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Worlds Travel ~ Band Eins: My new Destiny

von

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Chapter 14 ~ Aus eins mach zwei

Das Knistern des Lagerfeuers und die Wärme, die dieses verströmte, war beruhigend. Über uns der klare Sternenhimmel und aus der Ferne die nächtlichen Umrisse des Turms, in welchem wir noch vor wenigen Stunden herumirrten. Ja. Wir hatten unser Lager aufgeschlagen, sobald wir in einiger Entfernung vom Turm zur Rast kamen, schließlich war es bereits dunkel geworden und bei Nacht zu reisen, wäre sinnlos wie gefährlich zugleich. Auch brauchten wir nach der Anstrengung des Turmes dringend eine Pause. Ich selbst genoss diese verdiente Rast vollkommen, hier draußen und endlich aus dem Zirkel heraus zu sein. Zu wissen, dass wir unseren ersten Schritt bei der Beendigung der Verderbnis getätigt hatten. Dass wir das Richtige taten. Es war beruhigend. Und offensichtlich ging es meinen Kameraden ähnlich, denn sie wirkten so schön entspannt in diesem Moment. Die meisten waren in ihren Gedanken oder mitten im Gespräch. Einander kennenlernend. Das war wichtig für den Gruppenzusammenhalt. Doch ich zweifelte nicht daran, dass wir auch in Zukunft super harmonieren würden, war das, was wir im Turm aufwiesen, ein guter Beginn.

Meine Augen richteten sich auf Leliana. Wie von Sinnen erhob sich mein Körper schon fast von selbst, und setzte sich bereits in Bewegung, ehe ich vor der Bardin zum Stehen kam, die mich neugierig beäugte.

„Darf ich um ein Gespräch bitten?“, fragte ich, weswegen sie nur lächelnd nickte.

„Natürlich.“

Und schon entfernten wir uns von der Gruppe. Wir liefen etwas weiter in die Richtung des Turms, ehe wir zum Stehen kamen. Sie schaute mich neugierig an.

„Ich wollte mich bei Euch für meine Rettung im Nichts bedanken.“

„Wir sind Gefährten. Das ist nur natürlich, dass wir einander helfen. So wie Ihr es tatet, als mich dieses Ungetüm angriff. Auch dafür wollte ich mich bei Euch bedanken.“ Sie lächelte mich freundlich an, wodurch sich meine Gedanken unweigerlich an die Szenerie erinnerten. Ja, es war mehr als riskant und ich wusste auch nicht, was in mich gefahren war. Mein Körper reagierte bereits, ehe es meine Gedanken visualisieren konnten. Oder war das Aidan gewesen, anstelle von mir selbst.

„Ich habe damit nichts zu tun. Das warst du ganz alleine“, erklärte mir Aidan Augenblicklich, was mich zum einen noch mehr verwirrte, zum anderen aber auch erfreute. Ich schien ja doch ganz mutig zu sein, wenn es darauf ankam.

„Auch wollte ich mich für meine Worte entschuldigen, als wir das letzte Mal ein Gespräch unter vier Augen hielten. Oder eher sechs, wenn man an die Lauscherin Morrigan denkt.“ Automatisch suchten meine Augen die Äste über uns ab, doch von der Schwarzhaarigen in gefiederter Form war weit und breit keine Spur. Entweder war sie tatsächlich nicht anwesend, oder sie wusste sich ein unauffälliges Versteck zu suchen.

„Für was denn genau?“, tat sie auf unschuldig. Als wüsste sie nicht, was ich meinte. Frauen.

„Dafür, dass ich ausgesprochen habe, dass Ihr mich eventuell töten würdet. Besonders die Erfahrung im Nichts wies mir auf, welch närrischer Gedanke dies war. Euch nicht fair gegenüber. Bitte verzeiht meine Idiotie.“ Sie hatte mittlerweile wieder ihre Arme vor der Brust verschränkt, und nickte.

„Ich will auch schwer hoffen, dass Ihr diesen Gedanken abgelegt habt. Weder werde ich Euch töten noch meiden. Ich mag Euch. Deshalb folge ich Euch“, ließ sie verlauten, was mich zum Lächeln brachte.

„Danke. Einem Mann bleibt nur übrig, sich aufgrund seiner Worte zu entschuldigen, wenn er einen Fehler tätigte.“ Sie winkte ab.

„Ihr wisst, dass ich eine Laienschwester war. Es gehört zu unserem obersten Gesetz, Vergebung zu erteilen. Also verzeihe ich Euch.“ Sie zwinkerte nur, was mich kurz zum Auflachen brachte, und auch sie es mir in dieser Angelegenheit gleichtat.

„Ich wollte Euch übrigens dies geben.“ Sie reichte mir das Zauberbuch von Flemeth. Für einen Moment hielt ich es in Händen und beäugte es kurz, steckte es allerdings gleich wieder weg.

„Habt Dank.“

„Das war noch nicht alles. Auch das wollte ich Euch geben.“ Und nun hielt sie mir erneut ein Buch entgegen. Es dauerte einen kurzen Augenblick, ehe ich realisierte, um was es sich dabei handelte.

„Mein Tagebuch! Aber das ist nicht möglich. Ich habe es doch verbrannt!“ Ungläubig nahm ich es entgegen, ehe ich, noch bevor Leliana ihre Hände zurückziehen konnte, leichte Verbrennungen an ihrer linken Hand erkennen konnte. Wieso war mir dies nicht vorher schon aufgefallen, zum Beispiel, als ich ihr die Litanei gab? Doch dann kam mir eine Erkenntnis.

