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Wenn ein falscher Gott auf einen echten trifft

Ich wurde durch ein ratterndes, lautes Geräusch geweckt. Bevor ich die Augen öffnete, musste ich den Drang unterdrücken zu erbrechen. Der Geschmack in meinem Mund war ekelhaft. Meine Lippen fühlten sich spröde und rissig an. Das Letzte woran ich mich erinnern konnte war, dass ich nach dem Kampf mit Johnson die Kontrolle verloren hatte und daraufhin eingeschlafen war.
 

„Er kommt zu sich!“ War das Mokubas Stimme? Träumte ich? War ich vielleicht schon tot, wie auch die anderen?

Sanftes Streicheln durch mein Haar ließ mich die Augen schlussendlich langsam öffnen. Ich erblickte Joey, Yugi und Mokuba, die mich allesamt erleichtert ansahen. Der Plan mich aufzurichten wurde vom stechenden Schmerz in meiner Brust und dem beherzten Eingreifen Joeys unterbrochen.

„Bleib liegen.“
 

Ich sah mich vorsichtig um. Wenn mich nicht alles täuschte, befanden wir uns auf der Ladefläche eines Pickups. Das erklärte mein Aufwachen, nicht aber den Fakt, dass die anderen auch hier waren. Johnson hatte demnach nicht gelogen.

Joey hielt mir eine Wasserflasche an die Lippen. Ich trank gierig die ersten Schlucke um die Trockenheit in meinem Mund zu bekämpfen.

„Sch, nicht zu viel auf einmal, sonst kotzt du es wieder hoch.“ Um seine Aussage zu unterstreichen, setzte Joey die Flasche wieder ab und verstaute sie in seinem Rucksack.
 

„Was ist denn passiert?“, fragte ich und schloss wieder die Augen. Alles um mich herum hatte begonnen sich zu drehen. Außerdem wollte der Schmerz in meiner Brust nicht nachlassen. Irgendjemand, wahrscheinlich einer von den Dreien, hatte meine Wunde notdürftig verbunden. Joeys Jacke spendete ein wenig Wärme.
 

„Das wissen wir selbst nicht so genau. Jedenfalls sind wir hier wieder in einer virtuellen Realität, und dieses Mal scheinen die Big Five nicht geneigt zu sein, fair zu spielen.“ Yugi sah bei seinen Worten besorgt in den wolkenverhangenen Himmel. „Was hast du mit Johnson angestellt?“ Alle drei Augenpaare richteten sich bei der Frage auf mich.
 

„Warum?“ Den Blicken nach zu urteilen war der Anwalt entweder umgekommen oder hatte ein schlimmeres Schicksal erlitten.
 

„Er ist wahnsinnig an uns vorbeigerannt und hat dauernd gebrüllt, dass er hierbleiben möchte. Er wolle lieber eine Ewigkeit im virtuellen Paradies verbringen, als in der Hölle der Schattenwelt.“ Joeys Blick sprach Bände. Ich konnte ihm aus den Augen ablesen, wie sehr er mit sich kämpfte. Sollte ich lügen? Mokubas besorgtem Auftreten nach zu urteilen, hatte dieser nur wenig vom eigentlichen Geschehen mitbekommen.

„Johnson hat mir versichert, Mokubas Geist sei bereits verloren. Irgendetwas in mir ist daraufhin zerbrochen. Die Angst nahm überhand. Innerhalb von Sekunden war ich nicht mehr ich selbst.“ Meine Stimme wurde mit jedem Wort leiser, bis sie nur mehr einem Flüstern glich, das kaum in der Lage war, den Motorenlaut zu übertönen.

„Das was aus mir gekommen ist, diese Finsternis, dieser Hass, alles hat sich auf Johnson eingeschossen. Ich…“

Joey legte mir die Hand sanft auf die Brust: „Schon gut, du musst nicht weiterreden.“
 

Als ich die warme Hand meines Freundes auf der Wunde fühlte, bekam ich Panik. Wo war der Ring? Ich konnte Mahad nicht spüren. Hatte ich ihn verloren? Joey deutete zur Seite. Das Schmuckstück lag neben mir. Alle bis auf Yugi schienen den Ring zu meiden, was ich ihnen auch nicht verdenken konnte.

