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Worlds Travel ~ Band Eins: My new Destiny

von

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Chapter 04 ~ Ostagar und die Hexen der Wildnis

Mein Blick fiel auf die steinernen Überreste des Tevinter-Imperiums, die sich noch immer, zwar ramponiert, aber an diesem Ort zu Haufe erkennen ließen. Ich vermochte es mir nicht einmal vorzustellen, wie mächtig das Imperium zum Höhepunkt seiner Macht sein musste, doch so war es mit allen Reichen. Meine eigene Welt hatte da genug Beispiele. Alexander der Große, dessen Reich so schnell endete wie seine eigene kurze Lebensspanne. Das Römische Reich, das sich zumeist von innen heraus selbst korrumpierte, oder die Byzantiner. Es gab noch unzählige weitere, doch darüber wollte ich mir keine Gedanken machen in diesem Moment, was nicht wirklich an dem Monolog lag, den mir just in diesem Moment Duncan hielt, was ich ohnehin schon längst kannte. Vielmehr wusste ich, welche Szenerie sich nun in Gang setzte, als wir den langhaarigen Blondschopf mit der goldenen Rüstung und seinen zwei Leibwächtern auf uns zulaufen sahen.

„Seid gegrüßt, Duncan!“ Der Rivainer und der König von Ferelden gaben sich zur Begrüßung die Hand. Der Wächter schien überrascht, so begrüßt zu werden, während der mit den Pflaumen, den er Bart nannte, förmlich strahlte, als würde er seinem Superhelden gegenübertreten. Vermutlich tat er dies sogar, hatte er ja sicherlich nur Edles und Gutes von seinem Vater, König Maric, über die Grauen Wächter erfahren, mit denen dieser damals ja selbst mal in den tiefen Wegen war, unter anderem mit Duncan.

„König Cailan? Ich hätte nicht erwartet …“, wollte er gerade anfangen, als der König ihn unterbrach.

„Was? Eine königliche Begrüßung? Ich hatte schon Angst, Ihr verpasst den ganzen Spaß!“ Ich beobachtete den König genauestens. Er sah aus wie eine Frohnatur, doch der Schein trübte, wie ich selbst wusste aus eigener Erfahrung, hatte ich mich ja ebenfalls mit dem König beschäftigt. Mir fiel eine Information ein, die angeblich von einer Leibgarde des Königs stammen würde: „Der König wusste, dass er die Schlacht verlieren würde.“ Was zwar mit seiner fröhlichen Art im Kontrast stand, und doch könnte er diese Fassade aufrechterhalten, um die Moral der Truppen zu steigern. Zudem wusste Cailan von Alistair. Er hatte ihn zwar nur einmal als Kind getroffen und doch war er stets über ihn in Kenntnis geblieben und hatte auch seine Gemahlin Anora über diesen informiert. Er mochte seinen Halbbruder, schätzte ihn und konnte sich vorstellen, dass dieser einst zu einem der stärksten Grauen Wächter werden konnte. Und wenn der König doch so viel von ihm hielt, weshalb setzte er ihn dann nicht in der Truppe ein, sondern würde Alistair mit dem Wächter zum Turm für das Signal schicken? Natürlich um seinen Erben aus der Gefahrenzone zu halten, wusste er ja nicht, wie die Situation im Turm sein würde. Klug gespielt, König, lobte ich in Gedanken den äußerlich wirkenden Narren, der sich König schimpfte.

„Um keinen Preis der Welt, Euer Majestät.“ Der Höhergestellte drehte sich seitwärts zu seinem Gesprächspartner und blickte spielerisch in die Ferne.

„Dann habe ich in der Schlacht doch noch den mächtigen Duncan an meiner Seite! Prächtig! Die anderen Wächter haben berichtet, Ihr hättet einen vielversprechenden Rekruten. Ist er das?“ Sein neugieriger Blick richtete sich auf mich und ich wusste nun, an wen die Nachrichten des Königsschwarms, die er durch Krähen verschickte, gegangen waren und was dort – zumindest zum kleinen Teil – drinnen stand.
 

„Erlaubt mir, Euch einander vorzustellen, Eure Majestät“, sprach der Ältere, als auch er seine Aufmerksamkeit auf den Couslandspross richtete. Doch der König schüttelte nur sein Haupt, was Duncan das Zeichen gab zu schweigen, und sich der König vor den Sohn des – nun verstorbenen – Teyrn stellte.

„Das ist nicht nötig, Duncan. Ihr seid Bryces jüngstes Kind, nicht wahr? Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal persönlich begegnet sind.“

„Es stimmt, beides. Ich bin Bryces jüngstes Kind und auch besaß ich noch nicht die Ehre, Euch kennenzulernen. Doch ich komme mit schrecklicher Kunde.“ Überrascht schaute er auf mich. Er war gespannt, was ich meinte und nun von mir geben würde.

„Meine Familie ist tot. Verraten von Howe, der ein Freund meiner Familie war oder vielmehr vorgab, dies zu sein. Wir konnten nur gerade noch so fliehen.“ Ehrlicher Schock lag für einen Augenblick im Gesicht von Marics Erben, ehe er sich abwandte und zur Seite ging, so dass niemand ihn erblicken konnte.

„Ich … kann es kaum begreifen! Wie konnte er nur glauben, mit einem derartigen Verrat durchzukommen?“

„Howe ist eine Ratte. Ein Überlebenskünstler. Er würde solch ein Manöver nicht planen, wenn er nicht wüsste, dass er ungeschoren davonkommt.“ Der König wandte sich mir wieder zu.

„Was wollt Ihr damit sagen?“

„Er hat einen mächtigen Verbündeten. Einen Gönner. Alleine wäre er dafür zu feige.“ Wir blickten uns in die Augen.

„Habt Ihr den schon jemanden im Verdacht, wenn Ihr solch eine Vermutung aussprecht?“

„Gewiss, doch ohne Beweise oder zumindest angebrachten Vermutungen möchte ich nicht Eure Zeit damit verschwenden. Ich würde mich jedoch sehr über Eure Hilfe freuen, falls ich dürfte.“ Der Blonde nickte.

„Sobald wir hier fertig sind, wende ich meine Truppen nach Norden und ziehe Howe zur Rechenschaft. Ihr habt mein Wort. Das ist zumindest das, was ich machen kann, bis Ihr mir weiteres vorlegt.“ Ich nickte freundlich, im Bewusstsein, dass der König diese Worte niemals erfüllen würde können.

„Habt Dank, Eure Majestät.“

„Ich bin mir sicher, nach Eurem Verlust würdet Ihr gerne Euren Bruder sehen. Leider sind er und seine Männer gerade auf Erkundungsmission in der Wildnis.“ Erneut nickte ich, während sich ein gequältes Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte.

