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Hate That I Love You

[OikawaxOC]
von

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disappointed. overpowered. exposed.


 


 

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Einen Tag bevor die Schule wieder startete und somit die letzten Monate in der Oberschule begannen, waren Asunas Eltern nach Hause gekommen. Sie hatte sich darüber so sehr gefreut, dass sie den ganzen Tag richtig gute Stimmung gehabt hatte. Die gute Stimmung hielt auch jetzt noch an, als sie gemeinsam mit ihren Eltern in einem schicken Restaurant saß. Es war nicht übermäßig schick, sodass man nur drei winzige Stückchen auf dem Teller liegen hatte und sich fragen musste, wofür man fast 5000 Yen zahlte. Dennoch war es schick genug, um sich ausnahmsweise ein Kleid und hohe Schuhe anzuziehen.
 

»Mir ist aufgefallen, dass du dein Armband gar nicht mehr trägst«, meinte plötzlich ihre Mutter, als sie an ihrem Weinglas nippte. »Gibt es dafür einen Grund?«
 

Asuna, die gerade auf einer gegrillten Paprika herumkaute, sah ertappt auf. Es überraschte sie nicht, dass es ihr aufgefallen war. Ihrer Mutter entging nichts. »Nicht wirklich. Ich habe nur gerade keine Lust auf Schmuck.« Genaugenommen würde es sich einfach merkwürdig anfühlen, das Armband zu tragen. Es wusste zwar fast niemand, dass es ein Geschenk von Oikawa war, aber das war auch nicht der Grund für das Nichttragen. Es war schlichtweg wegen der Freundschaftssache und natürlich auch wegen Hina.
 

»Wie hieß der Junge noch gleich, von dem du es bekommen hast?« Ihr Vater schnitt sein Steak und blickte neugierig zu ihr.
 

Asuna hielt inne und runzelte die Stirn. »Ist das denn so wichtig?«, meinte sie langsam und misstrauisch. Misstrauisch, da sie ihren Vater kannte. Meistens machte er Scherze über ihr Liebesleben, welches bis jetzt nie wirklich existiert hatte, und zeigte nie ernsthaftes Interesse daran. Wie Väter meistens so waren. Dass er jetzt aber nach dem Namen von Oikawa fragte, irritierte sie ein wenig.
 

Ihre Mutter hob indes ihre perfekten Augenbrauen, versuchte anscheinend, anhand der Mimik ihrer Tochter auch ihre Gedanken zu lesen. »Es geht um dich. Also ist es nicht unwichtig.« Abwartend, weil da doch noch etwas Genaueres kommen musste, kniff sie ihre Augen zusammen. Ihr Blick verriet die Verwirrung. »Wir wollen nur wissen, ob du mit diesem Jungen mittlerweile zusammen bist. Du sagtest zwar, dass du uns solche Informationen mitteilen würdest, aber bei euch Teenagern weiß man ja nie.«
 

Nun lehnte sich Asuna etwas entspannter nach hinten. »Wieso sagst du das nicht gleich?«, meinte sie seufzend. »Nein, ich bin in keiner Beziehung mit Oikawa Tōru und werde es auch nie sein.« Sie beantwortete auch gleich die Frage von vorhin, damit dieses Thema so schnell wie möglich abgehakt war. Über Oikawa zu sprechen war nach wie vor merkwürdig. Vor allem mit ihren Eltern.
 

»Oikawa Tōru«, wiederholte ihr Vater. »Das war dieser Volleyballspieler, oder?« Eine Furche bildete sich auf seiner Stirn, ehe er sich wieder seinem Essen widmete. Sein folgendes »Hm« war leise, drang aber deutlich zu Asuna durch. Deren Körper versteifte sich etwas. Diesen Laut kannte sie und diese zwei Buchstaben bedeuteten immer nur eines.
 

»Papa? Willst du mir irgendetwas sagen?«, meinte sie deshalb eindringlich. Dieses bescheuerte Hm hörte sie eigentlich nur, wenn er zufrieden war. Nicht bei dieser typischen Zufriedenheit, wenn ihm ein Essen schmeckte oder er nach einem langen Tag auf der Couch saß und ein kühles Bier genoss. Bei diesem Hm hatte sie eine Vorahnung, die ihr nicht gefiel.
 

