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Ein kleines Duell

Ich überlegte was ich jetzt machen sollte. Laut Kaiba würde unser Hubschrauber (warum auch normal reisen?) erst nach dem Mittagessen bereitstehen. Mir hatte sich die Frage aufgedrängt, warum ich denn Lokalisierungskarten brauchte, wenn mich der Turnierveranstalter persönlich herumkutschierte? Wahrscheinlich nur ein kleiner Test, ob ich wirklich den Anforderungen eines Seto Kaiba entsprach. Seine Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Wenn er es darauf angelegt hätte, wären wir zusammengekommen. Was sollte das bedeuten? Dass er auf mich stand? Wohl kaum. Ich war mir bewusst, dass ich ihm wichtig war. Seine kranke „Du bist mein Ebenbild-Nummer“ hatte in seinem Kopf wohl den Eindruck hinterlassen, ich sei sowas wie sein Eigentum, und dabei noch ein Stück Yugi, den er vergötterte, weil er ihm die Stirn bieten konnte. Für mich klang das stark nach „Ich will dich besitzen“. War er eifersüchtig, weil Joey etwas besaß, das er nicht hatte: Mich?
 

Ich war beim Nachdenken durch die Villa gewandert und dabei unweigerlich vor dem Holoraum gelandet. Das war sowas wie Kaibas Heiligtum. Dort drinnen konnte man sich duellieren und zwar nahezu lebensecht. Ein Dutzend Techniker arbeiteten Tag und Nacht, dass der Projektor lief und auch die KI konnte sich mit den Besten der Besten auf dieser Welt messen. Kaiba hatte mir einmal erzählt, dass er sämtliche Duellanten von Rang und Namen eingespeichert hatte. Das bedeutete, er selbst würde sicher einmal als Gegner existieren, gleiches galt für Yugi. Ob ich wohl auch dabei war? Ich zögerte kurz, bevor ich die Tür aufstieß und sich mir ein nahezu leerer Raum darbot. Es wirkte wie so eine Bluebox, die man in Filmen für die Animationen verwendete oder wie in einer Gummizelle, nur eben ohne Gummi. Hatte ich mich im Raum geirrt? Es brannte Licht, aber das war auch schon alles. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und ich schaute mich um. Hier also verbrachte Kaiba seine Freizeit? Hier übte er?
 

„Guten Tag“, meldete sich eine weibliche Stimme aus dem Nirgendwo, was mich zusammenzucken ließ. „Bitte autorisieren Sie sich.“
 

„Ähm.“ Ich kratzte mich am Hals. Autorisieren? Was sollte ich jetzt machen? Etwas sagen?
 

„Stimmanalyse abgeschlossen. Subjekt David Pirchner – persönlicher Gast von Seto Kaiba. Herzlich Willkommen, Herr Pirchner. Sie wünschen?“
 

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Persönlicher Gast? Na das war ja mal eine nette Beschreibung. Ich hatte schon mit was ganz anderem gerechnet. Das bedeutete aber, dass Kaiba davon ausging, dass ich diesen Raum einmal nutzen würde. Interessant. Wie funktionierte dieses Ding jetzt? Wenn es von Kaiba gebaut worden war, dann würde es wohl auf Befehle reagieren.
 

„Ich möchte mich gerne duellieren“, stellte ich in den Raum.
 

„Wie Sie wünschen. Schwierigkeitsgrad, Gegner und eigenes Deck auswählen“ forderte mich die Frauenstimme auf.
 

„Hm“, überlegte ich. „Höchster Schwierigkeitsgrad, Gegner Seto Kaiba, Deck von David Pirchner.“
 

„Mahad?“, fragte ich und sah staunend dabei zu, wie sich der Raum in eine Art Arena verwandelte. Um uns herum jubelten tausende Menschen, reckten die Hände in die Höhe und brüllten irgendetwas. Das war ja fast wie in einem Fußballstadion.
 

„Ja?“, meldete sich mein Begleiter sofort zu Wort.
 

„Wollen wir mal herausfinden, ob wir Kaiba schlagen können?“
 

„Natürlich“, nickte der Geist und verschmolz beim Aufglühen des Rings mit mir. Sofort spürte ich wieder diese angenehme Wärme und wie jemand meine Bewegungen führte.
 

Vor mir erschien ein holografisches Abbild von fünf Karten aus meinem Deck. Gleiches passierte auf der Gegenseite.
 

