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Ein Austausch mit Folgen

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich möchte kurz anmerken, dass ich mich bei den Duellregeln jetzt, wie auch später, für eine sehr vereinfachte Form, angelehnt an die erste Staffel des Animes, entschieden habe. Bei haargenauer Ausführung, wäre die Story unnötig aufgebläht, und würde meiner Meinung nach auch die Immersion und den Lesefluss stören. Komplett anzeigen

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Ein schicksalhaftes Duell

Mein Name ist David. Ich bin 17 Jahre alt und komme aus Österreich. Gute Noten, und ein großes Interesse an der asiatischen Kultur, haben mich dazu bewogen, ein Austauschjahr in Japan zu absolvieren, genauer gesagt in Domino City. Bei uns boomte das Kartenspiel Duel Monsters, welches ursprünglich aus dem Land der aufgehenden Sonne stammte, genauso wie im Herkunftsland. Ich liebe Duelle, und freute mich darauf, sowohl Japan, als auch die dortigen Gebräuche, Eigenheiten und vor allem Duel Monsters selbst, genauer begutachten zu dürfen. Ich bin 1, 68 m groß, sportlich, besitze dunkelblondes, kurzes Haar und graugrüne Augen. Mein Teint ist eher mit bleich zu beschreiben. Ich bin offen, warmherzig, ehrlich und vor allem neugierig. So war es nur eine Frage der Zeit, bis ich an Yugi und seine Clique, aber auch an Seto Kaiba geraten würde.
 

Ich war also an der Domino High angekommen. Meine blaue Schuluniform hatte ich vorsorglich mehrmals gebügelt und auf ihren korrekten Sitz geprüft. Ich wusste, dass in japanischen Schulen sehr viel Wert auf korrektes und adrettes Auftreten gelegt wurde. Außerdem war und bin ich selbst noch immer sehr akkurat, was mein Äußeres betrifft. So betrat ich, gut gelaunt, fast schon ein wenig euphorisch, mit kurz geschorenen, an den Spitzen hochgelegten Haaren, meine neue Schule. In meiner Heimat hatte ich an unserer Lehreinrichtung bereits vier Jahre Japanisch als Freifach belegt, so war es mir möglich, mich einigermaßen zu verständigen. Die Domino High war deutlich größer und auch belebter als meine eigene Schule. Schnatternde Schülergruppen tummelten sich auf dem Schulhof. Mir schenkte man keine Beachtung. Ich war wohl zu unauffällig. Jedenfalls betrat ich lockeren Schrittes das Schulgebäude, meinen Rucksack geschultert. Nach kurzem Suchen fand ich auch das Sekretariat, wo ich mich anmeldete. Ein gewisser Herr Yamamoto, ich schätzte ihn auf ungefähr 50 Jahre, lächelte mir freundlich entgegen. Sein weißes Hemd spannte am Bauch ein wenig, und die Krawatte wirkte etwas zu eng, als dass sie bequem sein konnte. Nichtsdestotrotz bemühte er sich sehr um mich und war ausgesprochen nett. Nach meiner Anmeldung wurde mir die Klasse 7b zugewiesen und mir ein Stundenplan ausgehändigt. Mit einer kurzen Wegbeschreibung und besten Wünschen für das kommende Jahr, seitens Herrn Yamamoto, machte ich mich auf den Weg zu meiner Klasse. Dort angekommen öffnete ich die Türe und musterte meine neuen Mitschüler.
 

