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Decision

von

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Sturz

Sie stürzte unkontrolliert in die Tiefe. Der Boden unter ihr kam rasend schnell näher. Musste sie diese Erfahrung jetzt unbedingt machen? Sie versuchte noch, sich abzufangen, aber das war nicht so leicht. Sie prallte mit ihrer Hüfte auf dem Boden auf und rutschte einen Abhang hinunter. Die Dornen einiger Sträucher rissen ihre Haut auf, die Äste peitschten in ihr Gesicht. Unglaubliche Schmerzen zogen durch ihren Körper. Wahrscheinlich waren mehrere Knochen gebrochen. Das konnte ein Mensch unmöglich überleben. Dann prallte sie mit ihrem Kopf gegen einen Baum.
 

Urd sprang schnell von dem Schild und rannte zu dem großen Loch. Der Asphalt war aufgerissen und das Metallgestell der Brücke weggebrochen. So war das nicht geplant gewesen. Jetzt war Aoi da runter gefallen. Das würde einige Blessuren geben. Er bezweifelte, dass Aoi sich schon richtig abfangen konnte. Würde in wenigen Minuten wieder verheilen, aber eine schmerzhafte Angelegenheit war das trotzdem. Sollte er sie holen? Oder würde sie den Weg allein zurückfinden? Sollte er sie machen lassen? Vielleicht. Er zog seine Taschenuhr hervor. Eine Stunde würde er ihr geben, danach würde er sie suchen gehen. Sie würde es ja wohl schaffen, sich nicht umbringen zu lassen. Das konnte ihr nur helfen, in Zukunft musste sie mit solchen Situationen auch selbst umgehen müssen. Was einen nicht tötet, das macht einen stärker.
 

„Was sollen wir jetzt machen?“, eine leise, unsichere Stimme drang an ihr Ohr, wie durch einen Schleier hinweg. Vorsichtig öffnete Aoi ihre Augen. Das Bild war verschwommen, ihr Kopf drehte sich. „Von hier verschwinden! D-Die ist bestimmt gefährlich!“, es war eine Jungenstimme. Sprach er von ihr? „Wir können sie doch nicht einfach hier liegen lassen!“, entgegnete die andere Stimme etwas kraftvoller als zuvor. Was war passiert? Wo war sie? „Sie ist ein Vampir! Sie wird uns alle töten, los. Nichts wie weg hier, Schwester!“, entgegnete der Junge aufgebracht. Jetzt erinnerte sie sich wieder. Sie war eine Brücke nach unten gefallen, nachdem sie den Reiter besiegt hatte. Sie musste eine Zeit lang bewusstlos gewesen sein. So leise wie möglich richtete sie sich auf. Rechts und links von ihr standen zwei Kinder. Beide hatten hellbraune Haare, das Mädchen trug es zu zwei Zöpfen geformt, der Junge hatte einen Kurzhaarschnitt. Sie trugen abgenutzte Kleidung und schienen etwas mager zu sein. Überlebende, wie es schien. Das auch außerhalb von den Städten der Dämonenarmee und Sanguinem noch Menschen lebten, das war kein Geheimnis. Sie schien in der Nähe einer kleinen Siedlung gelandet zu sein. Nicht gut, wenn Urd nach ihr suchen sollte, dann würde er sie entdecken und das war es dann mit der Freiheit dieser Menschen. Die beiden würden als Blutbeutel enden. Sie musste hier weg und zurück zu Urd. Dann musste sie ihn wieder von hier weglocken. Sie sprang schnell auf, jetzt hatten auch die Kinder bemerkt, dass sie wach war. Anscheinend hatten sie in ihrer Diskussion nicht weiter auf sie geachtet. Der Junge zog seine Schwester zu sich und umklammerte sie fest. In seinem Blick lag pure Angst. Der Kleine in Sanguinem war auf jeden Fall taffer gewesen. „Bitte tu uns nichts“, stotterte er, „Oder nimm mein Blut. Aber lass meine Schwester laufen!“ „Bruderherz!“, rief sie. War ja klar, dass sie das nicht einfach so hinnehmen würde. Blut, der Geruch nach süßem, unverbrauchtem Blut. Aoi biss sich auf ihre Lippen, sie schmeckte für eine Sekunde ihr eigenes Blut, aber die Wunde verschwand schnell wieder. Sie würde nicht von ihnen trinken, auf keinen Fall.
 

