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Something To Remember

von

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The Air In This City Is So Suffocating

4.14 Uhr
 

Leise vor sich hin summend schlenderte Himchan die verlassene Straße durch das Bahnhofsviertel entlang. Bereits nach dem Verlassen der alten Lagerhalle hatte er es bereut, sich dazu bereit erklärt zu haben, diese Aufgabe zu übernehmen. Die Wolken hatten sich zugezogen, bald würde es wohl anfangen zu regnen.. Zumal es nicht zu seinem Aufgabenfeld gehörte, die Bezahlung abzuholen, das war unter seinem Rang. Ein Seufzen verließ seine trockenen Lippen, als er sich ins Bewusstsein rief, dass sich zu beschweren in seiner Lage weder hilfreich noch zielführend war.
 

Er zog seine Kapuze etwas tiefer und überprüfte den Sitz seiner Maske. Himchan hatte schon einige Nahtoderfahrungen gemacht, jedoch wurde keine durch einen Schrecken ausgelöst, der beinahe schon einem Herzinfarkt glich. Dies änderte sich allerdings, als der Roller, der, wie Himchan es sich vorstellte, aus dem Nichts aufgetaucht sein musste, mit überhöhter Geschwindigkeit nur wenige Zentimeter neben ihm vorbeirauschte und dabei etwas verlor.
 

„Pass verdammt nochmal auf, du hirnamputiertes Schwein!“, brüllte der junge Mann, nachdem er sich von seinem ersten Schock erholt hatte, die Gasse hinunter, welche mittlerweile wieder verlassen war.
 

Während er sich bückte, um das kleine schwarze Kästchen aufzuheben, welches dem rücksichtslosen Fahrer aus der Tasche gefallen sein musste, murmelte er: „Alles voller Idioten... Wie kann so etwas nur einen Führerschein erwerben... Sich nicht einmal zu entschuldigen...“
 

Das Behältnis hatte die Größe einer Zigarettenschachtel und war offensichtlich zugeschweißt worden.
 

„Was haben wir denn hier?“, misstrauisch hob er eine Braue in die Höhe.
 

Leichtes Schütteln entlockte der Schachtel ein leises, klapperndes Geräusch. Ein kleines Schlüsselloch war an einer der langen Seiten angebracht, verriet aber kein Detail über den Inhalt. Ein weiteres Mal blickte Himchan die Straße hinunter, ehe er sich entschloss, den mysteriösen Gegenstand in die blaue Trainingstasche zu stecken und sich mit erhöhter Geschwindigkeit – sowie Aufmerksamkeit, sollte noch ein halbstarker Rüpel versuchen ihn über den Haufen zu fahren – auf den Weg zu machen.
 

Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet dem jungen Mann, dass er bei seinem aktuellen Tempo gute eineinhalb Stunden zwischen seinem Eintreffen am Hauptquartier und Beginn der Lagebesprechung zur freien Verfügung hatte.
 

Beep beep.
 

Genervt trat Himchan gegen die Spinde. Zum vierten Mal wurde sein Code nicht akzeptiert. Hatte Yongguk ihn geändert, ohne ihm Bescheid zu geben? Nein, das hätte der Anführer erwähnt, als er den Jüngeren losgeschickt hatte. Erneut und mit erhöhter Konzentration drückte er die Tasten.
 

151115
 

Beep beep.
 

Der Display wechselte die Anzeige in einen Text, der den Benutzer anwies, fünf Minuten zu warten, bis er erneut versuchen könne, den Code einzugeben. Durch seinen Frust getrieben schlug Himchan mit seiner Faust gegen den Spind und hinterließ neben einigen Blutspuren auch eine beachtliche Delle im Metall.
 

„Verdammt.“
 

Mit seiner linken Hand versuchte er seine verletzte durch Streichbewegungen zu beruhigen, ehe er das Blut an seiner Sweatjacke abwusch. Etwas, das er unter normalen Umständen nie machen würde. Schlafentzug, die Tatsache, fast überfahren zu werden, eine allgemeine Anspannung, begründet auf den bevorstehenden Ereignissen sowie das Nerven raubende Gefühl, beobachtet zu werden, ließen ihn seine Prinzipien vergessen. Zumal seine Jacke glücklicherweise bereits abgenutzt und verbraucht aussah, was die Schuldgefühle davon abhielt, sich langsam und beißend vorzuarbeiten.
 