Zirka 20 Mädchen und Jungen lümmelten auf den Tischen herum, quatschten mit ihren Sitznachbarn oder tippten auf ihren Smartphones. Mein Interesse weckte aber eine Gruppe, welche ein Duel Monsters-Spielbrett ausgebreitet hatte, und sich augenscheinlich duellierte. Um zwei Jungen, wobei ich den Kleineren deutlich jünger schätzte als mich, den anderen, etwa gleich alt wie ich, hatte sich eine Traube an Leuten versammelt. Einer von ihnen war schwarzhaarig, mit einem sehr gewagten, zackigen Haarschnitt, tiefgrünen Augen und einem Würfelanhänger im Ohr. Neben ihm stand ein Mädchen mit braunen, kurzen Haaren, blauen Augen, schlanker Figur und einem breiten, warmen Lächeln auf den Lippen. Neben ihr beobachtete ein Schrank von einem Kerl, verglichen mit meiner Wenigkeit zumindest, ebenfalls mit braunen Haaren, einer nach oben gegelten, spitzigen Frisur und verschränkten Armen das Spiel. Zu guter Letzt wurde die Gruppe durch einen weißhaarigen Jungen komplettiert, welcher hinter dem größeren, blonden Teenager stand und ihm irgendwelche Anweisungen zu geben schien.
 

„ Ah halt die Klappe Bakura, ich kann das selbst!“ Der Blonde starrte konzentriert auf das Blatt in seinen Händen und schien angeregt zu überlegen. „Mensch Joey, was ist los? Du hast weder Fallen noch Zauberkarten auf dem Feld, und mein schwarzer Magier ist noch immer im Schutz der Zauberhüte gut versteckt.“ Der kleinere Junge, mit einer waghalsigen Frisur, einem Mischmasch aus blond, pink und schwarz, starrte auf seinen Kontrahenten, den er Joey genannt hatte, und schüttelte den Kopf. Seine zierliche, fast schon kindlich anmutende Figur wurde durch einen verschmitzten, kalkulierenden Blick kompensiert, welcher mich an meiner Einschätzung bezüglich seines Alters zweifeln lies. „So? Dann pass mal auf Yugi...Schwarzer Rotaugendrache im Angriffsmodus. Dazu rüste ich ihn mit den Drachenklauen aus, was seine Angriffspower auf 3.000 Punkte erhöht. Damit ist er stärker als dein Schwarzer Magier. Und jetzt greife ich den ganz rechten Hut an.“ Lächelnd und vor allem neugierig näherte ich mich dem Grüppchen, wobei ich aber noch immer darauf achtete, den notwendigen Abstand zu wahren. Yugi schüttelte nur lächelnd den Kopf: „Damit hast du meine Fallenkarte, Macht des Spiegels aktiviert. Dein Angriff wird auf dein Rotauge umgelenkt, und zerstört ihn. Mein schwarzer Magier verlässt nun den Schutz der Zauberhüte und greift deine Lebenspunkte direkt an. Du hast verloren.“ Ungläubig starrte Joey auf das Spielbrett. Die Gruppe um die beiden Duellanten brach in ein grölendes Gelächter aus. Der große braunhaarige Kerl klopfte Joey auf die Schulter: „Nächstes Mal bestimmt, Joey.“ Das Mädchen lächelte nur, während der schwarzhaarige und der weißhaarige Junge jeweils ein schiefes Grinsen aufgesetzt hatten.
 

