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Worlds Travel ~ Band Eins: My new Destiny

von

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Chapter 03 ~ ... vor dem Sturm

Ein Aufschrei hallte durch die Gänge des Schlosses, der mich aus dem Schlaf riss. Augenblicklich realisierte ich, wodurch dieser zustande kam: durch den Verrat des Arl Howe. Zum ersten Mal in meinem so jungen Leben musste ich zugeben, dass es praktisch war, einen leichten Schlaf zu besitzen und zumeist direkt nach dem Aufwachen Herr seiner Sinne zu sein. Alles direkt einordnen zu können. Normalerweise konnte selbst ich am Morgen ein Getränk gebrauchen, das mich etwas mehr in die Welt der Aufmerksamen, der wachen Leute führte, bevorzugt Kaffee. Jedoch wenn es um etwas Bestimmtes ging wie zum Beispiel um einen Termin in der Früh, dann wusste ich sofort, sobald ich erwachte, was getan werden musste, wie auch jetzt. Sofort riss ich meine Bettdecke hoch, sprang aus dem Bett und ging mit schnellem Schritt auf die Kiste zu, in welcher meine Rüstung gelagert wurde, und versuchte, diese mir selbst, so schnell es ging, anzulegen. Sprich ein Kettenhemd samt den schützenden Rüstungsteilen, welche aus einem Harnisch, beiden Armschützern, einem Waffenrock für die untere Hälfte und schlussendlich aus meinen Stiefeln bestanden. Die komplette Rüstung ließ ich mir vor mehreren Monaten, vorsorglich auf diesen Tag bedacht, aus Veridium anfertigen. Und nun würde ich sehen können, ob diese Rüstung auch ihr Geld wert war. Doch nach all dem Lärm, welcher von draußen kam, den sein Mabari verursachte und schlussendlich auch ich, wachte Iona auf und blickte nur zu mir.
 

„Was ist los, ist etwas passiert?“, stellte sie verwirrt ihre Frage, als sie auf mich, bekleidet in voller Montur, blickte.

„Zieh dich schnell an, wir werden angegriffen. Wenn du angezogen bist, stell dich hinter mich, ich will nicht, dass dir etwas passiert.“ Ich sprach ehrlich zu der Elfin, die mich mit erschrockenen und geweiteten Augen anstarrte und dann doch meinen Anweisungen folgeleistete. Mein Blick richtete sich nun auf meinen Vierbeiner.

„Skipper, du weißt, was zu tun ist?“ Als wollte er es mir bestätigen, bellte er nur kurz und seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder der Tür zu, darauf bedacht, nicht zu verpassen, falls sich jemand mit Gewalt Eintritt verschaffte. Ich nahm noch kurz mein Schwert, dies war kein besonderes, sondern ein normales, welches auch den Wachen zur Verfügung stand, wie auch einen Schild. Mir war bewusst, dass ich einen Schild brauchen würde, falls ich, und das würde ich, gegen Bogenschützen oder Magier in den Kampf zog, was tatsächlich auch schon heute Nacht der Fall war. Doch im Gegensatz zu meinem Schwert, welches keine Besonderheiten aufwies, hob sich mein Schild von dem der Wachen ab, denn vorsorglich hatte ich ein stabileres, um genauer zu sein, ein Turmschild. Diese großen und rechteckigen Schilde bestanden aus mehreren verleimten Holzbrettern, doch zur Erhöhung der Stabilität war der Schild mit einigen metallenen Bolzen verfestigt worden, samt eines metallenen Rahmens. In der Mitte des Schildes befand sich eine rechteckige, bronzene Platte, welche bei direkten Treffern die Stabilität zusätzlich gewährleistete. Als ich nun meinen Schild und das Schwert in den Händen hielt, war ich auch schon bereit loszustürmen, doch nun kam mir ein Moment des Grübelns in den Sinn. Wenn ich nun losstürmte, gerade durch meine schnelle Reaktion auf die aufkommende Bedrohung, könnte ich Oriana und Oren vermutlich noch retten, ehe die Soldaten sie töteten. Dies jedoch würde mir das Überraschungsmoment nehmen, wenn die Männer meine Tür eintraten und mich plötzlich überraschend in voller Rüstung betrachteten und ich sie in diesem Moment der Verwunderung einen nach dem anderen abpflücken würde. Was sollte ich tun? Viel Zeit blieb mir nicht zum Nachdenken, denn sonst würde das Schicksal selbst eine Entscheidung treffen.

Mit meinen blaugrauen Augen blickte ich in das besorgte Gesicht der Elfin, welche mit mir das Nachtlager geteilt hatte.
 

„Verdammt, tragt meine Tasche!“, sprach ich den letzten Teil an die Elfin gewandt, da ich nun kämpfen musste und den unnötigen Ballast meiner Tasche auf dem Rücken nicht gebrauchen konnte, als ich mich in Bewegung setzte und die Tür aufriss. Ich hatte meine Entscheidung gefällt: Ich wollte Oriana und Oren retten. Sie beide waren stets nett zu mir gewesen und ich war es Fergus schuldig, denn auch er war für mich wie eine Art Bruder geworden. Und was noch schlimmer für mich war: Ich war es dem jungen Cousland schuldig, in dessen Körper ich mich befand. Er hatte es verdient, dass nicht nur sein Bruder überlebte, sondern dass er auch einen etwas größeren Teil seiner Familie besaß, wenn eben nicht seine Eltern. Oriana und Oren würden die Geschichte nicht belasten und die Nachfolge von Highever war gesichert. Ob Eleanor diese belasten würde, vermochte ich nicht zu sagen, war diese Welt zwar noch immer mittelalterlich, doch galt hier schon ein gewisser Fortschritt in der Gleichheit der Frauen im Vergleich zu meiner Moderne. Doch um sie brauchte ich mir keine Gedanken machen, denn sie würde ohnehin beim sterbenden Bryce bleiben. Doch eben Genannter, Bryce Cousland, würde mit seinem Überleben die gesamte Geschichte gefährden. Er würde nicht stillsitzen und abwarten können, bis sein Sohn soweit in der Geschichte sein würde, sondern er würde direkt versuchen, die Verräter zur Strecke zu bringen. Sein gutes Recht und als Teyrn sogar möglich, doch dann wüssten Loghain wie auch Howe, dass die Couslands überlebt hatten und dies würde das Überraschungsmoment zunichtemachen. Es wäre schon schlimm genug, als Grauer Wächter geächtet zu sein. Dann noch alle Glaubwürdigkeit als Spross eines Mannes, der laut ihrer Lügenmärchen Hochverrat beging, zu verlieren, wäre nicht gerade profitabel in der Unternehmung, das Land zu einen. Diese Schlüsse bedeuteten nur eines. Jeder in diesem Schloss durfte überleben, nur nicht die Oberhäupter der Couslands, so schwer es mir auch fiel.
 

