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Göttliches Eingreifen

„J-Joey?“ Tatsächlich, ich konnte sein Gesicht eindeutig erkennen. Blut tropfte ihm aus der Nase und färbte den kalten Steinboden unter ihm rot. Seine blonde Mähne war von roten Strähnen durchzogen und er hatte die Augen geschlossen. Die Wangen zeugten von schweren Verbrennungen. Joeys Zustand war insgesamt mit erbärmlich zu beschreiben. Die linke Hand hatte er sich eindeutig ausgerenkt und ich war mir nicht einmal sicher, ob er noch atmete.
 

„Joey?“ Sein Name hallte erneut durch das finstere Burggemäuer. War er nur bewusstlos, oder tot? Hatte ich ihn getötet? War es meine Hand, die sein Schicksal besiegelt haben sollte? In diesem Moment wurde mir erst bewusst, wie sehr ich Joey liebte.
 

Sein Liebesgeständnis, wie ich mich an ihn gekuschelt hatte, wie er mich mit Reis gefüttert hatte. Das Lachen, wenn ich einen Witz machte. Seine weichen zarten Lippen, die sich mit meinen vermischten. Das Gesicht, das er machte, wenn er nachdachte. Sollte mir das alles genommen worden sein? Warum? Warum war das Schicksal so grausam? Hatte mich Gott verlassen?
 

Tränen rannen mir über die Wangen, während ich mit jedem Schritt, den ich mich näher zu meinem Liebsten schleppte, innerlich ein Stückchen mehr starb. Konnte das nur ein Trugbild sein? Nein, ich spürte es – das da vor mir war Joey, mein Joey. Warum hatte ich nicht mit ihm gesprochen? Vielleicht hätte er nachgegeben, unsere Beziehung öffentlich gemacht?
 

Noch immer rührte er sich nicht. Der Schmerz in meiner Schulter machte mich beinahe wahnsinnig und raubte mir, neben dem Bild meiner Liebe, welche blutüberströmt vor mir lag, die letzte Kraft. Meine Knie schlugen auf dem harten Steinboden auf während ich den Kopf in den Nacken legte und all meine Trauer und meinen Frust hinausschrie.
 

„Wieso? Warum bist du so grausam? Egal wer oder was dafür verantwortlich ist, nimm mich! Hole mich und lasse ihn am Leben. Ich flehe dich an, bitte!“ Die Verzweiflung in meiner Stimme echote tausendfach wider. Mein Flehen wurde jedoch nicht erhört. Keine höhere Entität rührte sich, keine Gottheit hatte Mitleid mit mir. Das Schicksal wollte unsere Plätze nicht vertauschen. Auch Mahad war verstummt.
 

Unter höllischen Schmerzen bewältigte ich, auf Knien rutschend, die letzte Distanz zu Joey. Meine verwundete Schulter ließ meinen Arm nutzlos an der Seite herabbaumeln. Vorsichtig drehte ich den Blonden in der Rüstung auf den Rücken. Meine Tränen tropften in sein Gesicht und vermischten sich dort mit Blut und Ruß. Sanft strich ich Joey mit dem Daumen über die Wange und bettete seinen Kopf in meinem Schoß. „Bitte, komm zurück, Joey. Ich liebe dich. Ich möchte mit dir zusammen sein, glücklich sein, Höhen und Tiefen erleben.“ Verzweifelt schüttelte ich ihn, aber er zeigte keine Reaktion.
 

Nein, das konnte nicht sein. Das war nur ein Spiel. Man musste nur den Stecker ziehen oder auf Neustart drücken und schon wäre wieder alles in Ordnung. Wir würden lachend in der Schule hocken, gemeinsam in der Arcade-Halle zocken, ich ihn bei einem Duell gegen Yugi anfeuern…
 

Meine Augen brannten wie Feuer und ich spürte meinen linken Arm bereits nicht mehr. Der Blutverlust würde mir bald den Rest geben. Wie das Sterben wohl war? Würde ich Joey wiedersehen? Würde er mir böse sein? Sachte beugte ich mich nach unten und legte meine Lippen auf die Seinen. Mein letzter Moment sollte ihm gehören.
 