„Ich brenne nicht wirklich darauf, meinem Bruder davon zu berichten.“ Ehrliches Mitgefühl lag in den Augen Alistairs Bruders.

„Das verstehe ich. Verzeiht mir, aber mehr kann ich nicht tun. Ich kann Euch nur raten, Euren Schmerz vorerst gegen die Dunkle Brut zu richten.“

„Das werde ich!“

„Gut. Verzeiht, dass ich Euch jetzt verlassen muss, aber ich sollte zu meinem Zelt zurückkehren. Loghain brennt darauf, mich mit seinen Strategien zu langweilen.“ Genervt rollte er mit seinen Augen, als Duncan das Wort an ihn richtete.

„Euer Onkel schickt Euch seine Grüße und erinnert daran, dass die Truppen aus Redcliffe in weniger als einer Woche hier sein könnten.“

„Ha!“ Spottend drehte sich der König zu seinen Leibwächtern um. „Eamon will auch sein Stück vom Ruhm. Wir haben schon drei Schlachten gegen diese Bestien gewonnen und morgen wird es nicht anders sein.“

„Man sollte den Feind trotz allem nie unterschätzen.“

„Ihr solltet Loghain kennenlernen, falls Ihr dies noch nicht tatet, Ihr würdet Euch sicher mit ihm verstehen. Apropos Loghain, ich muss gehen, bevor er einen Suchtrupp losschickt. Lebt wohl, Graue Wächter!“ Und schon verschwand er und ließ uns beide Vertreter des legendären Ordens alleine zurück.
 

„Was der König gesagt hat, ist wahr. Sie haben hier einige Schlachten gegen die Dunkle Brut gewonnen.“

„Und trotzdem bleibe ich bei meiner Meinung.“ Mit einer Handbewegung deutete er mir an, in die Richtung zu gehen, in die der König verschwand.

„Sie ist auch richtig und wenn du sie stets beherzigst, könnte sie für ein langes Leben sorgen, gemessen in Wächtermaßstäben versteht sich.“ Die letzten Worte sprach er freudlos lachend aus.

„Trotz der bisherigen Siege wird die Horde von Tag zu Tag größer. Mittlerweile scheinen sie sogar in der Überzahl zu sein. Ich weiß, dass ein Erzdämon hinter all dem steckt. Aber ich kann den König schlecht bitten, nur meinem Gefühl zu vertrauen.“

„Ich verstehe, was du meinst. Wir sollten auf Verstärkung warten. Ritter und weitere Wächter, die ihr sicherlich schon angefordert habt. Der König scheint diese Kreaturen allzu sehr auf die leichte Schulter zu nehmen. Desto mehr Graue Wächter wir hier haben, desto besser. Es muss ja wohl einen Grund geben, weswegen wir so effektiv sind gegen sie.“ Duncan lächelte.

„Und deshalb sollten wir jetzt ohne weitere Verzögerung das Ritual des Beitritts fortsetzen.“

Fortsetzen? Wir haben doch nicht einmal angefangen, drang der Gedanke in meinen Kopf, als ich mit einem Nicken stumm zustimmte.

„Wenn du möchtest, kannst du dich ein bisschen im Lager umsehen, ich bitte dich nur darum, es im Moment nicht zu verlassen.“ Erneut stimmte ich stumm zu.

„Hier im Lager ist ein weiterer Grauer Wächter. Sein Name lautet Alistair. Geh zu ihm, wenn du bereit bist, und sag ihm, dass es Zeit ist, die anderen Rekruten zusammenzurufen. Derweil nehme ich deinen Skipper mit zu unserem Lager.“
 

„Verstanden, wir sehen uns dann später“, verabschiedete ich mich vom älteren Wächter und blieb am Anfang der Brücke stehen, die es zu überqueren galt, bevor man im Lager landete, während sich Duncan von mir mit einem letzten Lächeln abwandte und dann selbst seines Weges ging. Auch Skipper bellte mir zum kurzen Abschied zu, ehe er freudig neben seinem neuen Kumpel herlief, hatte er schließlich vom Wächter viel Fleisch erhalten. Meine Augen überblickten nun ohne jeglichen Stress die Ortschaft. Wilde, ungezähmte Natur, die sicher schon seit etlichen Jahren nicht mehr solch ein aktives Treiben in ihrer Nähe erdulden musste, hielt Ostagar im eisernen Griff dieses – was ich zumindest erkennen konnte – provisorisch zurechtgeschusterten Lagers eingeschlossen. Efeu beheimatete einzelne Steinwände und lugte auch an den undichten Teilen der Brücke hervor, die zu alter Zeit beschädigt wurde. Es war ein wundervoller wie auch zu gleichen Teilen erschreckender Anblick, erkannte man doch schließlich daran, wie vergänglich das Leben an sich war. Ich wusste nicht, wie lange ich schließlich dort stand und meine Augen diesen Ort bewunderten, doch Duncan hatte die Brücke schon längst überquert und als ich es ihm gleichtat, begrüßte mich auch schon ein einfacher Soldat.

„Ihr müsst der Rekrut sein, von dem Duncan berichtet hat.“ Ein Grinsen glitt auf mein Gesicht.

„Haben eigentlich schon alle von mir gehört?“ Der Soldat lachte.

„Nun, wenn man alleine mit dem Kommandanten der Grauen Wächter reist, ist es nicht unüblich, dass man in allerlei Munde ist.“ Nun, seine Logik war ohne Frage stimmig.

„Wenn ich mit meinem Wächtergefährten Alistair in Kontakt treten wollen würde, wo würdet Ihr ihn derzeit vermuten?“

„Versucht es weiter nördlich, ich glaube, er sollte den Magiern eine Nachricht überbringen.“

„Habt Dank. Ich empfehle mich.“ Verständnis machte sich in seinem Gesicht breit.

„Natürlich. Passt auf Euch auf.“

„Ihr auch auf Euch.“ Eine nette kleine Unterhaltung und obwohl ich wusste, wo sich Alistair befinden sollte, war es schön, es noch einmal bestätigt zu bekommen und ich machte mich auf den Weg in die ungefähre Richtung. Soldaten, Priester, Magier, auch normale Bedienstete, ob menschlich oder elfischer Abstammung, traten mir entgegen, die sich ihren Weg durch das Lager durchwuselten, vermutlich auf Anweisung ihrer Vorgesetzten. Sie trugen allerlei Sachen mit sich herum und waren zielorientiert, in ihrem Tempo kaum zu stoppen.
 