„Ihr habt es für mich herausgeholt und Euch dabei verletzt?“ Verblüfft blickte ich sie an. Sie tat dies für mich, da sie wusste, wie wichtig mir dieses Buch war. Meine Erinnerungen.

„Oder wollte sie es nur selbst benutzen?“

„Dann hätte sie es mir allerdings nicht zurückgeben brauchen“, meldete sich der innerliche Engel- und Teufelkonflikt in mir zu Wort.

„Es ist halb so wild“, winkte sie schnell ab und zog die Hand unauffällig hinter ihren Rücken.

„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll …“ Ich verfiel wieder ins Schweigen, als sie dies bemerkte und meinen Kopf, der sich mittlerweile auf den Boden gesenkt hatte, mit ihrer gesunden Hand, hochschob, so dass ich ihr in die Augen blickte.

„Danke, wäre zumindest ein Anfang.“ Es breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Amüsierte sie meine Reaktion?

„Ich … ja. Danke. Wie so oft in den letzten Stunden. Ich weiß eure gutmütige Geste zu schätzen. Wirklich.“

Und ich meinte es auch so. Sie hätte es nicht tun brauchen, verletzte sich trotz allem für etwas, das ich leichtsinnig weggeworfen hatte, und gab mir diesen Vorteil, den sie so leicht hätte nutzen können, ohne dass ich es gewusst hätte. Diese Frau war einfach … wow.

Für einen Moment verweilten wir so, nicht wissend, was wir weiter bereden konnten oder sollten. Zumindest betraf es meine Seite so, ob sie lediglich darauf wartete, dass ich noch etwas sagte, wusste ich nicht, also wandte ich mich ab und schritt erneut zu unseren Zelten zurück, wo der Rest unserer Truppe rastete.

Doch bevor wir dort ankamen, kreuzte Morrigan bereits meinen Weg, und auch Leliana blieb neugierig stehen.

„Nun, da wir genug Magier in unserem Kreis haben, könnte ich Euch helfen, falls Ihr auch nur eine von ihnen dazu überreden könntet, uns zu helfen.“ Verwirrung lag in meinem Blick. Was wollte sie jetzt genau von mir?

„Inwiefern helfen?“, ließ ich sie an meiner offensichtlichen Verwirrung teilhaben.

„Euch und den echten Aidan voneinander lösen. Jeder mit eigenem Körper.“

„Ihr könnt das?“, sprach Leliana die Gedanken aus, die sich wohl nun in doppelter Ausführung in Aidans Kopf breit machten, hörte er ja scheinbar genaustens zu.
 

„In der Theorie, ja. Mutter gab mir vor unserer Reise einen Zettel mit und beauftragte mich diesen erst zu lesen, sofern wir, mich mit einbezogen, zwei Magier in unserer Gruppe besaßen. Doch wie ich erkennen kann, sind wir nun zu dritt, was weniger Aufwand für jeden von uns bedeuten würde, wenn sie beide mitmachen. Es ist ein kleines Ritual, das viel Mana kostet, ansonsten allerdings recht ungefährlich. Zumindest für uns Magier. Was mit Euch geschieht, ob es klappt oder nicht, liegt nicht in meiner Kenntnis. Es liegt also an Euch, ob wir es probieren, und an den Magierinnen, ob sie helfen wollen.“

Erstaunt blickte ich die Hexe an. Das war … Wahnsinn. Flemeth hatte also einen Weg gefunden, wie wir unseren Körper trennen konnten? Wenn es auch nur einen Hauch von einer Chance gab, hatten wir dieses Ritual zu tätigen. Schließlich wollte Aidan nicht den Rest seines Lebens auf der Ersatzbank sein, und ich nicht in einem fremden Körper leben. Auch wenn er nicht mehr so fremd war, und dem meinem, abgesehen von den Muskeln, eben nicht wirklich unähnlich war.

„Ich … danke. Ich werde die beiden sofort fragen.“

Und schon ließ ich die beiden Frauen alleine stehen, nur um zu den Zirkelmagierinnen zu gelangen.
 

„Darf ich kurz um euer Gehör bitten?“, stellte ich den beiden Magierinnen die Frage, als sie mich auch sogleich anblicken.

„Selbstverständlich“, antwortete die Ältere stellvertretend für sie beide.

„Solona weiß ja bereits Bescheid wegen Aidan und mir, Alexander. Seid Ihr auch im Bilde, verehrte Wynne?“

„Ich habe es im Grunde mitbekommen, wie auch verstanden“, gab sie mir die Antwort, wodurch ich nur nickte.

„Nun, Morrigan offenbarte mir soeben, dass sie ein Ritual wüsste, das mich und den Besitzer dieses Körpers voneinander löst. Allerdings zerrt dies sehr am Mana und wenn niemand von euch beiden behilflich sein wollen würde, könnte ich das verstehen. Allerdings wäre dies vermutlich die einzige Möglichkeit, Aidan und mich voneinander zu lösen.“

Solona stand direkt von ihrem Sitzplatz auf und hob die Faust in die Höhe.

„Wenn ich Euch helfen kann, dann werde ich das tun. Ihr halft mir auch, als ich Euch brauchte.“

„Gut gesprochen, Solona. Ich selbst habe sowohl Aidan, durch die Hilfe im Nichts, und Euch, durch Euren Einsatz im Zirkel, zu danken. Daher ist es eine Selbstverständlichkeit, wenn ich euch beiden helfe.“

„Ich danke euch beiden“, kam es dankbar über meine Lippen, während wir nun zu dritt zu Flemeths Tochter gingen.
 

