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Vorleben

Der Milleniumsring leuchtete in meinem Träumen auf. Es war, als ob man mir die Seele aus dem Körper reißen würde. Ich schrie stumm ob des Schmerzes. Es war dunkel um mich herum. War das noch ein Traum? Wenn ja, dann vierteilte mich gerade jemand bei lebendigem Leib. Ich konnte nicht klar denken. Ein Stechen, ausgehend von meinem Herzen, kroch durch meinen ganzen Körper.
 

Ebenso plötzlich, wie der Schmerz aufgekommen war, war er auch schon wieder verschwunden. Die Schwärze um mich herum wich langsam. Zuerst konnte ich nur verschwommen Schemen erkennen. Nach und nach wurde das Bild vor meinen Augen immer klarer. Träumte ich noch immer?
 

Eisiger Wind fegte über eine Zeltstadt hinweg. Die weißen Planen flatterten wegen der Luft, welche sie, gemeinsam mit den Pfosten, aus der Erde ziehen wollte. Rund um das Lager hatte man eine hölzerne Palisadenbarrikade errichtet. Sauber zugespitzte Baumstämme waren aneinandergereiht worden.
 

Der Himmel war wolkenverhangen und grau. Bald würde es zu regnen beginnen. Vom bevorstehenden Sturm ließ sich das rege Treiben im Lager aber nicht beirren. Dutzende Männer in schweren Plattenrüstungen liefen umher, brüllten sich gegenseitig irgendwelche Befehle zu. Manche reihten sich ein, um Suppe aus einem der riesigen Kupferkessel zu ergattern, deren offene Feuerstellen von den Mägden mit knapper Not aufrechterhalten wurden.
 

Pferde wieherten in der Ferne, und man hörte das unablässige Hämmern von Metall auf Metall. Die Schmiede schufteten ohne Unterlass, um die Ausrüstung der Soldaten fertig zu bekommen. Ihr Herr überließ nichts dem Zufall. Sie würden in den Krieg ziehen, das wussten sie.
 

„Imposant, oder?“ fragte Mahad, der neben mir erschienen war. Ich blinzelte angestrengt und nickte daraufhin. Wo war ich jetzt schon wieder? „Das England des 15ten Jahrhunderts – zur Zeit der Rosenkriege“ beantwortete mein orientalischer Freund meine stumme Frage. Ich zog die rechte Braue in die Höhe. „Warum wir hier sind, ist kompliziert zu erklären. Es wird sich im Laufe der Geschichte lüften. Komm.“ Mahad lächelte mir entgegen und bedeutete mir, ihm zu folgen.
 

„Mahad? Sehen uns die anderen nicht?“ fragte ich und beobachtete einen Soldaten, der knapp an mir vorbeilief. Meine Frage wurde mit einem Kopfschütteln beantwortet: „Nein, wir durchleben eine gemeinsame, frühere Erinnerung. Nichts, was wir hier tun, beeinflusst die Vergangenheit.“
 

Wappenröcke waren sauber auf großen Holzbalken aufgehängt worden. Sie waren schneeweiß, mit einem pechschwarzen Schwan in der Mitte eines gelben Schildes. Mir gefiel das Wappen, beinhaltete es doch meine Lieblingsfarben. Mahad lachte leise und betrat das einzige schwarze Zelt, welches mittig im Lager thronte.
 

Drinnen hatte man den Boden flachgetrampelt worden. Rechts von uns befand sich ein kleiner Tisch mit Tintenfässchen und Feder, nebst einigen Pergamentrollen. Links hatte man über einer riesigen Holzplatte einige Karten und Briefe ausgebreitet. In der Mitte des Raumes stand ein Kapuzenstuhl aus weißem Holz. Ich musste mir die Augen reiben, und mich zwicken: War ich irre geworden?
 

Vor dem thronartigen Möbelstück kniete ein Junge, maximal 16 Jahre alt. Auf ihn sah jemand hinab, der mein Zwilling hätte sein können. Die gleiche bleiche Haut, die gleichen, dunkelblonden Haare. Seine graugrünen Augen ruhten auf dem Jungen, während er sich ruhig anhörte, was dieser zu sagen hatte. Sein Körper war von einer schwarzen Plattenrüstung bedeckt, deren Schulterpanzer zwei mir sehr vertraute Köpfe darstellten.
 