„Ihr seid neu hier, oder?“, erklang eine Frauenstimme älteren Alters und meine Augen erblickten eine Magierin, erkennbar an der offensichtlichen Robe, die sich mit verschränkten Armen an einer hochgewachsenen Eiche abstützte. Ihr Haar war aschgrau und doch schien sie vom Gesicht her noch etwas jünger zu wirken, trotz der tiefen Falten im Gesicht, die sie ihr Eigen nannte. Wynne, drang mir wissentlich der Name der Frau durch den Kopf, während sie mich freundlich anblickte.

„Seid gegrüßt, junger Mann. Ihr seid Duncans neuester Rekrut, nicht wahr?“ Ein herzliches, fast schon großmütterliches Lächeln drang mir entgegen. Auch wenn ich wusste, dass man diese Frau nicht nach dem Äußeren bewerten sollte, denn sie hatte es noch faustdick hinter den Ohren, im positiven Sinne. Doch ehe ich etwas hätte sagen können, schob sie weitere Worte hinterher.

„Er ist kein Mann, der leicht zu beeindrucken ist. Ihr solltet stolz auf Euch sein. Erlaubt mir, mich vorzustellen. Ich bin Wynne, eine der Magierinnen, die der König hierhergerufen hat.“ Sie beendete ihren jüngsten Redefluss.

„Ich bin erfreut, Euch kennenzulernen, mein Name lautet Aidan und Eure Annahmen stimmen vollkommen“, bestätigte ich ihre beiden Fragen, ob ich neu sei und dass ich nun eben besagter Rekrut bin.

„Es ist mir eine Freude und ich wünsche Euch viel Glück auf dem Schlachtfeld. Genaugenommen wünsche ich das uns allen.“ Wie so oft am heutigen Tage und vermutlich würde es heute noch viel öfter geschehen, nickte ich.

„Ich verstehe, was Ihr meint und hege den gleichen Wunsch. Krieg ist grausam und bleibt stehts immer gleich.“ Für einen kurzen Moment schwiegen wir.

„Erlaubt mir die Frage, aber habt Ihr schon einmal gegen die Dunkle Brut gekämpft?“, beendete ich die kurze Stille, die zwischen uns herrschte.

„Ja, aber das nur gegen Nachzügler, nicht gegen die riesige Horde, von denen die Späher berichten. Ich frage mich, wie viel wisst ihr von der Verbindung zwischen der Dunklen Brut und dem Nichts.“ Oh, wollte sie fachsimpeln?
 

„Genug, um mir eine eigene Meinung zu bilden, zu wenig, um ein Meister des Faches zu sein. Jedes Mal, wenn wir schlafen, träumen wir und gelangen somit ins Nichts, dem Land, in dem die Geister und Dämonen hausen. Im Herzen des Nichts liegt die schwarze Stadt, der einstige Sitz des Erbauers, der jedoch durch tevinteranische Magier korrumpiert wurde. Sie selbst wurden durch ihre Sünden verdorben und erbost durch ihren Frevel schleuderte der Erbauer sie zurück auf die Erde, wo sie als die ersten der Dunklen Brut bekannt wurden.“ Zufrieden über mein Wissen lächelte sie.

„Ihr kennt die Ausführungen des Gesangs des Lichts, das ist gut. Vielleicht soll es als Sinnbild dienen, dass die Fehler in uns menschliches Leid verursachen, vielleicht ist es aber auch die Wahrheit. Für den Moment ist diese Erklärung für mich so gut wie jede andere.“

„Und es ist gut, über solche Sachen zumindest einmal nachgedacht zu haben.“ Sie lachte kurz leise auf.

„Ja, manchmal ist es weise, die eigenen Handlungen zu überdenken, aber ich bin mir sicher, dass Duncan mehr für Euch zu tun hat, als Euch mit mir zu unterhalten.“ War es nicht sie, die mich aufgehalten hatte?

„Ihr habt vermutlich recht. Ich werde dann mal weiter meine Pflichten erfüllen. Gehabt Euch wohl und bis zum nächsten Mal, Wynne.“
 

„Möge der Erbauer Euch auf Eurem Weg begleiten, Wächter Aidan.“ Und mit diesen abschließenden Worten entfernte ich mich von der Magierin. Nun, zumindest hatte ich schon einmal ein Gespräch mit ihr gehabt, so dass sie mich im Turm sogleich erkennen würde.

Aus dem Spiel erkannte ich noch den ungefähren Weg, den ich dann schließlich ging, auch wenn er weiter entfernt war als in selbigen. Doch recht schnell fand ich Alistair, der mir den Rücken zugedreht hatte und in einen Disput mit einem Magier verzettelt wurde.

„Was wollt Ihr, Wächter?“, fragte der Magier mürrisch. „Hat Euer Orden noch nicht genug vom Orden verlangt?“, zischte er auch sogleich hinterher. Der Wächter ließ seine Schultern hängen und seiner Kehle entwich ein leichtes Seufzen, hatte er vermutlich seine letzte Hoffnung, nicht in einen Streit gezogen zu werden, anhand der Laune des Magiers, verworfen.

„Um ehrlich zu sein …“, begann er nun, während mich die helle Stimme von ihm etwas überraschte, „… schickt mich die Ehrwürdige Mutter. Sie will mit Euch reden.“

„Ihre Heiligkeit sollte uns das selbst mitteilen und damit aufhören, uns zu beleidigen!“, wurde die Stimme des Magiers immer wütender.

„Stimmt, es ist ja so beleidigend, dass ich es bin, der Euch diese Nachricht überbringt.“ Zornig flackerten die Augen des Zirkelmitgliedes, ehe er mit mahnendem Finger auf seinen unfreiwilligen Gesprächspartner deutete.

„Solch Vorwitzigkeit steht Euch nicht zu!“ Alistair zuckte mit den Schultern.

„Nun gut, dann ersuche ich Sie eben um Schriftform, ehe ich Euch erneut aufsuche, um Höflichkeiten auszutauschen“, witzelte er nur, während ein genervtes Aufstöhnen aus der Kehle des Magiebegabten drang.

„Schon gut, ich begebe mich ja zu Ihrer Heiligkeit, doch lasst mich endlich in Ruhe!“, ein gespieltes Seufzen entwich Alistairs Kehle.

„Wir werden also keine Freunde mehr? Dabei dachte ich, wir verstehen uns so gut. Ich wollte sogar eines meiner Kinder nach Euch benennen. Das Übellaunige!“ Er schrie ihm fast schon hinterher, denn sein Gesprächspartner, der die eine oder andere Verwünschung vor sich her murmelte, war bereits auf halbem Wege, den Ort zu verlassen.
 