Die Türe hinter mir öffnete sich, und ein junger Mann, braunhaarig, schlank, groß und mit einem Blick, der einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte, betrat die Klasse. In der rechten Hand hielt er eine Schultasche, während die linke sich in seiner Hosentasche befand. Wortlos ging der Fremde an mir vorbei, zu dem Grüppchen, welches offensichtlich zusammengehörte. „Na, Wheeler? Mal wieder verloren? Was war es diesmal? Hast du dir selbst ein Bein gestellt, oder hat Muto dich mit einem seiner Taschenspielertricks ausgebootet?“ Auf den Zügen des Braunhaarigen erschien ein süffisantes Lächeln, und seine Stimme triefte nur so vor Hohn und Spott. „Ah halt du dich da raus, Kaiba. Wer von uns beiden hat es ins Finale geschafft, du oder ich?“ Joey war wutentbrannt aufgesprungen, die restlichen vier Karten noch immer in der rechten Hand haltend. „Wer von uns hat zu meinen Füßen gekauert, wie das Schoßhündchen, welches er ist, hm? Dich zu besiegen ist ungefähr so schwierig, wie einem Kleinkind den Lutscher abzunehmen, wobei…“ Das Grinsen wurde noch ein wenig spitzer und seine Tonlage so abwertend, dass sich in mir alles zusammenzog. „Ich glaube ja, dass ein Kleinkind mehr Wiederstand leistet als du, Wheeler, oder sollte ich dich besser Köter nennen?“ Mit einem hämischen Gesichtsausdruck ließ Kaiba den tobenden Joey hinter sich und spazierte seelenruhig auf seinen Platz. „Irgendwann…“ knurrte Joey, während er sein Deck zusammenraffte. „Mach dir da mal keinen Kopf, Joey. Kaiba ist auch nicht unbesiegbar, außerdem hast du dich heute sehr gut geschlagen.“ Der Schwarzhaarige mit dem Würfelohrring klopfte ihm auf die Schulter und begab sich dann auf seinen Platz, genau wie es der Rest, mit Ausnahme von Yugi, Joey,und dem braunhaarigen Schrank, tat. Zögernd trat ich näher und räusperte mich dezent, was mir die Aufmerksamkeit der Truppe einbrachte.
 

„Hey, entschuldigt bitte, wenn ich mich einmische, aber ich fand den Teil von eurem Duell, welchen ich mitbekommen habe, klasse. Das mit den Zauberhüten war raffiniert, aber auch ein Glücksspiel. Verwegen aber sehr effektiv. Die Idee mit den Drachenklauen war aber nicht schlecht. Ein wenig mehr Glück für das Rotauge, und es hätte den Schwarzen Magier erwischt.“ Die drei Jungs musterten mich eingehend, lächelten dann aber, vor allem Joey. „Jaaaa, Yugi ist eben ein Glückspilz, aber irgendwann schlage ich ihn, oder, Tristan?“ Der braunhaarige Riese neben Joey lachte nur und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er sich zu seinem Platz begab. Im Vorbeigehen nickte mir Tristan zu. „Und du bist?“ Yugi lächelte mir freundlich entgegen, während er gemeinsam mit Joey das Spielbrett wegräumte. „Ich? Oh, meine Manieren, entschuldigt. Mein Name ist…“ Just in diesem Moment betrat unser Lehrer den Klassenraum und es wurde schlagartig still. Herr Nakashima, ein gut 60-jähriger, hagerer Mann, mit schütterem, bereits ergrautem Haar, wurde von der Klasse einstimmig begrüßt. Lächelnd bedeutete er mir, zu ihm zu kommen, und so war ich mit vorstellen dran. Die Klasse begrüßte mich ebenso wie den Lehrer, wobei mir auffiel, dass „Kaiba“, wie er von Joey genannt wurde, sich mit profaneren Dingen, wie etwa dem Sortieren seiner Stifte, beschäftigte. Das musste also der CEO der Kaiba Corporation sein. Etwas an ihm faszinierte mich; war es diese kalte, kühle Art, oder seine Selbstsicherheit? Andererseits war mir sein Verhalten gegenüber diesem Joey sehr zuwider. Mir wurde dann der Platz neben Joey zugewiesen, und ich bereitete mich auf die erste Stunde, Japanisch, vor. Relativ schnell merkte ich, dass ich mich mit meinem Nachbarn sehr gut verstand. Er wirkte zwar ein wenig chaotisch, aber insgesamt, machte er einen sehr netten und freundlichen Eindruck auf mich. Im Laufe der Pause wurde ich dann reihum den anderen Leuten vorgestellt. Tea, Yugi, Tristan, Duke und Bakura begrüßten mich freundlich, und wir fokussierten unser Gespräch auf Duel Monsters. „Wahnsinn, du bist also der legendäre Yugi Muto? Du hast im Königreich der Duellanten Maximilian Pegasus besiegt? Und du bist Joey Wheeler, der, der es ins Halbfinale geschafft hat?“ Ich war wirklich ein wenig geplättet. Natürlich hatte ich die Nachrichten verfolgt, aber bei uns war das mit der Übertragung so eine Sache. „Ja, Yugi hat gewonnen, aber ich habe es ihm verdammt schwer gemacht.“ Grinsend boxte Joey dem kleineren Yugi in die Schulter, was dieser mit einem Reiben der getroffenen Stelle kommentierte. „Na da kann ich einpacken. Ich wollte nachher schon einen von euch zu einem kleinen Duell herausfordern.“
 

