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Aus der Dunkelheit

von

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Am Ende gewinnen die Guten

Tamaki war sofort in sein Zimmer geflüchtet, ohne die anderen auch nur zu grüßen.

Aber das war okay, seine Mitschüler kannten ihn inzwischen zu gut, als dass sie etwas anderes erwartet hätten. Tamaki war nicht der Typ, der sich nach einem gelungenen Einsatz feiern ließ, also feierten seine Freunde ihn einfach ohne ihn. Tamaki hatte die Jubelrufe gehört und die Banner gesehen, zumindest die Idee war also sicher angekommen. Sollte er sich also ruhig unter seiner Decke verkriechen, bis er es verstand; Nejire und Mirio würden ihn schon auf den richtigen Gedankengang bringen. Und die beiden standen nun auch dem Rest der Klasse Rede und Antwort, soweit sie konnten.

„Die Flügel sind nicht neu“, gab Mirio bereitwillig Auskunft, „Aber Gänsefleisch ist nicht so leicht zu bekommen, und Tamaki hat sich nach dem ersten Mal auch nicht mehr wirklich getraut, zu fliegen.“

„Höhenangst?“

„Nein, das nicht. Aber es ist wohl was anderes, sich im 30sten Stock über die Brüstung zu lehnen, als ohne Sicherung in der Luft zu sein…“

„Das stimmt“, warf Nejire ein, „Ich hatte auch nie Höhenangst, aber als ich das erste Mal frei in der Luft geschwebt bin, bin ich auch voll erschrocken. Und meine Mama erst! Die hat heute noch Panik, wenn sie mich fliegen sieht.“

„Das macht es irgendwie nicht weniger cool“, überlegte einer der Jungs, „Ich meine, wenn man Hawks fliegen sieht, okay. Sieht super leicht aus, weil der Kerl eh alles kann. Aber Tamaki… der hat sich richtig angestrengt. Ich meine, man hat direkt gesehen, wie er kämpfen muss, wie viel Kraft es eigentlich braucht, in der Luft zu bleiben bei Wind auf der einen und Feuer auf der anderen Seite, von fallenden Trümmerteilen ganz zu schweigen. Aber er ist einfach drangeblieben und hat weitergemacht, bis alle Kinder in Sicherheit waren! Das spornt einen irgendwie viel mehr an als jemanden zu sehen, dem eh alles gelingt.“

„Tamaki ist eben nicht umsonst der stärkste unseres Jahrgangs“, stimmte eines der Mädchen zu, „Er ist schon mächtig cool, wenn er mal loslegt.“

Die Jungs in der Runde sahen allesamt etwas geknickt aus. Sie fanden sich selbst eigentlich auch ziemlich cool… wenn man ihnen vor drei Jahren gesagt hätte, wie sehr sie ausgerechnet gegen den schüchternen, weinerlichen Tamaki verlieren würden… aber inzwischen hatten sie ihn oft genug in Aktion erlebt um zu wissen, dass das eine Niederlage war, für die sie sich nicht schämen mussten, wenn sie sich wenigstens anstrengen.

Nicht so wie beim Training im Hafengelände… Mirio hatte ihnen allen eine mächtige Standpauke gehalten, weil sie sich von Hidokus übler Nachrede hatten einschüchtern lassen. Nicht nur, dass sie sich komplett blamiert hatten mit ihrer unbegründeten Angst; gegen einen echten Schurken wäre diese sinnlose Panik tödlich gewesen, sie hatten Glück, dass Tamaki ihnen nie gefolgt war und keine echte Bedrohung darstellte. Sie hatten Hidoku auch komplett in die Hände gespielt bei seinem Plan, Tamaki fertig zu machen, und die Prügel, die Mirio dafür ausgeteilt hatte, waren so wohlverdient, dass sich keiner ernsthaft gewehrt hatte. Außer Hidoku selbst, denn der hatte sich im Recht gefühlt und daher schmerzhaft erfahren müssen, dass seine Knochenrüstung auch ohne Permeation gegen Mirios Schläge abstank. Der Treffer in die ungeschützte Magengrube hatte dann erst recht gesessen.

Es war… ein gruseliger Kampf gewesen. Yuyu und die meisten anderen stärkeren Schüler hatten sich sofort entschuldigt, nicht, um der Rache zu entgehen, sondern aus tiefstem Herzen. Der Rest hatte seine Entschuldigung dann eher zerknirscht vorgebracht, die Arme über den schmerzenden Bauch verschränkt. Mirio war ohne seine Macke längst nicht mehr der stärkste in seiner Klasse, eher im Gegenteil. Aber er war schnell und stark, furchtlos im Angesicht der starken Macken seiner Gegner, und mit Nejire-chan und Suneater in seinem Rücken war er auch ohne Macke unangreifbar.