Und erst jetzt nahmen die aufmerksamen braunen Augen des Dunkelblonden meine Wenigkeit wahr und er trat auf mich zu. Er war ein kleines Stückchen kleiner als mein neuer Körper, dafür deutlich größer als mein vorheriger. Auf jeden Fall waren beides große Personen. Sein Körper war recht muskulös, bedeckt mit einer dicken Bänderrüstung aus Stahl. Ein großer Schild hing auf seinem Rücken, während sein Langschwert samt ein aus Nieten besetzter Lederhelm von seinem Gürtel her herumbaumelten.

„Das Schöne an der Verderbnis ist ja, dass sie die Leute zusammenbringt“, kam es erheiternd von ihm.

„Ich versteh, was Ihr meint. Man könnte sich fast schon heimisch fühlen, wenn da nicht die schlechte Stimmung und die drohende todbringende Gefahr wären.“ Alistair lachte.

„Sagt mir bitte, dass Ihr nicht auch ein Magier seid.“ Ungläubig hob ich meine Brauen in die Höhe und deutete auf meine Rüstung.

„Nun, mit meiner Rüstung wäre ich sicherlich der am besten geschützte Magier, aber nein, keine Sorge. Weder bin ich ein Magier, noch müsst Ihr befürchten angeschrien zu werden, heute steht mir nicht der Sinn danach, Leute grundlos anzuschreien.“ Noch immer war sein Gesicht erfreut, als ich das Aufblitzen in seinen Augen realisierte. Der Funke war übergelaufen.

„Wartet, jetzt weiß ich, wer Ihr seid!“, verkündete er das, was ich bereits erkannte. „Duncans neuer Rekrut aus Highever. Er hat Euch genau beschrieben. Freut mich, Euch kennenzulernen. Ich bin Alistair, erst seit sechs Monaten vollwertiger Grauer Wächter.“ Er reichte mir die Hand und ich ergriff sie sogleich, um sie zu schütteln.

„Es ist mir eine Freude, zukünftiger Kollege. Aidan mein Name.“ Alistair nickte.

„Richtig, das war der Name. Ich schätze mal, Ihr sollt mich zu Duncan bringen, um mit dem Ritual zu beginnen. Dann mal los, lassen wir ihn nicht zu lange warten.“
 

Und so war es dann auch. Wir liefen durch das Lager und unterhielten uns etwas. Als ich ihn fragte, was es mit der Situation mit dem Magier auf sich hatte, erzählte er mir, dass die Kirche keine Gelegenheit unversucht lässt, den Magiern zu zeigen, wie ungerne sie diese im Lager hatten und daher Boten schickten und er als ehemaliger Templer somit in eine besonders heikle Situation geriet. Auch sprachen wir noch im Lager mit so mancherlei Person: Zum einen war da eine Wache, die einen Deserteur bewachte, die ich überreden konnte, diesem etwas von seinem Essen abzugeben. Zum anderen ein Zwingermeister, dem ich half, einem Mabari einen Maulkorb anzulegen und der mich im Nachhinein darum bat, eine Blume aus der Korcari-Wildnis zu beschaffen, mit der er eine Heilsalbe für den Vierbeiner anfertigen konnte. Und als dies alles erledigt war, machten wir uns schlussendlich auch auf den Weg zu Duncan.
 

Als wir dann an Duncans Zelt angelangt waren, erkannten wir auch schon, wie selbiger uns zu erwarten schien. Mittlerweile waren die beiden anderen Rekruten, Daveth und Ser Jory, auch bei Duncan angekommen und erwarteten, dass sie so bald wie möglich zu neuen Wächtern ernannt werden würden, doch so einfach war es nicht. Wenn sie ahnen würden, was ihnen bevorstand, wären sie entweder schon längst geflohen oder es würde ihnen ergehen wie dem Desarteuer, den Alistair und ich getroffen hatten.

„Gut, nun da ihr alle seid, können wir ja beginnen.“ Der Älteste im Bunde nickte. „Vorausgesetzt natürlich“, fügte er mit einem missbilligendem Seitenblick auf Alistair gerichtet hinzu, „du musst keine weiteren Magier mehr verärgern.“ Alistair blickte seiner Vaterfigur entgegen.

„Was soll ich sagen? Die Ehrwürdige Mutter hat mich quasi gezwungen, mit ihnen zu reden. Sie weiß schließlich, dass ich ein Templer war, also war ich ihr Werkzeug, um die Magier zu beleidigen.“

„Hat sie dich auch dazu gezwungen, dich über ihn lustig zu machen, wir können uns keinerlei Uneinigkeit leisten“, mahnte der Ältere Wächter und blickte sowohl Alistair strafend an, wie auch jeden von uns für den Bruchteil einer Sekunde, als wäre dies eine Lehre, die uns allen galt und wir vertiefen sollten.

„Ihr habt ja Recht, Duncan, es tut mir leid“, antwortete der – nach seinem Gesprächspartner – Dienstälteste schuldbewusst, was Duncans finsteren Gesichtszüge versöhnlicher werden ließen.

„Wie auch immer, nun zu euren Aufgaben. Ihr werdet zuerst in die Korcari-Wildnis gehen und dort auf einige Kreaturen der Dunklen Brut treffen. Erschlagt sie und füllt drei Fläschchen mit dem Blut der Kreaturen. Das Blut benötigt ihr für den eigentlichen Beitritt und es ist Tradition, dass die Rekruten es sich selbst holen. Eure zweite Aufgabe wird es sein, in der Wildnis eine Turmruine zu finden, das einstige Archiv der Grauen Wächter, das seit der Schlacht von Ayesleigh, die die vierte Verderbnis beendete, verlassen steht. Dort werdet ihr eine Truhe vorfinden, deren Dokumente, die sie beinhaltet, hierherzubringen sind.“ Er erklärte in allen Ausführungen, als er fragend durch die Runde blickte, falls jemand noch eine eigene besaß.

„Was sind dies für Dokumente?“, wandte sich der Dieb an Duncan.

„Es sind Verträge, die gewisse Gruppierungen innerhalb Fereldens dazu verpflichten, den Grauen Wächtern während einer Verderbnis beizustehen. Sie wurden einst für reine Formalitäten betrachtet, aber nun brauchen wir sie vielleicht für den Fall, dass wir es nicht schaffen, die Dunkle Brut hier zu besiegen. Denn dann brauchen wir ein größeres Bündnis, um diese Kreaturen zu vernichten. Wenn ihr die Verträge und das Blut besitzt, kommt hierher zurück. Alistair wird euch begleiten, er weiß, wo sich das Archiv befindet. Und jetzt los, beeilt euch. Der Tag wird nicht mehr lange andauern und nachts beginnt die Schlacht.“ Wir alle nickten. Mein Blick richtete sich auf den Himmel. Nicht mehr lang? Innerhalb der Zeit in dieser Welt hatte ich mir auch angeeignet, die ungefähre Tageszeit einordnen zu können, was helfen würde, für unsere Reise. Es wäre sicherlich drei bis vier Stunden noch hell. Zeit genug, um die Aufgabe zu absolvieren.