Ohne aufzusehen, erwiderte er: »Nein, alles bestens.«
 

Obwohl Asuna noch immer neugierig war, was ihr Vater tatsächlich dachte, beließ sie es bei dieser Aussage und hakte nicht weiter nach. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als würde sie seine wahre Meinung gar nicht wissen wollen. Kurasaki Isamu war ein toller Vater und Asuna liebte ihn über alles. Jedoch verfolgte er gewisse Ansichten, die von einem Geschäftsmann zwar nicht anders zu erwarten waren, aber die sie nicht teilen konnte und wollte. Sie hatte diese Seite noch nicht allzu oft von ihm gesehen und das war gut so. In den nächsten zehn Minuten verlief das Essen in Ruhe. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihre Mutter ein Thema anschnitt, welches Asuna in den letzten Monaten tief in den Hintergrund geschoben und so verdrängt hatte. Zumindest den Teil davon, in dem ihre Eltern ins Spiel kamen.
 

»Und? Freust du dich schon darauf, endlich deinen Abschluss an der Oberschule zu machen und auf die Universität zu gehen?«
 

»Sehr sogar, aber ich werde die Oberschule auch irgendwie vermissen.« Sie überschlug ihre Beine und stützte sich mit ihrem Ellbogen auf dem Tisch ab. Ihr Puls beschleunigte sich langsam, sie ließ sich aber nichts anmerken.
 

»Verständlich, aber du wirst sehen«, fing ihre Mutter überzeugt an, »mit dem Studieren beginnt ein ganz neuer Lebensabschnitt.«
 

»Da kann ich nur zustimmen. Studieren ist aufregend. Deine Mutter und ich haben uns zum Beispiel an der Universität kennengelernt.« Ihr Vater schmunzelte ihr zu, während er einen eindeutigen Blick zu seiner Frau warf.
 

Diese verdrehte die Augen und warf ihren Mann einen mahnenden Blick zu. »Bring sie nicht auf dumme Gedanken. Sie soll sich in erster Linie aufs Lernen konzentrieren. Für alles andere hat sie später auch noch Zeit.« Nach kurzer Zeit musste sie dennoch lächeln. »Wie haben dir denn die Bücher gefallen, die ich dir zugeschickt habe?« Neugierig richtete sie den Blick auf ihr einziges Kind.
 

Asuna hielt in ihrer Bewegung inne und hob langsam den Kopf. Verdammt! Sie hatte gehofft, dass sie nicht danach fragen würde. »Ganz gut. Die Themen sind wirklich spannend.« Dicke, fette Lüge. Sie hatte die Bücher weder gelesen, noch fand sie die Inhalte interessant. Also die Inhalte, die die Titel vermuten ließen.
 

»Nicht wahr? An der Universität wirst du dich dann noch intensiver mit Finanzen auseinandersetzen. Den Kurs bei Professor Takahashi musst du unbedingt besuchen. Als ehemaliger Finanzberater von Yamaha bringt er viel Praxiswissen mit.« Ihre Mutter konnte die Begeisterung kaum zurückhalten und Asuna begann, sich immer kleiner zu fühlen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum und schob ihr Glas hin und her.
 

Seit Monaten versuchte sie dieses Thema zu umgehen, wenn ihre Eltern zu Hause waren. Entweder sie lenkte das Gespräch schnell in eine andere Richtung oder nickte und lächelte zustimmend bei Fragen. Mittlerweile waren es aber nur noch wenige Monate, bis sie mit der Oberschule fertig sein würde und langsam wurde es Zeit, dass sie ihren Eltern mitteilte, dass ein Wirtschaftsstudium absolut nicht ihren Wünschen entsprach. Jedoch hatte sie unglaublich Panik davor, denn seit sie klein war, hatten ihre Mutter und ihr Vater ihr Leben geplant. Sie sollte schlichtweg in deren Fußstapfen treten und im Immobilienunternehmen arbeiten. So sehr sie ihre Eltern liebte, sie konnte deren Pläne nicht verfolgen. Lange Zeit hatte sie versucht, sich mit dem vermeintlichen Studium und dem Stoff anzufreunden, aber der Gedanke hatte sie nie glücklich gemacht. Sie wollte nicht mit Gebäuden, Grundstücken und Nutzungsrechten Geld verdienen. Sie wollte selbst etwas erreichen, ohne ein vorgefertigtes Gerüst benutzen zu müssen. Es zumindest versuchen und so hatte sie überlegt, was sie sie eigentlich mit ihrem Leben machen möchte. Was möchte sie für den Rest ihres Lebens tun, um Geld zu verdienen und zugleich auch Freude daran zu haben. Sie hatte keine kreative Ader wie Jana, war sportlich begabt wie Oikawa oder Iwaizumi und konnte sich für Finanzen und die Ökonomie nicht so begeistern wie ihre Eltern. Asuna war eine rationale Denkerin, war gut mit Worten, solange diese nicht ihre eigenen Gefühle betrafen, und hatte ein gutes Urteilsvermögen.
 