Joey und Yugi musterten mich neugierig: „Ach ja? Du spielst auch?“ Joey schien mich begeistert mit seinen Blicken zu röntgen. „Ein wenig, ja. In meiner Schulklasse war ich der Beste, und habe meist gewonnen.“ Joey schien in seiner Euphorie bereits etwas erwidern zu wollen, als sich sein Blick verfinsterte. Die Stimmung der ganzen Gruppe war plötzlich im Keller, und ein Blick über meine Schulter erklärte mir auch warum: Hinter mir stand Seto Kaiba, ein abfälliges Lächeln auf den Lippen. „Noch einer, der sich dem Kindergarten anschließen möchte? Die Tatsache, dass du und Wheeler so gut zu harmonieren scheint, lässt Rückschlüsse auf deine Fähigkeiten als Duellant zu. Wahrscheinlich genauso eine blamable Niete wie der Köter.“ In meiner Magengegend regte sich etwas. Bevor ich jedoch antworten konnte, schnaubte Joey nur wutentbrannt. „Ach ja? Wetten, dass er dich mühelos aufs Kreuz legt, Kaiba?“ Bakura, Tristan und Yugi sogen scharf die Luft ein, während Tea die Hand vor die Stirn schlug. „Du scheinst ja großes Vertrauen in den Neuling zu haben, Wheeler. Ich hege aber wenig Hoffnungen, wenn ich daran denke, wie er dich und Muto bei eurem dilettantischen Spiel beobachtet hat.“ Kaibas Nasenflügel blähten sich ein wenig auf, und der Spott in seiner Stimme war unüberhörbar. „Mich mit dir abzugeben, Hündchen, ist mir außerdem zu langweilig. Ich könnte dich mit verbundenen Augen besiegen, andererseits…“
 

Der Blick des CEO der Kaiba Corporation fiel auf mich, und das Grinsen wurde breiter: „Vielleicht sollte ich ihm eine Lektion erteilen, damit du endlich kapierst, Wheeler, wann es an der Zeit ist, brav den Mund zu halten.“ Mir rutschte das Herz in die Hose, und es ging mir vor allem alles viel zu schnell. Ich kannte die Geschichten über Seto Kaiba und mir wurde schwindelig bei dem Gedanken, mich mit ihm duellieren zu müssen. Mein erster Tag würde gleich in einer Katastrophe enden. Andererseits, ich musste mich ja nur verweigern. „Klar zerlegt er dich, Kaiba. Sag uns nur wann und wo!“ Joey hatte seinen Arm um mich gelegt und wedelte mit der rechten Hand, welche zur Faust geballt war, vor Kaibas Gesicht herum. „Mensch Joey, halt die Klappe! Du bringst David nur in Schwierigkeiten, und das an seinem ersten Tag!“ Teas Stimme war streng und energisch. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und ihr Blick war mehr als giftig. Das schien Joey aber gekonnt zu ignorieren, genauso wie meinen eigenen, flehenden Blick. Die Stimme war mir aus irgendeinem Grund versagt. „Wenn er verliert, dann putze ich dein ganzes Haus, blitzeblank, in einem Dienstmädchenaufzug.“ Ein leises Seufzen hinter mir ließ mich erahnen, dass diese Fehde wohl nicht erst seit heute bestand. „Nein, Wheeler, ich brauche nächste Woche einen Babysitter für Mokuba. Du bist dafür hervorragend geeignet, schlicht und ergreifend ob der Tatsache, dass du und mein Bruder geistig auf einer Ebene seid, wobei ich damit Mokuba wohl Unrecht tue.“ Mir fiel erst jetzt auf, dass uns die gesamte Klasse anstarrte, was mich nur noch mehr erbleichen ließ. „In Ordnung, und wenn er gewinnt…“ Joeys Stimme hatte einen kämpferischen Unterton bekommen. „Das ist unmöglich. Sollte er gewinnen, hast du einen Wunsch frei, Wheeler. Wir treffen uns in fünfzehn Minuten auf dem Schulhof.“
 

