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Eine Chance für Ranma

von

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Rückendeckung

4. Kapitel

Rückendeckung

 

Irgendwann hat die Erschöpfung ihren Tribut gefordert und Ranma ist eingeschlafen. Tatewaki zögert lange, doch schließlich kann er sich nicht mehr zurückhalten und streckt die Hand aus, um ihm vorsichtig mit den Fingern durchs rabenschwarze Haar zu fahren. Es ist immer noch etwas feucht vom Regen und dem Bad vorhin. Sein Haargummi ist verschwunden. Ob das auf dem Weg hierher oder erst im Bad passiert ist, weiß Tatewaki nicht mehr, aber jetzt, wo Ranma die Haare offen trägt, sieht man erst, wie lang sie wirklich sind.

Tatewaki hat ihn dafür immer bewundert. Es gehört viel Mut und Selbstbewusstsein dazu, eine solch unkonventionelle Frisur in der Furikan Oberschule zu tragen. Aber es hat ja auch immerhin ein halbes Jahr und viele Tadel gedauert, bis Ranma sich zu der vorgeschriebenen Schuluniform überreden ließ.

Bis heute dachte er immer, Ranma ließe sich von niemandem in irgendwelche Schablonen pressen und dabei hat er nie bemerkt, wie dieser unglaubliche, stets so frech und übermütig auftretende Junge schon längst in einer steckte. Tatewaki unterdrückt ein Schaudern, als ihn Erinnerungen an Ranmas gebrochenes „ich kann nicht mehr" überfallen.

„Oh, Ranma, was haben sie dir nur angetan?" flüstert Tatewaki und streicht dem Schlafenden einmal vorsichtig über die Wange.

Ein gedämpftes Poltern schreckt ihn auf. Es hört sich an, als habe jemand direkt vor der Zimmertür etwas fallen gelassen. Mit einem letzten sichernden Blick auf den glücklicherweise immer noch tief schlafenden Ranma, erhebt er sich vom Bett und geht die fünf Schritte zur Tür hinüber. Er will sie gerade beiseite schieben, doch jemand auf der anderen Seite kommt ihm zuvor.

„Oniichan -“, seine Schwester, die gerade in den Raum stürmen wollte, stockt, als er so plötzlich vor ihr steht. Doch sie erholt sich schnell wieder von dem Schreck und funkelt ihn aus ihren hellblauen Augen herausfordernd an. „Rate mal, wen ich vor unserer Haustür mit den Habseligkeiten meines geliebten Ranmas getroffen habe."

„Sasuke", seufzt Tatewaki leise und bemerkt erst jetzt den Koffer und den Rucksack, die neben ihr stehen.

„Richtig“, kommt es schnippisch zurück. Plötzlich stockt sie. Sie hat einen Blick an ihm vorbei ins Zimmer geworfen. Sie blinzelt einmal und deutet dann geradezu anklagend auf das Bett.

„Warum liegt mein zukünftiger Bräutigam in deinem Bett?" verlangt sie im besten Dramaqueen-Tonfall zu wissen.

Tatewaki packt sie am Arm und zieht sie mit sich aus dem Raum. Draußen auf dem Gang schließt er erst einmal so leise wie möglich die Tür hinter sich, bevor er sich zu seiner Schwester umdreht.

Die grimmige Entschlossenheit in seiner Miene überrascht sie so sehr, dass ihr jeglicher Protest über diese grobe Behandlung im Hals stecken bleibt.

„Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für diese Spielchen, Kodachi", zischt Tatewaki leise. „Ranma braucht unsere Hilfe."

Ihre ganze übertriebene Art fällt von ihr ab und macht tiefer, ehrlicher Sorge Platz. Es ist schließlich nicht so, als hätte sie nicht schon geahnt, dass irgend etwas vorgefallen sein muß. Schließlich schickt ihr Bruder ihren Ninja nicht mal eben so zum Spaß zu den Tendōs, um Ranmas Habseligkeiten zu holen.

„Was ist passiert?"

Aufmerksam betrachtet sie das Mienenspiel ihres Bruders und das, was sie darin sieht, läßt sie nervös schlucken.

„Er“, beginnt Tatewaki, doch dann versagt ihm die Stimme. Er muß sich zweimal räuspern, bis er das Schreckliche schließlich über die Lippen bringt. „Er wollte von der Brücke springen."

Wie furchtbar! Instinktiv verkrallt sich ihre rechte Hand im Stoff ihrer Bluse – direkt über ihrem Herzen. Doch angesichts des Schmerzes in der Miene ihres Bruders fasst sie sich wieder rasch.

Beruhigend legt sie ihm eine Hand auf den Oberarm.

„Aber du warst rechtzeitig da."

„Ja. Ein paar Sekunden später und er wäre..." Tatewakis Stimme bricht, als ihn diese Erkenntnis verspätet und dafür mit umso größerer Wucht trifft. Er wird kreidebleich.

Hastig ergreift sie seine andere Schulter und hält ihn so fest.

„Hey, Niichan – du warst rechtzeitig da.“ Ihre Stimme und ihr Blick bekommen etwas Eindringliches. „Ihm ist nichts passiert. Und wir werden dafür sorgen, dass das auch so bleibt.“

Für die Dauer eines Herzschlages starren sich die Geschwister nur an.

„Ja, du hast recht“, bestätigt Tatewaki schließlich. „Das werden wir. Danke, Imōto.“ Die letzten beiden Worte klingen fast wie ein erleichterter Seufzer.

Kodachi mustert ihn noch ein letztes Mal scharf, dann schenkt sie ihm ein Lächeln, zufrieden darüber, ihn wieder etwas aufgemuntert zu haben.