„Das ist…“ begann ich und Mahad nickte amüsiert. „Du erkennst den Schädel des Schwarzen Rotaugendrachens, hm?“ Tatsächlich. Die Konturen, das gespreizte Maul, sogar die Zähne – ein Meisterwerk der Schmiedekunst. Mein früheres Ich hatte die gepanzerten Finger ineinandergeschoben und schüttelte dabei den Kopf. „Heinrichs Bitte ist unmöglich zu erfüllen. Nicht einmal ich kann den Earl von Derby schlagen, geschweige denn es mit Christian Rosenkreuz aufnehmen. Ich muss ihn leider enttäuschen.“ Die Stimme meines Zwillings war etwas tiefer als die meine und auch kraftvoller. Er duldete keine Widerworte, das merkte man auch.
 

„Ohne Euch ist die Schlacht aber verloren, Mylord. Wir werden niemals hier anlanden können. Der rechtmäßige König verlässt sich auf Euch!“ Die Stimme des Jungen klang bestürzt und flehend. Langsam dämmerte es mir. „Das da bin ich, oder besser gesagt wir? Willst du mir gerade weismachen, dass wir zur Zeit der Rosenkriege für König Heinrich und die Lancasters gekämpft haben?“ Mahad bestätigte meine Frage mit einem Kopfnicken.
 

„Niemand ist Rosenkreuz´ Bestien gewachsen. Heinrich verlangt das Unmögliche. Außerdem will ich mich nicht in diesen Krieg hineinziehen lassen. König Richard hat mir persönlich keine Steine in den Weg gelegt, und ich wage es nicht, die Rosenkreuzritter gegen mich zu verfeinden.“ Die Augenbrauen meines Counterparts wanderten nach unten und sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich dabei.
 

„Ihr sollt nur König Richards Armee in Bosworth schlagen, und den Weg zu Stonehenge freimachen. Bitte, Mylord, König Heinrich wird Euch jeden Wunsch erfüllen, den…“ Mein früheres Ich schnaubte verächtlich: „Was ich mir wünsche, ist unmöglich zu erfüllen, Junge.“
 

„Vielleicht kann ich es aber, Elias du Lac, aus dem Geschlechte Lancelot du Lacs.“ Eine Stimme vom Eingang bewog alle Anwesenden dazu, ihrem Klang zu folgen. Ein ernst wirkender Joey hatte die Zeltplane beiseite geschlagen. Er trug eine Rüstung, die verdächtig nach der des Flammenschwertkämpfers aussah. Der Zweihänder am Rücken, genauso wie der Helm am Gürtel, bestätigte meine Vermutung.
 

Elias´ Gesicht verfinsterte sich noch mehr. Er setzte sich in seinem Stuhl ein wenig auf. „Heinrich muss verzweifelt sein, dich zu schicken. Was wünschst du, Christopher Urswick? Mich erneut zu verraten? Mir wieder alles zu nehmen?“ Erst jetzt konnte ich das Schwert mit grüner Klinge an der Seite meines früheren Ichs erkennen.
 

„Eine Aussöhnung, Eli“ flüsterte Christopher brüchig. Irgendetwas schien den früheren Joey zu bedrücken. Mit einer harschen Handbewegung wurde der Bote entlassen und Elias´ schüttelte angeekelt den Kopf. „Hier aufzutauchen ist an Niedertracht und Ehrlosigkeit nicht zu überbieten, Chris. Ich frage dich erneut: Was sind deine wahren Beweggründe?“ Beide benutzten die Kurzform ihrer Namen. Sie waren wohl miteinander vertraut.
 

„Vergebung“ kam es von Christopher leise, wobei er eine kleine Schatulle von seinem Gürtel zog. Sie war aus purem Gold und das Milleniumsauge prangte am Deckel. „Nichts, was du mir anbieten kannst, könnte mich verzeihen lassen.“ In den Augen von Elias blitzte aber die Neugierde.
 

„König Heinrich schickt mich mit besten Grüßen.“ Christopher trat auf seinen Gesprächspartner zu und kniete sich vor diesem hin, die Schatulle demütig in die Höhe haltend. Sein Blick wanderte zu Elias´ Stiefeln. Dieser Chris sah genau wie Joey drein, wenn er etwas ausgefressen hatte. Elias wiederrum war mein Spiegelbild, wenn ich mein Interesse vor etwas nicht verbergen konnte.
 