Asuna seufzte und legte das Besteck auf den Tisch. Ihre Hände faltete sie in ihrem Schoß, während sie den Kopf hob und von ihrem Vater zu ihrer Mutter sah. Diese hatten bei ihrer Reaktion aufgehört zu essen. »Es gibt da etwas, das ich euch sagen muss. Bevor ich damit anfange, bitte ich euch, mir bis zum Ende zu zuhören. Das ist mir wirklich wichtig.« Sie holte tief Luft und fühlte ihr Herz, welches unangenehm gegen ihren Brustkorb drückte. Bevor sie einen Rückzieher machen konnte, straffte sie ihre Schultern und meinte: »Ich möchte nicht Wirtschaft studieren. Ich weiß, ihr wollt unbedingt, dass ich dieses Studium wähle, um eure Firma zu übernehmen, aber das kann ich nicht. Ich-« »Was redest du da?« Ihre Mutter lachte und plötzlich fühlte sich die 18-Jährige ganz klein. Ihre Bitte wurde ignoriert.
 

»Ich...« sie mied ihren Blick, »Ich will nicht den Weg gehen, den ihr gegangen seid. Es ist nicht mein Traum, mich mit dem Immobilienmarkt und dergleichen zu beschäftigen.« Sie bemerkte, wie sich ihre Finger krampfhaft in ihr Kleid gekrallt hatten, und lockerte den Griff.
 

»Ist das dein ernst?« Die Miene ihres Vaters wirkte steinhart und Asunas Herz setzte einen Schlag aus. Dieser Blick zeigte pure Ablehnung. Eine Intensität, mit der sie nicht wirklich gerechnet hatte.
 

»Blödsinn! Sie scherzt doch nur. Hab ich nicht recht?« Ihre Mutter strich sich eine blonde Strähne hinter ihr Ohr.
 

»Nein...Ich scherze nicht.« Die Schülerin schluckte. Wieso war es so schwer zu sagen, was sie wirklich wollte? »Ich möchte nicht Wirtschaft studieren«, wiederholte sie abermals, um ihren Standpunkt klar zu machen. Dabei klang sie schon eine Spur selbstbewusster, aber noch immer nicht überzeugend.
 

»Was möchtest du denn stattdessen tun?« Er hatte die Hand auf dem Tisch zu einer Faust geballt und musste seine aufkeimende Wut offensichtlich zurückhalten, als ihm diese Worte über die Lippen kamen. Ihr war bewusst gewesen, dass ihr Vater auch eine andere Seite hatte. Genauso wie ihre Mutter. Anders konnte man in der Branche nicht überstehen und schon gar nicht konnte man sich einen solchen Ruf aufbauen. Dennoch war sie überrascht, wenn nicht sogar geschockt über die extreme und negative Reaktion auf ihre Äußerung. Sie hatte dies nicht erwartet, was ein Fehler gewesen war. Jetzt fühlte sie sich überrumpelt. Allerdings...allerdings konnte sie die Reaktion auch nachvollziehen. Sie war die einzige Tochter von Kurasaki Isamu und Natsumi und das Immobilienunternehmen sollte ihre Zukunft darstellen. Würde sie die Firma nicht übernehmen, müssten sie diese irgendwann verkaufen.
 

»Ich möchte Rechtswissenschaft studieren. Ich möchte Anwältin werden und so anderen Menschen helfen. Ich möchte meinen eigenen Weg gehen.« Asuna hatte es ausgesprochen. Etwas, dass sie sich in den letzten Monaten nur gedacht hatte. Zugegeben, sie war das Gespräch dutzende Male im Kopf durchgegangen, aber wann kam es so wie geplant? Das hatte sie selbst bei dem Gespräch mit Oikawa schon gemerkt...
 