Die beiden Rekruten, die gesessen hatten, standen nun auf und Alistair machte sich auf, uns die Richtung zu deuten. Und so begann unsere Aufgabe.
 

Wir, als Vierergespann, waren lange unterwegs. Die erste Zeit ging es noch, doch besonders das ständige Wehklagen der beiden Mitrekruten nervte auf Dauer, die sich darüber beschwerten, in einem Sumpf herumwateten zu müssen. Nicht gerade zur Verbesserung unserer Launen trugen die Leichen einiger Späher bei, die gegen die Dunkle Brut antraten und chancenlos unterlagen, wie man an den Leichen des großen Trupps und den wenigen Verlusten der verdorbenen Wesen deutlich erkannte. Wir drei Rekruten blickten die Leichen der Dunklen Brut genauestens an. Die Verformungen ihres Körpers, die Verderbtheit deutlich erkennend. Monstrositäten, die nur noch töten wollten. Es war das erste Mal, dass ich diese Wesen zu Gesicht bekam und es war ein leichtes Entsetzen in mir vorhanden, wenn ich bedachte, gegen solche in den Kampf treten zu müssen, doch es nutzte nichts. Es war eben meine Aufgabe. Doch was mich beruhigte war eben, dass sie sterben und bluten konnten. Auch wenn ihr Äußeres demoralisierend wirkte, machte der Gedanke an ihre Sterblichkeit wieder Hoffnung auf den Sieg, abseits meines Wissens. Auch war es spannend gewesen, als uns Alistair über die verschiedenen Arten der Dunklen Brut im Allgemeinen aufklärte, und uns verriet, weshalb er und Duncan dies für den Beginn einer Verderbnis hielten, da die Dunkle Brut taktischer vorging, wie man an den toten Spähern deutlich erkennen konnte.

Unser Taschendieb schlug vor, wir könnten doch das Blut von den Leichen abzapfen, doch an dieser Stelle war es an der Zeit für mich, zu handeln.
 

„Nein“, erklang meine Stimme in unserer kleinen Gruppe, weswegen mich meine drei Begleiter anblickten.

„Weshalb nicht? Sie sind hier, tot und bluten. Wenn wir es eh brauchen, weshalb nicht gleich direkt hier, wo wir die Möglichkeit haben.“

„Wenn wir, sobald wir die Verträge haben, auf unserem Weg keine der verderbten Kreaturen finden, meinetwegen, doch bevor wir dies wissen, das Blut von ihnen nehmen, ohne selbst etwas dafür getan zu haben? Wir sind zukünftige Graue Wächter, es ist unsere Aufgabe, uns diesen Monstern zu stellen. Wollt Ihr Euer neues Leben mit einer Lüge beginnen?“ Daveth musterte mich skeptisch, ehe er genervt seufzte.

„Nun gut, meinetwegen, machen wir es kompliziert. Aber ich merk mir diese Stelle, falls wir nicht auf diese verderbten Kreaturen stoßen sollten.“

„Darüber würde mich mir keinerlei Gedanken machen“, sprach nun Alistair, der sein Schwert zog und seinen Schild vom Rücken nahm. Ich tat es ihm nach, gefolgt von den anderen beiden, die auch zu begriffen schienen. Daveth hielt recht schnell einen Bogen samt Pfeil in den Händen, während unser Ritter natürlich ebenfalls ein Schwert und Schild in Händen hielt. Wir waren zumindest kampfbereit. Und tatsächlich, da kamen sie. Dunkle, finster lächelnde Kreaturen, die aus dem Dunkel der Bäume heraustraten, und uns gierig erblickten. Blut klebte, wie man unschwer erkennen konnte, an ihren Klingen und Kleidung und sie schienen sehr begeistert von dem Gedanken zu sein, das unsrige ihnen beizufügen. Eine etwas kräftigere, größere und erschreckendere Version seiner Geschwister, den man unschwer als einen Hurlock identifizieren konnte, stellte sich nach vorne und schien seine Begleiter zu kommandieren, als wäre er ein Anführer. Ein Alpha. Klasse. Und so einer sogleich in meinem ersten Kampf gegen diese Biester.
 

„Na, dann wollen wir mal“, kam es freudlos aus meinem Mund, als wir erkannten, dass die Biester auf uns zu rannten und wir es ihnen gleichtaten. Mit meinem ganzen Körpergewicht, meinen Turmschild in Händen haltend und unterstützt durch das Gewicht meiner Rüstung rannte ich auf den Ersten zu und rammte ihn auch sogleich, so dass er zu Boden geschleudert wurde. Innerhalb von Augenblicken hatte ich mich auf meinen Feind gestürzt und versank meine Klinge in seinem Hals, so dass nur noch ein kräftiges, nach Luft ringendes Blubbern durch das Blut in seinem Mund erklang. Ein ekelhaftes, Übelkeit hervorrufendes Geräusch, doch ich musste mich zusammenreißen, denn der nächste widmete sich mir. Eine etwas Kleinere, aber dafür umso breiter wirkende Gestalt lief mit einer Axt in Händen und einem finsteren Lächeln in seinem weißen, bleichen und fast grell wirkenden Gesicht auf mich zu. Dies war ohne Zweifel ein Genlock. Er schlug mit seiner Axt wie ein Verrückter auf mich ein und es schien, als würde er von Schlag zu Schlag stärker werden. Als testete er, wie viel Kraft er einsetzen müsse, was ein dämlicher Gedanke war. Als er gerade wieder ausholte und kurz vorm Einschlag war, schlug ich seine Hand mit meinem Schild weg, was ihn sichtlich zu überraschen schien, doch nicht so sehr wie das Schwert, das fast im gleichen Augenblick auf ihn zugeflogen kam und ihn einen Kopf kürzer machte. Zufrieden blickte ich zu meinen Begleitern herüber, um zu erkennen, wie weit sie waren, doch ich wollte meinen Augen nicht trauen. Anstelle, dass es weniger wurden, waren es immer mehr. Der Alpha, der überraschenderweise abseits stand, anstelle im Geschehen mitzuwirken, brüllte entsetzliche Laute hervor, was nun tatsächlich auf groteske Art und Weise wie das Brüllen von Befehlen wirkte, was es vermutlich auch war. Die drei waren ziemlich weit von mir und meiner Position entfernt und hatten auch die Mehrheit der Feinde sich gegenüberstehen.