Langsam streckte mein früheres Ich die Hände aus und nahm die Schatulle entgegen. Vorsichtig wurde der Deckel abgenommen. Auf blauem Samt waren mehrere Karten gestapelt worden. Elias stockte der Atem und es trat ein Glanz in seine Augen, der mehr als nur Freude bedeutete.
 

„Weißt du, was du da gerade getan hast, Chris?“ fragte mein Counterpart, ohne von seinem vermeintlichen Schatz aufzusehen. „Ich weiß, Eli. Bitte verzeih mir. Ich habe den König und Jasper deinetwegen verraten.“ Verraten? Was meinte er damit? Wer war Jasper?
 

Elias strich über die oberste Karte. Sie wirkte deutlich rustikaler als die Duel Monsters Karten der heutigen Zeit. Pergament oder Leinen war das Material, auf welchem ein mir unbekanntes Monster prangte, oder ein Teil davon.
 

„Die Macht, ganz England, nein die ganze Welt zu erobern. Du bringst sie mir. Warum?“ Elias sah von der Karte auf und musterte den noch immer knienden Christopher vor ihm. „Weil ich dir vertraue; wir dir vertrauen.“ Der Blonde wagte es aufzusehen und konnte ein Lächeln in den Zügen seines Gesprächspartners erkennen.
 

„Was hält mich davon ab, zuerst Rosenkreuz und dann die beiden Könige zu vernichten? Ich halte gerade in den Händen, wonach Jasper und du gierten. Füge ich das letzte Stück hinzu, wird nichts mich aufhalten.“ Elias´ Stimme war kalt geworden, ebenso wie sein Lächeln.
 

„Wir müssen ihn aufhalten. Mahad, wir, du, ich, wir sind ja wahnsinnig! Wenn das stimmt, was dieser Elias sagt, dann…“ Mein geisterhafter Begleiter legte mir seine Hand auf die Schulter und schüttelte lächelnd den Kopf.
 

„Ich“ war Christophers leise Antwort. Das Lächeln auf Elias´ Zügen verschwand. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. Ich hätte es mit einer Mischung aus Überraschung und Schmerz beschrieben. „Ich habe vor fünf Jahren aufgehört so zu fühlen, Chris. Dein Verrat hat mich kalt werden lassen.“ Der Dunkelblonde klang bedauernd, fast schon traurig.
 

„Ich weiß, Eli. Bitte, vergib mir. Wenn du noch irgendetwas für mich empfindest, dann…“ Christopher Urswick brach seinen Satz ab, als Elias den Kopf zur Seite drehte. Er weinte, und das stumm. Seine graugrünen Augen spiegelten einen Schmerz wider, der unfassbar groß sein musste. „Sag deinem König, ich werde tun, was er wünscht“ sagte der schwarzgepanzerte Ritter mit erstaunlich fester Stimme.

Joeys Ebenbild nickte stumm. Er rang sichtlich mit sich, nicht doch etwas zu sagen, verbeugte sich dann aber schlussendlich und verschwand aus dem Zelt. Elias griff sich an die Brust und gab sich stumm seinen Tränen und dem Kummer hin.
 

„Was hat denn Christopher getan, Mahad?“ Ich folgte meinem ägyptischen Führer, der ebenfalls nach draußen ging. „Beide waren sich einmal sehr nahe. Christopher Urswick hat seine Nähe zu Elias genutzt, um ihn zu bestehlen. Familienbesitz, genauso wie Elias´ Herz waren am Ende fort.“ Ich schluckte schwer. „Das, das muss aber nicht auch in der Gegenwart passieren, oder?“ Mahad schüttelte den Kopf: „Nein, natürlich nicht. Jede Existenz ist anders. Es sind eure Entscheidungen, die euer Leben bestimmen.“ Ich nickte erleichtert. „Kommen die zwei am Ende wieder zusammen?“ Mein Begleiter lächelte traurig: „Auch das wirst du sehen. Komm.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2018-12-07T17:59:01+00:00 07.12.2018 18:59
Wieder so eine unerwartete Wendung in deiner Geschichte. Es macht so viel Spaß zu lesen. 😊
Ein trauriges Lächeln? Bedeutet bestimmt nichts gutes.


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