Mein Blick lag nun auf den drei Soldaten, die versuchten, die Tür zu Fergus‘ Zimmer zu öffnen. Anscheinend hatten sie noch nicht mitbekommen, was auf sie zukommen würde. Zum einen mein Mabari, welcher sie einfach zerfleischen würde, und zum anderen meine Person. Ich hatte dieses gesamte Jahr darauf hingearbeitet wie ein Verrückter, meine Kampffähigkeiten zu verbessern, so dass ich einen würdigen Wächter abgeben konnte und hoffentlich auch würde.

Schnellen Schrittes rannte ich auf einen der beiden Soldaten zu, die sich an der Tür zu schaffen machten. Sie versuchten vermutlich, diese leise zu öffnen, um die beiden Zimmerbewohner still zu töten, so dass sie sich danach schnell um mich kümmern konnten, da sie wussten, dass Aidan Cousland alles andere als unbegabt in der Kunst des Kämpfens war. Doch wie zu erwarten, wenn ein Mann in einer Rüstung auf jemanden zu rannte, machte dies besonders viel Lärm, weswegen ich auch schnell entdeckt wurde. Für den außenstehenden Bogenschützen war dies jedoch zu spät, denn mein Hund war deutlich schneller als meine Beine oder jegliche Reaktion, die von den Soldaten hätte kommen können, und schon wurde dieser umgerissen. Doch länger konnte ich mich darauf nicht konzentrieren, denn mit meinem Schwert ging ich zum Angriff über. Zum Glück des attackierten Soldaten konnte dieser gerade noch zum richtigen Zeitpunkt sein Schwert hochziehen, um meinen Angriff zu parieren. Doch mit meinem Turmschild, welches einiges an Gewicht mit sich brachte, riss ich ihn auch sogleich zu Boden, indem ich ihm selbigen gegen den Kopf schlug. Zeit genug für mich, diesen für kurze Zeit zu ignorieren und mich dem anderen Soldaten zuzuwenden, welcher ebenfalls ein Schild und Schwert in Händen hielt. Panik war in seinen Augen zu erkennen, denn immerhin hörte er wie sein Kamerad nicht unweit von ihm dabei war, zerfleischt zu werden, während der andere noch leicht benommen durch den Treffer des Turmschildes auf dem Boden lag.
 

Mit meinem Schild voraus schritt ich langsam auf ihn zu, wodurch der Feind immer weiter zurückgedrängt wurde. Mit dem Schwert fing ich nun an, schnell auf ihn einzuschlagen, wodurch der Gegner verzweifelt seinen Schild nach oben hob, doch nicht mit mir. Auf diese Verzweiflung hatte ich nämlich spekuliert und war bereit, dies, ohne zu zögern, auszunutzen, indem ich meinen Schild unter seinen klemmte und er dazu gezwungen wurde, seinen Arm weiter in die Höhe zu heben. Dadurch verwirrt, dass er seinen Arm nicht mehr anders anwinkeln konnte und somit nur sein Schwert zum Schutz besaß, war ich in der Poleposition. Mit meinem Schwert fing ich erneut an, ihn zu bearbeiten, und dadurch, dass das Schild des Soldaten eingeklemmt wurde, konnte er auch nicht fliehen, außer er würde diesen fallenlassen. Doch auch das Einschlagen meiner Schläge spielte ihm übel mit, weswegen er nach ein paar Kräftigen hieben dazu gezwungen wurde, sein Schwert fallen zu lassen. Entsetzt weitete der in diesem Kampf unfreiwillig zum Verteidiger Gemachte seine Augen, hatte er seinen groben Fehler doch soeben selbst bemerkt. Doch da war es auch schon zu spät. Dank Aidan Couslands Körpergewicht samt dem Vorteil des Schildes, drückte ich ihn nach hinten, wodurch er somit durch die Überraschung dieser Belastung, welche auf ihn zukam, stolperte und zu Boden fiel, nun auch seinen Schild fallenlassend. Langsam schritt ich auf ihn zu und durchstieß seinen Torso.

Dies war das erste Mal für mich, dass ich jemanden tötete. Und mitbekommen, wie jemand auf diese Weise im Kampf getötet wurde, hatte ich ebenfalls noch nie, weswegen ich ihn nun sehr genau beobachtete. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass man dafür verantwortlich war, dass diese Person nie wieder seine Familie oder seine Freunde besuchen konnte. Dass er nun hier lag und sich nie wieder von selbst richtig bewegen würde. Wie seine Augen aufgeregt herumwanderten in der Verzweiflung, dies möge doch alles nur ein böser Traum sein. Dies alles spielte sich in Sekunden ab, doch für mich kam es deutlich länger vor. Er war die erste Person, die von mir getötet wurde, und gewiss nicht die letzte. Doch wie bei so vielen anderen auch wusste ich, dass ich diesen Mann nicht mehr aus dem Kopf bekommen würde. Der erste Tote war die Person, die am prägendsten war. Doch egal, wie sehr ich darüber nachdachte, es befand sich kein Bedauern in mir. Es mochte vielleicht seltsam klingen, doch auf irgendeine seltsame Art gefiel es mir sogar, denn ich wusste, dass diese Person mich, ohne zu zögern, wenn sie gekonnt hätte, ebenfalls getötet hätte. Vermutlich sogar auf grausame, unanschauliche Weise. Ich war mit seinem Durchlöchern des Torsos, wie ich selbst fand, auf gewisse Weise sogar noch recht gnädig gewesen.
 

Ich wendete meinen Blick von dem Kerl ab, der in wenigen Augenblicken ohnehin verblutet sein würde, und meine Iriden blickten auf den letzten der verbliebenen Soldaten. Er zitterte am gesamten Leib, denn er wusste, dass er keinerlei Chance besaß, immerhin würde er vom jüngsten Cousland und dessen Mabari angegriffen werden. Vorsichtig legte er aus diesem Grund, seine Chancenlosigkeit erkennend, sein Schwert und Schild auf den Boden und hob seine Hände in die Luft.

„Ich ergebe mich!“, rief er, vermutlich denkend, dass ich nicht wusste, dass bereits das gesamte Schloss von ihnen angegriffen wird und er nur darauf wartete, einen von ihnen töten zu können. Vielleicht spekulierte er sogar auf das Zeitspiel, dass ich ihn solange ausfragen würde, bis seine Verstärkung kam. Falsch gedacht. Skipper blickte mich, sein Herrchen, an. Anscheinend wartete er auf meinen Befehl, meine Meinung, was mit diesem Kerl geschehen sollte. Mit einem Kopfnicken in die Richtung des Soldaten verstand der Mabari augenblicklich, doch auch der Soldat verstand, dass sein Schicksal soeben entschieden wurde. Zu seinem Pech war der Mabari deutlich schneller bei ihm als er bei seiner Waffe, weswegen es für Skipper ein Leichtes war, den Unbewaffneten zu erledigen. Kurz schaute ich diesem Schauspiel zu, das sich mir darbot, bis ich die Elfin erblickte, die gerade vorsichtig aus meinem Zimmer trat und meinen Rucksack auf dem Rücken trug.