Damit wandte sich Kaiba ab und fischte sein Smartphone aus der Hosentasche, während er im Gehen eine Nummer eintippte. „Joey, bist du total irre? Kaiba wird David zerlegen. Sogar Yugi hat Glück gebraucht, um ihn zu besiegen.“ Bakura klang ernst und besorgt, während Tristan Joey an den Schultern packte und ordentlich durchschüttelte. „Haben wir nicht einmal darüber gesprochen, dass man zuerst denkt, und dann spricht?“ Ich seufzte nur leise, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. Yugi lächelte mir freundlich entgegen: „Du bist nicht der Erste, und auch nicht der Letzte, der gegen Kaiba verliert. Glaube einfach an dich und mache das Beste draus.“ Ich biss mir auf die Unterlippe: „Ich werde mich zum Gespött der Schule machen. Ich war weder Landes-, noch Regionalmeister. Außerdem geht es hier um etwas. Wenn ich es verbocke, zahlt Joey drauf.“ Eben jener und Tristan lieferten sich gerade ein heftiges Wortgefecht, bevor dieser von seinem größeren Freund erneut durchgeschüttelt wurde: „Keine Angst, Joey ist das gewohnt. Außerdem haben wir den größten Trottel der Schule vor uns.“ Joey wehrte sich nach Kräften, was aber mittlerweile mehr wie eine freundschaftliche Rangelei wirkte. „Absagen ist nicht drin, oder?“ Mein Blick wanderte zu Yugi und Tea, welche beide niedergeschlagen den Kopf schüttelten. „Du kannst natürlich, damit wird dich Kaiba aber ewig piesacken, mehr noch als Joey vielleicht.“ Ich seufzte nur und nickte, während ich in meine Uniform griff und mein Deck hervorzog.
 

Auf dem Schulhof angekommen, hatte sich bereits die halbe Schule versammelt, während Kaiba in einer Traube von Bewunderern und Fans stand. Dieser hatte in der rechten Hand einen silbernen Metallkoffer. Flankiert von Joey und Yugi, mit Tea, Duke und Bakura im Windschatten, stapfte ich mit zitternden Knien auf meinen Kontrahenten zu. Joey hatte sich inzwischen bei mir entschuldigt, und mir versichert, es sei egal, wenn ich verlieren würde (Was hätte er auch sonst sagen sollen?). Vergeblich suchten meine Augen einen Tisch mit Spielbrett. Kaiba öffnete nur seinen Koffer, kam auf mich zu, und hielt mir eine Konstruktion entgegen, welche er als Duel Disk bezeichnete. „Hier, nimm, ich erkläre dir kurz, wie das Ganze funktioniert.“ Seine Stimme war herabsetzend, aber immerhin frei von Spott und Hohn, fürs Erste zumindest. Nachdem er mir sein das virtuelle Duellsystem näher gebracht hatte, ging Kaiba zurück an seinen Platz und unsere Zuschauer traten einige Schritte zurück. Ich tat es dem CEO gleich, schnürte mir die Disk um den Arm, und wartete mit klopfendem Herzen auf den ersten Zug meines Gegners. Als vor mir ein riesiger, muskelbepackter Kampfochse mit seiner Axt erschien, machte ich mir fast in die Hose. Das Ding wirkte so real, als wäre es kein holografisches Abbild. Ich hatte das unangenehme Gefühl, sogar den warmen Atem des Stierwesens zu spüren. „Na was ist? Schon überfordert?“ Da war er wieder, der Spott in Kaibas Stimme. Zögernd sah ich auf mein Blatt. Keines meiner Monster war gut genug, um dem Ochsen derzeit die Stirn zu bieten, also entschied ich mich für eine Verteidigungsstrategie.
 