„Dann werde ich wohl wieder allein mit Daddy zu Abend essen. Soll ich ihm sagen, du hast einen Freund bei dir, mit dem du lernst oder die Wahrheit?“ Sie macht eine minimale Kunstpause und fährt dann verschlagen fort: „dass du mit deinem Herzblatt zusammen bist?“

Da er sie kennt und weiß, dass sie ihn damit nur aufziehen will – sie würde ihrem Vater nie so etwas sagen – hebt er in einer gespielten Drohung die Hand und knurrt:

„Du Teufelin! Wage es nicht!“

Sie duckt sich unter dem angedeuteten Schlag zurück, kichert und tut dann so, als würde sie vor ihm davon rennen.

Lächelnd sieht Tatewaki ihr hinterher. Sie hat es tatsächlich geschafft, ihn aufzuheitern.

„Es tut mir leid.“ Aus den Schatten vor ihm löst sich Sasukes zierliche Gestalt. „Ich konnte sie nicht aufhalten.“

Obwohl er wusste, dass Sasuke hier irgendwo ist, zuckt Tatewaki bei dessen plötzlichem Erscheinen kurz erschrocken zusammen. Normalerweise würde er ihn dafür anherrschen, aber seit sein Vater wieder hier wohnt, ist er einfach nur dankbar darüber, dass dieser Ninja ständig in seiner Nähe ist. Und heute mehr denn je.

„Das ist schon in Ordnung. Hat dich irgend jemand gesehen, als du Ranmas Sachen geholt hast?“

„Nein, junger Herr.“ Fast ein wenig beleidigt schüttelt Sasuke den Kopf. „Soweit ich das beurteilen kann, vermisst ihn auch noch niemand.“ Er zögert einen Moment. „Was machen wir, wenn sie bemerken, dass seine Habseligkeiten fehlen? Was, wenn sie seine Freunde zusammen trommeln und ihn suchen? Was...“, er schluckt einmal unbehaglich, „... soll ich machen, wenn mich Fräulein Akane bittet, bei der Suche zu helfen?“

Tatewaki starrt ihn einen Moment einfach nur an. Daran hat er bisher noch gar nicht gedacht. Das könnte tatsächlich zu einem Problem werden.

„Dann erinnere dich daran, wem du Loyalität geschworen hast“, erklärt er streng. „Ranma darf nie wieder dorthin zurück. Sie zwingen ihn zu einer Hochzeit, die er nicht will.“

Sasukes nickt ernst und dann schweift sein Blick unwillkürlich zu der Tür, hinter der er Ranma weiß.

Tatewaki schweigt. Er vertraut darauf, dass Sasuke den Ernst der Situation begriffen hat.

Müde fährt er sich mit den Fingern durchs Gesicht, dabei fällt sein Blick auf die Gepäckstücke. Er greift nach dem Rucksack und schiebt die Tür beiseite.

Wortlos folgt Sasuke ihm mit dem Koffer.

 

 

 

Eine halbe Stunde später sitzt Sasuke in der Küche und knabbert gedankenverloren an seinem Reisbällchen herum. Aus dem Nebenraum wehen die Stimmen von Kodachi und ihrem Vater hinüber. Die sechszehnjährige Kodachi klingt so munter und aufgeräumt wie immer, aber wer sie so gut kennt wie er hört ihre Anspannung heraus. Ihrem Vater wird es nicht auffallen. Der lebt sowieso in seiner eigenen, verqueren Welt. Sasuke hält ihn für einen gefährlichen Mann, aber so lange er so viel Aufmerksamkeit von Kodachi bekommt, ist dieses kranke Gemüt besänftigt. So lange Kodachi ihn anbetet, ist sie sicher vor den Launen des alten Kunōs.

Wenn man genauer darüber nachdenkt, fallen einem gewisse Parallelen zwischen ihrer Rolle als verrückte Black Rose und dem wahren Charakter ihres Vaters auf. Manchmal fragt sich Sasuke, ob sie nicht doch etwas davon mitbekommen hat, wie ihr Vater mit ihrem Bruder damals umgesprungen ist.

Er fühlt sich nicht wohl dabei, die Geschwister diese Nacht allein zu lassen, aber Tatewakis Anweisungen waren deutlich.

Und vielleicht ist er ja noch vor Mitternacht zurück. Er soll ja nur herausfinden, was die Tendōs und der alte Saotome wegen Ranmas Verschwinden zu unternehmen gedenken. Falls es ihnen schon aufgefallen ist.

Sasuke hofft, dass es genügt, sie beim Abendessen zu belauschen; und weil er mal ein paar Tage bei ihnen gelebt hat, weiß er, dass sie immer zu einer festen Uhrzeit essen und er noch eine halbe Stunde Zeit hat.

Das wird ausreichen, um die Falle auf dem Gang zu Tatewakis Zimmer zu überprüfen. Sicherheitshalber.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Witch23
2020-08-22T09:54:20+00:00 22.08.2020 11:54
Das Kodachi erst voll in der Black Rose rolle ist um dann plötzlich doch normaler zu sein fand ich schon witzig.
Vor allem das in dem Moment wo klar ist das sie unter sich sind total umgewandelt ist war bezeichnend.

Der kleine Abspann mit Sasuke dagegen ist echt gruselig ^^
Antwort von:  MariLuna
23.08.2020 22:57
Im hause Kuno geht eben der schwarze Mann um... sozusagen. Auch wenn ich zugebe, dass ich dem alten Kuno damit bestimmt Unrecht tue...


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