„Bei Euch alles in Ordnung?“, fragte ich sie, während der Schock deutlich die Oberhand in ihrem Gesicht zu gewinnen schien.

„J-ja.“ Iona nickte zaghaft, doch sie behielt respektvollen Abstand zu mir. Vermutlich hatte ich sie durch meinen Kampf, geschweige denn durch meine Reaktion, den Mabari auf den Soldaten zu hetzen, etwas eingeschüchtert. Doch das interessierte mich nicht wirklich. Sie lebte, das war die Hauptsache. Wenn sie nun ein Leben lang Angst vor mir besaß, meinetwegen, Hauptsache ich konnte helfen, dass ein Kind – und in ihrem Fall ihre Tochter – eine Mutter besaß und behielt für die Zukunft.

Meine Schritte trugen mich zu der Tür, welche in Fergus Zimmer führte, und kräftig klopfte ich an dieser an.

„Oriana, Oren, macht die Tür auf, ich bin es, Aidan, hier draußen ist es sicher“, erklang es aus meiner Kehle, als ich mich auch schon wieder von der Tür abwandte und der Tür zuwandte, die in das Schlafzimmer von Eleanor und Bryce Cousland führte und auch an dieser klopfte.

„Mutter, du kannst rauskommen.“ Ich war mir sicher, dass sie die Stimme ihres Jüngsten erkannte, weswegen ich auch nicht begann, meinen Cousland-Namen auszusprechen.

Und sofort öffneten sich beide Türen. Während Eleanor in einer Rüstung vor mir stand und ihren Bogen geschultert hatte, samt dem dazugehörigen Kescher, standen Oriana und Oren in normaler Kleidung in ihrer Tür und schauten uns aus ängstlichen Augen an.
 

„Was ist hier los, Aidan? Ich habe Schreie gehört und …“ Eleanor hielt inne, als sie die drei Leichen der Soldaten erkannte. Ihr Blick fiel auf eines der Schilder, welches das Wappen des Arls von Amaranthine, Howes Wappen, trug.

„Der Arl hat uns verraten. Seine Männer kamen nicht zu spät. Er hat es so geplant, um Highever zu übernehmen.“ Eleanor analysierte die Gesamtsituation binnen Sekunden und in ihren Augen loderte die Wut.

„Dieser Bastard, ich werde ihm seine verräterische Zunge herausschneiden!“, entwich es ihrer Kehle, sonst so bedacht darauf, keinerlei Schimpfwörter zu sagen und wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich nun vermutlich gelacht.

Ich wandte meinen Blick zu Oriana und Oren.

„Wenn ihr beiden noch etwas mitnehmen möchtet, dann beeilt euch. Mutter, du auch. Iona, hilf ihr. Uns bleibt nicht viel Zeit. In einer Minute gehen wir.“ Erst jetzt bemerkten alle Beteiligten die Anwesenheit von Iona, die mitten im Gang stand und sie konnten alle eins und eins zusammenrechnen. Abgesehen von Oren, der noch viel zu unschuldig war und, so hoffte ich, noch lange darüber nicht Bescheid wissen würde.

„In der Truhe deines Vaters könnten noch ein paar Sachen sein, die wir brauchen“, sprach Eleanor zu mir und zu dritt gingen wir auf die Truhe zu.
 

Als wir einiges fanden wie zum Beispiel Geld für später, was wir alles in meinen Rucksack packten, gingen wir erneut auf den Flur, in welchem auch bereits Oriana und Oren auf uns warteten. Es war für mich etwas seltsam, dass in dieser Situation, in welcher normalerweise nur noch Eleanor und mein Mabari dabei sein sollten laut dem Spiel, nun noch drei weitere Personen dabei waren, doch dies war nun einmal mein verdammter Beschützerinstinkt für Personen, die ich mochte. Ich war ab und an einfach zu gut für diese Welt. Manchmal verfluchte ich mich selbst dafür.

Wortlos liefen wir durch den kurzen Gang, welcher uns näher an die anderen Orte dieses Schlosses führte und als ich die Tür aufstieß und wir nun die Burgmauern erkannten, konnte man das laute Schlagen von Metall auf Metall hören, das von den Wänden stetig widerhallte. Sie kämpften überall. Auch das Knistern von Feuer war zu vernehmen und wenn man etwas genauer auf die Mauer blickte, konnte man auch von diesen das helle Licht des Feuers vernehmen, welches gerade bei uns ums Eck brannte.

„Sie sind überall, wir müssen Bryce finden und dann fliehen!“, vernahm ich Eleanors Worte, welche an mich gerichtet waren.

„Wir sollten zur Haupthalle gehen! Bryce ist mit Howe gemeinsam länger aufgeblieben. Wenn ihm etwas …“

„Mutter!“ Sie schrak zusammen, aufgrund meines lauten Tons, ehe sie mir ins Gesicht blickte.

„Denk erst gar nicht an so etwas! Er lebt! Und genau deshalb sollten wir nun umso schneller nach ihm suchen. Also mir nach!“ Sie nickte. Ich brauchte mich auch nicht umzudrehen, um zu wissen, dass unsere restlichen Begleiter mir ebenfalls folgten. Mir behagte zwar nicht ganz, was ich zu Eleanor gesagt hatte, schließlich lag Bryce schon im Sterben, doch gelogen hatte ich schließlich auch nicht.

Als wir kurz davor waren, um die erste Ecke zu gelangen, kam einer der Bediensteten und blieb im Gang stehen, nur um das Wort an seine Herren zu richten.
 

„Wir werden angegriffen!“, sprach er das Offensichtliche aus.

„Ich … ich fliehe jetzt und Ihr solltet das auch tun!“ In seiner Stimme lag die Verzweiflung und Angst, die er verspürte. Er wollte einfach soweit wie möglich von hier weg und da war er sicherlich nicht der Einzige. Mir tat zwar leid, was ich nun tat, doch ich musste dafür sorgen, dass wir einen weiteren Vorteil besaßen und ein weiteres Leben, das uns schützen konnte, war eben ein weiteres Leben entfernt vom Tod. Vielleicht, wenn er sich nicht zu blöd anstellte, würde er auch überleben.

