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Dunkelheit im Herzen

Hinter dem Portal befand sich ein gigantischer Saal. Schwarzer Stein war auf schwarzen Stein geschlichtet worden, während jemand riesige Fenster aus buntem Glas ins Mauerwerk eingelassen hatte. Fackeln erhellten den Raum und der Mond brach sich im Prisma der einzelnen Scheiben aus gebranntem Sand.
 

Jeder einzelne meiner Schritte hinterließ ein Echo. Mein Schatten bäumte sich neben mir auf, ein stummer Begleiter, welcher immer wieder verschwand, nur um wiederaufzutauchen. Wo war ich hier wieder hineingeraten? Viel wichtiger war aber die Frage: Wo waren Mei und Joey?
 

Ein dunkelroter Teppich führte vom Fußende eines pechschwarzen Throns zu mir. Goldene Stickereien waren an den Rändern des Stoffes eingearbeitet worden. Links und rechts der imposanten Sitzgelegenheit standen zwei Tonkrüge, aus welchen lodernde Flammen züngelten. Die Armlehnen des Throns waren mit zwei Kriegern ausstaffiert worden, welche jeweils ihre Schwerter kreuzten.
 

Ich bemerkte erst bei genauerem Hinsehen, dass ich nicht alleine war. Auf dem Thron saß jemand. Eine Gestalt in pechschwarzer Rüstung. Ein langer, roter Pferdeschwanz ging von der Rückseite des kunstvoll gestalteten Helmes aus. Das Visier des Kriegers war von einer Farbe, welche weder gelb, noch golden noch grün war. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Schild und Schwert waren aus genau dem gleichen Material, mit genau der gleichen Farbkonstellation gefertigt worden. Das rechte Bein des Kriegers ruhte angewinkelt am Fußende des Thrones, während er mir reglos entgegenstarrte.
 

„Das ist der…das ist der Soldat des Schwarzen Lichts, oder?“ Ich schrägte den Kopf und erhielt prompt eine Antwort. „Ja, das ist er. Eine äußerst mächtiges Monster.“ Mahads Stimme in meinem Kopf bestätigte meine Vermutung. „Habe ich…ich überhaupt eine Chance?“ Ich wusste ob der Stärke des Soldaten des Schwarzen Lichts. „Wenn du zweifelst nicht“ war die Antwort meines unsichtbaren Begleiters.
 

Ich starrte in das leer anmutende Visier meines Gegners, musterte den Helm, seine gesamte Erscheinung. Angst kroch aus ihren dunkelsten Winkeln meines Seins hervor. Wenn Joey hier sterben konnte, dann ich auch. Was, wenn ich doch zu schwach war? Der Speer in meiner Hand zitterte; nein, ich war es, der zitterte.
 

„Du musst an dich glauben.“ Ich sah mich um, konnte aber nirgendwo Yugi erkennen, dessen tiefe Stimme mir gerade Mut zusprach. „Du kannst es schaffen, ich weiß es, und du auch! Gib der Dunkelheit und dem Schatten keine Macht über dich.“
 

„Vertraue dem Pharao, David. Er würde dich nicht belügen. Er weiß du kannst es, genauso wie ich. Du bist der Schwarze Magier, der Dunkle Paladin – ihr seid eins, so wie ich es einst gewesen bin. Atme tief durch und höre auf dein Herz.“ Mahads ruhige Stimme echote in meinem Kopf wider. Ich nickte geistesgegenwärtig und schloss die Augen. Bewusst ruhig atmete ich ein und aus.
 

Wärme durchströmte mich. Mir wurde mit einem Mal ganz leicht ums Herz. Um mich herum war es komplett weiß geworden. Ich befand mich im Nichts. Anfang und Ende gab es hier nicht. Nur eine weiße, unendliche Leere. Nach und nach gesellten sich, wie aus dem Nichts, meine Freunde hinzu. Yugi, Tristan, Tea, Mokuba, Bakura, Duke, sogar Kaiba. Hinter ihnen erschien Mahad, welcher die Hände wieder in seinen Robenärmeln versenkt hatte. Meine Eltern, sogar meine Großeltern und meine Freunde aus der Heimat – alle waren hier versammelt. Sie glaubten an mich, das spürte ich, sie gaben mir Kraft.
 