Sie brauchte ein paar Sekunden, um dem Drang, sich auf die Kinder zu stürzen zu unterdrücken. Ihre letzte Blutmahlzeit war schon einige Stunden her. Vampire konnten drei Tage ohne Blut auskommen, bevor sie zu Dämonen werden. Sollte also kein Problem werden. „Beruhigt euch. Ich werde euch nichts tun“, versuchte sie so ruhig wie möglich zu sagen. Die beiden schienen sich tatsächlich etwas zu entspannen, aber sie klammerten sich noch immer aneinander. Aoi brachte langsam etwas Abstand zwischen sich und die Kinder, als ein lautes Geräusch ertönte. Ruckartig drehte sie sich wieder in Richtung der Kinder. Was war das gewesen? Die Kinder schienen es nicht gehört zu haben, aber es kam näher. Immer näher, die Kinder wurden langsam nervöser, sie schienen es inzwischen auch gehört zu haben. Im letzten Moment, als der apokalyptische Reiter bereits aus dem dichten Gebüsch brach, hechtete sie nach vorn und stieß die Kinder beiseite. Schneller als sie es sich zugetraut hätte. „Schwert, trink!“, sie konnte die Angriffe des Monsters abwehren. Ohne große Umschweife sprang sie nach oben, für aufwendige Manöver hatte sie keine Zeit, mit ein paar gezielten Hieben gelang es ihr den apokalyptischen Reiter zu erledigen. Er war deutlich kleiner und schien auch etwas schwächer zu sein, als der den sie auf der Brücke bekämpft hatte. Sie wandte sich den Kindern wieder zu, die schienen unverletzt. Behutsam richteten sich die beiden wieder auf. Erst starrten sie die Überreste des Reiters an, dann Aoi. „Vielen Dank, Fräulein Vampir“, murmelte die Kleine und kam hinter dem Rücken ihres Bruders hervor. Sie war zwar immer noch achtsam, aber wirkte schon etwas aufgeschlossener. Aoi ging auf sie zu und hockte sich vor sie: „Bist du verletzt?“ Aoi konnte riechen, das sie es nicht war. Blut hätte sie wohl deutlich mehr angeregt. Doch sie wollte das Vertrauen der beiden gewinnen, ihnen zeigen, dass sie anders war. Die Kleine schüttelte heftig ihren Kopf: „Nein.“ Der Junge stand immer noch unschlüssig hinter ihnen, während seine Schwester Aoi immer genauer in Augenschein nahm. „Warum hast du da auf dem Boden gelegen, Fräulein Vampir?“, fragte das Mädchen. Diese Naivität. Manchmal beneidete sie Kinder um ihre Weltansicht. „Ich bin gefallen und mit dem Kopf angestoßen“, erklärte Aoi ihr, „Bitte, nenne mich Aoi. Wie heißt du?“ Wie sie gefallen war, das behielt sie für sich. „Ich bin Mina, das ist mein Bruder Anshar“, gab sie Auskunft. Jetzt kam auch Anshar näher, wenn auch zögerlich.
 

Das Blätterdach über ihr war immer dichter geworden, das Licht schien nur spärlich hindurch. Aoi wich immer wieder den großen Wurzeln und Steinen, die zum Teil komplett von Moos überwachsen waren, aus. Hoffentlich stolperte keines der Kinder über irgendetwas und verletzte sich. Dann wusste sie nicht, ob sie sich noch beherrschen konnte. „Aoi? Was wolltest du eigentlich hier?“, fragte Mina sie, während sie sich zwischen großen Farnen hindurchschlängelte. Aoi tat es ihr gleich: „Wir haben nach apokalyptischen Reitern gesucht.“ „Wieso suchst du nach denen?“, Anshar rümpfte die Nase, „Ihr Vampire seid seltsam.“ „Na ja, ich wollte trainieren. Wisst ihr, ich bin erst seit wenigen Tagen ein Vampir. Mein Meister wollte mit mir in echten Kämpfen üben, deswegen waren wir hier. Allerdings wurden wir getrennt“, erklärte sie und duckte sich unter einem Ast hinweg. Sie wusste nicht, ob die beiden das verstehen würden, aber sie versuchte es mal. „Trainieren? Meinst du Kämpfen? Oder wie man Blut trinkt?“, fragte Mina weiter und hüpfte von einem Stein. Bei der Landung rutschte sie jedoch ab und landete auf ihrem Hintern. Allerdings schien sie nicht zu bluten. Anshar half ihr wieder auf die Beine: „Mina, mach doch so was nicht, du weißt doch, das der Stein rutschig ist. Warum gehst du immer solche Risiken ein?“ Mina schien ein kleiner Wirbelwind zu sein. Das würde sie hoffentlich nicht irgendwann das Leben kosten. „Ich glaube, Blut saugen kann ich auch von alleine. Das ist wie essen, das kann man irgendwie einfach“, fuhr Aoi fort und wich erneut einem Ast aus. Bei Kureto hatte sie das auch einfach gekonnt, auch ohne Anleitung von Urd. Einfach beißen, dann war das erledigt. Anshar formte seine Hände zu Fäusten, seine Knöchel wurden weiß: „Also wolltest du gegen diese Monster kämpfen?“ Aoi nickte. „Stimmt es, dass Vampire früher mal Menschen waren?“, fragte Anshar weiter. Aoi nickte wieder: „Ja, das stimmt.“ „Okay“, sagte Anshar nur und ging weiter. Bedrückte ihn irgendwas? Störte ihn dieses Detail? Oder steckte etwas völlig anderes dahinter? „Wir sind gleich da! Kommt, Papa wartet bestimmt schon auf uns!“, rief Mina ihnen zu, sie war schon etwas vorausgeeilt. Anshar, der vor Aoi lief, blieb plötzlich stehen. Anschließend drehte er sich zu ihr um, sein Gesicht war ernst: „Hör mal…Ich glaube, Papa mag Vampire nicht besonders. Er hat alle, die vor dir kamen, erledigt.“ Das war überraschend. Der Vater schien in der Lage zu sein, gegen Vampire zu kämpfen: „Wie hat er das gemacht?“ „Ich weiß es nicht“, Anshar hob seine Schultern, „Aber ich glaube, er hat eine ganz besondere Waffe.“ Eine besondere Waffe? Etwa eine Dämonenwaffe? Wo hatte er die denn her?
 