„Ziehe Karte“, sagte die weibliche Stimme. „Spiele Herr der Drachen im Angriffsmodus. Benutze Zauberkarte Drachenruferflöte. Beschwöre zwei Weiße Drachen mit Eiskaltem Blick.“
 

Ich blinzelte und starrte entgeistert nach vorne. Was? Tatsächlich erschien der Herr der Drachen auf dem Feld und in seiner Hand eine goldene, gebogene Flöte, deren Ende zu einem Drachenmaul geformt war. Die Rubine, die als Augen für den Drachenkopf dienten, glühten auf, als der Herr der Drachen in das Horn stieß und sich neben ihm brüllend zwei Weiße Drachen mit Eiskaltem Blick materialisierten. Sie reckten die Hälse in die Höhe und kreischten ohrenbetäubend, um dann auf mich herabzustarren.
 

„Das ist nicht sein Ernst, oder?“, fragte ich Mahad.
 

„Ich habe ehrlich gesagt schon mit so etwas gerechnet“, lächelte der Ägypter.
 

„Wie meinst du das?“
 

„Höchster Schwierigkeitsgrad bedeutet bei Kaiba, dass es nahezu unmöglich ist den Gegner, vor allem ihn selbst, zu besiegen.“
 

„Du meinst, beim Turnier blüht uns sowas auch?“, war meine entgeisterte Frage.
 

„Natürlich. Jetzt warte mal ab.“
 

Eine sechste Karte materialisierte sich und wir tippten zwei davon an.
 

„Ich spiele Rache des Schwertjägers im Verteidigungsmodus, sowie eine Karte verdeckt.“
 

Vor uns erschien der Schwertkämpfer mit Cape und Batmanmaske. Er hielt sein Schwert in einer abwehrenden Position. Links von uns lag eine verdeckte Karte.
 

„Ziehe nächste Karte. Benutze Drachenruferflöte um Weißen Drachen mit Eiskaltem Blick zu beschwören. Kombiniere drei Weiße Drachen mit Eiskaltem Blick um Blauäugigen Ultradrachen zu erschaffen.“
 

Ich wich einen Schritt zurück, als ein dritter Drache erschien, der sich sofort mit seinen Brüdern vereinte. Aus dem massigen Leib, dessen Schuppen im Lichte der virtuellen Sonne, die auf uns herabschien, erstrahlte, ragten drei Köpfe. Alle drei waren mit einem schwarzen Mal auf der Stirn versehen und starrten gierig auf uns herab. Ich wusste, das war Kaibas stärkstes Monster, von seiner neuesten Eroberung einmal abgesehen. Vor diesem Ding hatten schon Duellanten von ganz anderem Kaliber kapitulieren müssen.
 

„Blauäugiger Ultradrache greift nun Rache des Schwertjägers an.“
 

Die drei Schädel steckten ihre Köpfe zusammen, rissen die Mäuler auf und in jedem von ihnen bildete sich ein Lichtblitz. Der Boden der Arena begann zu knacken. Tiefe Risse zeigten sich im Duellring. Das Erdreich brach auf während das Monster seine Attacke vorbereitete. Der Ultradrache spreizte seine Flügel und ballte die Klauen zu Fäusten. Die drei Kugeln wurden immer größer, bis sie eins wurden und zu einem großen Strahl zusammenfanden. Dieser löste sich von den Mäulern und fraß sich, von gigantischem Druck begleitet, über das Feld. Ich hörte Gestein krachen und konnte Brocken an mir vorbeifliegen sehen während die Menge noch lauter jubelte.
 

„Ich aktiviere die Fallenkarte Angriff annullieren!“ Meine verdeckte Karte wurde aufgedeckt und ein wabernder Schild schluckte den Strahl des Ultradrachens. Das rettete uns für diese Runde, aber nicht für die nächste.
 

„Was machen wir jetzt?“, fragte ich und eine neue Karte erschien auf unserer Seite des Feldes.
 

„Auf Zeit spielen“, erklärte mir Mahad und ich wählte unter seiner Hilfe zwei weitere Karten aus.
 

„Nichts in unserem Deck ist stark genug es mit dem Ding aufzunehmen.“
 

„Doch, es gibt eine Karte“, korrigierte mich Mahad. „Ich rufe selbst den Herrn der Drachen aufs Feld, im Angriffsmodus, und benutze dazu die Drachenruferflöte um meinen Meteordrachen zu beschwören.“
 

„Bist du wahnsinnig?“, wollte ich entgeistert von Mahad wissen, der den Kopf schüttelte. Die Monster waren im Angriffsmodus. Das würde einen Haufen Lebenspunkte kosten.
 