„Feigling! Dieses Schloss ist auch Euer Zuhause. Bleibt hier und kämpft mit uns!“ Ich schrie ihm entgegen, wodurch der Bedienstete sichtlich am Überlegen war.

„J-Ja Sir, Ihr habt recht.“ Panisch blickte er zu seiner Linken, ehe er anfing, ein „DA SIND SIE!“ zu schreien, und den Feinden mutig entgegentrat, von der Furcht von vor wenigen Augenblicken keine Spur mehr hinterlassend. Nun war keine Zeit zu verlieren. Ich hatte diesen Mann dazu gebracht zu kämpfen, nun würde ich ihn auch unterstützen. Nicht zu sehr als Kanonenfutter dienen lassen.

„Wartet hier!“, befahl ich Iona, Oriana und Oren, die einzigen im Bunde ohne Waffe, während Eleanor und ich selbst samt meines Mabaris um die Ecke rannten. Der Mann, welcher fliehen wollte, konnte einem fast schon leidtun. Er versuchte, die Männer in den Rüstungen mit seinen bloßen Fäusten zu besiegen, weswegen es an der Zeit war, einen dieser Männer so schnell wie möglich zu erledigen, damit dieser Mann auch einmal eine Waffe erhielt, um sich effektiv im Kampf zu beteiligen, auch wenn er vermutlich nicht richtig mit dieser umzugehen wusste. Doch ich besaß lieber einen Verbündeten mit Waffe, der damit nicht umgehen konnte, als einen unbewaffneten, der ohnehin keinerlei Schaden zufügte. Und dass er die Möglichkeit auf eine baldige Waffe erhielt, kam deutlich schneller als erwartet. Denn Eleanor musste erkannt haben, dass einer der Soldaten seinen Schild nicht hochgezogen hatte, geschweige denn auf uns achtete, und deshalb seinen Kopf völlig ungedeckt hielt. Und dies wurde ihm zum Verhängnis, denn nun zierte ein Pfeil sein Gesicht. Die Soldaten, welche durch das Umkippen ihres Kameraden auf die weiteren Verteidiger dieses Schlosses aufmerksam wurden, wurden in der gleichen Sekunde ein weiteres Mal überrascht, denn zu spät hatten sie den Mabari bemerkt, der nun schon bei ihnen angekommen war und einen weiteren Soldaten zu Fall brachte. Der Letzte wusste nicht, wie ihm geschah. Was sollte er tun? Weiterhin auf den Mann achten, der mit Faustschlägen den Kampf gegen ihn wagte, auf die Bogenschützin achten, die kurzen Prozess mit seinem Kameraden gemacht hatte oder nun seine Aufmerksamkeit auf den Schwertkämpfer mit dem Schild richten? Er konnte einem schon fast leidtun, wenn er nicht auf der falschen Seite stehen würde, doch ich machte ihm die Entscheidung nun sogar noch schwieriger. Immerhin war ich schon bei der Leiche des Feindes angekommen und ließ das Schwert des gefallenen Soldaten über den steinernen Boden schlittern, in die greifbare Nähe des Faustkämpfers. Und ehe der Soldat diesen nur daran hätte hindern können, bekam er auch schon einen Schwerthieb von mir zu spüren, der ihn, so unvorsichtig wie er ihm gegenüber zu sein schien, ins Wanken brachte. Und kaum war sein Blick nun auf mein Haupt geheftet, sackte er auch schon leblos zu Boden, während ein Pfeil aus seinem Hals ragte. Mit Anerkennung im Blick schaute ich zu meiner neugewordenen Mutter. Sie hatte soeben zwei von drei Soldaten erledigt. Und wenn sie mir jetzt noch erzählte, dass sie außer Übung wäre nach all den Jahren, würde ich meinen Schild gegen ihren Kopf schlagen, das schwor ich mir im Gedanken.
 

Eleanor ging noch einmal um die Ecke und holte unsere zurückgelassenen Kameraden. Und als sie bei uns waren, gingen wir weiter den Weg, doch als wir bei einer Weggabelung ankamen, blieb ich stehen, was mir der Rest auch sogleich gleichtat. Nun, ich war wohl stumm zum Anführer unserer kleinen Gruppe ernannt worden.

„Mutter, wäre es nicht besser, wenn wir in die Schatzkammer gehen würden?“ Die Augen der Ältesten in der Runde weiteten sich.

„Eher würde ich Howe damit enthaupten, als dass er das Familienschwert in die Finger bekommt. Hier, der Schlüssel.“ Sie drückte mir den Schlüssel in die Hand, mit welchem man Einlass in die private Schatzkammer der Couslands erhielt, und augenblicklich näherten wir uns besagter Kammer. Die beiden Wächter, die diese Kammer bewachen sollten, lagen bereits tot auf dem Boden. Es war heute einfach ein trauriger Tag. Viele gute Männer und Frauen verloren bereits ihre Leben und weitere würden folgen. Und das alles wegen etwas Macht, die ein skrupelloses Arschloch, wie es nun einmal Howe war, besitzen wollte. Ich wandte meinen Blick von den Soldaten ab und machte mich daran, mit dem Schlüssel die Tür aufzuschließen. Und kaum war diese offen, staunte ich nicht schlecht, wie viele Truhen es hier gab. Nur einmal war ich hier an diesem Ort gewesen und selbst da war ich überrascht gewesen, wie es hier aussah.

„Wichtig ist nur die hinterste Truhe, in den vorderen sind nur ein paar Waffen wie Äxte zum Beispiel“, teilte die Mutter des Couslands mit und wir machten uns auf zu besagter Truhe.

Als ich diese öffnete, erkannte ich auch sofort das Familienschwert der Couslands. Es war etwas ganz Besonderes. Es strahlte förmlich. Zum Glück war es ein normaler Einhänder und kein Zweihänder, wie es im Spiel gewöhnlich der Fall war. Oder irrte ich mich und es war tatsächlich schon immer ein Einhänder gewesen? Ich konnte nun einmal auch nicht alles wissen trotz meiner etlichen Durchgänge in dieser Spielereihe.

Sofort schmiss ich mein Schwert, das ich schon die ganze Zeit in den Händen hielt, beiseite, und nahm das Familienschwert in Anspruch. Es würde mir sicherlich bessere und nützlichere Dienste erweisen als das Schwert, das ich schon die ganze Zeit bei mir trug. Doch ebenfalls befand sich in der Truhe noch mehr Geld, auch ein paar Pfeile und Amulette wie Ringe. Während ich meiner Ziehmutter die Pfeile in die Hand drückte, verstaute ich den restlichen Inhalt in den Rucksack, den Iona in meinem Namen mit sich trug. Diese Sachen würde ich Howe nicht überlassen, unter keinen Umständen.
 