Die Gruppe erreichte eine kleine Ebene, die Bäume hatten eine Art Kuppel über die kleine Siedlung gebildet. Ein gutes Versteck, man konnte es aus der Luft nicht so leicht erkennen, da es größtenteils verdeckt wurde. Die Bewohner hatten kleine Häuser, größtenteils aus Holz, aber auch aus Stein gebaut. Sie konnte einige Menschen sehen, größtenteils waren sie mit ihren Arbeiten beschäftigt und beachteten Aoi nicht weiter. Aufgrund der russischen Uniform konnten sie Aoi wohl nicht anhand ihrer Kleidung identifizieren. Einige Kinder rannten kreuz und quer über den Platz. Ein winzig kleines Paradies, wie sie empfand. Ein Grund mehr, schnell von hier zu verschwinden und Urd zu suchen. Er durfte den Ort auf keinen Fall finden. „Hört mal“, sagte sie zu den beiden, „Ich danke euch für eure Hilfe, aber ich sollte nun gehen. Mein Meister sollte diesen Ort nicht finden.“ Anshars Hand griff nach der seiner Schwester: „Glaubst du, der würde uns was tun?“ Ich weiß es nicht“, gab Aoi zu, „Aber…“ Weiter kam sie nicht, denn sie spürte wie sich ihr etwas näherte und sie glaubte nicht, dass es ihr gut tun würde. Sie machte einen weiten Sprung nach rechts, wenig später schlug das Geschoss in den Baum neben ihr ein und hinterließ ein großes Brandloch. Hastig drehte sie sich um. Dort stand ein Mann, er trug eine schwarze Hose und eine blaue Stoffjacke. Seine schwarzen Haare gingen ihm bis zur Schulter und stechend grüne Augen schauten sie wütend an. „Nimm die Finger von den Kindern, Monster!“, rief er, in seiner Hand hielt er einen schwarzen Bogen. Also doch, er hatte eine Dämonenwaffe. Er war gespannt, die grünen Pfeile waren unentwegt auf sie gerichtet. Sie drehte sich vollständig zu ihm um: „Eine Dämonenwaffe. Bist du ein Mitglied der japanischen, kaiserlichen Dämonenarmee? Warum bist du dann hier?“ Das warf Fragen auf. Zunächst antwortete der Mann nicht, er schaute sie nur intensiv an. Je länger er so stand, umso ungläubiger wurde sein Gesicht. Schließlich senkte er seinen Bogen, wenn auch nicht ganz und kam langsam näher: „Das kann doch nicht…Sangu? A-Aoi Sangu?“ Er kannte sie, er musste also zur Dämonenarmee gehören. Oder gehört haben. „J-Ja?“, sie klang bestimmt mindestens so verwundert wie er. Die Welt schien eine Zeit lang still zu stehen, keiner bewegte sich. Weder Aoi, noch die Kinder, noch der Mann. Er ließ die Pfeile verschwinden, hielt den Bogen jedoch im Anschlag: „Wieso? Was ist mit Ihnen passiert? Sie…sind doch ein Mensch, oder? Zumindest waren Sie es, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, was jedoch schon drei Jahre her ist.“ Aoi senkte ihre roten Augen: „Das ist eine lange Geschichte.“
 