„Vertrau mir.“
 

Ich beendete meinen Zug und wartete angespannt auf die nächste Runde.
 

„Ziehe nächste Karte. Blauäugiger Ultradrache greift Herr der Drachen an.“
 

Die Szene von voriger Runde spielte sich erneut ab. Mein Herr der Drachen verschwand im digitalen Nirvana und obwohl der Angriff nicht mir direkt galt, so hatte ich Mühe auf den Beinen zu bleiben. Unsere Lebenspunkte waren auf 700 zusammengeschrumpft. Noch so eine Attacke würden wir nicht überstehen. Eine Niederlage, ganz klar.
 

„Und jetzt?“, fragte ich.
 

„Hoffen wir auf das Herz der Karten“, nickte Mahad und wir zogen unsere nächste Karte.
 

Ich kannte dieses Monster, auch wenn ich es noch nie gespielt hatte. Sie war anders als sämtliche andere Karten in meinem Deck. Komplett in Blau gehalten, mit mehr Sternen als alles, was ich bisher vorzuweisen hatte, schwebte da meine seltenste Karte, meine größte Errungenschaft. Mit 4.000 Angriffspunkten war Obelisk dennoch zu schwach. Der Ultradrache schien sogar den Göttern überlegen zu sein.
 

„Du täuschst dich“, stellte Mahad meine Vermutung in Frage. „Wir sprechen hier von einem Gott aus uralten Zeiten. Obelisk der Peiniger ist eines der mächtigsten Wesen. Seine Kraft ist nahezu grenzenlos.“
 

„Mahad, er hat 4.000 Angriffspunkte. Ich bin zwar schlecht in Mathe, aber das bekomme ich noch geradeso hin. 500 Punkte fehlen, dann hätten wir erst ein Patt. Kann man Göttermonster überhaupt verstärken?“
 

„Das ist nicht notwendig. Sieh zu und lerne.“
 

„Ich rufe Obelisk den Peiniger aufs Feld.“
 

Sobald ich das Hologramm der Karte berührt hatte, begann die Erde zu beben. Die gesamte Arena erzitterte und das Jubeln der Meute wurde noch lauter. Ich taumelte von links nach rechts und konnte wieder diesen unangenehmen, heißen Wind aufziehen spüren. Die Bänder meines Pullis wurden aufgewirbelt, genauso wie der Ring an meiner Brust. Während ich versuchte das Gleichgewicht zurückzuerlangen ertönte ein tiefes Grollen. Etwas verdunkelte die Sonne und ließ einen gigantischen Schatten über mir entstehen. Ich legte den Kopf in den Nacken und konnte in das Gesicht meines Streiters, meines mächtigsten Monsters, starren. Er sah ganz anders aus als auf der Karte. Keine roten Augen, sondern golden, breiter und mit dem Streifenmuster versehen, das er nach meiner Übernahme von Lumis und Umbra bekommen hatte. Der große blaue Steinsoldat stand einfach nur da und wartete.
 

„Ich opfere Rache des Schwertjägers und Meteordrache um die Angriffspunkte von Obelisk der Peiniger zu steigern“, sagte ich unter Mahads Anweisung und warf diesem erneut einen fragenden Blick zu.
 

Leben kam in den Göttlichen Soldaten. Er packte die beiden Monster, die sich in seinen Händen windeten. Diese lösten sich in einem grellweißen Blitz auf, der jeweils zu Obelisks Stirnjuwel hin schoss. Schnaubend drehte der blaue Koloss den massigen Schädel wie unter Zwang zur Seite. Eine digitale Anzeige erschien neben ihm und ich bestaunte mit offenem Mund, wie die Angriffspunkte bereits weit über die 10.000er Marke geklettert waren, Tendenz steigend.
 

„Warnung. Angriffspunkte von Obelisk der Peiniger zu groß. Warnung!“, rief die weibliche Stimme.
 

„Was soll das bedeuten zu hoch?“ Mittlerweile hatten wir die 60.000 überschritten.
 

„Was hast du geglaubt, David? Dass Kaiba ein Monster in seinem Deck haben wollte, das dem Ultradrachen nicht gewachsen ist?“, gluckste Mahad amüsiert.
 

„Hört das irgendwann auf?“
 

Erst als das Zeichen für unendlich auf der Tafel erschien, verblasste diese langsam.
 