Als die Truhe auch schon leer war, lief ich an meinen Begleitern vorbei und durch die Tür hinaus. Es musste sich immer jemand von den Kämpfern vorne befinden, so dass sich jemand an der Front befand, um die Schutzlosen zu beschützen. Und wie es schien, war dies auch notwendig, kamen auch schon die nächsten Angreifer, die uns entdeckt hatten. Doch dieses Mal war zu unserem Bedauern auch ein Mabari dabei. Und als der erste gerade direkt auf mich zu rannte und umschmeißen wollte, wurde dieser von Skipper attackiert und zur Seite gestoßen. Die beiden Kriegshunde lieferten sich einen erbitterten Kampf, doch meinen treuen Begleiter konnte ich leider nicht unterstützen, denn ich war zu sehr mit dem Parieren der Angriffe der bereits herangestürmten Soldaten beschäftigt, die mich gnadenlos mit Schwerthieben bearbeiteten. Sie drängten uns soweit, dass wir wieder in den Raum gelangten, der in die Schatzkammer führte, und ich befand es für taktisch klug, sich im Türrahmen zu positionieren, um ihnen keine Möglichkeit darzubieten, unsere kleine Gruppe zu umzingeln. Ich wusste zum ersten Mal nicht, was wir tun sollten, tun konnten, und wirklich über eine Möglichkeit nachdenken konnte ich auch nicht aufgrund der Konzentration und Belastung, die ich auf die Verteidigung legen musste. Vor uns waren Männer, die uns nach dem Leben trachteten, ich in der Mitte, die Angreifer – mit meinem gehobenem Schild und durch das Befestigen meines Standes – hindernd am Durchbrechen und am Abwehren, während hinter mir Eleanor stand, die irgendwie versuchte, einen geeigneten Punkt zu finden, an dem sie zielen konnte, um die Angreifer zu dezimieren. Am besten noch, ohne mich dabei zu treffen. Doch ich wusste selbst, dass dies nicht ewig so weitergehen konnte, denn auch meine Kraft würde irgendwann nachgeben, denn auch der Schild wog so einiges und die Angriffe, die auf ihn prallten, waren nicht gerade leicht zu verkraften. Das Fipsen eines Hundes ließ mich erschrocken aufhorchen, doch ich konnte nicht ausmachen, ob dies von Skipper kam oder ob es sich um den gegnerischen Vierbeiner handelte, immerhin war das Geschrei der Männer zu laut. Nun war es wirklich mal an der Zeit, dass der Erbauer mir half, wenn er mich schon in diese Welt schickte. Und als wäre das ein Zeichen gewesen, um meinen Glauben zu festigen, hörte ich das Aufschreien der Männer vor mir und der Druck, der sich stetig von mir verringerte, bis dieser gänzlich nachließ. Vorsichtig, sichergehend, dass es eben keine Finte des Feindes war, ließ ich den Schild etwas herabsinken und nahm nun mehrere Männer vor uns war, die das Abzeichen der Couslandfamilie auf ihren Rüstungen trugen.

„Hervorragend, die Kavallerie ist da“, entwich es freudig aus meinem Mund, als ich aus den Raum trat und auch Platz für meine Verbündeten machte, die nun ebenfalls den Raum verließen.
 

„Ist alles in Ordnung, my Lord? My Lady?“ Es war Mutter Mallol, welche ihre Herrscher mit besorgtem Blick anschaute. Wir nickten lediglich. Wir waren froh, die Priesterin samt ihren Truppen zu sehen. Normalerweise, wie mir sogleich auffiel, musste man doch im Spiel selbst in die Kapelle, um den Männern zu helfen, doch hier war es scheinbar zum Glück etwas anders. Suchend ließ ich meinen besorgten Blick von ihr ab und war froh, meinen treuen Mabari gesund und munter neben einem der Soldaten – mich erblickend – sitzen zu sehen. Nun ja, zumindest schien er nicht so sehr verletzt zu sein und man konnte auch nicht ausmachen, ob dies nun sein eigenes oder das Blut seines verstorbenen Gegners war.

„Als wir in der Kapelle angegriffen wurden und die Feinde besiegt hatten, haben wir uns augenblicklich auf die Suche nach Euch gemacht. Mich freut es, Euch alle so wohlauf zu sehen, ich war besorgt.“

„Mich freut es ebenfalls, Euch wohlauf zu sehen, Mallol. Habt Dank für Eure rechtzeitige Hilfe, ohne Euch wären wir vermutlich überrannt worden. Doch es ist zu früh, sich auszuruhen. Wir müssen unbedingt zur Haupthalle! Jeder Augenblick zählt, denn wir müssen Vater finden!“ Ernst nickte die Ehrwürdige Mutter. Sie verstand die Situation. Sofort drehte sie sich um und signalisierte den Männern, in die Richtung zu gehen, in welcher sich die Haupthalle befand. Ironisch, wenn eine Priesterin, die den Frieden verinnerlichte, Soldaten befehligte, um Männer zu töten. Und genau dies spielte sich vor uns ab. Ich liebte Ironie einfach. Doch kaum gingen wir ein paar Schritte, hielt ich den Arm meiner Mutter fest, die sich überrascht zu mir umdrehte.

„Liebling, was ist? Wir müssen uns beeilen!“

„Ich weiß, Mutter“, drang es in ihre Ohren, die scheinbar die Ernsthaftigkeit in meiner Stimme wie auch in meinen Augen erkannte und deshalb schwieg.

„Wir sind bis jetzt nur Schwertkämpfern über den Weg gelaufen, abgesehen von dem einen Bogenschützen, den Skipper zerfleischte. Doch ich bin mir sicher, dass Howe auch den ein oder anderen Magier hier herumlaufen lässt und du weißt, wie mächtig solche als Feinde sein können. Deshalb bitte ich dich, wenn du einen Magier siehst, kümmere du dich um ihn. Am besten wäre noch, wenn du dich heimlich etwas abseits von uns bewegst und erst gar nicht in das Sichtfeld des Magiers gelangst, so dass er auf einen von dir kommenden Pfeil nicht mehr reagieren kann. Die Haupthalle wäre der perfekte Platz für solch einen Magier, um seine Macht zu entfalten, findest du nicht? Kann ich mich auf dich verlassen?“ Sie nickte nur, was mich erleichterte, immerhin wusste ich ja, dass nun in der Haupthalle einer dieser übernatürlichen Menschen warten würde und uns nur zu gerne mit Feuerbällen oder was auch immer diese Künstler des Übernatürlichen sonst noch so beherrschten, das Leben schwermachen würde.
 