„Entschuldigen Sie, Sir. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, kam eine freundliche Frauenstimme von seiner linken Seite.
 

Leicht drehte Himchan seinen Kopf, um die Frau aus dem Augenwinkel ansehen zu können.
 

„Nein.“
 

Die junge Frau schien von der Grobheit, mit der ihr gut gemeintes Angebot ausgeschlagen wurde so überrascht, dass sie kurz verdattert da stand ehe sie sich beleidigt wirkend umdrehte und weiter ihres Weges ging. Besser so, diese Gegend war gefährlicher als manch einer vermuten würde.
 

Als er sich wieder der Wand vor sich widmete viel dann der Groschen. Reflexartig griff er sich in den Nacken, um seine verspannten Muskeln etwas massieren zu können. Von sich selbst genervt stöhnte er leise und gequält auf. Seine Begegnung von zuvor schien ihn mehr aus der Ruhe gebracht zu haben, als er gedacht hatte.
 

22, 21, 20, 19, 18, 17, 16, 15, 14, 13, 12.
 

Himchan lief die Wand vor sich ab, die Zahlen an dem unterschiedlichen Schränken abnehmend. Er schwor sich innerlich, das keine andere Person jemals davon erfahren durfte, während er den Code ein sechstes Mal eingab und diesmal das erhoffte Ergebnis erlangte. Nach einen kurzen zustimmenden Summen öffnete sich die dünne Metalltür und eine weitere blaue Trainingstasche kam zum Vorschein.
 

Das stechende Gefühl verschiedene Augenpaare im Rücken zu haben ließ Himchans Nackenhaare zu Berge stehen. Schnell drehte er sich um und sah sich auf dem Gelände um.
 

Nichts.
 

Nur Personen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten, ohne auf den jungen Mann, der soeben ein Schließfach beschädigt hatte, zu achten. Den Kopf schüttelnd drehte er sich um und begann das Geld aus der zweiten Tasche in die erste umzufüllen, die er neben die andere in das Schließfach gelegt hatte. Nachdem er den letzten Batzen Scheine in seine ursprüngliche Tasche gepackt hatte, zog er bei beiden den Reißverschluss zu und drehte sich erneut um. Stand dort nicht gerade noch ein maskierter Mann, der schnell um die Ecke gebogen war, als er sich umgedreht hatte?
 

Von seiner eigenen Empfindlichkeit genervt, aber dennoch alarmiert, griff er in den Spind und zog die blaue Tasche heraus, ehe er den Spind schloss und überprüfte, dass das Schloss wieder eingerastet war. Himchan warf sich die Tasche über die Schulter und begab sich summend auf den Rückweg.
 

Gerade als er in die Gasse einbog, in der er vor einer Viertelstunde beinahe über den Haufen gefahren wurde, bereitete sich eine unangenehme Gänsehaut auf seinen Armen aus. Seine körperliche Reaktion weitgehend ignorierend beschleunigte er seine Schritte.
 

Ein lautes Scheppern direkt neben ihm ließ Himchan überrascht aufschreien. Die Gefahr

offenbarte sich als eine Ratte, die wohl in einem Müllcontainer nach etwas Verwertbaren gewühlt hatte und sich vor dem Eindringling ebenso sehr erschrocken haben musste, wie er sich vor ihr.
 

Himchan wollte gerade in nervöses Gelächter ausbrechen, als ihn der erste Schlag ohne Vorwarnung gegen seinen Hinterkopf traf, mit solch einer Wucht, die ihn zu Boden gehen und die Haut auf seinem Kopf aufplatzen ließ. Gerade als er sich aufrichten wollte, um seinem Angreifer Gegenhalt zu bieten, trat ihm eine zweite Person mit aller Kraft in seine Magengegend.
 

Er keuchte und spürte dabei, wie ihm Speichel aus dem Mund tropfte. Ein hilfesuchender Blick auf die beleuchtete Straße, aus der er zuvor eingebogen war, enttäuschte seine Hoffnung, einen – oder bestenfalls mehrere – Passanten auf sich aufmerksam machen zu können, der genug Zivilcourage hatte, einer einzelnen, am Boden liegenden Person zu helfen, die von mehreren kräftigen Männern attackiert wurde. Als er darüber nachdachte wurde ihm bewusst, wie unrealistisch dieser Gedanke war.
 