Aus den Medien meiner Welt hatte ich schon öfter magische Rituale beobachtet, doch dies hier war für mich etwas vollkommen anderes. Ich hatte der Vorbereitung, wie auch dem weiteren Wirken beiwohnen dürfen, ging es hierbei ja auch um mich und Aidan, doch es war interessant. Morrigan hatte verschiedene runenähnliche Zeichen auf den Boden gemalt, und den beiden Helferinnen gezeigt, was sie zu tun hatten. Holzscheite wurden an verschiedenen Punkten verteilt, die sie kurz danach anzündete, und urplötzlich auf elfisch ihre Formeln sprach. Ich verstand, Flemeth sei Dank, jedes einzelne ihrer Worte. Sie hantierten auch mit Lyrium, doch was sie genau taten, konnte ich bei der ganzen Zeremonie als Nicht-Magier wirklich nicht sagen. Meine letzte Erinnerung daran war ein Wort, das von Morrigan auf Elfisch gesprochen wurde. Trennung.​
 

„Nun. Sie leben. Offenbar hat es funktioniert“, drang eine mir vertraute Stimme ins Ohr, während mein Bewusstsein so langsam wieder zu sich kam. Mit meinen Händen, die beim Tasten Gras bemerkten, erkannte ich auf einer Wiese sein zu müssen. Was tat ich hier?

„Und Ihr müsst also der eigentliche Aidan Cousland sein?“ Erneut dieselbe Stimme, die sich an jemanden zu wenden schien.

„Ja. Freut mich Euch kennenzulernen, Morrigan. Und danke.“

Mit einem Mal öffneten sich meine Augen. Morrigan. Und die Stimme war die, welche ich seit meiner Ankunft in dieser Welt mein Eigen nannte. Das bedeutete also, dass wir getrennt waren? Meine Erinnerungen kamen zurück. Ja, Morrigan und die beiden Magierinnen hatten geholfen, unsere Körper zu trennen.

„Wollt Ihr so langsam aufstehen, Alexander?“, vernahm ich eine kichernde Stimme, die über mir war. Erst jetzt hatte ich zuvor in den dunklen Nachthimmel geblickt, da erblickte ich die blonde Magierin, die mir hilfreich eine Hand reichte. Ich ergriff sie auch gleich und wurde hochgezogen.

„Danke.“

Meine Stimme. Das war meine eigene Stimme. Die Echte! Vorsichtig blickte ich an mir herunter. Das war mein leicht übergewichtiger, allerdings durch fleißiges Training im Fitnessstudio nicht ganz so verloren, wie er vielleicht den Eindruck erweckte, Körper. Selbst die Kleidung, die an diesem hing, war noch aus meiner Welt. Von dem Abend, an dem ich aufgrund meines Geburtstages eingeschlafen war und hier hinüberwechselte. Alles, was ich nun sah. Hörte. Roch. Schmeckte. Das teilte ich mir mit niemandem mehr, sondern das war … ich.

Doch während ich noch in meinen eigenen Gedanken hing, bemerkte ich nicht, wie Morrigan sich direkt vor mich stellte, und ihren Stab in Händen hielt, direkt mich anvisierend.

„Nehmt diesen Stab weg!“, forderte ich, als meine Gedanken nun auch meine Umgebung wahrnahmen.

„Weshalb sollte ich?“

„Weil ich sonst wütend werde. Auf Euch losgehe. Und Ihr mich, ohne Schaden zu nehmen, tötet. Wäre nicht gut für mich.“

Sie nahm tatsächlich ihren Stab weg, während sie mich von Kopf bis Fuß musterte.

„Ich sehe, Ihr seid tatsächlich voll und ganz Ihr selbst.“

„Aufgrund meines wundervollen Humors?“ Ich lächelte sie an. Ich verstand ja bereits, weshalb sie den Stab auf mich gerichtet hatte. Es hätte etwas schiefgehen können und nun wäre ich ein Dämon oder ein ähnliches Wesen. Magie war zu kompliziert und komplex, um nicht mit dem zu rechnen, mit dem man nie rechnen würde.

„Weil Ihr versucht witzig zu wirken.“

„Versucht?“ Gespielt verletzt blickte ich sie an, während meine Hände an mein Herz wanderten.

„Jetzt verletzt Ihr mich aber, Verehrteste.“

„Ihr werdet es überleben. Da bin ich ganz sicher.“ Und schon ging sie ein paar Meter weiter, erkennend dass es nun an der Zeit war, dass wir Körperteiler das erste Mal miteinander, jeder mit tatsächlichem Körper, interagierten, schließlich stand nun Aidan vor mir.
 

„Hi.“

„Hallo“, begrüßten wir uns beide lächelnd.

„So, als wir uns im Traum begegneten, hatten wir uns geduzt, und ich habe über ein Jahr in deinem Körper verbracht. War dir näher, als es irgendjemand jemals sein könnte. Und doch bist du vom adeligem Stand. Wie machen wir also zwischenmenschlich weiter? Bist du, neben den beiden Flohteppichen, der Einzige, den ich vom Trupp duzen darf, oder wollen wir förmlich fortfahren?“, wollte ich gleich das Wichtigste, unsere persönliche Anrede, miteinander klären.

„Das wäre Quatsch“, winkte er ab.

„Wir können uns ruhig duzen. Durch diese Erfahrung würde ich sogar so weit gehen, dass wir Brüder sind.“

„Schön gesprochen!“, stimmte ich seinen Worten ein, fühlte ich doch genauso. Wir hatten zwar wenig miteinander interagiert in der Zeit, allerdings hatte ich sein Leben gelebt und viel über ihn erfahren, und er konnte mich über ein Jahr lang aus der ersten Reihe perfekt beobachten, Gedanken und Handeln, wusste also auch jede Menge über mich. Das war schon in etwa das, wenn nicht sogar krasser, was man ruhigen Gewissens als seinen Bruder ansehen konnte. Und das waren wir nun auch geworden.