Es dauerte nicht lange, da waren wir auch schon in der Haupthalle angekommen. Das Schreien von Befehlen war genauso deutlich zu vernehmen wie das Aufeinanderprallen der Klingen. Ser Gilmore besaß in diesem Moment das Kommando und versuchte den Feind daran zu hindern, den zentralsten Ort des Schlosses, die Haupthalle, unter seine Kontrolle zu bekommen. Es war nur umso praktischer, dass wir als Verstärkung eintrafen, denn immerhin war es keine besonders große Anzahl von Feinden, die in diesem Moment vor Ort waren, doch wie ich es aus dem Spiel bereits kannte, befand sich ganz hinten ein Magier, welcher seine Zauber wirkte. Ich nickte meiner Mutter zu und sie verstand, weswegen sie etwas abseits von uns ging und der Rest der Kavallerie den Soldaten bei der offensichtlichen Verteidigung halfen. Im Normalfall wäre dies sicher eine einfache Aufgabe gewesen, bedachte man in diesem Moment unsere zahlenmäßige Überlegenheit von fast drei Soldaten auf jeden folgenden gegnerischen Soldaten. Doch was uns zunehmend zusetzte, waren die Bogenschützen, die sich neben dem Magier postierten und eben besagter Magier, der mit seinem Hokuspokus durchaus verstand, umzugehen. Des Öfteren musste ich meinen Schild in die Höhe heben, leicht angewinkelt, wie ich es aus dem Gespräch mit dem Eisernen Bullen im dritten Teil des Spiels kannte, was effektiver gegen das Abwehren von magischen Angriffen wäre, damit ich oder mein Nebenmann nicht von der enormen Hitze herabregnender Feuerbälle verbrannt oder von einem verirrten Pfeil aufgespießt wurde. Und dabei sollte man sich auch noch auf die Hiebe der Feldsoldaten konzentrieren, die es ja schließlich auch noch gab? Unvorstellbar, doch in diesem Moment eben bitter nötig. Und das einzige Gute war, dass diese ebenfalls durch die Angriffe des Magiers vorsichtiger agierten. Friendly Fire war im echten Leben eben möglich. Von Sekunde zu Sekunde hoffte ich mehr, dass Eleanor sich bald um diesen Magier kümmern würde. Und während ich dabei war, einem Soldaten mein Schwert mit der Hilfe meines Schildes aus der Hand zu schlagen und meinen Einhänder daraufhin in dessen Magengrube versenkte, vernahm ich mit Freuden das, worauf ich so sehr gehofft hatte. Und wie ich hatten auch die Soldaten an meiner Seite bemerkt, dass ein Pfeil die Stirn des Magiers durchbohrte. Niemand hatte die Mutter des Couslands nur im Entferntesten wahrgenommen und sie hatte dies meisterlich ausgenutzt. Wenn dies in naher Zukunft nur ansatzweise so ähnlich mit Leliana funktionierte, wie mir in den Gedanken kam, dann hatte ich zwar noch immer jede Menge Sorgen, die ich mit mir herumschleppte, doch somit eine weniger, da schwierige Feinde aus dem Weg geräumt wurden. Doch im Hier und Jetzt war es der Fall, dass mit dem für die Feinde überraschenden Ableben des Magiers der Sieg in diesem Raum für die Verteidiger gewiss war. Die Bogenschützen waren so überrascht gewesen, dass sie nicht rechtzeitig reagieren konnten und von den heranstürmenden Soldaten chancenlos überrannt wurden. Für den Moment hatten wir einen Sieg zu vermelden, und einen kurzen Augenblick der Rast.
 

„My Lady, Herr. Euch geht es gut. Dem Erbauer sie Dank!“ Ser Gilmore begrüßte uns, als Eleanor meine Seite trat und der Rotschopf seine Befehle erteilt hatte.

„Ja. Es war zwar schwer, aber wir haben es geschafft. Bisher. Jedoch müssen wir Vater finden. Wir hatten gehofft, dass er hier sein würde.“ Der derzeitige Hauptmann dieser kleinen Truppe schüttelte bedauernd den Kopf.

„Der Teyrn war schwer verletzt, als ich Ihn zuletzt sah. Ich sagte Ihm, er solle sich nicht weiter bewegen, doch er war entschlossen, Euch zu finden. Er ist in die Küche gegangen. Vermutlich dachte er, dass Ihr beim Gesindeeingang auf ihn warten würdet.“

„Gesegnet, Ser Gilmore, möge der Erbauer über Euch wachen“, sprach die Frau des Teyrn aus, während ich nickte und dem Rotschopf die Hand reichte, welche er auch sogleich ergriff.

„Wenn Ihr dies überleben solltet, dann sehen wir uns wieder. Falls nicht, war es mir eine Ehre, Euch gekannt zu haben, mein Freund.“ Er nickte nur. In solch einem Moment bedurfte es keiner weiteren Worte. In seinem Blick konnte man herauslesen, dass er ebenfalls so dachte. Und kaum trennten sich unsere Hände voneinander, da lief er auch schon wieder zu seinen Männern. Ein Mann, der genau wusste, dass auf ihn der Tod wartete und er trat diesem offen entgegen. So etwas respektierte ich. So etwas MUSSTE man einfach respektieren und innerlich hoffte ich sehr, dass dieser junge Mann überleben würde. Genauer gesagt hoffte ich sogar sehr, dass dies dem Ser-Gilmore-Mod von den PC-Spielern glich und ich ihm in Lothering wieder begegnen würde. Vielleicht besaß ich ja solch ein Glück, wer wusste dies schon? Jedenfalls war es nun auch an der Zeit für uns zu gehen, weswegen die kleine Gruppe der Cousland-Familie samt der Elfin nun auf dem Weg zur Speisekammer war. Und überraschend, völlig anders als im Spiel, begegneten wir auf dem Weg zur Küche niemandem. Wir konnten einfach weiterlaufen und den Klängen von Stahl, welcher auf selbigem prallte, lauschen. Besser gesagt, wir mussten diesen Geräuschen lauschen.

Für einen Moment war ich sogar glücklich darüber, dass sie in dieser Welt noch so rückständig waren und keine Waffen wie Revolver und Scharfschützengewehre besaßen. Oder um das momentane Problem von Howes Männer zu bereinigen, C4 für das große Tor der Haupthalle, was mit einem Magier auch leicht gelöst wäre, doch scheinbar waren diese Mangelware und der vorhandene wurde falsch eingesetzt. Fehler in der Taktik gab es eben überall und uns schadete dies nicht.
 

Als wir die Speisekammer betrachten, sahen wir ihn. Bryce Cousland, der auf dem Boden lag mit seiner blutigen Wunde, während er versuchte mit einem Stofftuch die Blutung, die aus dieser trat, zu stoppen, doch diesen Kampf konnte er nicht gewinnen. Der Schnitt war einfach zu tief und das erkannte man auch deutlich. Eine weitere Sache, die man nun hier in dieser Welt deutlicher wahrnahm und besser erkannte, als wenn man es nur als bloßes Spiel spielte.