„Wie seid ihr überhaupt in die VR gekommen? Ich meine, Kaiba, Mokuba und ich waren ja auf der Präsentation. Wo ist Kaiba überhaupt?“
 

Yugi nickte lächelnd nach vorne: „Der fährt. Serenity und Tea leisten ihm Gesellschaft.“ Also waren tatsächlich noch mehr meiner Freunde hier. So wie sich Yugi anhörte, waren aber alle wohlauf. Zumindest das war ein gutes Zeichen. „Wie wir hier herauskommen wollen, das ist eine gute Frage. Hereingekommen sind wir ganz unterschiedlich. Irgendein elektronisches Gerät war wohl in der Nähe, sei es Handy oder Laptop, und hat uns hierhergebracht.“
 

So war das also gewesen. Das erklärte einiges, aber noch nicht alles. Gerade als ich weiterfragen wollte, durchbrach ein lautes Kreischen die monoton anmutenden Motorenlaute. Mit jeder Sekunde, die verging, färbte sich der Himmel dunkler. Es schien, als würden sich die Wolken selbst bewegen. Ich brauchte einige Momente um zu realisieren, was passierte.
 

„Sie greifen wieder an!“, rief Mokuba. Das waren keine Wolken, sondern Duel Monster der unterschiedlichsten Gattungen. Das mussten Tausende sein, wenn nicht sogar zig Tausende.

„Noch einen Angriff überstehen wir nicht.“

Noch einen Angriff? Waren sie vorher schon attackiert worden? Mokubas verängstigtem Blick nach zu urteilen schon.
 

Yugis Puzzle glühte. Er tauschte wohl mit dem Pharao. Sollte ich dasselbe tun? Was, wenn ich wieder zu einem Monster wurde? In mir keimte Angst auf. Auch wenn Mahad gut war, so schien das auf mein innerstes Ich nicht zuzutreffen, mehr noch: Ich war abgrundtief böse. Jede Faser meines Körpers hatte danach gelechzt, Johnson zu quälen. Ich wollte meine Freunde nicht verletzen, so war ich aber auch nutzlos. Vielleicht konnten uns Ring und Puzzle helfen? Mein Milleniumsgegenstand schien sich zumindest teilweise über die Gesetze der VR hinwegsetzen zu können, warum sollte das also auch nicht für Yugis Puzzle gelten? Der Pharao und Mahad waren früher ein unschlagbares Team gewesen.
 

Mein Hadern wurde durch die Tatsache unterbrochen, dass wir anhielten. Kaiba stieg aus und sprang elegant über die Ladeklappe. Er strahlte weder Furcht noch Panik aus. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, wäre ich davon ausgegangen, der CEO müsse mal eben kurz zu einem Meeting.

„Wheeler, du fährst weiter.“ Sein Ton war befehlend wie eh und je. „Mokuba, du gehst auch nach vorne, keine Widerworte.“ Als sein Blick zu mir wanderte, zögerte Kaiba einen kurzen Moment. „Und du, steh auf.“
 

Joeys Augen weiteten sich und seine Nasenflügel bebten. „Hast du einen Knall, Kaiba? Wie soll er denn aufstehen?“

Der Braunhaarige drehte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust, ohne meinen Freund auch nur eines Blickes zu würdigen. Er wartete noch einige Sekunden, bevor er erneut seine Stimme erhob: „Wenn er es nicht schafft, sind wir sowieso verloren. Möchtest du außerdem noch mehr unserer kostbaren Zeit verschwenden? Du willst wohl, dass wir draufgehen, oder? Ist er dir so wenig wert? Jeder hier kooperiert, nur du nicht. Hast du Angst, dass er dir aus den Händen gleitet, wenn er den Tand neben sich erneut anlegt?“

Kaiba griff nach seinem Deck und suchte einige Karten heraus. „Worauf wartest du noch, Wheeler? Häng ihm das Ding um, und hau ab.“
 

Joey hatte die rechte Hand zu einer Faust geballt. Sein ganzer Körper zitterte. Wenn der CEO noch ein wenig weiterstichelte, dann würde er ihm sicher an die Gurgel gehen. So hatte ich meinen Freund noch nie gesehen. Eine gefühlte Ewigkeit verging, in denen absolut nichts passierte. Joey hockte einfach nur vor mir und starrte mich an. Er haderte genauso, wie ich selbst. Das Risiko war zu groß. Wenn der böse Geist, oder was auch immer das gewesen war, wieder Besitz von mir ergriff, waren alle verloren. Yugi konnte sich am Ehesten wehren, doch irgendwann würden ihn die Monster in die Finger bekommen.
 