„Schön, dich nun von Angesicht zu Angesicht, ohne diese Träumerei oder Stimme im Kopf, kennenzulernen, Aidan.“ Ich hielt ihm die Hand hin, die er auch sogleich ergriff.

„Freut mich auch, Alexander.“
 

Und als nächstes war es an mir, der Gruppe nun alles zu erzählen. Also gingen wir, nachdem ich mich bei den drei Magierinnen bedankt hatte, zurück ans Lagerfeuer, und riefen alle heran. Sie musterten mich allesamt und ich fühlte mich unwohl, nun das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu sein. Normalerweise war ich es ja auch gewohnt, dass ihre Augen auf mir ruhten, doch im Falle dieses „Normalerweise“-Faktors war ich auch ein gutes Stückchen größer als jetzt und muskulöser wie auch schlanker. Sprich: Aidan. Doch das war ich nicht mehr, sondern in meinem eigenen Körper. Mit meinen gerade einmal 1.70 Metern ein Wicht. Als wir durch die Träume im Nichts reisten, fiel mir auf, dass von meinen Gefährten, die mich bei dieser Reise begleiteten, lediglich die Mabari und Solona kleiner waren als ich, wenn Solona auch vielleicht gerade einmal einen Zentimeter oder so.

„Nun, ich bin der Typ, der euch alle mit auf diese Reise nahm“, fing ich meine Rede an.

„Mein Name lautet nicht Aidan Cousland, wie es der Fall noch war, als ich diesen Körper da …“, ich deutete auf Aidan, „… beheimatete, sondern eigentlich nennt man mich Alexander Meyer. Ich stamme aus einer anderen Welt. Dieser hier nicht einmal so unähnlich, und doch gänzlich anders.“

In manch Augenpaaren lag Irritation aufgrund meiner Aussage, und doch bemerkte ich, wie mir manch einer mehr, aufgrund von Neugierde, an den Lippen hing als andere.

„Bei uns gibt es keinerlei Magie. Auch keine andere Völker. Zwerge, Qunari, Elfen, all dies ist bei uns nicht existent, wobei wir schon durch verschiedene Mythen unserer Welt von Zwergen und Elfen bereits hörten.“

Sten gab aufgrund der Nichtexistenz seines Volkes, geschweige denn, dass wir nie von ihnen hörten, lediglich ein kurzes Knurren von sich, ansonsten sah er so uninteressiert und mürrisch aus, wie es stets auch der Fall war.

„Bei uns gibt es lediglich Menschen. Doch das bedeutet nicht, dass es dort besser vor sich geht, denn der Mensch findet stetig einen Weg, für Unruhe zu sorgen. Ob andere Hautfarbe, anderer Glaube oder gar die politische Ausrichtung, bei uns findet man für jeden Blödsinn eine Stimme, die herumschreit und sich nicht geliebt fühlt.“

„Verzeiht, wenn ich Euch unterbreche“, vernahm ich nun Wynne, der ich mit einem Nicken die Zustimmung gab, weiterzusprechen.

„Ich würde unglaublich gerne mehr über Eure Welt erfahren, doch viel mehr, und da bin ich denke ich nicht die Einzige, würde es mich interessieren, wieso Ihr so viel über diese Welt hier wisst? Bevor wir die Tür öffneten, hinter der sich der Templerrekrut Cullen befand, und Alistair fragte, ob wir nun angekommen seien, sagtet Ihr, dass wir zuvor die Grausamkeit der Blutmagie erblickten, was wir auch taten. Mir erschließt sich nicht so ganz, woher Ihr dies wissen konntet. Nur die Worte, die dieser Dämon sprach. Ihr wisst über die Zukunft und Gegenwart Bescheid. Über die Geheimnisse von uns. Mich würde nun interessieren, woher Ihr dieses Wissen über Zukunft und Gegenwart besitzt, wie auch, was Ihr über uns zu wissen scheint.“

„Ich danke Euch, Wynne, denn nun weiß ich auch genau, was ich Euch zu sagen habe“, kam es lächelnd an die Ältere gewandt.

„Ich nehme das Beispiel, das ich Leliana gegenüber erwähnte. Ihr kennt doch sicher alle Glaskugeln, die Wahrsager benutzen. Oder in einem Buch gibt es doch stetig einen Hauptprotagonisten.“ Meine Umgebung nickte, um mir zu verstehen zu geben fortzufahren.

„In meiner Welt ist diese Welt hier lediglich eine Collection von Spielen, wie auch eine Buchreihe. Im ersten Spiel geht es um die fünfte Verderbnis. Den Hauptcharakter kann man sich selbst erstellen. Sein Aussehen, seine Stimme und sogar das Geschlecht. Aidan hätte auch genauso gut eine Elissa sein können.“ Eben Genannter blickte mich nun selbst überrascht an. Hatte er es nur vergessen oder hatte ich in der ganzen Zeit darüber gar nicht nachgedacht, so dass er es nicht erfahren konnte? Und um ehrlich zu sein, ich war zwar froh, im Körper eines Mannes gewesen zu sein, allerdings wäre der Perspektivwechsel auch interessant gewesen. Doch es war vermutlich besser so, hätte ich alter Perversling dies ohnehin nur für Schabernack missbraucht.
 

„Selbst seine Hintergrundgeschichte. Aidan hier …“, ich deutete auf den Wächter, „… ist nur der Wächter geworden, da Duncan nach Highever kam. Doch es gab andere Orte, wo er auch hätte auftauchen können.“

Mein Blick legte sich auf Solona.