„Ich habe Euch schon lange beobachtet“, drang sich der Gedanke in meinem Kopf auf. Sie hatte behauptet, im Spiel, dass sie die kleine Truppe schon lange aus Neugierde beobachtet hatte, also würde das hier und jetzt auch der Fall sein. Meine Augen blickten sich innerhalb von Sekunden von Baum zu Baum um, bis ich ganz in der Nähe eine Krähe erblickte, die mir in die Augen zu sehen schien. Gelbe Augen. Mir kam eine Idee.

„Helft mir, Magierin!“ Ich hatte in meinem jungen Leben noch nie eine überraschte Krähe gesehen, doch in diesem Moment schien dies der Fall zu sein.

„ALISTAIR, LAUFT ZU DEN RUINEN, ICH WERDE EUCH SCHON FINDEN!“ Für den Bruchteil einer Sekunde blickte mir der Blonde über die Entfernung entgegen, in dem Moment, in dem er eines der Monster erlöste. Er überblickte die Szenerie. Auch ihm war aufgefallen, wie viele es mittlerweile waren und spüren konnte er sie auch. Sein Blick galt nun den anderen beiden Rekruten, die mit der Situation auch überfordert wirkten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie überrannt worden wären. Er nickte mir entgegen, ehe er den Männern zurief und diese ihm hinterherrannten. Die Dunkle Brut tat es ihnen gleich, doch viele blieben auch stehen und wandten sich mir zu, leider auch die Bogenschützen. Also blieb auch mir nichts anderes übrig, als zu fliehen.

„Ich bin ein Grauer Wächter und wir sind hier wegen der Verträge für die Verderbnis, bitte helft mir und bringt mich zu den Verträgen!“, sprach ich an die Krähe gewandt, während mein Schild den ersten Pfeil abwehrte. Die Gefiederte schien nachzudenken, ehe sie mit ihrem Schnabel in die Richtung ihres Baumes deutete. Dort entlang! Also nahm ich sprichwörtlich die Beine in die Hand und rannte tatsächlich um mein Leben.
 

Es war eine reine Hetzjagd, die entstanden war, denn die verderbten Wesen hatten mich zu ihrer Beute erkoren und sie waren gewillt, mich zu erlegen, doch hin und wieder konnte ich mich verstecken und Vereinzelte erledigen, ehe mich erneut mehrere zum Ziel nahmen und ich rannte. Doch als ich schlussendlich an einer freien Fläche ankam, wo die Bogenschützen einfaches Spiel mit mir besaßen, änderte sich die Situation. Es waren fast nur noch die wenigen Bogenschützen übrig, weswegen ich rückwärtslaufend, meinen Schild vor mich haltend, lief. Ich wusste, ich könnte nicht ewig so weitermachen, als ich plötzlich das Aufschreien der Kreaturen wahrnahm und mein Schild vorsichtig herunternahm. Sie waren in Brand gesteckt worden und schrien aus vollem Leibe ihren Schmerz heraus, bis sie leblos umfielen.

„So, das hätten wir“, drang eine recht kalte Stimme in meine Ohren und ich erblickte sie. An einem Baumstamm gelehnt stand eine junge Frau, als sei sie geradewegs aus dem Boden gewachsen. Schwarz-rote Kleidung, gewebt aus Wildleder, die oberhalb der üppigen Oberweite nur mit Bändern über den Schultern befestigt war und die Arme frei ließ. Ihr pechschwarzes Haar war nach hinten zu einem Zopf gebunden worden, während ritueller Schmuck aus Federn und Tierknochen ihren Körper ebenfalls bedeckten und aus ihr eine noch wildere ungezähmte Schönheit werden ließ. Und das war sie gewiss, ein wahrer Blickfang, die genauestens wusste, dass sie mit diesem leichten Kleidungsstil so mancherlei Mann zu ihrem Spielzeug machen konnte. Ein Stab aus dunklem Holz hing an ihrem Rücken. Ihre gelben Augen blickten mich kalt und abschätzend an. Sie wusste einem das Gefühl zu geben, dass die Dunkle Brut, die nun nicht unweit leblos zu ihren Füßen lag, leichtere Feinde gewesen wäre als sie, wenn ihr mein Auftreten nicht gefiel.

„Ich danke Euch für Eure Hilfe.“

„Dankt mir nicht zu früh, ich könnte noch immer eine Bedrohung darstellen.“ Sie schnaubte, während sie sich vom Baum abstieß und sich mir näherte, mir direkt in die Augen blickend.

„Erstaunlich. Bisher hatte man mich noch nie erkannt, in meiner tierischen Form.“

„Ich habe die Eigenart zu spüren, wenn ich beobachtet werde. Und da diese Krähe, also Ihr, unglaublich aufmerksam war und diese Tiere sonst bei solch verderbten Wesen stets das Weite suchten, und wir uns hier in der Korcari-Wildnis befinden, waren meine Gedankengänge nicht sonderlich abwegig.“ Zugegeben, Krähen besaßen auch oftmals gelbe Augen, daher war es vielmehr Glück als Verstand gewesen, dass es sich hierbei tatsächlich um die Abtrünnige handelte.

Für einen kurzen Augenblick lag tatsächlich leichte Anerkennung aufgrund meiner Erläuterung in ihren Augen, ehe sie mich musterte.

„Ihr seid also ein Wächter?“

„Wächterrekrut“, korrigierte ich sie.

„Wir wurden hierhergeschickt, um unsere letzten Tests zu bestehen. Zum einen sollen wir drei Fläschchen mit dem Blut der Dunklen Brut mitbringen, zum anderen dann die Verträge aus dem Archiv, die sich in der dort vorhandenen Truhe befinden sollen.“ Sie nickte. Sie verstand.

„Nun, dann habt Ihr Glück. Zum einen liegen dort …“, sie deutete auf die toten Kreaturen, „… Eure Blutträger und meine Mutter hat die Verträge, von denen Ihr sprecht. Ich könnte Euch zu ihr führen.“ Ich machte eine höfliche Verneigung vor ihr.

„Das wäre großartig, wenn Ihr dies tun würdet, vielen Dank. Mein Name lautet Aidan. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ Amüsiert, vermutlich aufgrund meiner Verbeugung und der schnellen Einwilligung, ihr zu folgen, ohne etwas zu hinterfragen, blickte sie mich an.

„Morrigan. Doch weshalb sollte ich Euch helfen?“ Wollte sie wirklich überzeugt werden, obwohl sie doch selbst schon wusste, dass sie mir helfen würde? Nun gut, von mir aus.

„Nun, eine Verderbnis bricht an, ich bin ein angehender Grauer Wächter und wenn Ihr mir nicht helfen wollen würdet, hättet Ihr Euch niemals offenbaren müssen, sondern sogleich gehen können.“

„Vielleicht labe ich mich ja an Eurer Verzweiflung?“ Ich zuckte mit den Schultern.