„Wie ist es, zuzusehen, während das stirbt, was man so liebt, hm?“ Meis Stimme ließ mich langsam aufsehen. Über mir hockte die Verursacherin allen Leids in einem Nichts aus Luft. Sie trug die Kluft des Schwarzen Magiermädchens und grinste mir frech entgegen. Der ironische Unterton war kaum zu überhören.
 

„Warum? Warum Mei, hast du nicht nur mich genommen? Was hat Joey dir getan?“ Ich richtete meinen Blick wieder auf den geschunden Körper meines Liebsten und strich ihm zärtlich durch die Haare. Der letzte Rest Farbe wich ihm langsam aus dem Gesicht. Ich musste hilflos zusehen, wie der letzte Rest an Leben aus ihm heraustropfte.
 

„Du?“ lachte Mei kalt und überdreht. „Hat dir Joey nie erzählt, dass wir mal ein Paar waren? Er mit mir ausgegangen ist? Ich seine große Liebe gewesen bin? Bis du gekommen bist!“ Die Verachtung war kaum zu überhören. „Er war süß, wirklich. Joey hat sich um mich gekümmert, und auch respektiert, dass ich unsere Beziehung nicht öffentlich machen wollte. Meinen Eltern wäre er zu minder gewesen. Ich war sehr glücklich mit ihm, bis du gekommen bist!“
 

Sollte ich noch etwas erwidern? Es war doch sinnlos. Rache in diesem Ausmaß? Wozu? „Verdammt Mei, wenn du ihn wirklich geliebt hast, dann hättest du doch einfach mich entsorgen können? Mich verschwinden lassen? Warum ihn?“
 

Das Mädchen verzog ihr Gesicht zu einer Fratze welche Abscheu und Hass widerspiegelten. „Du hättest ihn sehen sollen. Das Glitzern in seinen Augen, als er mir von dir erzählt hat.“ Mei schnaubte verächtlich: „Seine Gefühle für dich. Er würde dich mögen, er liebe dich sogar. Denkst du, ich lasse mich abservieren? Verliere gegen einen Jungen?“
 

Ich schüttelte nur fassungslos den Kopf: „Mei, das hier ist kein Spiel. Du hast zwei Menschen auf dem Gewissen, ist dir das klar? Einen hast du mal sehr geliebt, deinen Aussagen nach zu urteilen. Das war alles dein Plan, oder? Zuerst, einen Keil zwischen Joey und mich zu treiben, und als das nicht geklappt hat, bist du umgestiegen, auf drastischere Methoden?“
 

„Nein, das war nicht direkt der Plan“ schüttelte Mei den Kopf und sank neben mir und Joey herab. „Es kommt mir aber sehr gelegen. Einzig dein Gejammer und Geweine stört mich noch. Es Kaiba in die Schuhe zu schieben macht das Ganze zusätzlich pikant – offiziell wird es nach einem Unfall mit dem Game aussehen.“
 

Ich bettete meine Hand auf Joeys Brust und versuchte angestrengt die Tränen wegzublinzeln. „Kaiba hat die Behörden bereits verständigt.“ Erneut dieses kalte, markerschütternde Lachen. „Weist es mir mal nach! Ich muss nur noch ein wenig nachhelfen.“ Mei schwebte wieder in luftige Höhen und wirbelte ihren Zauberstab herum.
 

„Damit sind wir quitt, wir drei.“ Ihre Zauberstabspitze wurde in ein grelles, weißes Licht getaucht aus dem sich langsam eine immer größer werdende Form bildete. Die Fackeln im Raum wurden beinahe ausgeblasen und ein kalter Wind zog auf. Ein, zwei, nein, drei Drachen schienen sich aus dem Licht zu schälen. Das ohrenbetäubende Brüllen welches folgte, ließ das Gemäuer erzittern.
 