Ein Tritt gegen seinen unteren Rücken erinnerte ihn an die Lage, in der er sich aktuell befand. Sein zweiter Versuch, sich aufzurichten wurde ihm ebenfalls nicht gewährt, denn einer der Männer – es waren drei, wie er in dieser Position feststellen konnte – drehte ihn auf den Rücken und stützte sich selbst über ihm ab.
 

„Du weißt was Taeha gesagt hat; mach es kurz.“, meinte einer der beiden Männer, die bedrohlich um ihn herumstanden mit einem bedrohlichen Unterton.
 

Himchans Magen drehte sich unweigerlich als er das höhnische schmunzeln auf den Lippen des jungen Mannes über ihm bemerkte, als dieser seinem Kollegen antwortete: „Keine Sorge, das dauert nicht lang. Ich möchte nur sichergehen, dass er uns nicht so schnell vergisst.“
 

Mit diesen Worten zog er einen kleinen Gegenstand auf seiner Hosentasche, den er Himchan vor sein Gesicht hielt und anschließend mit seinem Finger an der Seite des dunkelroten Objektes hantierte. Seine Augen weiteten sich, als er nach einem kurzen klickenden Geräusch seine schockierte Spiegelung auf der glänzenden Klinge eines Klappmessers ausmachen konnte. Was hatte dieser Wahnsinnige vor?
 

Sich aus seiner Starre lösend begann er sich, trotz der sich ausbreitenden Schmerzen, zu wehren und zappelte wie ein gestrandeter Fisch unter dem Körper seines potenziellen Mörders. Dieser beugte sich vor und verlagerte sein Gewicht so auf der ohnehin schon geschwächten Person unter ihm, dass er sich beinahe nicht mehr bewegen konnte.
 

„Keine Sorge, es wird nur ganz kurz wehtun, wenn du stillhältst.“
 

Mit diesen Worten erhob er seinen Oberkörper wieder um wenige Dezimeter und betrachtete den Verletzten nachdenklich.
 

„Du musst das nicht tun.“, versuchte sich Himchan dabei, den Anderen umzustimmen und von was auch immer er vorhatte abzubringen.
 

Seine Augen fixierten Himchans linken Oberarm. „Du hast recht, ich muss das nicht tun,“ er zog den Reißverschluss seines Opfers runter und riss so gut es ging an seinem darunterliegenden Shirt, um seinen Oberarm freizulegen, ohne seine Kleidung zu ruinieren, „aber ich möchte es.“
 

Mit seinen Beinen platzierte er sich auf den Armen des Mannes unter ihm und benutzte seinen rechten Arm, um ihn auf das Schlüsselbein des Mannes unter ihm zu drücken und so unten zu halten. Die linke Hand seines Angreifers hielt das Messer fest umklammert. Himchan biss fest seine Zähne zusammen, sodass er kurz befürchtete, sie würden ihm zerspringen, um seinen Angreifern nicht die Genugtuung seiner Schmerzenslaute zu geben. In diesem Moment schwor er sich, die Leiden still über sich ergehen zu lassen, keine Schwäche zu offenbaren und sie eines Tages alles heimzahlen zu lassen.
 

Die Klinge musste neu oder kürzlich geschärft worden sein, denn schon mittlerer Druck hatte ausgereicht, um seine Haut zu durchtrennen und das Blut fließen zu lassen. Langsam und geduldig verkünstelte sich sein Angreifer in einem merkwürdigen Zeichen, das Himchan nicht erkennen konnte, da er sich weigerte hinzusehen und den Schmerz dadurch womöglich zu verschlimmern. Stattdessen starrte er in das Gesicht des jungen Mannes und studierte jedes kleine Merkmal, mit dem er ihn später wiedererkennen könnte, sollte er den heutigen Tag überleben. Blondes Haar, große Augen, eine lange, gerade Nase, volle Lippen und ein schmales Gesicht.
 

Nicht gerade die außergewöhnlichsten Merkmale, aber Himchan war sich sicher, dass er ihn wiedererkennen würde.
 

Das Kunstwerk schien vollendet, denn der Mann, der sich etwa in seinem Alter befinden musste, lehnte sich zurück und betrachtete, woran er zuvor noch gearbeitet hatte. Selbstzufrieden lächelnd erhob er sich von Himchan und steckte das eingeklappte Messer zurück in seine Hosentasche.
 