„Und, tut Ihr es?“ Sie schien zu bemerken, dass ich sie in dieser Hinsicht durchschaut hatte und dies langweilte sie vermutlich.

„Nein. Folgt mir, ich bring Euch zu Mutter.“

 

 

Dies war die erste Begegnung, die ich mit Morrigan, der legendären Hexe unserer Truppe, hatte, die mich dann zu ihrer Mutter Flemeth führte, über die es so viele verschiedene Legenden gibt, die sicherlich auch Euch zu Ohren gekommen sind. Ich besorgte mir noch die drei kleinen Flaschen befüllt mit Blut der Verderbten Wesen und folgte der Magierin. Doch, so leid es mir tut, über diesen Teil, wie ich nun Flemeth das erste Mal begegnete und was ich mit ihr besprach, berichte ich Euch nicht, denn das würde zu sehr in das Schicksal der Welt eindringen, wenn Ihr dies erfahren würdet. Verzeiht.
 

Er legte für einen Moment die Feder weg und begann sich zu strecken. Ja, das erste Treffen mit Flemeth. Gerne dachte er an diesen, für ihn, historischen Moment zurück. Es war ein langer Fußweg gewesen, doch schon bald hatten sie die kleine Hütte der beiden, auf der Lichtung nahe dem kleinen See, erreicht und auch Flemeth schien sie schon zu erwarten.
 

Ich erkannte sie schon von weitem. Ihr ergrautes, schulterlanges Haar, die ärmliche Bauernkleidung und die stechend gelben Augen, die sie ihrer Tochter vererbt hatte. Wie die einer Krähe. Oder eines Drachen, drang es süffisant in meine Gedanken, wissend, dass die Hexe sich mühelos in selbiges Geschöpf verwandeln konnte.

„Mutter, ich habe dir einen Grauen Wächter mitgebracht, der …“

„Ich sehe ihn, Kind“, unterbrach sie ihre Tochter und musterte mich aufmerksam.

„Interessant.“ Sie schien mehr in mir zu sehen, als jeder der mich zuvor erblickt hatte.

„Sehr interessant.“ Ich wüsste gerne, was sie so interessant fand.

„Werte Mutter von Morrigan, mein Name lautet Aidan und ich bin ein angehender Grauer Wächter. Hergekommen bin ich mit dem Ziel, die Verträge zu erhalten, doch auf dem Weg wurden wir von Dunkler Brut angegriffen und zahlenmäßig überrannt, so dass wir uns voneinander trennten. Meine Kameraden sind auf dem Weg zu den Archiven oder auf der Suche nach mir.“ Flemeth wandte sich an ihre Tochter.

„Mädchen, du weißt doch, wo diese Ruine ist. Sei doch so gut und such seine Gefährten, er macht sich offenbar Sorgen.“ Die Schwarzhaarige wollte wohl scheinbar Protest einlegen, doch der Blick der Ergrauten ließ keinen Widerspruch zu und so verwandelte sich die Jüngere in eine Krähe und flog davon, so dass nur noch Flemeth und ich übrigblieben.

„Wir müssen reden, Flemeth.“ Sie blickte mich wissend an.

„Ihr wisst also, wer ich bin, und dies scheint Euch nicht einmal etwas auszumachen. Sagt, was hat es mit Euch auf sich.“ Ich nickte.
 

„Mein wahrer Name lautet Alexander Meyer und ich stamme aus einer anderen Welt, in der man tatsächlich über vieles aus der Vergangenheit wie auch Zukunft dieser Welt Bescheid weiß, obwohl man sie dort für die reinste Fiktion hält. Ich weiß weder wie noch warum ich in diese Welt gelangt bin, doch vor etwa einem Jahr erwachte ich in diesem Körper und lebte seither als Aidan Cousland.“ Sie schien über meine Worte nachzudenken.

„Ihr seid sehr offen mit Eurer Wahrheit mir gegenüber, obwohl Ihr doch eben wisst, wer ich bin.“ Ich lächelte.

„So bin ich. Egal was man sich sagt, ich vertraue Euch, da ich meine eigene Meinung über Euch hege und wenn jemand wissen könnte, was mit mir geschah, dann Ihr.“

„Weshalb sollte ich Euch glauben, aus einer anderen Welt zu stammen, nur weil ich eine zweite Seele, die Ihr in Eurem Körper tragt, erblicke?“

„Natürlich nicht“, lachte ich kurz und lächelte sie an.

„Ich kann Euch Sachen erzählen, die ich unmöglich wissen dürfte und auch von niemandem wissen kann.“

„Nun gut, da bin ich aber gespannt.“ Spielerische Freude breitete sich in ihrem Gesicht aus, gespannt darüber, welch Informationen ich besaß.

„Zum einen, als König Maric einst hier bei Euch landete, halft Ihr ihm unter der Bedingung, dass er zu Eurer Tochter Yavana solle, um ihr zu helfen. Euer Anliegen bestand darin, die hohen Drachen, majestätische und uralte Wesenheiten, ins Leben zurückzurufen, was nur durch sein Blut, das von der Calenhad Blutlinie abstammt, gelangt. Derzeit ist der König jedoch leider unpässlich in Gefangenschaft.“ Die Ältere war für einen Moment darin bemüht, ihre Überraschung zu verbergen, doch dann ließ sie ihre linke Hand eine fortfahrende Bewegung machen, das Zeichen mir gegenüber, dass sie gespannt schien, was ich noch wusste.

„Zum anderen weiß ich, wer Ihr seid, Lady Mythal.“ Nun war die Überraschung tatsächlich ein Besucher in ihrem Gesicht.

„Ermordet durch die selbsternannten Elfengötter, die Evanuris, die einst als Kommandeure anfingen – in einem schon längst vergessenem Krieg – und sie ihre Macht immer weiter ausbreiteten und horteten, bis sie sich zu Göttern erhoben. Ob Ihr dies ähnlich handhabtet, ist mir tatsächlich unbekannt, was ich jedoch weiß, ist, dass Ihr die Humanste unter ihnen allen bliebt, die mit Verstand und Bedacht, Mitgefühl, unter Ihnen lebte. Euer Tod war der Auslöser für Solas, den Schleier zu schaffen.“ Ehrliches Erstaunen lag in ihrem Gesicht.

„Ich glaube Euch“, entrann es ihrer Kehle. „Es gäbe keinerlei Möglichkeit für Euch, an selbiges Wissen zu gelangen, ohne die Möglichkeit, die Ihr behauptet, durch die Eurige Welt an diese Informationen gelangt zu sein.“ Mit einer Handbewegung deutete sie mir an, mit in ihre Hütte zu kommen. Dort angekommen bot sie mir einen Stuhl an und wir setzten uns an das Feuer.