„Dem Erbauer sei Dank!“ Kathrin, welche anscheinend mit gezogenem Schwert hinter der Tür gestanden hatte, um Bryce zu beschützen, wenn Feinde hineinstürmen sollten, begann sofort damit, mich in einer stürmischen Umarmung zu begraben. Ich konnte nur erahnen, wie froh sie war, mich am Leben zu sehen, nach all dem, was hier vorgegangen war. Ich erwiderte die Umarmung, doch schnell ließ sie mich auch wieder los, so dass ich mich meinem Vater nähern konnte.

„Großvater!“, drang die erschrockene Stimme von Oren in meine Ohren, wodurch mir erst jetzt bewusstwurde, dass dieser Bryce ja ebenfalls so sah. Ich wurde mir erst jetzt dessen Anwesenheit wieder bewusst. Verdammt.

„Oriana, halt Oren zurück, sowas ist nichts für ihn!“, sprach ich zu meiner Schwägerin in einem Ton, der keinen Widerstand zuließ, wodurch auch diese aus ihren Gedanken gerissen wurde, die besorgt und erschrocken zum Oberhaupt der Couslands geblickt hatte. Sie begann zu nicken. Sie verstand, was ich meinte. Der Junge sollte mit so etwas noch nicht konfrontiert werden. Es reichte, dass er nun aus seinem natürlichen Umfeld gerissen wurde. Die Blicke von Vater und Sohn trafen sich.

„Ich bin froh, dass es euch allen gut geht“, kam es lächelnd von ihm.

„Es war schwer, aber irgendwie haben wir es hinbekommen. Mutter kann eben doch noch bestens zielen, wie ich bemerken durfte.“ Ich begann nun kurz zu lachen, was auch Bryce auflachen ließ, wenn auch unter Schmerzen, doch Eleanor war alles andere als zu Scherzen zumute.

„Wie ist das passiert?“, wollte sie wissen, weswegen sich das Paar nun in die Augen blickte.

„Howe und ich sind länger wachgeblieben, um seine Männer zu begrüßen und dann griffen diese Schweine an. Hätte Duncan mir nicht das Leben gerettet, dann wäre ich schon längst tot.“

„Doch das bist du nicht!“, schrie Eleanor energisch und stand auf.

„Helft mir, ihn in den Gesindegang zu bringen. Wir müssen fliehen.“ Kathrin und die anderen wollten helfen, doch Bryce schüttelte nur sein Haupt.

„Nein. Geht ohne mich. Wenn ich aufstehe, sterbe ich vermutlich. Jemand muss Fergus erzählen, was hier passiert ist.“ Er erhielt ein Nicken meinerseits zur Antwort.

„Das werde ich Vater. Versprochen.“ Er schenkte seinem Sohn ein erleichtertes Lächeln, da er von meiner Seite auf Verständnis traf, doch auf Eleanors Gesicht war die Verzweiflung deutlich zu erkennen, die sie aufgrund ihres Gatten besaß.

„Bryce, der Gesindegang ist genau hier. Wir schaffen das schon!“ Erneut schüttelte er den Kopf, ehe er seine Gattin anblickte, der man deutlich die Verzweiflung ansah. Es war nur natürlich, liebte sie diesen Mann doch einfach abgöttisch und hatte so viele Ehejahre mit ihm erlebt.

„Schatz, das Schloss ist umstellt. Ich schaffe es nicht. Doch ihr könnt es schaffen. Also nutzt diese Chance und zahlt es Howe heim!“

„Der Teyrn hat leider recht“, drang nun eine tiefere, ältere und erfahrene Stimme in die Ohren aller Anwesenden. Duncan betrat den Raum und steckte gerade sein Schwert weg. Er war über und über mit Blut verschmiert, das offensichtlich nicht von ihm selbst zu stammen schien, und schaute mit ehrlichem Mitleid in den Augen auf Bryce hinab.

„Noch kennen Howes Männer diesen Ausgang nicht, aber sie haben das Schloss umstellt. Es wird schwer, an ihnen vorbeizukommen.“ Eleanor blickte den für sie völlig Fremden genauestens an.

„Dann seid Ihr … Duncan? Der Graue Wächter?“ Angesprochener nickte zur Bestätigung.

„Ja Herrin. Der Teyrn und ich wollten schon früher zu Euch.“

„Mein Sohn half mir, hierherzukommen. Dem Erbauer sei Dank.“ Duncans Blick wanderte zu mir und ich konnte ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht des Älteren erkennen, ehe dieser nur ein „das überrascht mich nicht“ von sich gab. Doch in meinen Augen war dies nicht gerechtfertigt. Natürlich hatte ich etwas geholfen, doch wenn der Zufall nicht auf meiner Seite oder zu Anfang sogar mein Mabari nicht vorhanden gewesen wäre, hätte ich ziemlich schwarz gesehen für mein Überleben. Dies war einfach zu viel der Ehre.
 

„Werdet Ihr uns helfen, Duncan?“, stellte ich, derjenige, der in seinen Augen zu Unrecht gelobt wurde, die Frage, wodurch sich nun Eleanor einmischte.

„Egal, was wir tun, wir müssen uns beeilen. Sie kommen!“ Und tatsächlich. Die Schreie wurden immer lauter, doch zum Glück hielt für den Moment noch das Tor, doch das wäre auch nur noch eine Sache von Sekunden.

„Duncan, ich flehe Euch an! Bringt meine Familie bitte in Sicherheit. Dies ist alles, was im Moment noch für mich zählt.“ Der Angesprochene begann zu nicken.

„Das werde ich Eure Lordschaft. Aber … ich fürchte auch, ich muss Euch um etwas bitten.“ Kaum wurde sein Satz beendet, da kam ein, „was Ihr wollt!“ von den Lippen des Todgeweihten.

„Was hier passiert, ist nichts im Vergleich zu dem Bösen, das diese Welt bedroht. Ich kam auf der Suche nach Rekruten in Euer Schloss. Angesichts der Bedrohung durch die Dunkle Brut kann ich nicht mit leeren Händen abreisen.“

„Ich … ich verstehe.“ Im Gesicht des vermutlich Ältesten in diesem Raum war deutlich das unwohle Gefühl abzulesen. Doch nicht, weil er im Sterben lag, sondern wegen der Bedingung, die Duncan stellte. Er wollte, dass sein jüngster Spross in Sicherheit ist und dass man diesen nun für die Grauen Wächter verpflichten sollte, war eine Entscheidung, die niemandes Vater für sein Kind entscheiden sollte.