„Wäre Duncan anstatt nach Highever in den Zirkel gegangen, wärt Ihr heute die Anführerin dieser Truppe.“

Nicht nur Solonas Gesicht, sondern auch auf den Gesichtern weiterer Gefährten wie Wynne und Alistair machte sich die Überraschung zu Gast.

„Wäre er nach Orzammar gegangen, hätte er zwei Möglichkeiten gehabt. Entweder den verstoßenen, mittleren Sohn oder Tochter des mittlerweile verstorbenen König Aeducan zu rekrutieren, dem er in den Tiefen Wegen begegnet wäre. Doch dieses Kind ist mittlerweile tot. Oder einen kastenlosen Zwerg. Dieser Zwerg dürfte noch leben und ich hoffe, wir können diesen retten. Ein Dalish hätte es auch werden können, doch auch dieser ist jetzt schon längst unter der Erde. Der Stadtelf, der den Posten eures Anführers bekommen hätte, dürfte auch noch leben, im Kerker in Denerim. Diesen Elf zu befreien, dürfte allerdings schwieriger sein als den kastenlosen Zwerg, der von einer Verbrecherorganisation gefangen gehalten wird. Sie wären allerdings zweifellos auch sehr gute Verstärkungen.“

Für einen Moment verlor ich mich in meinen Gedanken, ehe mich Aidan leicht stieß. Verwirrt blickte ich zu ihm, ehe ich meinen Kopf schüttelte.

„Ach. Ja. Tut mir leid. Jedenfalls übernimmt man in diesem Spiel die Rolle des Wächters, und sammelt dort seine Verbündeten. Also euch. Je mehr man sich mit Euch anfreundet und Ihr ihm vertraut, desto mehr erfährt man. Und da ich diese Spiele, besonders dieses hier, weit mehr als zwanzig Mal gespielt habe, ja, ich hatte früher viel zu viel Zeit, wie auch die Bücher gelesen habe, weiß ich über vieles, was passiert ist oder passieren wird, Bescheid. Woher die Entwickler dieser Spiele allerdings über diese Welt und die Zukunft Bescheid wissen, das kann ich euch leider selbst nicht beantworten. Vielleicht ist das Nichts noch viel weitreichender, als man denkt. Reicht nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft und in andere Welten wie der meinen. Wer weiß das schon.“ Ich zuckte bei meinen letzten Worten mit den Schultern.
 

„Und um die Frage meines Wissens zu beantworten, werde ich nun jedem etwas sagen. Wenn es etwas zu Persönliches ist, dann allerdings nur in Stichworten, möchte ich niemandem auf den Schlipps treten.“

Mein Blick wanderte zu Aidan.

„Wir teilten unsere Körper, du hast meine Gedanken vernommen. Mir glaubst du ohnehin.“

„Richtig.“

Lelianas und meine Augen trafen sich.

„Ich glaube Euch.“

„Gut.“ Wäre auch seltsam, wenn nicht, hatte sie immerhin mein Buch durchforstet und mich dazu bedrängt, dass ich ihr die Wahrheit sagte.

„Mit mir teiltet Ihr schon Euer Wissen über meine Vergangenheit“, erklang Morrigans Stimme, als die Hexe in mein Blickfeld geriet, weshalb ich nur nickte.

Meine Aufmerksamkeit legte sich auf die ältere Zauberin.

„Aneirin. Geist. Rhys.“ Die Ältere sah aus, als habe ich sie soeben geohrfeigt. Offensichtlich hatte ich sie nun dazu gebracht, mir zu glauben.

Meine Augen wanderten zur möglichen Wächterin.

„Jowan.“

Sie nickte lediglich.

Gerade als ich das Wort an Alistair richten wollte, hob er abwehrend die Hände.

„Im Nichts habt Ihr mir mehr als nur genug erzählt. Habt Erbarmen!“ Ein Schmunzeln legte sich auf mein Gesicht aufgrund seiner Reaktion, wodurch ich von ihm abließ und nun zu unserem Qunari blickte.

„Derzeit weiß ich nicht, wo sich Euer Schwert, Eure Seele, befindet, doch in ein paar Monaten dürfte ich Euch dorthin führen können. Auch weiß ich über Eure Aufgabe vom Arishok.“

Der Hüne nickte lediglich und mein Blick geriet auf den männlichen Rotschopf unserer Bande.

„Roland, um ehrlich zu sein, weiß ich über Euch kaum etwas. Das liegt aber daran, dass Ihr normalerweise auf Highever sterbt. Fans der Serie haben mal eine Möglichkeit hinzugefügt, Euch im Spiel überleben zu lassen, allerdings ist diese auf dieser Sprache, die wir gerade sprechen, und damals war mein Englisch, wie es bei uns genannt wird, alles andere als gut. Verzeiht, aber Euch kann ich leider nicht auf diesem Wege überzeugen.“ Roland schüttelte lediglich lächelnd sein Haupt.

„Macht Euch darüber keinerlei Gedanken. Ich habe in die Gesichter der anderen gesehen und die Wahrheit, die Ihr spracht, dort hinausgelesen. Erschrocken bin ich aufgrund der Tatsache, dass ich normalerweise längst tot wäre, allerdings bin ich froh, dass dem nicht der Fall ist.“

„Es hat schon seine Richtigkeit, dass Ihr noch unter den Lebenden in unserer Mitte seid!“, lachte ich nun und blickte die beiden Hunde an.

„Und ihr zwei glaubt mir doch ohnehin, oder?“ Sie nickten schwanzwedelnd, was dieses Mal nicht nur mich zum Lachen brachte.
 

„Eine andere Sache, Alexander.“ Fragend blickte ich zu unserer blonden Magierin.