„Der Mann, dessen Körper Ihr beherbergt, ist vorhergesehen, diese Verderbnis zu beenden, doch nun steckt Ihr in seiner Position. Ich frage mich, ob Ihr dieser Position gewachsen seid.“ Ich war überrascht. Flemeth hatte diese Bestimmung für den Wächter also sogleich gesehen? Die Wichtigkeit, die er im Gefüge der Welt einnahm?

„Ich auch. Ich würde diese Position an ihn gerne abtreten, wenn Ihr wüsstet, wie ich in meine Welt zurückgelange oder er seinen Körper zurückerhält.“ Sie blickte mir ernst ins Gesicht, ehe sich ihr Haupt schüttelte.

„Was die Sache mit Eurer Welt betrifft, vermag ich es Euch nicht zu helfen. Die Thematik, Eure Körper voneinander zu lösen, darüber allerdings müsste ich noch einmal genauer nachdenken.“ Ich nickte, verstand.

„Habt Dank.“
 

Wir schwiegen eine ganze Weile, unterhielten uns dann ab und an wieder über dieses und jenes Thema, bis wir zu einem anderem Gesprächsstrang gelangten.

„Ich kann die Lust auf Gefahr in Eurem Blick erkennen. Durch Euer Wissen frage ich mich, was Ihr zu tun gedenkt.“ Sie lenkte darauf ein, dass ich keine Möglichkeit sah, in meine Welt zurück zu gelangen.

„Ist eine Überraschung“, lachte ich.

„Ich hasse Überraschungen“, kam es trocken von ihr, als auch sie leise anfing zu lachen.

„Ihr mögt es, die Fäden im Hintergrund zu ziehen und in den wichtigsten Momenten in Kontakt mit entscheidenden Persönlichkeiten zu geraten, oder?“ Für einen Moment schien sie über ihre Aussage nachzudenken, die sie mir zur Antwort geben würde.

„Ich gebe zu, dass viele Persönlichkeiten der Geschichte in Kontakt mit mir traten. Durch Zufall oder Vorhersehung vermag ich es nicht zu sagen, und hin und wieder gab ich ihnen einen Schubs in die richtige Richtung. Ihre Ziele erreichten sie stets ohne mein Zutun.“ Mir war bewusst, dass sie ihr Licht deutlich unter den Scheffel stellte.

„Da ich jedoch schon sehr lange in dieser Welt wandle, erkenne ich Muster. Einen Zyklus des Schicksals, der sich hin und wieder zu wiederholen scheint. Deshalb wusste ich, dass König Maric mich besucht. Deshalb wusste ich, dass der Wächter, in dessen Körper Ihr nun lebt, die Verträge sammeln wollen würde. Und noch so vieles mehr, das einst geschah oder noch geschehen wird. Ihr vermögt es über die Zukunft zu wissen, doch ich kann die Spuren in ihr erkennen, was gewissermaßen vorteilhafter ist, denn könnt Ihr mit Sicherheit sagen, dass sie gleichbleiben wird, so wie Ihr sie kennt? Hat sich Euer Schicksal vielleicht mit dem der Zeit verbunden, oder gar verändert?“ Ich dachte über ihre Worte nach. Sie behielt recht. Es hatten sich schon Kleinigkeiten von dem Spiel abgewandelt. Die Leute, die in Highever durch mich am Leben blieben, anstelle zu sterben. Das Eintreffen der Kapellentruppen geführt von Mallol, oder hier nun der zähere, überzahlmäßige Angriff der Dunklen Brut, während ich sogar von meiner Truppe getrennt wurde und Morrigan vereinzelt traf. Nun hier saß, mit Flemeth, und über alles Mögliche sprach.

„Wisst Ihr, Flemeth, mir fällt da eine Geschichte über Mythal ein“, unterbrach ich die Stille, die durch mein Nachdenken aufgrund ihrer Worte in dieser Hütte eingekehrt war. Ihre gelben Augen fixierten mich aufmerksam.

„Mythal nahm einst der Jagdgöttin Andruil die Erinnerungen an den Schlund. Ist sie auch dazu fähig, einem Erinnerungen zu schenken?“

„Worauf wollt Ihr hinaus?“, fragte sie neugierig, interessiert darüber, in welche Richtung dieses Gespräch verlaufen würde.

„In meinem Wirken auf diese Welt bin ich sicherlich nicht ohne triftigen Grund in diese gelangt, werde ich, später einmal sogar intensiv, mit Elfen zu tun haben. Ich würde gerne ihre Sprache sprechen. Sie verstehen. Elfen sind ein argwöhnisches Volk. Wenn ich ihre Sprache sprechen würde, besäße ich größeres Vertrauen von ihnen.“

„Dann lernt sie doch.“ Amüsiert blickte ich die Elfengöttin an.

„Oh, ich dachte vielmehr daran, wenn ich zufällig einmal von jemandem von einem großen Turm aus gerettet werden würde und ohnmächtig im Schlaf innerhalb einer kleinen Hütte im Sumpf lag, könnte man mir doch diese Sprache in das Gedächtnis pflanzen, am besten an diese Seele gebunden, für den möglichen Fall der Körpertrennung.“ Die Ältere seufzte auf, als sie nickte.

„Ich werde darüber nachdenken.“

„Mehr verlange ich nicht, vielen Dank.“ Doch mit einem Mal vernahmen wir mehrere Stimmen außerhalb der Hütte.

„Das müssen Eure Kameraden sein.“

„Ja, unverkennbar“, antwortete ich, die Stimmen der anderen Wächter vernehmend. Flemeth drückte mir die Verträge in die Hände und wir traten aus der Hütte heraus.
 


 

Glücklich dachte er an diese Zeiten zurück. Ja, er hatte sich jemandem offenbaren können und hatte über sein Wissen sprechen gekonnt. Die Hexe war eine gute Gesprächspartnerin wie auch Zuhörerin, und wie er selbst wusste, würde er sie noch das eine oder andere Mal treffen, nicht nur in seinen Erinnerungen, die er in Textform an die zukünftige Göttliche schicken würde. Sein Blick glitt zu seiner Freundin, die am anderen Ende des Zimmers saß, mit einem Buch in den Händen. Seinen Blick auf sich spürend blickte der Rotschopf zu ihm herüber und sie beide lächelten einander an, doch auch nur kurz, dann streckte er sich erneut, nahm die Feder wieder zur Hand und widmete sich den Papieren vor sich. Es war an der Zeit weiterzuschreiben.



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