Der Mann hieß Kenji. Er erzählte ihr, dass er vor Jahren bei einem Unfall in diese Schlucht gefallen und nur knapp überlebt hatte. Die Dorfbewohner hatten ihn gerettet. Allerdings wimmelte es in den Wäldern nur so vor apokalyptischen Reitern. „Ich konnte diese Siedlung nicht einfach im Stich lassen. Außerdem war es zu gefährlich, allein nach draußen zu gehen, wir sind meilenweit entfernt von allen Stützpunkten der Armee“, erzählte er weiter, „Und…ich habe hier jemanden kennengelernt.“ Ein Lächeln trat auf sein Gesicht und Aoi wusste sofort was er damit gemeint hatte. Sie lächelte ebenfalls, auch wenn es ihr schwerfiel. Das versetzte ihr einen kleinen Stich. Sie konnte sich nicht darüber freuen, es war ihr völlig gleichgültig, das er sein Glück gefunden hatte. Das machte ihr Angst, Angst vor sich selbst. War es das, wovon Urd gesprochen hatte? Verlor sie bereits ihre Menschlichkeit? Sie legte ihre Hand auf ihre Brust, sie fühlte sich so leer an, kein Herzschlag, keine Wärme. Nichts, das ihr einen Hinweis darauf gab, das sie noch am Leben war. „Und Sie?“, Kenji holte sie wieder in die Realität zurück, „Was ist mit Ihnen passiert?“ Sie begann nur langsam zu erzählen, doch je weiter sie voranschritt umso schneller wurde sie. Erst als sie geendet hatte, konnte sie wieder tief durcharmen. Kenjis Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an: „Ich verstehe. Scheint so, als würde sich die Situation zuspitzen. Sie scheinen ja einiges erlebt zu haben, Oberst Sangu. Ich dachte schon, ich hätte Pechsträhnen gehabt, aber wenn ich mir Sie so anschaue, dann habe ich wohl eher Glück gehabt. Dass Sie von der Brücke gefallen sind…ich meine, das bin ich auch, aber an einer Stelle, die nicht so hoch war. Als Vampir überlebt man sowas wohl.“ „Schon. Aber ich hätte auch auf diese Erfahrung verzichten können“, bestätigte sie ihm, „Ich könnte Kureto Hiragi informieren. Er könnte Sie hier abholen und in Sicherheit bringen. Natürlich darf Ihre kleine Familie auch mitkommen.“ Erst war Kenjis Gesicht nicht ganz definierbar, doch dann begann er zu strahlen: „Ich danke Ihnen, Oberst Sangu.“
 

Aoi stand hinter einer der Hütten und holte ihr Funkgerät aus der Innentasche des Mantels. Sie schaltete es ein und nahm Kontakt zu Kureto auf: „Meister Kureto, hört Ihr mich? Hier ist Aoi Sangu.“ Sie wartete einige Minuten. Schließlich erklang Kuretos Stimme aus dem Gerät: „Aoi. Ich bin froh von dir zu hören, wie geht es dir?“ „Mir geht es gut. Und Euch?“, fragte sie ihn. „Alles wie immer. Was gibt es neues?“, erkundigte er sich. Aoi lehnte sich an die Holzwand und seufzte einmal: „Urd Geales, er will mich dem hohen Rat der Ahnen vorstellen und zwar schon morgen. Ich bin etwas ratlos, um ehrlich zu sein.“ „Fantastisch“, die Ironie war nicht zu überhören, „Pass bitte auf was du diesen Vampire erzählst.“ Aoi straffte ihren Rücken: „Keine Sorge, Meister Kureto. Ich werde einfach Urd Geales reden lassen und so wenig wie möglich sagen. Aber ich muss Euch noch was anderes erzählen…“ Damit brachte sie Kureto auf den Stand ihrer momentanen Situation. „Oh, shit. Aoi, du bist jetzt zwar so gut wie unsterblich, aber das jagt mir einen gehörigen Schrecken ein. Um diese Leute mach dir mal keine Sorgen, ich werde bald jemanden schicken der sie in Sicherheit bringt, bevor unser Lieblingsblutsauger sie findet.“ „Ich melde mich nach dieser Ratssitzung wieder, Meister Kureto. Insofern nichts anderes passiert“, sagte sie zu ihm. In dem Moment ertönte ein lauter Schrei…



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