„Kaibas Lieblingstier soll euch den Gnadenstoß geben! Sieh und staune – der Blauäugige Ultradrache.“ Ich hatte mich getäuscht. Ein einziger, riesiger Weißer Drache mit Eiskaltem Blick hatte sich materialisiert. Drei grimmige Köpfe starrten auf mich und Joey herab. Dieses Wesen war noch furchteinflößender, als der Weiße Drache alleine. Das musste Kaibas mächtigstes Monster sein.
 

Ich fühlte mich so leer. Ich wollte mich nicht einmal mehr verteidigen. Wozu auch? Ich hatte es verbockt, und das gründlich. Mei hatte wohl gewonnen. Hoffentlich waren wir in der Realität nicht entstellt, damit man sich angemessen um unser Begräbnis kümmern konnte. Kraftlos ließ ich meine Stirn auf die von Joey sinken. „Ich liebe dich“ hauchte ich ihm zu, während sich über uns ein greller, weißer Lichtball bildete. In ein paar Sekunden würde ich ihn wiedersehen. Konnte das Sterben dann so schlimm sein? Für uns nicht, aber für die, die wir hinterließen.
 

Meine Großeltern, meine Eltern, unsere Freunde, Joeys kleine Schwester Serenity. Ich war nie dazu gekommen, sie anzurufen. Meinen Plan in die Tat umzusetzen. Hoffentlich würde Joey es verstehen. Mir verzeihen, dass ich in sein Handy gespickt hatte.
 

„Ein wenig dreist, wenn du mich fragst, mein Monster zu beschwören.“ Der Lichtball über uns erlosch und ich konnte das Getrappel von Füßen hinter uns hören. „Was hast du geglaubt, Nakamura? Dass du mich, Seto Kaiba, aus seinem eigenen Spiel aussperren kannst?“
 

Ein Blick nach hinten eröffnete mir Kaiba, Yugi, Tea, Tristan, Bakura, Duke und Mokuba. Jeder von ihnen war angezogen wie in der realen Welt. „Wir werden dir das Handwerk legen!“ Tea reckte die rechte Hand in die Höhe und alle anderen, mit Ausnahme von Kaiba, taten es ihr gleich. „Für unsere Freunde!“ rief der Chor einstimmig.
 

„Wie denn? Ich habe eines der mächtigsten Duel Monsters beschworen. Ihr habt verloren, selbst wenn ihr gemeinsam angreift.“ Mei ließ sich langsam auf den mittleren Kopf des Ultradrachen sinken und streichelte ihm über den Kopf, was dieser mit einem wohligen Knurren quittierte. „Nicht einmal du kannst mich jetzt noch aufhalten, Seto Kaiba.“
 

„Sei dir mal da nicht zu sicher.“ Kaiba hatte die Arme vor der Brust verschränkt, während die Gruppe hinter ihm zu leuchten begann. Jeder Einzelne wurde in ein dunkelblaues Licht getaucht. Die Erde um uns herum bebte. Krachend stürzte das Gemäuer langsam in sich zusammen. Steine und Schutt prasselten herab.
 

„Sieh und staune, Nakamura. Du stehst einer Macht gegenüber, die selbst den Blauäugigen Ultradrachen in den Schatten stellt. Erzittere vor meinem unbesiegbaren Helden – Obelisk dem Peiniger!“
 

Blauer Staub wurde aufgewirbelt. Die kleinen Partikelchen formten sich langsam zu der Silhouette eines gigantischen Wesens. Krachend brach die Decke über uns entzwei, während ein orkanartiger Wind durch das Gemäuer fegte. Donnergrollen ließ das Mauerwerk erzittern.
 