„Joey, bitte“, flüsterte ich leise und griff nach der Hand meines Freundes. „Kaiba hat anscheinend einen Plan, und wenn wir hier herauskommen wollen, dann müssen wir alle zusammenarbeiten. Wenn du es nicht für mich tun willst, was ich auch verstehen könnte, dann tu es wenigstens für Yugi, Mokuba und Tea.“

Tränen glitzerten in seinen Augen. „Ich will dich nicht verlieren.“ Ohne mich aus den Augen zu lassen griff er nach dem Ring und hing ihn mir um. Seine beiden Hände ruhten auf dem Schmuckstück und er bettete seine Stirn auf meiner. „Pass auf dich auf.“

Bevor ich weiter reagieren konnte, sprang Joey auch schon von der Ladefläche und stieg in den Pickup.
 

Ich atmete tief durch. Mein ganzer Körper zitterte vor Angst. Mich jetzt wieder auf den Ring einzulassen, auf das Böse in meinem Herzen, konnte das Ende für alle bedeuten. Kaiba schien aber fest mit meiner Anwesenheit und meinen Fähigkeiten zu rechnen. Alleine war ich zu schwach. Meine Brust schmerzte nach wie vor.

„Mahad?“, flüsterte ich in die Stille, die mich bedrückte. Er reagierte nicht. Was war los? Panik stieg in mir hoch. „Bitte, ich brauche dich.“

Nichts.
 

„Bitte, Mahad. Wir alle brauchen dich. Ohne dich sind wir verloren.“ Warum weigerte sich der Geist denn, mit mir zu sprechen? Waren wir nicht Freunde geworden? Es lag doch nicht an ihm, dass Johnson wahnsinnig geworden war.

„Ich kann nicht bekämpfen, was tief in unserem Inneren lauert“, rührte sich der Ägypter endlich. Jede einzelne Silbe war von Kummer und Schmerz durchzogen. Er gab sich die Schuld für das, was passiert war.

„Das musst du auch nicht, nicht alleine. Wir machen das gemeinsam. Ich vertraue dir, nach wie vor.“

Ich musste mein früheres Ich nicht sehen, um zu wissen, dass Mahad ein betretenes Gesicht machte.

„Ich bestimme noch immer selbst über mein Leben. Es sind meine Fehler und meine Dunkelheit, die zu diesem Vorfall geführt haben. Jetzt brauche ich dein Licht, um eine neuerliche Katastrophe aufzuhalten. Bitte, Mahad, ich flehe dich an. Wenn wir nichts unternehmen, dann wird alles dahingerafft, was ich, nein wir, lieben.“
 

Kaiba und Yugi hatten sich inzwischen daran gemacht, ihre mächtigsten Monster zu rufen, während der Pickup sich in Bewegung setzte. Wir wurden vom Schwarzen Magier, Gaia dem Drachenchampion, Valkyrion, sowie dem Blauäugigen Ultradrachen abgeschirmt. Es würde nur mehr wenige Minuten dauern, bis die ersten Monster auf uns einprasseln würden.
 

„Damit riskierst du alles, was du dir bisher aufgebaut hast, ist dir das klar?“

Ja, das war mir klar. Ein Fehltritt konnte das Ende bedeuten. Tief in meinem Inneren, jenem Teil, in dem ich das Licht zu wissen glaubte, vertraute ich meinem anderen Ich aber blind. Dementsprechend fiel auch meine Antwort aus.

„Wir sind eins.“
 

Endlich gab Mahad nach und tauschte mit mir. Der gefürchtete Schmerz vom letzten Mal blieb aus. Es fühlte sich an wie vorher. Das beständige Stechen in der Brust ließ nach, genauso wie der Schwindel und die Kälte, die mich trotz Joeys Jacke eingehüllt hatte. Ich beobachtete den Geist, wie er meinen Körper übernahm und die gewohnt streng-ruhige Art von mir Besitz ergriff. Wortlos erschien ich neben Kaiba, der den Himmel beobachtete.
 

