Zum Inhalt der Seite

Ein Austausch mit Folgen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein schmucker Kompass

Herr Muto und ich standen gerade an um uns einmal Himbeere und Zitrone in Form eines Milchshakes zu bestellen, als mein Handy klingelte. Das Display zeigte Kaibas Namen, seine Privatnummer – das konnte nichts Gutes bedeuten.
 

„Ja?“, fragte ich und sah Yugis Großvater zu, wie er mit der jungen Verkäuferin anbändelte.
 

„Kleiner, wir haben ein Problem. Taylor und Mokuba sind entführt worden.“
 

„Was?“
 

„Yugi und ich sind beschäftigt. Du bist der Einzige der frei ist und fähig genug, dass ich ihm Mokuba anvertrauen würde.“
 

„Was ist bitte wichtiger als dein kleiner Bruder? Und wo steckt Yugi?“
 

Meine Fragen wurden beantwortet, als beinahe zeitgleich ein lautes Kreischen und ein raubtierhaftes Brüllen die Straßen von Domino City erzittern ließ. Slifers Körper verfinsterte im Westen den Himmel, während im Osten ein so grelles Licht aufleuchtete, dass ich für einen kurzen Moment glaubte, blind werden zu müssen. Obwohl ich die Karte noch nie gesehen hatte, wusste ich, dass es sich dabei um Ra handeln musste. Die Besucher des Turniers hielten das für besonders ausgeprägte Spezialeffekte. Wie sehr sie sich da mal täuschten. Das war keine Show, das war bitterer Ernst.
 

„Ich schicke dir einen Hubschrauber. Enttäusche mich nicht.“
 

Funkstille. War das sein verdammter Ernst? Eine Rettungsaktion? Alleine? Ihm war dieses Duell wichtiger als Mokuba? Ich hatte mich wohl doch schwer in ihm getäuscht. All die Veränderungen, seine gute Seite, weggewischt für ein Kartenspiel.
 

„Sei nicht so streng mit ihm. Er glaubt an dich, und vertraut dir den wichtigsten Menschen in seinem Leben an.“ Mahad erschien neben mir, durchsichtig und unsichtbar für die anderen um uns herum.
 

„Du hast gut reden. Ich würde ein Duell sofort abbrechen, um Joey oder Yugi zu finden. Dass du ihm jetzt noch hilfst, das verstehe ich überhaupt nicht.“
 

„Glaube mir einfach, wenn ich dir sage, dass Kaiba die Entscheidung nicht leichtgefallen ist.“
 

„Das fällt mir aber schwer“, war meine bissige Antwort. „Er hat sich das alles selbst eingebrockt. Ich war von Anfang an dagegen, dass er die Sicherheitsvorkehrungen für manche Bereiche der Stadt verringert.“
 

Gerade als Mahad etwas erwidern wollte, ertönte erneut das Brüllen von Slifer. Hoffentlich packte Yugi das. Beide sahen wir nach oben, als sich die Rotorengeräusche des Hubschraubers in die Laute des göttlichen Drachens mischte. Weiß, blankpoliert und mit dem KC-Logo versehen stand über uns ein Helikopter der Kaiba Corporation in der Luft. Eine Strickleiter wurde heruntergelassen. Ich nickte, und der Ring glühte auf.
 

„Herr Muto, bleiben Sie hier. Ich schicke jemanden, der Sie in Sicherheit bringt“, rief ich dem alten Mann noch zu, der mich mit offenem Mund, und unseren Milchshakes in den Händen, anstarrte, als ich nach der Leiter griff. Auch das wurde für einen Werbegag gehalten, was ich anhand der Wortfetzen, die ich mitbekam, schlussfolgerte. Ich kletterte nach oben, bis mir eine vertraute Hand entgegengestreckt wurde.
 

„Joey!“, rief ich und ließ mich von meinem Freund in den Helikopter ziehen.
 

„Ich hatte schon Schiss Kaiba würde auftauchen“, grinste der Blondschopf schief.
 

„Der hat keine Zeit. Was ist passiert?“
 

„Das erkläre ich dir auf dem Hinflug. Kaibas Fatzke will mit dir sprechen.“
 

Ich ging ins Cockpit während Joey die Tür zuzog. Ein mir unbekannter Pilot und Roland erwarteten mich tatsächlich bereits.
 

„Schön, dass Sie hier sind. Herr Kaiba hat uns angewiesen Ihren Anweisungen strikt zu folgen.“
 

Was? Meinen Anweisungen? War er jetzt von allen guten Geistern verlassen? Ich wusste ja nicht einmal was passiert war.
 

„Was ist denn überhaupt los? Kaiba meinte, Mokuba und Tristan seien entführt worden.“
 

„Das ist so auch korrekt. Herr Kaiba und Ihr Freund sind wie vom Erdboden verschluckt. Unser Satellitensystem kann sie nicht aufspüren. Wir haben schon alles versucht: Mokubas Laptop muss zerstört worden sein.“
 

Na bravo. Ich hielt mich an den Sitzen vom Piloten und einem nicht vorhandenen Co-Piloten fest, während ich nachdachte. Es war genau das eingetreten, was ich vermeiden hatte wollen: Unsere Freunde waren in diesen Wahnsinn mithineingezogen worden.
 