„Ihr habt nun Euren Körper wieder, doch wo schlaft Ihr? Ihr besitzt weder Zelt noch Schlafsack.“

„Hey, meine zwei Vierbeiner.“ Die angesprochenen Mabari blickten wieder zu mir.

„Wenn mir niemand von denen aushelfen kann, müsst ihr mich heute Nacht wärmen.“ Glücklich bellten die beiden über die Möglichkeit, wohl mal nicht alleine draußen schlafen zu müssen.

„Ich hätte noch einen Schlafsack übrig“, entgegnete Roland in das Gespräch hinein, während mich ein Arm umschloss und zu sich zog.

„Der hier und ich haben lange in einem gemeinsamen Körper gewohnt, ich werde es auch aushalten, mit ihm in einem Zelt zu schlafen, bis wir ihm eines besorgt haben. Mein Zelt und Rolands Schlafsack, und schon ist die Frage beantwortet“, tönte Aidans Stimme, während er mich weiterhin bei sich behielt. Ich mochte den Kerl einfach.
 


 

Es dauerte noch ein bisschen, bis sich alle wieder lösten. Zeit, in der mir noch so manche Frage gestellt wurde, die ich nur zu gerne beantwortete. Aber auch Zeit, in der das Abendessen gekocht wurde.
 

Missmutig blickte ich auf den Inhalt des Tellers, den ich auf meinem Schoß stehen hatte.

„Klasse. Ich habe meinen eigenen Körper wieder, und das erste Essen, das mir aufgetischt wird, wurde von Alistair gekocht.“ Mein Blick richtete sich gen Himmel.

„Erbauer, was habe ich dir nur getan, mich so zu strafen?“ Ich vernahm das Kichern der Gefährten, die noch am Lagerfeuer geblieben sind, womit ich Leliana, Aidan, Solona und Alistair meinte. Letzter allerdings kicherte nicht, sondern setzte ein gespielt beleidigtes Gesicht auf.

„Besten Dank auch“, kommentierte er meine Aussage, lächelte danach aber doch. Wusste er doch selbst, dass sein Essen verbesserungswürdig war.

Doch wie sollte es auch anders sein beim Essen, kam man auch dort in Gespräche. Solona, Aidan und Alistair schienen in eines vertieft zu sein, während ich mich weiterhin meinem Teller widmete und mit halbem Ohr zuhörte.

„Ihr seht so jung aus“, wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als die Bardin das Wort an mich richtete.

„Ach ja?“ Sie nickte nur.

„Jünger, als es im Nichts den Eindruck hinterließ.“

„Das liegt am fehlendem Bart“, erläuterte ich. „Gebt mir eine Woche, höchstens zwei, und man denkt sich, ich sollte mich dringend rasieren.“

Die Bardin kicherte.

„Da bin ich mal gespannt auf das Wachstum Eurer Gesichtsbehaarung.“

Mir kam lediglich ein Grinsen über die Lippen bei dieser Bemerkung. Doch selbst stöhnte ich bereits gedanklich lauthals auf, wenn ich an meinen Bart dachte. Als Kind war das noch cool, wenn man wie ich, bereits mit elf, zwölf Jahren ein gutes Bartwachstum besaß, wodurch man älter gehalten wurde. Später nervte es, wenn man zu Feiern ging und man vergaß, sich rechtzeitig zu rasieren. Und in dieser Welt? Da war das Rasieren schrecklich. Hier gab es keine Rasierer. Dolche oder Rasiermesser waren das Werkzeug, das mir half, das Unkraut aus meinem … Pardon, Aidans Gesicht zu bekommen. Ein Grund mehr, weshalb ich es so oft vermied, Aidans Gesicht zu rasieren und dies erst tat, wenn Eleanor oder Oriana etwas dagegen aussprachen. Auch Kathrin hatte mir deshalb oft Feuer unterm Hintern gemacht. Wie es den beiden Frauen wohl gerade erging? Ich hoffte, sie waren in Sicherheit. Wobei mich keine von ihnen mehr erkennen würde.

„Geht es Euch gut?“ Meine Augen richteten sich auf Leliana, die mich besorgt anblickte.

„Bitte?“

„Ob es Euch gut geht. Ihr saht so traurig aus.“

Ich nickte. Ja. Natürlich ließen mich diese Gedanken traurig werden.

„Schon, ich war eben lediglich im Gedanken“, antwortete ich der Bardin, die noch immer skeptisch aussah, es allerdings dabei beließ. Doch nicht mit dem Gespräch.

„Ich habe Euch im Nichts kämpfen sehen. Dort habt Ihr Euch für Axt und Kurzschwert entschieden. Würdet Ihr dies weiterhin?“, stellte sie neugierig ihre Frage, ehe mir nun eine Wahrheit in den Kopf drang. Ab sofort musste ich auch kämpfen. Ich. Der Körper und die Person darin, die offiziell kein Teil der Lore ist. Während die anderen, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Roland und Solona oder Fenrir, sicher waren, war ich es allerdings nicht. Doch waren die anderen tatsächlich auch so sicher? Schließlich war dies hier die Realität. Es hatte sich schon so viel verändert, und das konnte es zu jederzeit weiterhin. Hätten sie zu diesem Zeitpunkt eigentlich gerade mal sieben Leute sein können, waren es nun elf. Natürlich die beiden Hunde stets miteinbezogen in meiner Zählung.

„Es scheinen wichtige oder spannende Gedanken zu sein. Vielleicht wollt Ihr sie mit mir teilen und ich kann Euch beim Ordnen helfen?“ Ich schüttelte meinen Kopf, um wieder im Hier und Jetzt zu sein und der ehemaligen Laienschwester überrascht ins Gesicht zu blicken. Überrascht über mich selbst bereits wieder in meine Gedanken verfallen zu sein, und noch immer ihre Worte verarbeitend.