Ihr Vater, der sonst immer auf ihrer Seite war und ein Lächeln im Gesicht trug, hatte eine tiefe, unzufriedene Falte in seiner Stirn. Seine gesamte Haltung war angespannt. »Hast du eine Ahnung, was du da sagst? Wir ermöglichen dir eine solche Chance, damit du unsere Firma übernehmen kannst und du entscheidest dich, das alles mit Füßen zu treten?« Er bemühte sich, seine Stimme gesenkt zu halten, klang dabei aber nicht minder verärgert.
 

Asuna presste ihre Lippen fest aufeinander und starrte auf ihren halbleeren Teller. Neben der Verunsicherung mischte sich gerade auch Wut unter ihre Gefühle. Die Worte ihres Vaters waren scharf wie ein Messer und absolut unfair gewesen. Das Letzte was sie tat, war, irgendetwas mit Füßen zu treten. Sie liebte ihre Eltern und war dankbar, dass sie ihr ein unbeschwertes Leben ermöglichten. Es war ihr auch klar, dass sie dafür unheimlich viel arbeiteten, weshalb sie es ihnen auch nicht übel nehmen konnte, wenn sie längere Zeit nicht zu Hause waren. Dennoch war der Vorwurf ihres Vaters mehr als nur schmerzhaft und absolut nicht wahr.
 

»Dein Vater hat recht. Was hast du dir dabei gedacht?« Ihre Mutter schien, als hätte sie noch immer nicht realisiert, welchen Wunsch ihre einzige Tochter da geäußert hatte. Jedoch wirkte sie mehr besorgt als wütend. Zumindest klang ihre Stimme ruhiger und sanfter.
 

Die 18-Jährige hob ihren Kopf und starrte zu der blondhaarigen Frau. Diese hatte ihre perfekten Augenbrauen zusammengekniffen. Asuna fühlte sich zunehmend unverstandenen. Sie hatte es erwartet, dass sie auf eine ablehnende Haltung stoßen würde, aber das war doch zu viel. Deshalb meinte sie enttäuscht und zugleich aufgebracht: »Was? Also soll ich meinen Wunsch aufgeben und stattdessen mein Leben lang einen Job nachgehen, den ich nicht möchte?« Im Gegensatz zu ihren Eltern hatte sie ihre Lautstärke nicht völlig im Griff. Außerdem fühlte sie eindeutig die aufkeimenden Tränen. Sie war schon immer jemand gewesen, der leicht weinte, wenn sie aufgebracht war.
 

»Und dass du Rechtswissenschaft studieren willst, weißt du wie lange? Diese Idee solltest du dir aus dem Kopf schlagen. Du wirst Wirtschaft studieren und unsere Firma übernehmen, wie wir es geplant haben.« Um seine Aussage zu unterstreichen, tippte er mit seinem Finger auf den Tisch. »Und sprich ein wenig leiser. Die anderen Leute starren schon«, fügte er mahnend hinzu.
 

Asuna hatte bei diesen resoluten Worten beinahe den Kopf eingezogen. Die Betonung lag auf beinahe. »Nein«, kam es deshalb von ihr fest. »Werde ich nicht. Und ich weiß bereits schon länger, dass ich Anwältin werden möchte. Mir ist bewusst, dass ihr gerne möchtet, dass ich in eure Fußstapfen trete, aber das ist nicht das, was ich will. Ist euch das so egal?« Verzweifelt sah sie ihrem Vater ins Gesicht. Dieser ließ von seiner starren Miene nicht ab. »Wieso versteht ihr nicht, dass ich meine eigene Entscheidung treffen möchte?« Sie schlug unbewusst mit ihrer Faust auf den Tisch, sodass die Gläser klirrten. Einige Leute drehten sich empört und neugierig zu ihnen um, aber das war ihr absolut egal. Ihr Vater war anderer Meinung.
 

»Hör auf, dich wie ein kleines Kind zu benehmen, Asuna! Du wirst Wirtschaft studieren und nichts anderes. Ist das klar?« Seine Worte ließen keine Widerrede zu und die Blondhaarige spürte, wie sich immer mehr Tränen in ihren Augen sammelten.
 