„Das ist ein Scherz, oder?“
 

„Nein, ist es nicht. Für das Opfer zweier Monster ist Obelisk in der Lage eine Runde lang seinen Angriff zu steigern und zwar auf eine Ebene, die kaum ein anderes Monster erreichen kann“, erklärte mir Mahad. „Obelisk, zerschmettere den Blauäugigen Ultradrachen!“
 

Der Göttliche Soldat holte mit der rechten Hand aus, ballte sie zur Faust und ließ sie in den Ultradrachen fahren. Das Monster kreischte so laut, dass ich mir die Ohren zuhalten musste. Gelbe Blitze prasselten über alle drei Hologramme und die Arena verschwand, machte dem leeren, weißen Raum Platz, nur um dann wieder abgehackt in die virtuelle Realität überzugehen.
 

„Warnung. System defekt. Warnung“, meldete sich die Frauenstimme, nur um dann komplett zu verstummen.
 

Ich hörte es laut krachen und hatte den Geruch von verbrannter Elektronik in der Nase. Es qualmte und rauchte um mich herum und ich hielt mir den Ärmel vor Mund und Nase um nicht husten zu müssen. Was war hier los? Sämtliche Monster, mit Ausnahme Obelisks, lösten sich laut zischend auf. Die Arena verschwand komplett und ich befand mich wieder in der eigentlichen Realität. Nein, das konnte nicht sein, denn mein Streiter stand noch immer da, die Faust ausgestreckt. Ein Hologrammfehler?
 

„Du hast ihn also benutzt.“
 

Ich fuhr herum und konnte zwischen Obelisks Beinen Kaiba erkennen, der zu meinem Göttermonster hinaufstarrte. Dabei war ein Glanz in seinen Augen, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Fast schon ehrfürchtig betrachtete er sein ehemaliges Monster.
 

„Ich habe wohl auch deine Anlage geschrottet“, stellte ich fest, nachdem Mahad mir die Kontrolle zurückgegeben hatte.
 

„Das ist mir auch schon passiert“, wiegelte Kaiba unwirsch ab. „Du hast nicht gezögert. Nicht so wie Yugi.“
 

„Was?“, fragte ich verwirrt.
 

„Du hast ihn benutzt, deine Monster geopfert. Du weißt wie er funktioniert.“ In der Stimme des CEOs lag etwas Verträumtes.
 

Obelisk verschwand dann auch im digitalen Nichts und ließ uns in einem vollkommen verwüsteten Raum zurück. Die Kacheln und Fliesen waren teilweise komplett herausgerissen, Kabelsalat hing von der Decke und überall knisterte und blitzte es. Dieses Ding, Obelisk, war mit einem Faustschlag in der Lage gewesen die komplette Anlage zu zerlegen. Wenn Slifer und Ra von einem ähnlichen Kaliber waren, fragte ich mich, wer uns im Finale überhaupt gewachsen sein wollte.
 

„Tut mir leid“, nuschelte ich und schob die Hände in die Hosentasche.
 

„Was?“, fragte mich Kaiba und schüttelte den Kopf, so als hätte ich ihn aus seinen Gedanken gerissen. „Das hier? Mach dich nicht lächerlich. Die Techniker haben versagt, mehr nicht. Dafür werden sie Überstunden machen müssen. Mein System muss perfekt sein.“
 

Ich schrägte den Kopf. Drehte Kaiba völlig durch? Ich hatte seinen Trainingsraum demoliert und er hielt mir nicht mal eine Moralpredigt? Was? Entweder er war besessen oder… Diesen Gedanken wollte ich gar nicht fertigspinnen.
 

„In einer halben Stunde gibt es essen“, war es nun er, der mich aus meinen Gedanken riss.
 

„Dafür kommst du selbst?“
 

„Nein, das System hat gemeldet, dass jemand sich duelliert. Da nur du und Yugi einen Zugang besitzen, wollte ich wissen wer und wie er sich schlägt. Komm jetzt, bevor du dir noch ernsthaft weh tust.“
 

Das sollte einer verstehen. Ich war überfordert. Mahad hielt sich auch zurück, außer dass er grinsend neben mir herging. Tolles früheres Ich. Dafür streckte ich ihm die Zunge heraus und folgte Kaiba, der nun vollends mit sich selbst beschäftigt schien. Verrückte Welt. Mit dieser Karte in meinem Deck und Mahad an meiner Seite musste ich mich jedenfalls vor den anderen unbekannten Teilnehmern nicht fürchten, ganz sicher nicht.



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