Nach gut zehn Minuten hatte Kaiba aus seinem Kampfochsen und dem Mystischen Reiter den Tollwütigen Reiter fusioniert, und mich mittels einer „Verteidigung stoppen“ Karte komplett in die Ecke gedrängt. Ich hatte nur mehr ein Viertel meiner Lebenspunkte, während mein Kontrahent nicht einmal attackiert worden ist. Mir erschien das alles so sinnlos, während Kaiba sein Spielchen mit mir spielte, unter Jubelrufen und dem Gelächter seiner Fans. Ich musste mich zusammenreißen um nicht zu heulen. Mein erster Tag in Domino City war schon zum Scheitern verurteilt. „Hey, lass dich nicht unterkriegen!“ Aus dem Hintergrund konnte ich Teas Stimme hören. „Ja genau, Alter, los, du hast noch immer eine Chance!“ Das war Tristan. „Na komm, wir glauben an dich!“ Joey hatte seine Hände an den Mund gelegt, als er mir zurief. Auch Duke und Bakura feuerten mich an. „Glaub an dich, und glaube an das Herz der Karten!“ Yugi klang auf einmal so ernst, und wirkte total anders, irgendwie erwachsen. Da fiel mir auch der pyramidenartige Anhänger an seiner Brust zum ersten Mal wirklich auf. „Du kannst Kaibas Monster schlagen, das weiß ich.“ Yugi hatte die rechte Hand lässig in die Hosentasche geschoben, während er mich anstarrte. Irgendwie machte mir der Haufen hinter mir Mut. „Wird das heute noch was? Ich habe noch etwas zu erledigen…“ Kaibas Stimme zwang mich, wieder nach vorne zu sehen. Plötzlich kamen mir meine Großeltern in den Sinn. Vor meinem geistigen Auge sah ich beide vor mir, ein Lächeln auf den Lippen, während sie mir zunickten. Wie von selbst wanderte meine Hand zu meinem Deck und ich zog die nächste Karte hervor. Endlich hatte ich etwas in der Hand, was Kaibas Monster besiegen konnte. Groteskerweise war es ein Geschenk von eben meinen Großeltern zum siebzehnten Geburtstag gewesen.. Mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen platzierte ich meine nächste Karte auf der Duel Disk.
 

Aus einem Lichtkegel, welcher alle Farben zu enthalten schien, materialisierte sich ein schwarz geschupptes Wesen. Die dunklen Hautplatten kämpften sich langsam aus dem wabernden Licht, während Hörner und Krallen sich zu der übrigen Gestalt gesellten. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen erschien eines meiner mächtigsten Monster und schaffte den Übergang aus der virtuellen, in die reale Dimension. Mir kam es so vor, als würde die Erde erzittern, als die Klauen des Drachen den Boden berührten. Mein Schwarzer Rotaugendrache starrte dem Mischwesen aus Stier und Zentaur entgegen, während er die Flügel ausbreitete. Die Fangemeinde Kaibas verstummte allmählich, und für einen kurzen Moment konnte ich Verwunderung in den Zügen meines Gegners erkennen. „Interessant. Wie kommt jemand wie du an so eine seltene Karte? Andererseits hat Wheeler seine auch nachgeworfen bekommen, von daher…“ Der CEO hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte sowohl desinteressiert, als auch abwesend.
 