„Das ist lieb, allerdings muss ich erst einmal selbst damit zurechtkommen.“

„Verstehe“, kam es über ihre Lippen, während sie mich nachdenklich musterte. Versuchte zu erahnen, wobei es sich bei meinen Gedanken handelte. Doch dann erinnerte ich mich an ihre Frage.

„Ähm, wegen Eurer Frage. Ja. Ich bin klein, wie Ihr bemerkt haben dürftet. Zwar körperlich stark, allerdings denke ich, könnte Geschwindigkeit schon eher meine Waffe werden. Aber dafür muss ich jede Menge machen. Trainieren.“

„Ich kann Euch helfen“, schlug sie sogleich vor.

„Ich werde darauf sicherlich noch zurückkommen.“

„Erst einmal werde ich Euch tatsächlich helfen“, drangen ihre Worte in mein Gehör und sie erhob sich, nur um mir zwei Gegenstände zu reichen, die sie in den Händen hielt, die ich ihr auch sogleich abnahm. Verblüfft blickte ich auf die Gegenstände in meinen Händen. Eine kleine, allerdings recht stabil wirkende Axt, wie auch ein recht schön anzuschauendes Kurzschwert. Als ich Leliana gerade Fragen wollte, wieso sie diese Waffen bei sich trug, kam sie mir bereits zuvor.

„Ich dachte mir schon ungefähr, dass Ihr diese Richtung des Kämpfens beibehalten wollen würdet, also war ich so frei und habe vorhin, als das Ritual getätigt wurde, diese Waffen bei Bodhan besorgt.“ Sie lächelte breiter, als ich es bisher je gesehen hatte, als sie mein Gesicht sah und sicherlich konnte sie dort meine Dankbarkeit über diese Geste herauslesen, selbst ohne ein einzelnes Wort, das über meine Lippen drang.
 

„Dieser Dolch hier …“ Sie hob einen hinter ihrem Sitzplatz hervor, wo auch schon die Axt und das Schwert gelegen hatten. „… dürfte Euch im Kampf auch sicherlich nicht schaden. Lasst mich Euch helfen, die passenden Verstecke in Eurer Rüstung auszuwählen.“

Verwirrt blickte ich den Rotschopf an, während ich mir durchaus bewusst war, hier vor ihr in einer Jeanshose wie auch einem blauen Polohemd aus meiner Welt zu sitzen. Das war vieles. Gemütlich. Stilvoll an meinem Körper. Doch keine Rüstung.

„Ich besitze doch noch gar keine.“

„Und genau deshalb gehen wir nun zu Bodhan. Er hat sicherlich etwas Passendes für Euch. Auch wenn die Eurige Kleidung interessant wirkt, aber offenkundig nicht schützt.“

Das war einleuchtend und Leliana kannte sich damit aus. Sie wusste, was nicht zu auffällig wäre, gut schützte und gleichzeitig für genug Bewegungsfreiheit sorgte. Doch Bodhan gab uns seine Waren, trotz seiner Dankbarkeit uns gegenüber, nicht von alleine. Auch er konnte von Luft und Liebe alleine nicht leben. Also brauchte ich Geld. Und es gab da nur eine Person, die mir aushelfen können würde, ohne dass ich Schulden anhäufte.

„Hey Spiegelbild!“ Aidan blickte zu mir, was mich kurz zum Auflachen brachte. Wir waren uns zwar nicht so ähnlich, als wären wir Spiegelbilder, doch man hätte uns sicher für Brüder gehalten.

„Was gibt’s?“

„Gib mir mal ein bisschen Taschengeld.“ Überrascht blickte er mich an, aufgrund dieser Forderung.

„Wir wollen mich bei unseren Händlerzwergen mal ordentlich einkleiden.“ Er nickte und verstand, ehe er den Beutel aus seiner Tasche herausholte.

„Dir ist aber bewusst, dass dies genauso dein Geld ist? Schließlich hast du es zusammengesammelt. Wir können gerne aufteilen.“

„Darauf komme ich noch zurück, allerdings genügt es mir im jetzigen Augenblick, wenn ich von meinem früherem Körper ausbezahlt werde.“ Er schüttelte nur mit dem Kopf, ehe er mir ein paar Münzen in die Hand drückte, und sich die Bardin mit mir in Bewegung setzte.
 

Und wie von mir vermutet, war mein liebenswerter Rotschopf eine großartige Hilfe für mich gewesen. Mir passte meine neue Lederrüstung auf Anhieb, trotz meines kleinen Bäuchleins, und es hielt auch überraschend warm. Auch weitere Kleidungsstücke hatte ich mir zugelegt, doch dies war nicht der Rede wert. Natürlich hatten wir auch schon zuvor gefragt, ob er ein weiteres Zelt über besaß, doch leider war dies nicht der Fall. Also bedeutete es für mich, mit Aidan im gleichen Zelt zu schlafen, wie zuvor besprochen.
 

Meine Augen lagen auf der Decke des Zelts, das leichtes Licht vom Lagerfeuer erhielt. Das war unter normalen Umständen sogar gut, schließlich nervte es nicht und es war nicht zu dunkel. Doch dies war kein normaler Umstand. Denn unter solchen hätte ich schlafen können. Allerdings, wie sollte es auch anders sein, kreisten meine Gedanken umher und von Schlaf finden war keinerlei Spur. Ich hatte meinen Körper wieder. All die Zeit hatte ich mich gefragt, ob ich ihn jemals wiedererhielt, und nun besaß ich ihn. ICH war nun in dieser Welt. Nicht nur mit dem Geist, sondern auch mit dem Körper.