„Ah, du hast es auch endlich geschafft. Dann mach dich nützlich und beschwöre deine mächtigsten Monster.“
 

Yugi, oder besser gesagt der Pharao, nickte mir zu, während ich tat, was Kaiba von mir verlangte. Mein Schwarzer Magier gesellte sich zum Schwarzen Totenkopfdrachen und dem Soldaten des Schwarzen Lichts. Dieser Wall aus Monster würde uns zumindest etwas Zeit verschaffen.
 

„Ihr haltet die Monster auf, während ich versuche, den Quellcode zu knacken und zu überschreiben.“
 

Der Pharao und Mahad nickten sich zu, ehe sie die Duel Disks an ihren Armen mit den Decks befüllten. Jede einzelne Bewegung war absolut synchron. Kaiba ging zurück und die hinterlassene Lücke von ihm wurde mit einem selbstsicheren Schritt der beiden Geister geschlossen. Ich konnte Yugi zwar nicht sehen, aber seine Nähe spüren – wir hatten eine reale Chance. Unsere Freunde, Kaibas Scharfsinn und die Entschlossenheit beider Ägypter konnten ausreichen, um diesem Wahnsinn zu entkommen.
 

„Es fühlt sich an wie früher“, sagte Mahad und hob die Mundwinkel ein wenig. Ich konnte die Euphorie spüren, die von ihm ausging. Yugi musste es wohl gleich mit dem Pharao ergehen.

„Wie früher“, pflichtete ihm der Pharao bei.
 

Ich hielt die Luft an, als die ersten Monster auf unsere eigenen trafen. Mühelos wurden die Angreifer zurückgeworfen. Die Schwarzen Magier unterstützten sich und bekamen sogar noch Verstärkung vom Schwarzen Magiermädchen. Der Soldat des Schwarzen Lichts arbeitete mit dem Ultradrachen zusammen. Valkyrion wurde vom Totenkopfdrachen gedeckt und umgekehrt. Gaia zerstörte, auf dem Fluch des Drachen reitend, jene Gegner, die dem Pickup nahekamen. Unsere Gruppe harmonierte perfekt. Reihenweise zersprangen Monster wie der Hornkobold, Hyozanryu, der Kuomori- Drache oder der Spieldrache der Harpyien.
 

„Das ist nur eine Vorhut, hier stimmt etwas nicht“, sagte der Pharao nach einer Weile. Er hatte Recht: Das Gros der Horde griff nicht an, stattdessen schienen unsere Verfolger auf etwas zu warten. Der Himmel hinter uns wurde mit jeder Sekunde dunkler. Pechschwarze Wolken verdeckten das Firmament.
 

Ein ohrenbetäubendes Brüllen überschattete den Kampfeslärm. Ich hatte so etwas noch nie gehört. Das Geräusch ging durch Mark und Bein und war schlimmer als das Kreischen des Ultradrachen. Ein Blick nach hinten zeigte Kaiba, der von Mokubas Laptop aufsah und die Stirn runzelte.
 

„Ihr Ende ist gekommen, Seto Kaiba. Sie und Ihre Freunde werden diese Hölle nie wieder verlassen.“ Die Stimme des Fremden von der Präsentation hallte über die Ebene. „Dieses Mal werden wir nicht fair spielen. Außerdem wird Ihr kleiner Schützling büßen, für das, was er Johnson angetan hat.“
 

Aus den Wolken schälte sich ein gigantischer, klauenbewehrter Körper. Die schuppige Haut endete in zwei riesigen Flügeln, deren Schläge einen Windzug erzeugten, der uns beinahe von den Beinen riss. Je tiefer das Wesen glitt, desto imposanter wurden seine Ausmaße. Ich zählte ungläubig nach: Eins, zwei, drei, vier, nein fünf Köpfe hatte die Bestie, die in weiter Ferne auf uns herabstarrte. Die Monsterhorde johlte und grölte.
 

„Ich denke, Sie erinnern sich noch an den Götterdrachen, Kaiba?“, fragte der Fremde höhnisch.

„Natürlich. Ihr lächerlicher Drache, Gansley, hat sich früher schon als kein allzu großes Hindernis herausgestellt.“ Kaiba klang genervt, während er sich wieder an die Arbeit machte.