Sie warf einen letzten hilflosen Blick zu ihrer Mutter, die jedoch genauso ernst wirkte wie ihr Vater und kein verteidigendes Wort hinzufügen würde. Asuna stand ruckartig auf und schob ihren Stuhl dabei quietschend nach hinten. »Ich brauche dringend frische Luft«, kam es ihr gepresst über die Lippen, ehe sie aus dem Restaurant stürmte. Dabei rempelte sie einen Gast an. Mehr als ein unwirsches »Sorry« brachte sie nicht hervor. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie musste sich gerade furchtbar zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen, denn sie war so furchtbar wütend und enttäuscht. Asuna fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Die kühle Abendluft traf auf ihre erhitzte Haut und obwohl es auch jetzt noch um die 25 Grad hatte, bildete sich eine Gänsehaut auf ihren nackten Schultern und Armen. Dennoch setzte sie sich auf eine Parkbank ganz in der Nähe des Eingangs. Sie zog ihr Bein an und legte ihren Unterarm auf dem Knien ab. Frustriert vergrub sie ihr Gesicht in der Armbeuge. Das Gespräch war bei Weitem nicht so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Natürlich hatte sie mit Unverständnis gerechnet, aber das war zu viel davon. Sie fühlte sich einfach nur schlecht und das sollte sich heute auch nicht mehr ändern...
 

♛♚
 

Am nächsten Tag war Asuna ohne Frühstück in die Schule gegangen. Ihre Augenringe reichten zudem bis zum Boden, da sie kaum geschlafen hatte. Unausgeschlafen und hungrig wollte sie eigentlich nicht ihren Schultag bestreiten, aber nach gestern blieb ihr nichts anderes übrig. Während des Frühstücks hätten sie sich nur angeschwiegen und darauf hatte sie absolut keine Lust gehabt. Auch wenn sie das schlechte Gewissen plagte, war sie einfach gegangen. Trotz den wenigen freien Tagen, die sich ihre Eltern nahmen, wollte sie nicht nachgeben. Sie wollte, dass ihre Eltern sahen, wie ernst ihr die Sache mit ihrer Zukunft war.
 

»Verdammt! Du siehst echt scheiße aus.« Janas Begrüßung fiel wie immer äußerst nett aus, aber wenigstens log sie nie und das schätzte sie sehr.
 

»Danke für deine Ehrlichkeit«, murmelte sie deshalb und nahm ihr den Müsliriegel aus der Hand. Ein spärliches Frühstück, aber besser als nichts.
 

»Stress dich nicht zu sehr. Sie werden es irgendwann einsehen. Spätestens in einem halben Jahr.« Ihre beste Freundin grinste optimistisch und prompt fühlte sich Asuna zumindest ein klein wenig besser. Es war immer eine gute Idee, ihrer besten Freundin von ihren Problemen zu erzählen. Jana war die Beste, wenn es ums Aufmuntern ging.
 

Als sie die Treppen nach oben in den zweiten Stock gingen und Asuna an ihrem Riegel knabberte, kamen ihnen einige andere Schüler entgegen. Ihnen entging natürlich auch nicht, dass die Klassensprecherin der 3-5 trotz Make-Up weniger fit aussah als sonst. »Manchmal frage ich mich echt, wieso ich den Klassensprecherposten überhaupt angenommen haben«, sagte sie augenverdrehend, als zwei jüngere Mädchen tuschelnd und offensichtlich starrend bei ihnen vorbeigingen.
 

»Was? Wieso? Stehst du etwa nicht auf zusätzliche Arbeit, unnötige Besprechungen und jede Menge Aufmerksamkeit?« Jana sah sie schockiert an und behielt ihre ernste Miene für ganze drei Sekunden.
 

»Halt die Klappe«, fing sie lachend an. »Wir können gerne tauschen, denn es nervt wirklich tierisch, dass man als Klassensprecherin anscheinend immer perfekt aussehen muss.« Das hatte ihr damals niemand gesagt, aber nur noch ein halbes Jahr, dann konnte sie sich ungewaschene Haare erlauben. Im Grunde störte sie das Amt nicht großartig, aber es war mühsam, stets als Vorbild zu fungieren. Man konnte nicht immer perfekt sein, aber das schien nicht jeder zu verstehen.
 

»Nein, danke. Ich bleibe lieber im Schatten und genieße dein Auftritt im Rampenlicht.«
 

»Das glaubst du doch selbst nicht. Über dich wird mindestens genauso viel geredet wie über mich. Und seit du mit Iwaizumi zusammen bist, liegt das Rampenlicht sowieso auf dir.«
 

»Pf. Warte ab, bis die Sache mit Riku und dir öffentlich wird. Schulsprecher und Klassensprecherin? Das toppt keiner.« Vielversprechend wackelte sie mit den Augenbrauen.
 