Gerade als Himchan sich fragte, ob sie nun gingen und ihn in Ruhe ließen, trafen ihn weitere Tritte und Schläge auf seinem gesamten Körper. Aus seiner Brustgegend vernahm er ein bedrohliches knacken und einen stechenden Schmerz, der ihm die Luft zum Atmen raubte.
 

Seine gelähmte Wahrnehmung ließ etwas an seinen Verstand durchdringen, das wie ein „Beeilt euch!“ klang und von einem ziehenden Gefühl an seiner Schulter gefolgt wurde, über die er sich die Tasche geworfen hatte. Was vermutlich nur wenige Minuten angedauert hatte, hatte sich wie Stunden angefühlt und erschöpft ließ er seinen Kopf auf den kalten Boden sinken.

Kurz bevor sich seine Welt vollständig in betäubendes Schwarz hüllte, vernahm er noch stumpfe, sich entfernende Schritte und das Schreien einer Katze.
 

Langsam öffnete er seine Augen erneut, unfähig sie zu fixieren. Auch Denken viel Himchan zunehmend schwer, seine Erinnerungen waren ein einziges Chaos. Der Schmerz trat noch vor seinen Erinnerungen in seine Wahrnehmung und wurden durch die Fetzen der letzten Momente vor seiner Bewusstlosigkeit nur verstärkt. Leise sprach Himchan einen Fluch, der davon unterbrochen werden musste, dass das Aufstehen einen so intensiven Schmerz auslöste, dass der Verletzte scharf die Luft einziehen musste.
 

„Diese verdammten Mistkerle... Das Schicksal hat es heute wirklich auf mich abgesehen.“
 

Gemächlich setzte er sich nach einigen Minuten auf, um mögliche innere Verletzungen nicht zu fördern und seinen Körper davon abzuhalten, als Schutzreflex erneut herunterzufahren. Als er seinen Arm anhob fühlte sich dieser bleischwer an. Das Glas seiner Armbanduhr war gesprungen, was die Zeiger glücklicherweise nicht daran hinderte weiter ihrem Job nachzugehen und ihrem Betrachter so zu informieren, dass es mittlerweile sechs Uhr morgens war.
 

Eine Stunde. Etwa eine Stunde musste er wehrlos auf dem nassen Zement gelegen haben.
 

Nicht gerade wie er sich sein 'freie Stunde zur Erholung' vorgestellt hatte. Ein Blick auf seine nähere Umgebung bestätigte, was er bereits vermutet hatte: die Tasche war weg. Gestohlen. Dann hatte sein Bauchgefühl ihn wohl doch nicht getäuscht, diese Bande ist ihm aufgelauert, um ihn zu überfallen. Sie mussten Himchan schon beobachtet haben, bevor er zum zweiten Mal in die dunkle Gasse eingebogen war, da war er sich sicher.
 

Als er sich an einer Hauswand auf die Beine zog, musste er sich auf die Lippe beißen, um nicht aufzuschreien. Jeder Teil seines Körpers tat bei jeder Bewegung weh, als wäre er überfahren worden. Von einem Zementmischer. Langsam und mehrmals.
 

Kurz ließ er sich noch verschnaufen, mittlerweile stand der Attackierte unter Zeitdruck, ehe er sich von der Wand abstieß und langsam zurück zum Bahnhof lief. Wobei man es eher 'humpeln' nennen sollte.
 

Ein weiteres Mal lief er die Wand mit den Spinden entlang, vorbei an der Nummer 22, die jetzt eine hässliche Beule mit getrockneten Blutflecken zierte, bis er vor der Nummer 12 zum stehen kam.

Als er den Inhalt besah schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht, dass durch den Schmerz zu einer Grimasse verzogen wurde. Er holte die zweite Tasche heraus, überprüfte mit einem kurzen Blick, ob sich noch alles an seinem rechten Platz befand, warf sie sich über die Schulter und machte sich erneut auf den Weg zurück, diesmal auf einer anderen Route.
 

Innerlich lobte er sich selbst für sein vorausschauendes Denken. Die Tasche der Räuber war leer, während sich in seiner die Bezahlung für ihren letzten Auftrag sowie ein mysteriöses Schächtelchen befand.



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