„Wahnsinn“, sprach ich in die Dunkelheit, ehe ich zu seufzen begann und mir meine Kleidung wieder anzog, und mich schließlich aus dem Zelt begab. Automatisch richtete sich mein Blick gen Himmel. Es war noch dunkel. Geschätzt würde ich behaupten, dass es zwei Uhr in der Nacht war. Galt früher mein erster Blick meinem Handy, um die Zeit zu erkennen, richtete er sich nun als erstes zum Himmel empor.

„Du kannst nicht schlafen.“

Ein blaugraues Paar Augen blickte mich freundlich an, als ich mich ihnen zuwandte. Deren Besitzer saß seelenruhig am Lagerfeuer und schob Nachtwache. Aidan. Auch wenn die Planung für heute anders ausgesehen hatte und jeder verstand, wenn wir es nicht taten, so meldete er sich sogleich freiwillig. Er hätte, laut eigener Aussage, zu lange im Hintergrund agiert. Recht besaß er, aber vermutlich wollte er sogleich auch ein paar Pluspunkte sammeln. Oder er wusste einfach, dass es ihm genauso erging wie mir: Er fand keinen Schlaf.

Mein Haupt schüttelte sich.

„Nein. Mir geht zu viel durch den Kopf.“

„Verständlich. Mir geht es nicht anders.“

Ich nickte. Wir beide steckten im selben Boot.

„Ich vertrete mir etwas die Beine.“ Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, entfernte ich mich vom Lagerfeuer. Von Solona, die den heutigen Abwasch mit Leliana übernehmen wollte, hatte ich vernommen, dass in der Nähe ein kleiner Bach sein sollte. Und nach einem kurzen Fußmarsch hatte ich ihn auch schon gefunden und setzte mich dort hin. Genoss die abendliche Wärme, die auf meiner Haut ruhte, samt dem abkühlendem Wind, der mich streichelte. Die Sterne im Himmel spiegelten sich im Wasser, und es war eine wunderschöne, ruhige Kulisse. Und, hingegen aller Erwartungen, schien hier auch tatsächlich keinerlei Stechmücke auf mich zu warten. Ungewöhnlich. War ich doch sonst ein Magnet, der die kleinen Blutsauger anzog.

Doch mit einem Mal vernahm ich etwas hinter mir, weswegen ich meine Axt samt dem Kurzschwert in die Hände nahm.

„Wuff!“

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich erkannte, dass es sich hierbei lediglich um Fenrir handelte.

„Hast du mich gesucht?“, fragte ich ihn, als er langsam auf mich zu getrottet kam, und sich direkt neben mich hinlegte, sodass sein Kopf auf meinen Schoss konnte.

„Ich nehme das als ja. Wollte dir keine Sorgen bereiten und deinen Schlaf unterbrechen, Großer.“ Zur Entschuldigung streichelte ich ihn fleißig. Er genoss es sichtlich, und seine Nähe beruhigte mich umso mehr. Ich kannte ihn zwar noch nicht so lange wie Skipper, aber er hatte sich auf mich geprägt, wie es schien. Und Mabari, die ihr Herrchen erwählten … es gab kaum etwas Treueres auf der Welt. Oder Welten, wenn man die meine hinzuzog.

Ja. Welten. Erneut drangen die Erinnerungen an meine Welt in meinen Kopf, die ich so lange versucht hatte zu verdrängen, da es die Zeit nicht zuließ zu trauern. Oder wartete mein Geist insgeheim darauf, bis ich wieder ich selbst gewesen bin? Denn mit einem Mal vernahm ich die Flüssigkeiten, die über meine Wangen wanderten und von den Tränendrüsen weiter produziert wurden. Sie überkamen mich, während weitere Erinnerungen vor meinem geistigen Auge aufblitzten. Über meine Familie. Würde ich sie je wiedersehen? Oder würde sich der Horror, der für mich erschaffen wurde, einmal bewahrheiten? Meine Freunde. Den besten kannte ich seit meinem ersten Jahrzehnt, das ich auf Erden wanderte. Selbst solche Kleinigkeiten, wie meinen Lieblingsfußballverein nicht mehr beim Vollführen ihrer Arbeit zuzusehen, machten mich enorm traurig. Erst wenn man es nicht mehr hat, weiß man zu schätzen, was man schlussendlich alles gehabt hatte. Dieser Wahrheit musste ich mich nun auf grausame Art stellen. Allerdings besaß ich, Flemeth sei Dank, Songs, die aus meiner Welt stammten. An die ich mich immer erinnern können würde, Wort für Wort. Als sie es mir gesagt hatte, erschien es mir nicht so wichtig. Nun erkannte ich, dass diese Liedtexte mit das Einzige waren, das ich noch besaß. Würde ich sie, trotz meiner schlechten Gesangsstimme, irgendwann durch die Welt trällern? Oder sie jemanden trällern lassen? Der wunderschöne Rotschopf drang mir sogleich in meine Gedankenwelt. Vielleicht. Doch dafür würde ich noch einiges überstehen, und noch wichtiger, überleben müssen. Und bei so manch Abenteuer, das uns noch bevorstand, besaß ich meine Zweifel.
 

„Wuff!“ Ich spürte seine Zunge an meiner rechten Hand, während er zu mir hinaufblickte. Fenrir musste gespürt haben, wie es in mir drinnen aussah, wobei man dies auch leicht auf meinem Gesicht erkennen konnte, wenn man dies durch die Dunkelheit hinweg erkennen konnte.

„Danke dir, Großer.“ Sanft streichelte ich über seinen weichen Kopf, und lächelte ihn an. Ja, auf ihn konnte ich mich verlassen.



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