„Ich bringe Eure Familie in Sicherheit. Wenn dies getan ist, werden Euer Sohn und ich nach Ostagar reisen. Dort erzählen wir Fergus und dem König, was hier vorgefallen ist. Und dann wird Euer Sohn zu einem Grauen Wächter.“ Die Worte von Alistairs Vaterfigur drangen in die Ohren des im Sterben liegenden Bryce, der widerstrebend nickte.

„Solange Howe bestraft wird … bin ich einverstanden.“ Nun war es an Duncan zu nicken, ehe er sich mit seinem Gesicht an mich, seinen neuesten Rekruten, wandte.

„Dann seid Ihr bei den Grauen Wächtern willkommen. Kämpft an unserer Seite.“

„Ich nehme Euer Angebot an, Duncan.“ Zufrieden stand der Mann, dem man seine rivainische Abstammung ansah, auf.

„Gut. Dann lasst uns rasch aufbrechen.“ Ich tat es dem Schwarzhaarigen gleich, doch Eleanor kniete noch immer neben ihrem Gemahl.

„Bryce, bist du dir sicher?“

„Unser Sohn wird nicht durch Howes Verrat sterben. Er wird leben und die Welt verändern!“ Während er das von sich gab, sah er mich, seinen Zweitgeborenen, mit großen und stolzen Augen an. Er hatte etwas, das jedes Elternteil in den eigenen Kindern sehen sollte. Hoffnung. Und diese Hoffnung würde er nicht umsonst auf mich setzen. Ich würde ihn stolz machen, das wusste ich schon jetzt. Ich war es ihm schuldig wie auch meinem Hauptcharakter, dessen Körper ich bereits seit einem Jahr behauste.

„Geht mit Duncan, ohne mich ist Eure Chance ohnehin größer zu entkommen“, hörten die Anwesenden die Sätze von Eleanor. Dies waren, wie ich leider wusste, die letzten Sätze, die er mit diesen beiden Menschen austauschen würde, die ihm in diesem Jahr so sehr ans Herz gewachsen waren. Jeden Moment brach das Haupttor und sie würden Abschied voneinander nehmen.

„Eleanor …“, drang es von ihrem Liebsten in ihre Ohren, der nicht wollte, dass seine Frau sich opferte, doch als er die Entschlossenheit in ihren Augen erkannte, schwieg er.

„Sag nichts, Bryce. Ich werde jeden töten, der durch diese Tür kommt, um ihnen Zeit zu verschaffen. Aber ich werde dich nicht verlassen!“ Nun war ich es, der sich zu ihnen beiden herunterbeugte und somit ihre Augenpaare auf mir ruhten.

„Ich liebe euch beide. Und niemals werde ich euch vergessen, das schwöre ich.“

„Wir lieben dich auch, mein Schatz.“

„Und wir sind unglaublich stolz auf dich.“ Die beiden Eltern blickten mich voller Liebe an, und ich hoffte, dass Aidan – tief in mir – diese Szenerie wahrnahm. Erkannte, wie sehr ihn seine Eltern liebten, und er, wenn wir uns irgendwann trennen würden, bei seinen Gedanken an den erlittenen Verlust an diese Szenerie zurückdenken würde und dies zumindest etwas seinen Schmerz linderte.
 

BAM
 

Der Knall des durchbrochenen Tores ließ diese traurige Szenerie wie im Keim ersticken. Sofort stand ich kerzengerade da und deutete den anderen, welche diese ganze Szene beobachtet hatten, dass sie zügig in den Gesindegang gehen sollten.

„Großvater, Großmutter!“, hörte man die Rufe Orens, der sich von seinen Großeltern verabschieden wollte, doch es blieb keinerlei Zeit mehr. Wir mussten los. Nur wenige Minuten blieben uns zum Fliehen, ehe Howes Pack Eleanor ausschalten würde und die Verfolgung aufnahm.

Als alle außer Duncan und meine Wenigkeit nun im Gesindegang waren, blickte ich noch ein letztes Mal auf die Oberhäupter der Familie Cousland. Wie sie dort lagen. Aneinander gekuschelt. Sich liebend. Und was am wichtigsten war, dem Tod mit Stolz entgegentretend. Dieses eine Jahr hatte ich mich sehr verändert. Zum Positiven. Und diese beiden Menschen waren maßgeblich daran beteiligt. Sie waren für mich wie meine Eltern geworden und sie nun so dort zu sehen, erfüllte mein Herz mit Trauer. Doch dies war der falsche Zeitpunkt. Für die Trauer hatte ich auch noch genug Zeit, wenn wir uns in Sicherheit befanden.

„Ich werde euch nie vergessen“, flüsterte ich mir selbst zu, ehe auch ich gemeinsam mit Duncan mithilfe des Gesindegang floh.
 


 

Und so hatte ich meine neugewonnene Heimat – nach einem Jahr – verloren. Der Tag, an dem den Couslands Unrecht getan wurde, was leider nicht der Höhepunkt der Schande war, denn wie Ihr wisst, wurden sie nur Tage später zu Verrätern der Krone erklärt, doch ich greife vor. Meine erste Begegnung mit dem Schrecken eines Krieges hatte ich in dieser Nacht erlebt. Doch wie Euch selbst bewusst ist, war dies nun einmal erst die Spitze des Eisbergs. Duncan und ich ließen Iona, Oriana und Oren samt Kathrin zu Bann Loren reisen, die ihm die Geschichte erzählten und bei dem sie zunächst einmal Zuflucht erhalten konnten. Natürlich hatte ich ihnen Geld mitgegeben, nicht zu wenig, und sie darum gebeten, den Bann daran zu hindern, irgendwelche voreiligen Schritte zu tätigen. Dass sie ihn überreden sollten, mindestens ein Jahr zu warten, ehe er etwas unternahm. Was ein schwieriges Unterfangen sein durfte aufgrund seines Verlustes, den er selbst erlitt, und egal, was sie über mich hören würden, ich nicht sterben würde. Es verwirrte sie zwar, was ich von mir gab, doch Kathrin hatte gelernt, meinem seltsamen Geschwätz zu vertrauen, hatte dieses ihr immerhin das Leben gerettet. Auch die Reise nach Ostagar war nicht sonderlich lang und zudem lehrreich. Duncan hatte mir viel beigebracht im Herstellen und Verwenden der verschiedenen Kräutertexturen, wie viel man ungefähr für was ausgeben sollte und ab wann man von Händlern beschissen wurde und allen voran den Schwertkampf, um mich weiterhin zu verbessern. Er war ein guter Lehrer und ich hätte gerne mehr Zeit mit ihm gehabt, da ich noch so vieles hätte lernen können, doch erneut will ich nicht vorweggreifen. Wir kommen nun an den Punkt dieser Geschichte, an dem wir in Ostagar eintrafen, nachdem wir den Kaiserlichen Hochweg nahmen, bevor auch dort der Verrat herrschte.​



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