»Keiner außer Oikawa und...Hina.« Asuna war stehen geblieben und hatte bei dem Anblick ihre Augenbrauen gehoben. Vor der Klasse 3-6 stand der Setter mit der Zweitklässlerin. Hina lachte über irgendetwas und schlang schließlich ihre Arme um seine Taille. Grinsend legte er seine Hand auf ihren Kopf und zerstörte ihre Frisur. Sie schien es nichts auszumachen. Schon gar nicht, als er sie näher zu sich zog.
 

»Ooooookay. Sind die beiden zusammen, oder habe ich da was verpasst?« Jana betrachtete die Szene skeptisch und wich dabei einem anderen Schüler aus, da sie nach wie vor mitten am Flur standen.
 

Asuna antwortete nicht. Sie war sich nicht sicher, was sie von diesem Anblick halten sollte. Dass die beiden vertraut waren, hatte sie gewusst. Immerhin sah Hina ihm ab und zu beim Trainieren zu. Diese Vertrautheit hätte sie aber nicht erwartet. Ein mulmiges Gefühl flammte in ihr auf und sie hatte Mühe, einen neutralen Gesichtsausdruck zu wahren. Keine Ahnung, ob es an Hina und ihrer strahlenden Persönlichkeit oder an Oikawas seltenes und ehrliches Grinsen lag. Sie war ungewöhnlich stark genervt von diesem Anblick. Konnte der Tag noch schlimmer werden? »Zusammen oder nicht. Ich hab noch immer hunger und möchte mir vor dem Unterricht noch gerne etwas zu essen holen.« Das Flirten der beiden hatte nicht nur die Aufmerksamkeit der zwei Freundinnen erregt. Einige Schüler betrachteten den Volleyballer und die Klassensprecherin neugierig und Asuna war sich sicher, dass dies das neue Gesprächsthema sein würde. Für mindestens eine Woche.
 

Davon wenig begeistert, riss sie sich von diesem zuckersüßen Anblick los und setzte ihren Weg fort. Jana folgte ihr stumm, etwas irritiert über die harschen Worte. Als sie bei den beiden vorbeigingen, würdigte Asuna sie keines Blickes. Im Gegensatz zu Jana. Die starrte natürlich überhaupt nicht unauffällig. So kam es, dass Hina auf sie aufmerksam wurde.
 

»Oh, hey! Jana-kun, Asuna-kun.« Die kleine Zweitklässlerin wank ihnen zu, sodass den Schülerinnen nichts anders übrig blieb, als sich umzudrehen. Bei der Anrede konnte Asuna nicht verhindern, dass sie die Augen verdrehte. Unbemerkt natürlich.
 

Während Jana fröhlich zurückgrüßte und begann, sich mit ihr zu unterhalten, rang sich die Klassensprecherin zu einem halbherzigen und müden Lächeln durch. Irgendwie beschlich sie das ungute Gefühl, vor dem Unterricht nicht mehr zu einem Frühstück zu kommen. Sie seufzte und wandte sich an Oikawa, da dieser wie sie, etwas teilnahmslos neben den zwei Mädchen stand. Dabei fiel ihr etwas ein, was sie ihn noch dringend fragen musste. »Hast du mit deinem Team gesprochen? Du weißt schon. Wegen Naha.« Sie legte neugierig ihren Kopf schief. Die dritte Klasse hatte vor, in ein paar Wochen zur Präfektur Okinawa zu fliegen. Dort wollten sie ihre Abschlussreise verbringen. Das Volleyballteam und insbesondere jene aus der dritten Klasse mussten dies aber nochmals besprechen, da irgendein wichtiges Turnier Ende Oktober stattfinden würde. Angeblich konnten sie es sich nicht leisten, einen Monat davor das Training für vier Tage ausfallen zu lassen.
 

»Ja. Hab ich tatsächlich.« Er schob seine Hände in die Hosentaschen.
 

»Und?«
 

»Wir fahren mit. Allerdings nur, weil es dort gute Möglichkeiten gibt, um zu trainieren. Es ist also eher ein Trainingscamp für Iwa, Hanamaki, Matsu und mich«, gab er ihr schulterzuckend zurück.
 