„Oh, natürlich. Nur dieses Mal…“
 

Jedes unserer Monster schrie, brüllte oder kreischte, bevor es einfach verblasste. Die Duel Disks an unseren Armen blitzten und fielen aus. Mahad tippte und hämmerte darauf herum, genauso wie der Pharao. Nichts zeigte Wirkung.
 

„Was haben Sie gemacht?“, rief Kaiba wutentbrannt und starrte auf den Laptop, der ebenfalls ausgefallen war. Wir saßen in der Falle. Mit jeder Sekunde, die verging, kam der Drache näher. Drohend reckten die einzelnen Köpfe ihre Hälse nach uns und fletschten die Zähne, sofern sie welche hatten.
 

„Nennen wir es eine kleine Rückversicherung. Machen Sie sich bereit, Kaiba. Ihren Körper werde ich mit Freuden übernehmen.“
 

Mahad sah zum Pharao. Beide starrten auf ihre jeweiligen Milleniumsgegenstände.
 

„David?“ Ich konnte Yugis Stimme hören. Einen Augenblick später erschien seine schemenhafte Gestalt neben meiner eigenen. „Der Pharao hat eine Idee, dazu brauchen wir aber eure Hilfe.“

Ich schrägte den Kopf ein wenig: „Noch so ein toller Plan wie der von Kaiba? Die Duel Disks sind hinüber.“

„Die brauchen wir auch nicht. Dein Ring und mein Puzzle scheinen sich der virtuellen Realität teilweise entziehen zu können. Wenn wir uns stark genug auf ein Monster konzentrieren, dann können wir es vielleicht gemeinsam rufen.“
 

Der Drache war bedrohlich nahe. Ich sah zum Ring an meiner Brust. Wir hatten nur eine Chance. Das musste klappen.

„Willst du den Meister der Drachenritter beschwören?“

Yugi schüttelte auf meine Frage hin den Kopf: „Nein. Wir sind uns nicht sicher, ob wir irgendwelche Duel Monsters beschwören können. Außerdem haben sich Gansley und die Anderen sicher auf dieses Monster vorbereitet. Wir brauchen etwas Anderes.“

Ich schluckte bei den Worten meines besten Freundes. Was er beschwören wollte, konnte ich mir denken. Wir sprachen hier nicht von irgendeinem x-beliebigen Monster.

„Kann der Pharao es denn kontrollieren?“

„Das können wir, gemeinsam, ganz sicher. Ihr beide müsst all eure Gedanken und eure Kraft auf den Wunsch konzentrieren, Slifer zu beschwören.“
 

„Wollen wir das wirklich tun?“, fragte ich Mahad.

„Vertraust du deinem besten Freund nicht?“

Ich vertraute Yugi, genauso wie dem Pharao, nur was beide da vorschlugen war genauso gefährlich, wie den Ring erneut anzulegen. Ich hatte Slifer einmal gesehen. Auch wenn es Obelisk gewesen war, der Mei den Gnadenstoß versetzte, so hatte ich die Zerstörungskraft des Drachen gespürt. Wenn Slifer außer Kontrolle geriet, war das vielleicht noch schlimmer, als von den Big Five hier eingesperrt zu werden.

„Tun wirs, bevor ich es mir anders überlege.“
 

Ich schloss die Augen und konzentrierte mich. Meine Gedanken richteten sich auf den einen Wunsch, den Himmelsdrachen in die VR zu holen. Ich stellte mir das Monster genau vor und rief mir dabei die Begegnung von damals wieder in Erinnerung. Wie Slifer durch den Dom brach, die schlangenartige Form, das grelle Rot der Ober- und das dunkle Schwarz der Unterseite. Der stechende Blick der gelbleuchtenden Augen, die zahnbewehrten Mäuler, die klauenbewehrten Krallen, die riesigen Flügel und das Juwel auf seiner Stirn.
 

„Ich rufe dich an, Slifer, Gott des alten Ägyptens, erscheine. Leihe mir deine Kraft, wie du es schon einmal getan hast.“ Die Stimme des Pharaos übertönte den Flügelschlag des Götterdrachens, genauso wie die anderen Monster. Er brauchte keine Technik, um sich Gehör zu verschaffen, wie Gansley. Etwas an ihm war noch ehrfurchtgebietender als bei Mahad. Der Pharao strahlte eine Ruhe und Macht aus, die sogar Kaibas Auftreten in den Schatten stellte.
 