Mit einem Ruck öffnete ich die Augen. Der Soldat des Schwarzen Lichts hatte sich von seinem Thron erhoben und kam langsam auf mich zu. Ich würde nicht versagen. Joey und ich würden diesen Alptraum in einem Stück verlassen und Mei würde zur Verantwortung gezogen werden. Nichts auf dieser Welt konnte uns trennen.
 

„Na dann komm her!“ Ich packte meinen Speer mit beiden Händen und verlagerte meinen Stand ein wenig. Langsam nahm mein Gegner an Fahrt auf und stürmte auf mich zu. Ich drehte die Waffe ein wenig und bereitete mich darauf vor, seinen Angriff abzuwehren.
 

Metall prallte auf Metall. Funken sprühten, als das gebogene Schwert auf meinen Speergriff traf. Die Wucht des Angriffs ließ meine Arme erzittern und einen stechenden Schmerz, von den Fingerspitzen aus, nach oben kriechen. Kaiba hatte Recht gehabt: Ich spürte dieses Mal etwas.
 

Mit einem Ruck drückte ich meinen Gegner zurück und schuf so etwas Abstand. Ich drehte den Speer ein wenig und ließ ihn sinken. Die Waffe glühte grün auf und ich holte, von links unten, diagonal aus. Meine Speerspitze schnitt durch die Luft und ein grünlicher Energieschimmer löste sich von der Klinge. Knisternd traf mein Angriff auf den Soldaten des Schwarzen Lichts, der ihn mit seinem Schild scheinbar mühelos beiseite schlug.

Wieder folgte eine blitzschnelle Attacke, die ich nur mit großer Mühe parieren konnte. Langsam gaben meine Beine nach, und ich wurde auf die Knie gezwungen. Seine Schwertklinge drückte unentwegt auf meine eigene Waffe. Im direkten Kräftemessen war ich eindeutig unterlegen. „Mach schon David, konzentriere dich“ sagte ich zu mir selbst. Irgendwo musste das Ding doch eine Schwachstelle haben.
 

Mein Blick fiel auf die Beinrüstung des Kriegers. Es war einen Versuch wert. Langsam schob ich meinen rechten Fuß zwischen die gespreizten Beine des Soldaten und kam dabei gefährlich nahe mit dem Rücken an einen Punkt, an dem er entweder knacksen oder brechen musste. Als mein Bein weit genug in die offene Lücke meines Gegners gewandert war, zog ich es hastig zurück. Mein Stiefel verhakte sich in der Rüstung des Kriegers und brachte ihn so ins Straucheln.
 

Eilig rutschte ich nach hinten und atmete tief durch. Es schmerzte jetzt schon jeder Knochen in meinem Körper. Auf Dauer würde ich diesen Kampf nicht durchhalten. Mein Gegner hatte sich inzwischen bereits wieder gefangen und ließ mir nicht einmal die Möglichkeit, einen weiteren klaren Gedanken zu fassen.
 

Schwerthiebe prasselten auf mich ein, welche ich mehr schlecht als recht parierte. Immer schneller wurden die Bewegungen meines Kontrahenten, während er mich buchstäblich mit dem Rücken zur Wand drängte. Zaubern war gerade keine Option – er war zu nahe, und ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, was ich so alles konnte. Mahad blieb seltsamerweise auf mein Fragen hin stumm.
 

Lila Flammen umfingen die Schwertklinge meines Gegners, welche plötzlich meinen Stab mühelos entzweischlug. Die Waffe durchdrang meine Abwehr und fraß sich augenblicklich in meine Schulter. Mit einem lauten Schmerzensschrei ließ ich die Waffenhälften fallen. Blut strömte aus der Wunde und mir wurde übel.
 

Ich hatte noch nie solche Schmerzen gespürt. Der kalte Stahl brannte wie Feuer und ich roch den Gestank von verkohltem Fleisch. War es das? Mein Ende? Mit einem schmatzenden Laut zog der Soldat des Schwarzen Lichts die Klinge aus meiner Schulter. Unwillkürlich griff ich mir auf die Wunde und fiel auf die Knie.
 