„Wahnsinn! Und jetzt los, zeige es dem Schmierlappen!“ Joeys euphorische Stimme hinter mir bestärkte mich ein wenig mehr. Gleichzeitig stimmten die Anderen aus der Gruppe in sein Rufen mit ein und feuerten mich an. „Schwarzer Rotaugendrache, Infernofeuersturm!“ Im Maul meines Drachen bildete sich ein riesiger, grellroter Feuerball, welcher von schwarzen Blitzen durchzogen war. Mit einem ohrenbetäubenden Laut spie der Schwarze Rotaugendrache den Energieball dem Tollwütigen Reiter entgegen, welcher sich mit einem Sterbensschrei in Luft auflöste. „Anfängerglück“ war Kaibas Kommentar, wobei er die nächste Karte auf seine Duel Disk packte. „Wilder Kaiser im Verteidigungsmodus.“ Vor mir materialisierte sich der gepanzerte Echsenkrieger, die Hände in Abwehrhaltung erhoben. Meine Wenigkeit, schob die Fallenkarte Angriff annullieren in den Schlitz der Disk und befahl meinem Drachen den Angriff. Der Wilde Kaiser wurde, genauso wie der Tollwütige Reiter, von meinem Rotauge eliminiert. Kaiba lächelte nur abfällig, als er die nächste Karte zog: „Zeit, dieses Spiel zu beenden.“ Mit einem Laut, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, entstieg meine schlimmste Befürchtung den virtuellen Tiefen. Brüllend kamen weiße, glänzende Schuppen zum Vorschein, welche einen Drachenkörper schützten, der mir das Herz wieder in die Hose rutschen ließ. Der legendäre Weiße Drache mit eiskaltem Blick starrte auf mich und mein Rotauge herab. Seine Nüstern blähten sich ein wenig auf, während ich das Gefühl hatte, innerlich geschrumpft zu sein. Nur mit großer Mühe konnte ich dem Drang wiederstehen, die Hände schützend über dem Kopf zusammenzuschlagen. Angst erfasste mich, auch wenn es sich nur um das holografisches Abbild einer gemalten Karte handelte. Ich schloss langsam meine Augen und atmete panisch ein und aus. „Jetzt, meine geliebte Bestie, Attacke! Weißer Lichtblitz!“
 

Ich hörte das Knistern von Energie und den Schrei des Drachens, den Kopf zur Seite gedreht. Mein Rotauge, meine Lieblingskarte, mein ganzes Herzblut, würde gleich ausgelöscht werden, zertreten von seinem großen, mächtigen Bruder. Die Fangemeinde Kaibas jubelte inzwischen wieder. „Deine verdeckte Karte!“ Yugis Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Stimmt, ich hatte ja eine Fallenkarte! „Angriff annullieren!“ Langsam öffnete ich die Augen und sah, wie ein greller, weißer Blitz in einer Art wirbelndem Energiefeld verpuffte. Ich war gerettet, zumindest für diese Runde. „Du zögerst deine Niederlage nur hinaus, Gartenzwerg. Nichts in deinem mickrigen Deck kann es mit meinem Weißen Drachen aufnehmen.“ Kaibas Stimme war noch abfälliger als ohnehin schon. „Hör nicht auf ihn, glaube an dich und deine Karten! Konzentriere dich.“ Da war sie wieder, Yugis ruhige, aber ernste Stimme. Woher wollte er das denn wissen? Er kannte mein Deck gar nicht. Irgendetwas bewog mich dennoch dazu, selbstsicher nach der nächsten Karte zu greifen. Da war wieder dieses Gefühl von vorhin, dieses Mal aber stärker. Vor meinem geistigen Auge erschien die Gruppe hinter mir. Jeder von ihnen bot mir ihre Hand an. Ich atmete tief durch begutachtete meine neue Errungenschaft. Ungläubig starrte ich auf meine frisch gezogene Karte. Ich hatte tatsächlich bekommen, was ich brauchte um zumindest auf Augenhöhe mit Kaiba zu sein.
 