„Schicken Sie einen Trupp Wachleute hierher, die Herrn Muto an einen sicheren Ort bringen sollen. Ich werde kurz mit Joey sprechen. Fliegen Sie…“
 

Ja wohin denn? Die Stadt blind abzusuchen brachte nichts. Außerdem war da noch immer das Problem, dass sie für den Satelliten unsichtbar waren. Tristan trug keine Duel Disk, aber Mokuba hätte ein Signal von sich geben müssen.
 

„Fliegen Sie auf das Dach der Firma. Das ist der höchste Punkt in Domino City. Versuchen Sie weiterhin Mokubas Signal ausfindig zu machen. Wenn sich die Raritätenjäger melden, informieren Sie mich unverzüglich. Ich will außerdem, dass zwei weitere Hubschrauber losgeschickt werden, die Kaiba und Yugi abholen, sobald ihre Duelle abgeschlossen sind.“
 

„Jawohl!“
 

Hätte Roland noch salutiert, wäre ich mir vorgekommen wie Kaiba. Ich hatte wohl doch mehr von ihm angenommen, als mir bewusst war. Roland gab per Funk meine Anweisungen durch, als ich zu Joey zurückging, der auf einem der Stühle hockte und dabei wie ein aufgescheuchter Kanarienvogel wirkte.
 

„Joey? Du bist doch mit Tristan unterwegs gewesen?“
 

„Ja, war ich. Ich habe mich gerade mit einem von diesen Kuttenträgern duelliert und Tris hat mich angefeuert, als ein halbes Dutzend von denen aufgetaucht sind, und ihn in einen Kleinlaster gezerrt haben. Sie haben mir gedroht, dass ich ihn nie wiedersehe, wenn ich das Duell abbreche.“
 

„Schon gut, es macht dir keiner einen Vorwurf“, versuchte ich meinen Freund zu beruhigen und legte ihm meine Hand sanft auf die Schulter. „Was ist dann passiert?“
 

„Ich habe den Typen halt besiegt, aber da waren sie schon weg. Ich meine, was hätte ich tun sollen?“ Joey klang furchtbar enttäuscht und zornig.
 

„Nichts. Du hast richtig gehandelt. Keine Sorge, wir biegen das schon gerade.“
 

Das hörte sich weit zuversichtlicher an, als ich selbst war.
 

„Wo seid ihr denn gewesen?“
 

„Unten am Pier, da wo die neue Lagerhalle gebaut wird.“
 

Am Pier. Konnten sie vielleicht dort sein? Nein, das wäre zu einfach gewesen. Ich vermutete, dass sie sich irgendwo unter der Erde befanden, in einem Tunnel oder Keller, damit der Satellit Mokuba nicht orten konnte. Andererseits war Rolands Vermutung, dass sie den Laptop einfach zerstört hatten, auch naheliegend.
 

„Kannst du nicht versuchen sie mit deinem Ring zu orten?“
 

Joeys Frage riss mich aus meinen Gedanken.
 

„Wie meinst du das?“
 

„Naja, Bakura hat uns damit auch aus dem Labyrinth geführt, im Königreich der Duellanten.“
 

Der Ring baumelte an meiner Brust. Das konnte er? Wirklich?
 

„Einen Versuch ist es wert“, murmelte ich. „Funktioniert das überhaupt?“, fragte ich Mahad.
 

„Nun, ich weiß, dass man damit die anderen Milleniumsgegenstände aufspüren kann. Vielleicht hat der Ring im Laufe der Zeit, im Besitz von Bakura, diese Fähigkeit ein wenig adaptieren können?“
 

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich ganz auf Mokuba. An sein aufgewecktes Lachen, wie er mir um den Hals fällt, mir manchmal die Nerven raubt, seine Mädchenprobleme, als er das erste Mal zu mir „Bruder“ sagte.
 

„Es funktioniert!“, rief Joey aufgeregt.
 

Ich öffnete die Augen und tatsächlich: Die Stacheln des Ringes hatten sich aufgestellt und zeigten nach Norden.
 

„Schnall dich an“, sagte ich zu Joey und ging ins Cockpit zurück.
 

„Wir haben bisher noch nichts über den Aufenthaltsort von Mokuba und Ihren Freund herausfinden können.“ Roland klang geknickt.
 

„Schon gut, Roland. Wir fliegen nach Norden. Ich navigiere Sie.“
 

„Aber woher…“, fragte er, wurde aber sogleich von mir unterbrochen. „Vertrauen Sie mir einfach. Norden.“ Ich hielt den Ring in meiner Hand und gab die Richtung vor. Wir flogen im Zickzack durch die Stadt. Die Spitzen änderten immer wieder ihren Winkel. Entweder, das Ding funktionierte nicht, oder…
 

„Sie sind noch im Laster“, stellte ich fest.
 