„Er schafft es schon.“ Meine Augenlider wurden schwer und ich hörte Stimmen. Sie debattierten, über mich, dann Passagen in einer fremden, unverständlichen Sprache. Bilder zogen an mir vorbei. Wüsten, Pyramiden, eine entsetzliche Schlacht. Der Himmel hatte sich verdunkelt und ein Monster aus schwarzem Nichts hatte sich vor mir aufgebäumt. Ich konnte einen dunkelhäutigen, älter wirkenden Yugi erkennen, an seiner Seite ein Mädchen, welches mich stark an das Schwarze Magiermädchen erinnerte. Sie alle trugen seltsame Kleidung, Roben, Mäntel. Soldaten marschierten hinter ihnen her, mit gebogenen Schwertern, Speeren und Holzschilden bewaffnet.
 

An der Spitze des Trosses schwebte jemand. Bei genauerem Hinsehen erkannte ich den Schwarzen Magier, den, den Yugi besaß. Sein Gesicht wirkte aber seltsam. Ich erkannte Mahad und…mich? Das Bild schien von Sekunde zu Sekunde zu wechseln. Einmal er, einmal ich. Das Szenario verblasste und grelles Licht blendete mich.
 

Der Schein ging von einer dreieckigen, goldenen Pyramide aus, in deren Mitte ein beängstigend anmutendes Auge gefasst worden war. Das Konstrukt hatte man in einen Ring eingelassen, welcher fünf längliche, spitze Anhänger besaß. Zumindest das Auge kannte ich: Yugis Puzzle sah im Kern genau gleich aus.
 

Vor mir konnte ich den Soldaten des Schwarzen Lichts erkennen, welcher seine Klinge zum finalen Gnadenstoß erhoben hatte. Meine Züge verhärteten sich wieder. Wenn ich hier draufgehen musste, dann würde ich ihn auch mitnehmen.
 

Ich presste die Zähne zusammen und ballte meine beiden Hände zu Fäusten. Der Schmerz in meiner Schulter raubte mir beinahe die Sinne. Ich musste mich nur konzentrieren und ihm einen einzigen, tödlichen Schlag versetzen. Schwarze Blitze umspielten meine Hände. Jetzt oder nie.
 

Ich streckte beide Arme aus. Augenblicklich sprangen die Blitze auf meinen Gegner über, welcher einen markerschütternden Schrei ausstieß. Schwert und Schild fielen klirrend zu Boden, während ich mich langsam aufrichtete. Die Energie strömte ungehindert aus meinen Fingern und zwang den Soldaten des Schwarzen Lichts auf die Knie.
 

Krümmend und schreiend warf sich mein Gegner auf dem Steinboden hin und her. Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase. Das Geschrei mutierte zu einem hohen Kreischen und mein Kontrahent wälzte sich zum Teppich hin, wo sich sein Körper unter meinem Angriff immer wieder durchbog.
 

„Hör auf, David, es ist genug.“ Mahads Stimme hatte einen scharfen, fordernden Unterton angenommen. „Ich werde dieses Ding hier endgültig vernichten, bevor ich in meine nächste Existenz übergehe.“ Meine Stimme hörte sich seltsam an, tiefer, fremd. Hatte ich das wirklich gesagt? Warum genoss ich es eigentlich so, diesem virtuellen Wesen solche Schmerzen zuzufügen?
 

„Besinne dich warum du hier bist. Lass nicht die Dunkelheit Macht über dich gewinnen.“ Dunkelheit? Macht? Ja genau, Macht. Ich hatte sie gerade gekostet, und ich genoss es. Niemand würde mehr über mich bestimmen, mich zwingen, sich seinem Willen zu beugen.
 

Wieder erschien der Ring vor meinem Auge und ließ die Schreie meines Gegners leiser und dumpfer werden. „Lass dich nicht manipulieren, David. Der Ring gehört nicht mehr zu mir, auch nicht zu dir. Er ist böse.“ Was hatte dieser seltsame Ring bitte mit… Ich schüttelte den Kopf. Warum war ich wirklich hier? Das Verlangen nach Macht und Stärke, welches mich gerade verzehrte, es wurde von einem anderen Gefühl schwach bekämpft: Liebe.
 

Augenblicklich ebbten die Blitze ab. Der geschundene Körper des Soldaten des Schwarzen Lichts lag vor mir. Teile seiner Rüstung hatten sich aufgelöst und ließen mich auf geschwärzte und gerötete Haut blicken. Der Helm war ihm vom Kopf gerutscht. Ich erkannte diese Züge, so weich und verletzlich. Meine Augen weiteten sich, als mir bewusst wurde, was ich getan hatte.



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