„Ba und Ka sind eins“, murmelte Mahad. Ich öffnete die Augen. Die beiden Milleniumsgegenstände glühten so hell, dass es schmerzte, sie direkt anzusehen. Etwas hatte das Bitten des Pharao ausgelöst. Ich konnte spüren, wie etwas an uns zerrte. Mir kam ein schrecklicher Gedanke. Wenn wir dieses Ding riefen, woher bekam es seine Energie?
 

Wind zog erneut auf, stärker noch, als beim Erscheinen des Götterdrachen. Blitze zuckten aus den Wolken hervor und schlugen gefährlich nahe neben uns ein. Laut kreischend schälte sich der riesige Drache aus der Dunkelheit über uns. Slifer streckte seinen Kopf aus den Wolken und öffnete das untere Maul.
 

„Daneben sieht Ihr Götterdrache wie ein Spielzeug aus, Gansley“, höhnte Kaiba, der aufstand und sich neben mich stellte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete Slifer. Seine Erregung, das Zittern der schlanken Finger an seinen Oberarmen, der flüchtige Ausdruck von Freude in seinem Gesicht: Kaiba wirkte beinahe schon wahnsinnig, als er den Drachen erblickte. Ich hatte ihn noch nie so gesehen, nicht einmal, als er mir von den Götterkarten erzählt hatte.
 

„Was ist das? Wie kann das sein?“, fragte Gansley panisch.

„Ihr Untergang“, beantwortete Kaiba dessen Frage amüsiert. „Sie haben sich mit Leuten angelegt, die Ihnen weit überlegen sind. Weder Sie, noch Ihre Freunde, werden diesen Ort verlassen. Das was sie hier erblicken ist Slifer der Himmelsdrache, eines der mächtigsten Monster in der Geschichte von Duel Monsters.“
 

„Sie scheinen zu vergessen, Kaiba, dass der Götterdrache nur von einem Lichtmonster zerstört werden kann. Ist Ihr Slifer denn ein solches Monster?“

Der CEO legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend: „Slifer ist ein Göttermonster. Glauben Sie wirklich, dass diese Karte sich an Ihre lächerlichen Regeln halten muss?“
 

Mahad und ich wurden immer schwächer. Wir hatten Mühe, uns noch auf den Beinen zu halten. Rasch griffen wir nach der Heckklappe und stützten uns ab.

„Mein Pharao, lasst Slifer angreifen, bitte“, stöhnte der Ägypter. Gerade, als wir auf die Knie gehen wollten, spürten wir eine starke Schulter, die uns stützte. Yugis anderes Ich nickte sanft.

„Bitte verzeih, alter Freund.“ Danach wandte er seinen Blick dem Götterdrachen zu.
 

„Slifer, Attacke! Vernichte den Fünf-Götter-Drachen!“
 

Das Monster reagierte tatsächlich. Der Drache, von dessen Körper nur ein Teil zu sehen war, öffnete sein Maul. Der dunkle Rachen des Wesens glühte hell, noch heller als das Puzzle und der Ring. Kreischend bildete sich die zerstörerische Kraft und wurde zu einem Strahl gebündelt, der auf den Götterdrachen zuhielt. Jegliches Hindernis, das ihm dabei in den Weg kam, seien es Bäume, Berge oder Monster, löste sich in Nichts auf.

Wir schlossen die Augen, doch selbst so schmerzte das Licht in den Augen, welches vom Maul des Drachen ausging. Slifer kreischte lautstark. Uns fiel das Atmen immer schwerer. Die Müdigkeit von vorhin griff wieder nach uns. Dieses Mal stemmte ich mich aber dagegen. Ich wollte nicht immer, wenn ich gebraucht wurde, wegbrechen. Dann endlich, als das Ziehen an Körper und Geist beinahe unerträglich wurde, war es vorbei.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Der Gedanke zu einem Teil dieses Kapitels kam mir, als ich das Duell zwischen Atem und Bakura gesehen hatte.