„Was?“
 

„Natürlich. Darum bewegen wir uns. Wir folgen dem Straßenverlauf, schauen Sie doch.“
 

Ich deutete nach unten. Vor uns raste tatsächlich ein brauner Kleinlaster die Straße entlang. Der Fahrer musste entweder einen Bleifuß haben, oder er war auf der Flucht. Vor uns. Wir waren mittlerweile am Stadtrand angelangt, in der Nähe des alten Bürogebäudes der KC. Kaiba wollte es noch dieses Jahr dem Erdboden gleichmachen lassen, weil es eine Erinnerung an seinen Stiefvater darstellte.
 

„Das Bürogebäude ist ihr Stützpunkt. Ganz sicher. Bringen Sie uns aufs Dach. Danach verständigen Sie sofort Kaiba und Yugi, sowie den Sicherheitsdienst, oder wie heißt die Spezialeingreiftruppe? Kaiba Task Force?“
 

„Die Kaiba Force. Das würde aber für sehr viel Aufsehen sorgen. Herr Kaiba will sicher nicht, dass die Duelle dadurch unterbrochen werden.“
 

„Dann schicken Sie sie eben in zivil herum, oder mit dem Hubschrauber. Die Leute glauben doch sowieso, das hier sei alles ein weiterer Publicity Gag seitens der Kaiba Corporation.“
 

„Ich weiß nicht, ob ich das so genehmigen kann.“
 

„Das könne Sie. Erstens hat Kaiba Ihnen aufgetragen, meinen Anweisungen zu folgen, und zweitens bin auch ich ein Anteilseigner der Kaiba Corporation. Sehen Sie es als Auftrag von der dritthöchsten Stelle im Vorstand, oder so.“
 

„Natürlich“, fing sich Roland wieder. „Ihren Anweisungen wird entsprochen werden, Herr Pirchner.“
 

Joey saß noch immer wie auf heißen Kohlen in seinem Sitz herum. Einen Fallschirm hätte ich ihm jetzt nicht in die Hand gedrückt. Es wunderte mich, dass er noch nicht aus dem Hubschrauber gesprungen war.
 

„Wir haben sie gefunden, glaube ich.“
 

„Wirklich? Wo sind sie?“ Joey zerrte an seinem Gurt, ließ es dann aber bleiben, als ich mit dem Kopf schüttelte.
 

„Im alten Bürogebäude der Kaiba Corporation, beziehungsweise auf dem Weg dahin. Wir werden am Dach landen und uns um die Raritätenjäger kümmern. Ich habe schon Verstärkung angefordert. Kaibas Spezialtruppe wird den Laden auseinandernehmen. Hoffentlich können wir sie lange genug mit einem Duell beschäftigen.“
 

Ich hockte mich vor Joey hin und packte ihn an den Händen.
 

„Du versprichst mir, dass du keine Dummheiten machst, und wegläufst, wenn ich dir das sage?“
 

„Spinnst du? Ich lasse dich doch nicht alleine.“
 

„Du musst, sonst kann ich dich nicht mitnehmen.“
 

„Das…“
 

„Bitte“, sagte ich so leise, dass es unter dem ständigen Rattern des Hubschraubermotors unterging. Joey kämpfte sichtlich mit sich selbst, bis er schlussendlich nickte.
 

„Danke“, hauchte ich und küsste ihn zärtlich. Wer wusste, ob das nicht mein letzter Kuss sein würde? Den wollte ich wenigstens noch genießen.
 

Roland räusperte sich und wir lösten uns voneinander.
 

„Wir sind da“, murmelte er betreten.
 

„Danke Roland“, rief ich noch, als Joey die Tür aufzog und die Strickleiter ausrollte. „Ich weiß, warum Kaiba Sie schätzt. In den entscheidenden Momenten machen Sie das Richtige.“
 

Damit ließen wir uns auch schon nach unten, aufs Dach des Gebäudes, wo wir bereits erwartet wurden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Satra0107
2020-07-14T11:41:35+00:00 14.07.2020 13:41
Wow, das ist ein Vertrauensbeweis von Kaiba! Mokuba muss gerettet werden und Kaiba und Yugi in duellen mit Götterkarten. das ist mega spannend!
Antwort von:  SuperCraig
14.07.2020 14:18
Ich würde es eher eine logische Auswertung der vorhandenen Ressourcen nennen.

Wenn Kaiba das Duell abbräche verlöre er die Möglichkeit auf seine Götterkarte. Im besten Fall bekommt er beides: Mokuba und das Monster. Aber ja, ein wenig Vertrauen ist dabei. Seine Marionette, die sich stark von ihm gelöst hat, ist einer der wenigen Menschen, denen er so etwas Kostbares anvertrauen würde.

Außerdem würde sich David ja selbst auch einen schlechten Dienst erweisen, wenn er bei Mokubas Rettung versagt. Von daher erscheint mir das, aus der Sicht eines Seto Kaiba, als die logischste Konsequenz. :D

Danke für deinen Kommi! :)
Antwort von:  Satra0107
14.07.2020 14:25
Du drückst das genau richitg aus: Ressourcen Auswertung :D
Mir fehlen da immer die richtigen Worte für, in was für eine Beziehung man mit Kaiba sein kann. ;)
Aber dennoch vertraut Kaiba nicht jedem die Sicherheit seines Bruders an.


Zurück