondern für wie lang. Gerade hatte ich das Gefühl, dass es keine Zukunft für uns gab. Spätestens wenn unsere Vorräte aufgebraucht waren, mussten wir weg von hier. Doch wohin? Die einzige Hoffnung war, dass dieser Angriff lediglich hier erfolgte und woanders noch alles in Ordnung war. Oder dass vielleicht bereits etwas dagegen unternommen wurde. Möglicherweise vom Militär? Letztendlich war es nicht viel mehr als nur eine Hoffnung, die meine Zweifel nicht ansatzweise erreichte.

„Ich bin wirklich froh, dass du bei mir bist.“ Ich musste es ihm einfach sagen, auch wenn ich ihm dabei nicht in die Augen schauen konnte. Zu sehr fürchtete ich, dass er mehr in meinem Blick sehen könnte. Bakura zog seine Hand zurück.

„Jetzt werd nicht sentimental.“ Ich musste ob seiner Worte lächeln. War ja klar, dass er nicht viel damit anfangen konnte.

„Es stimmt aber.“ Nun schaute ich doch zu ihm auf. Als sich unsere Blicke trafen musste ich erschrocken feststellen, Zweifel in seinem Blick zu erkennen. Bisher war Bakura so souverän gewesen, dass ich ganz vergessen hatte, dass er auch nur ein einfacher Junge war, den das alles hier genauso mitnehmen musste. Mit einem Mal schien der Halt, den er mir bisher gegeben hatte, zu bröckeln. Wir waren nicht mehr als drei Jugendliche, die hier festsaßen, während um uns herum die Welt unterzugehen schien. Was konnten wir da schon ausrichten? Wie sollten wir gegen diese Übermacht überleben?

Ich konnte nicht anders, als Bakura in eine Umarmung zu schließen. Zwar hatten wir uns beide nie vor Körperkontakt gescheut, dies war aber nichts, was wir üblicherweise taten. In diesem Moment musste ich aber einfach spüren, dass er da war und wollte ihm genauso dieses Gefühl zurückgeben. Außerdem konnte ich nicht wissen, wie lange wir noch hatten. Ich wollte nicht die letzten Tage damit verschwenden, meine dummen Gefühle unter Kontrolle zu halten. Zu meiner Erleichterung erwiderte Bakura die Umarmung mit leichtem Druck. Für einige Augenblicke vergaß ich alles um mich herum. Sämtliche Sorgen und Ängste, die die ganze Zeit über in meinem Kopf kreisten, rückten in den Hintergrund. Ich genoss einfach nur das Gefühl, das diese Nähe mit sich brachte. So oft hatte ich es mir vorgestellt. Es war eine Schande, dass es erst unter diesen Umständen dazu kam. Gerade als ich mein Gesicht tiefer an Bakuras Schulter vergrub, schob mich dieser leicht von sich.

„Seit wann bist du denn so kuschelig?“ Seine Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton, den ich jedoch nicht so recht zuordnen konnte. Ich schaute kurz zu ihm auf, ehe ich mit den Schultern zuckte.

„Seit jetzt.“ Es wäre die Gelegenheit gewesen, endlich mein Geständnis zu machen. Doch wie zu oft verließ mich in letzter Sekunde der Mut. „Ich hab das einfach gebraucht. Sorry, wenn ich dich damit überfallen hab.“ Während ich ihn schwach anlächelte, musterte mich Bakura einige Sekunden lang. Zu gerne wüsste ich, was in seinem Kopf vor sich ging. Gerade mehr denn je. Doch in seinen warmen, braunen Augen konnte ich nichts lesen.

„Ist okay. Du musst nur damit rechnen, dass du dann ebenfalls überfallen wirst.“ Während ich noch versuchte, diese Worte zu verstehen, hatte Bakura mich bereits wieder an seine Brust gezogen. Seine Arme lagen um mich und drückten beinahe etwas zu stark zu. Mein Herz begann wild in meiner Brust zu schlagen. Die Tatsache, dass Bakura mich von sich aus umarmte und dann auch noch so bestimmt, ließ mich mindestens so nervös werden, wie die Anwesenheit dieser manipulierenden Objekte am Himmel. Mit der Ausnahme, dass es sich hierbei um eine angenehme Nervosität handelte.



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