Bakura war ja schwer verletzt, was seinen bösen Counterpart wenig gestört hatte. Yami no Bakura hat den Angriff von Slifer überleben können, während das beim verwundeten Bakura nicht der Fall gewesen wäre (den eigenen Aussagen nach). Im Umkehrschluss hat das für mich bedeutet, dass auch Mahad die körperliche Belastbarkeit von David in diesem Fall erhöhen kann.

Die nächste, eventuell auftretende Frage, die ich klären möchte, ist die, ob Slifer denn wirklich den Götterdrachen der Big Five in die Knie zwingen kann. Ich glaube ja, wenn ich an die Referenz denke, die der Kinofilm Darkside of Dimensions geliefert hat.
Obwohl Diva/Aigami eindeutig festgestellt hat, dass Kaiba keine Spezialfähigkeit eines Monsters nutzen kann, hat dieser es dennoch getan. Auf die Worte (man verzeihe mein schlechtes Japanisch, bzw. die Übersetzung davon) "Unmöglich, du kannst keine Monsterfähigkeiten nutzen", antwortet Kaiba lapidar "Das ist kein Monster, es ist ein Gott."

Dem folgend, halte ich es für wahrscheinlich, dass eine Gottheit wie Slifer der Himmelsdrache durchaus in der Lage ist, den Götterdrachen aus dem Spiel zu nehmen. Außerdem sprechen wir hier von einem zumindest ansatzweise realen Wesen, während der Götterdrache so nur in der VR existiert hat.

Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen - schöne Woche! :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2020-01-22T20:28:37+00:00 22.01.2020 21:28
Sehr mutig von David sich trotzdem der Gefahr zu stellen. Ich kann das zögern aller verstehen, gegenüber des Rings. Er hat so viel Böses an sich und trotzdem finde ich ihn immer wieder faszinierend.
Slifer ist ein Gott. Punkt. Damit kann er sehr wohl das nicht göttliche Monster zerstören.
Die Zusammenarbeit vom Pharao und Mahad haben mir sehr gut gefallen.
Aber auch wenn beide sich an früher erinnern, so wissen sie nicht den Namen vom Pharao, oder?
Noch eine Frage: besitzen hier eigentlich Kaiba und Yugi aktuell die Götterkarten oder wo sind die gerade? Da ja nach dem battle City Turnier ja eigentlich Yugi alle drei Götter besaß. 😊
LG Satra
Antwort von:  SuperCraig
23.01.2020 01:45
Es stand auch viel auf dem Spiel; seine Freunde, Joey, Mokuba und Yugi. Konträr dazu der Ring. Ich persönlich glaube aber, dass solange ein Stück Gutes im Träger des Rings existiert, dieser Funke nicht erlischt und so die bedingte Kontrolle möglich ist, egal wie abgrundtief böse man sein mag.

Atem und Mahad waren ein unzertrennliches Team und werden es immer sein. Im Kinofilm hat Atem für den finalen Schlag nicht ein Göttermonster gezogen, sondern seinen alten Freund. Ich glaube, sie sind beide ungefähr als Duellantenpaar gleich einzuordnen wie Kaiba und Yugi.

Nein, können sie nicht. Ich wollte das bewusst auslassen, weil der Pharao so seine mystische, besondere Aura behält.

Hier sind die Götterkarten den zuständigen Behörden und damit dem Museum in Ägypten, bzw. den ursprünglichen Aufbewahrungsorten, zurückgegeben worden. Wenn du dich erinnerst, konnten Mariks Raritätenjäger ja zwei von drei Göttermonstern stehlen. Obelisk konnte Ishizu an sich bringen und Kaiba so zum Turnier überreden.

Weiters befinden sich alle drei Karten im Besitz der Raritätenjäger, die sie erneut gestohlen haben. Darum hat Kaiba seinen heißgeliebten Champion in keinem Duell bisher benutzt, und Yugi/Atem und er auch nur in der VR darauf zurückgegriffen, da die "Limitierung" einer physischen Präsenz, in Form einer stofflichen Karte, dort nicht gelten muss. Im Kapitel selbst war es ja ein separater Sonderfall, Slifer rufen zu können.

Antwort von:  Satra0107
24.01.2020 19:33
Danke für deine ausführliche Antwort 😊 ein paar Fragen weniger, die rumschwirren 😁


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