»Wieso wundert mich das jetzt nicht?« Sie schüttelte den Kopf und konnte nicht verstehen, wie man eine Sportart derart faszinierend finden konnte. »Aber freut mich, dass ihr dabei seid.«
 

»Tatsächlich?« Er hatte skeptisch seine Augenbrauen gehoben. Dabei zierte ein dezentes Grinsen sein Gesicht.
 

»Ehm, ja. Ist doch schön, wenn die ganze Klasse mitfährt. Außerdem werdet ihr so viel trainieren, dass ich euch ohnehin nicht sehen werde.« Sie machte natürlich nur einen Scherz. Sie mochte das Volleyballteam und zählte die Mitglieder aus ihrem Jahrgang durchaus zu ihren Freunden.
 

»Autsch.« Er griff sich an die Brust und wischte sich eine imaginäre Träne weg. Asuna schmunzelte kurz, doch es hielt nicht lange an. Das beklemmende Gefühl, welches sie schon mit sich schleppte, seit sie die Wohnung verlassen hatte, machte sich wieder bemerkbar. Das schien auch Oikawa zu ahnen. »Du warst gestern auch im Rikyu, oder?«, fragte er plötzlich und brachte Asuna kurz aus der Bahn.
 

»Ja. Woher weißt du das?«, wollte sie deshalb wissen.
 

»Ich hab dich gesehen. Du hast mich fast umgerannt und warst dann draußen auf der Parkbank.« Abwartend musterte er sie. Als erwartete er sich irgendeine eindeutige Reaktion, welche verriet, weshalb so stürmisch das Lokal verlassen hatte.
 

Doch Asuna nickte nur verstehend. »Du warst das also. Tut mir leid, ich hab nicht wirklich darauf geachtet wo ich hinrenne.« Sie lächelte halbherzig, während sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Schuhe richtete. Jetzt, da sie wusste, dass Oikawa anscheinend auch dort gewesen war und sie in ihrem mehr als zerstreuten Zustand gesehen hatte, fühlte sie sich noch schlechter. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen sie nicht die unnahbare und starke Kurasaki Asuna war.
 

»Keine Sorge. Es braucht schon etwas mehr, um mich umzuhauen. Wichtiger ist, ob es dir gut geht«, erwiderte er ernst. Sie sah auf und obwohl sie gerade in einem vollen Gang standen und sich Jana und Hina neben ihnen angeregt über irgendetwas unterhielten, war es für einen kurzen Moment so, als wäre sie mit Oikawa in einer eigenen kleinen Welt. Es war merkwürdig und ungewohnt, denn es war lange her, dass sie seine Anwesenheit so empfunden hatte. Und es war vor allem lange her, dass ihr Herz diesen verräterischen kleinen Aussetzer gehabt hatte.
 

Asuna fühlte, wie sich ihr Hals unangenehm zuschnürte und musste schlucken, um dieses Gefühl loszuwerden. Nicht zwingend wegen ihres Herzens, sondern aufgrund seiner Frage. Seit gestern Abend herrschte in ihrem Inneren ein Chaos und sie war weit davon entfernt, sich gut zu fühlen. »Um ehrlich zu sein...«, fing sie stockend an, wurde aber von Jana unterbrochen.
 

»Entschuldigt die Frage, aber ich bin einfach zu neugierig.« Jana grinste unschuldig und riss. »Seid ihr zwei zusammen?« Asuna sah kurz zu ihrer Freundin und holte anschließend ihre Trinkflasche aus der Tasche. Sie wollte sich einfach von der Tatsache ablenken, dass Oikawa mehr wahrnahm, als ihr lieb war, und insgeheim war sie froh, unterbrochen worden zu sein. Ihr reichten bereits die skeptischen und ernsthaften Blicke. Wie, als würde er sich um sie sorgen.
 

Hina lächelte verlegen bei der Frage und sah für einen kurzen Moment zu Oikawa. Dessen Miene war nach wie vor ernst und auch ein wenig nachdenklich. Obwohl sein Blick auf Asuna lag und er Hina ausnahmsweise nicht seine Aufmerksamkeit schenkte, schien diese nach wie vor im siebten Himmel zu schweben. »Nein, wir sind nicht zusammen«, antwortete sie, denn der Setter machte keine Anstalten, dies tun zu wollen.
 

»Warum wirst du dann so rot?«, fragte Jana ohne Scham.
 

Hina schüttelte prompt den Kopf. »Ich...ehm...ich bin doch nicht rot.« Verlegen starrte sie auf den Boden. Jetzt widmete sich auch Asuna wieder dem Gespräch und versuchte, sich voll und ganz darauf zu konzentrieren.
 