„Ultradrache, los, Angriff!“ Meis Stimme ging im Tosen des Windes unter. Der Boden brach neben mir und Joey auf. Ein großer Riss durchzog den gesamten Saal und brach ihn schlussendlich auseinander.
 

„Denn niemand legt sich mit unseren Freunden an.“ Yugis tiefe Stimme übertönte das gesamte Szenario. Sein Anhänger am Hals leuchtete hell auf. Er trat aus dem Licht hervor und stellte sich neben Kaiba, die Arme vor der Brust verschränkt.
 

Ein markerschütterndes Kreischen außerhalb der Burg war zu hören. Das Brüllen stellte sogar das des Ultradrachens in den Schatten. Der Himmel verfinsterte sich vollends und ein monströses, schlangenartiges, rotes Etwas, schälte sich aus den blitzenden Wolken.
 

Das Wesen, welches Kaiba als Obelisk den Peiniger vorgestellt hatte, stand nun vor, oder besser gesagt über ihm. Das Gesicht war eine einzige, grinsende Fratze mit roten Augen. In dem kronenartigen Stirnfortsatz schimmerte ein blauer Edelstein. Die Haut des Monsters war steinhart und blau. Überall standen scharfe Spitzen hervor und der Rücken war von einer Art gebrochenen Schildhälften oder rudimentären Flügeln gesäumt.
 

Zu diesem riesigen Krieger, welcher das Gebäude mühelos überragte, gesellte sich aus der Luft ein noch größerer, roter Drache mit zwei Mäulern. Auch in dessen Schädel thronte ein blauer Edelstein. Das nicht endend wollende Gewirr seines Körpers schlängelte sich durch den Raum und bedeckte mich und Joey. Ich konnte ein Brüllen und einen Energieball aufschlagen hören, welcher einen brutalen Windstoß erzeugte. Ich und Joey wurden gegen den vermeintlichen Mittelteil des schlangenähnlichen Drachenwesens gedrückt.
 

„Zeit dich zu bestrafen, Nakamura. Niemand rührt die Freunde meines kleinen Bruders an. Und jetzt, Obelisk, los – vernichte dieses Gör und lasse Rache walten!“ Der Körper des Drachens versperrte mir die Sicht und so konnte ich nicht sehen, was vor sich ging.
 

Ein tiefes Grollen erfüllte die Umgebung und die Luft knisterte. Das Beben der Erde nahm zu und Gesteinsbrocken, genauso wie Schutt und Regen, wurden aufgewirbelt. Uns deckte der Drache mit seinem Körper ab.
 

Eine gigantische Druckwelle und ein blauer Blitz trafen den Ultradrachen. Obelisk der Peiniger versenkte seine Faust in dem Monster samt Mei, welche qualvoll aufschrie. Mit einem lauten Knall, der mich beinahe meiner Sinne beraubte, wurden wir in einen Pilz aus Gewitterwolken getaucht. Blitze umspielten uns und der Drache brüllte lautstark. Ich konnte die Hand vor Augen nicht mehr sehen. Dann wurde es schwarz und Kaibas Lachen hallte in meinem Kopf wider.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2018-12-05T18:55:40+00:00 05.12.2018 19:55
Das war mega spannend!
Klasse wie du die Elemente der Serie einbaust, altes Ägypten, Reinkanation, die Götter Karten. Klasse. 👍
Dein Schreibstil ist Klasse. Du beschreibst die Situation so gut, das man sich es vorstellen kann und trotzdem verliert man nicht den Faden in der Geschichte. Schön ausgeglichen geschrieben.

Und auf zum nächsten Kapitel! 😄

LG Satra
Antwort von:  SuperCraig
05.12.2018 20:57
Freut mich ungemein, dass dir das Kapitel so gut gefallen hat.

Auch, dass dir mein Schreibstil gefällt.

Ich freue mich sehr über deine Kommis. :)

Viel Spaß noch!


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