Angespornt durch Yugis Worte, und den Rufen der Clique hinter mir, suchte ich zum ersten Mal seit Beginn des Duells den Blick meines Gegners. Setos eisblaue Augen waren erfüllt von Spott, Überheblichkeit und Kälte. Passend dazu hatte er ein Grinsen aufgesetzt, welches nichts Gutes verhieß. „ Na los, mach deinen Zug, und dann gesellst du dich als neues Hündchen zu deinem Freund Wheeler.“ Wie konnte man nur so engstirnig und abwertend sein? Langsam schob ich meine Karte in die Duel Disk und atmete tief durch: „Mag sein, dass mein Schwarzer Rotaugendrache zu schwach ist, um deinen Weißen Drachen mit eiskaltem Blick auszulöschen, aber er ist stark genug, um es mit ihm aufzunehmen.“ Mein Zeigefinger drückte auf einen Knopf an der Duel Disk und die verdeckte Karte, welche ich soeben ausgespielt hatte, gab ihren Inhalt frei. „Ich versehe meinen Schwarzen Rotaugendrachen mit den Drachen-Klauen, was ihm einen Angriffsbonus von 600 Punkten einbringt. Damit hat er genauso viel wie dein Weißer Drache mit eiskaltem Blick.“ Meine Stimme war erstaunlich ruhig, und ich fühlte ein gewisses Maß an Befriedigung, als mein Rotauge mit zwei riesigen, silbernen Krallen bestückt wurde. Brüllend bäumte sich mein Monster auf und spreizte die Flügel. Seine roten Augen suchten den Blick seines weißen Bruders, wie es meine graugrünen mit denen von Kaiba taten. „Hammer! Spitzenzug!“ Joeys Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung. Endlich wagte ich einen Blick über die Schulter, und ich konnte die ganze Gruppe lächeln sehen, sogar Yugi, welcher mir anerkennend zunickte. Damit lenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf das Duell. Kaiba hatte seine Arme vor der Brust verschränkt und schien sowohl mich, als auch meinen Schwarzen Rotaugendrachen eingehend zu mustern. „Glück. Du hast eine Pattsituation erzielt und freust dich darüber?“ Auf den Zügen des CEOs machte sich ein spöttisches Grinsen breit.
 

„Ich spiele die Zauberkarte Schrumpfen, was dein Monster die Hälfte seiner Angriffspunkte kostet.“ Ungläubig starrte ich auf mein Rotauge, welches vor meinen Augen auf die Hälfte seiner Größe zusammenschrumpfte. „Weiße Lichtblitzattacke.“ Kaibas Stimme war ruhig wie eh und je, während ich im Maul des Weißen Drachen bereits den Lichtball aufblitzen sah, welcher dem Feuerball seines kleinen Bruders so ähnlich war. „Nein. Mein Schwarzer Rotaugendrache. Nein!“ Hilflos streckte ich die rechte Hand in Richtung meines Drachen aus, während dieser im gleißenden Lichtblitz seines weißen Counterparts sein Leben aushauchte. Die Lebenspunkteanzeige auf meiner Duel Disk fiel auf null. Ich hatte verloren. Ungläubig starrte ich auf den leeren Platz vor mir, Sekunden zuvor noch mein Lieblingsmonster gelebt hatte. „Projiziert worden war“ korrigierte ich mich innerlich. Kaiba kam langsam und selbstgefällig auf mich zu, seine rechte Hand ausstreckend. Wortlos zog ich die Duel Disk von meinem Arm und händigte sie ihm aus. „Du hast dich länger gehalten als Wheeler.“ Damit verließ mich der CEO wieder, packte die Duel Disks in den Metallkoffer und stolzierte damit in Richtung einer schwarzen Limousine, welche am Eingang zum Schulhof geparkt hatte.
 

Mir gaben die Knie nach, und es wurde dunkel um mich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2018-11-29T18:56:31+00:00 29.11.2018 19:56
Wow.
Was für ein krasser Einstieg.
Mich hast du geangelt mit deinem Anfang.
Gut geschrieben, ließ sich gut lesen.
Bin gespannt wie es weiter geht.
LG Satra
Antwort von:  SuperCraig
29.11.2018 23:51
Hallo Satra!

Freut mich sehr, dass dir der Einstieg gefallen hat.

Ich hoffe, mit dem Rest der Story verhält es sich ähnlich! =)

Liebe Grüße und viel Spaß beim weiterlesen!

SuperCraig


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