Oikawa schien den gleichen Gedanken zu haben und legte einen Arm um die Schultern der Zweitklässlerin. Er schmunzelte und war wieder ganz der Alte, als hätte es diesen kurzen Moment zwischen ihm und Asuna nicht gegeben. »Kennt ihr den Spruch, was nicht ist, kann noch werden? Deshalb wirst du rot, nicht wahr, Hina-chan?«
 

Während Jana etwas erwiderte, schwieg Asuna und betrachtete die Szene vor ihr mit einem merkwürdigen Gefühl. Wieder ging Oikawa so vertraut mit Hina um und wieder fühlte sich Asuna dadurch merkwürdig unwohl. Er ging nie mit irgendeinem Mädchen so um. »Jana? Wir müssen in die Klasse. Der Unterricht beginnt gleich und ich muss noch Organisatorisches klären«, meinte sie und zwang sich zu einem Lächeln, welches sich absolut falsch anfühlte. Ihr war absolut nicht danach zumute. »Ihr zwei solltet auch gehen, wenn ihr nicht zu spät kommen wollt.« Sie nickte Hina zu und drehte sich um. Jana, die etwas verdutzt darüber war, verabschiedete sich von den beiden.
 

»Wir haben doch noch fast fünf Minuten«, merkte sie an, als sie sich einige Meter von ihnen entfernt hattten.
 

Asuna seufzte. »Ich weiß.«
 

»Wieso hast du es so eilig?«
 

»Erinnerst du dich an unser Gespräch im Café über Hina?«
 

»Ja?«
 

»Ich glaube, meine Meinung ändert sich langsam aber sicher.« Hina war einfach nicht ihr Fall. Dieses schüchterne Lächeln und diese ständige gute Laune standen zu sehr im Gegensatz zu ihrem eigenen Charakter. Hinzu kam Oikawa, der sie selbst nach all der Zeit verwirrte und es schaffte, dass sie Dinge fühlte, die sie nicht fühlen sollte und wollte. Dass er sie auch noch auf gestern Abend angesprochen hatte, machte all das nicht viel besser.
 

Jana erwiderte darauf nichts, sondern sah sie nur nachdenklich an. Gemeinsam betraten sie schließlich die Klasse, die bereits gut gefüllt war. Asuna legte ihr Tasche auf den Platz und nahm sich alle Unterlagen, die sie brauchte. Außerdem griff sie nach einer Liste, die zwar einige Kreuze aufweisen konnte, aber nicht vollständig war.
 

»Oh, ist das die Liste für die Abschlussreise?«, Mai sah neugierig über ihre Schulter. »Du kannst bei mir übrigens ein Kreuz dazu machen. Ich fahre auch mit. Das will ich mir nicht entgehen lassen. Immerhin war ich noch nie in Okinawa.«
 

»Toll, dass du mitfährst. Je mehr, desto besser.« Asuna lächelte und vermerkte die Antwort. Bis heute mussten alle Bescheid geben, ob sie mitfahren würden oder nicht. Sie selbst freute sich auch sehr darauf. Strand, Sonne, Meer und ihre Freunde war genau das, was sie brauchte, bevor der Prüfungsstress sie wieder einholte. Davor gruselte es sie jetzt schon. Davor und vor der Aufnahmeprüfung der Universität in ein paar Monaten. Asuna holte auch die Antworten der anderen Schüler aus ihrer Klasse ein, ehe der Unterricht auch schon begann. Je länger sie an die Abschlussreise dachte, desto mehr musste sie lächeln. Irgendwo tief in ihrem Inneren war auch die Freude darüber, dass weder ihre Eltern noch Hina dabei sein würden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Dieses Mal kein längeres Nachwort. Ich hoffe, es hat euch gefallen. :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  sakugirl
2020-10-06T18:22:44+00:00 06.10.2020 20:22
Ein tolles Kapitel!
Schade nur das Oikawa ihr nicht nachgegangen ist an dem abend und nicht weiter nachgehakt hat...>.<
Ich mag Hina iwie nicht...die ist einfach zu perfekt *nachdenklich schau* da ist doch was im Busch!
Ansonsten tu ich Ihr unrecht und sie ist echt lieb T.T
Aber lieb passt doch nicht zu Oikawa *nicht aufgeb*


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