Als der Tag langsam in den Abend überging schlich Tamaki dann doch wieder in die Küche. Er hatte gehofft, dass die meisten anderen schon im Bett wären, daher blieb er zögernd im Türrahmen stehen als er sah, dass es nicht so war. Er wollte nur eine Kleinigkeit zu essen holen…

„Ah, Tamaki!“ Mirio hatte ihn natürlich sofort gesehen. „Willst du Kuchen? Wir haben dir was übriggelassen.“

Tamaki blickte zerknirscht zu Boden, am liebsten hätte er sich sofort wieder verkrochen. Aber Mirio hielt ihm schon einen Teller hin, und ihm blieb nichts anderes übrig, als die wenigen Meter zum Tisch zu gehen und das Angebot anzunehmen. Mirio zog ihm sogar noch einen Stuhl heraus und legte ihm gleich den Arm um die Schultern, um einer erneuten Flucht sanft vorzubeugen. Der Kuchen zumindest sah gut aus, das Stück war auch groß genug, um sich eine Weile ausgiebig damit zu beschäftigen. Immerhin machte keiner eine blöde Bemerkung.

„Schön, dass du da bist, Tamaki“, meinte Nejire vergnügt.

Tamaki verzog nur den Mund und kümmerte sich um seinen Kuchen. „Ich versteh nicht, warum ihr plötzlich alle wieder so nett zu mir seid…“ Seine Worte waren leise und mehr an den Kuchen gerichtet, trotzdem folgte ihnen eine peinliche Stille.

„Es ist nicht so, dass sie vorher absichtlich nicht nett zu dir gewesen wären“, meinte Mirio schließlich und erntete zustimmendes Gemurmel dafür. „Es waren nur ein, zwei Leute“, er blickte in die Runde und sah weder Hidoku noch die anderen beiden Lästermäuler. „die ernsthaft gegen dich gewettert haben. Und das so geschickt, dass beim ersten Mal nicht mal mir was dazu eingefallen ist, und du dazu noch jedes Wort hören konntest. Ich war total überrumpelt, und richtig sauer auf mich selbst, als mir hinterher klar geworden ist, wie das für dich aussehen musste. Den anderen ging es bestimmt nicht anders.“ Zustimmendes Kopfnicken in der ganzen Runde.

„Und was er dann im Training abgezogen hat war ja der Gipfel der Unverschämtheit“, stimmte Nejire zu, „Er hat alle vorgeführt, nur, um dir weh zu tun!“

Tamaki verkrampfte sich in seinem Stuhl, den Blick immer noch auf sein halbgegessenes Stück Kuchen geheftet. „Aber warum… was hab ich ihm getan…?“

„Er ist eifersüchtig“, meinte Yuyu in die entstandene Stille. Tamaki sah nicht aus, als könnte er nachvollziehen, warum man ausgerechnet auf einen wie ihn eifersüchtig sein sollte, daher fuhr sie schnell fort: „Ich meine, sieh dich an: Du bist cool! Vielleicht nicht jetzt in diesem Moment, aber dann sieh dir diese Schlagzeilen an.“ Sie wies auf ihr Handy, wo unter der Schlagzeile von gestern ein Foto zu sehen war, wie Suneater sich mit ausgebreiteten Flügeln und wehendem Cape von Fatgums Arm abstieß. „Du hast Einsätze gemeistert, an denen manche Profis gescheitert wären. Du hast ein Praktikum bei einem superbeliebten Profihelden, der sich auf dich verlässt und dich als Sidekick übernehmen will. Du bist offiziell der stärkste Schüler, der aktuell auf die UA geht.“ Einheitliches Nicken ringsum.

„Nur, weil Mirio…“, begann Tamaki, aber Yuyu winkte nur ab.

„Mirio spielt in seiner eigenen Liga“, meinte sie leichthin, „selbst, wenn er nicht aus dem Rennen wäre, bist du immer noch einer der Big Three. Und was, zumindest für Hidoku, am schlimmsten ist: Nejire, die offiziell zum hübschesten Mädchen der Schule gewählt wurde, ebenfalls eine der drei Besten dieser Schule, ist durchgehend nett zu dir. Hidoku denkt, ihr geht miteinander.“

Nun machte auch Nejire ein ungläubiges Gesicht.

„Das ist doch total albern…“, murrte Tamaki errötend.

„Genau!“, stimmte Nejire zu, „Ich trainiere und lerne den ganzen Tag, um so gut zu sein, und will auch als Profi groß rauskommen! Als ob ich da für eine Beziehung Zeit hätte…“ Eine Weile herrschte peinliche Stille, bis Nejires Gedanken zu ihren Worten aufschlossen. „Oh, aber wenn ich die Zeit hätte, wärst du natürlich eine gute Wahl, Tamaki. Ich find dich süß.“

Die restlichen Jungs am Tisch blickten reichlich deprimiert zu Boden.

„Keine unsinnige Annahme, dass das hübscheste Mädchen auch mit dem stärksten Jungen geht“, stimmte einer aus der Runde niedergeschlagen zu.

„Schon ziemlich oberflächlich, oder?“, meinte Nejire beleidigt. „Also echt.“

„Aber wenn du die Zeit hättest, mit einem zu gehen, stünde die Wahl zwischen Tamaki und Mirio, oder?“, vermutete eines der Mädchen.

„Stimmt schon“, gab Nejire zu, „Aber jetzt im Moment ist Mirio nicht sehr stark, oder? Ich meine, er ist immer noch gut, aber ohne seine Macke könnte er keinen von euch so leicht besiegen.“

„Genau“, stimmte Mirio zu, „Laut dem letzten Trainingsergebnis bin ich tatsächlich wieder ganz unten auf der Liste.“

„Ich mag dich trotzdem noch“, versicherte Nejire ihrem Freund.

„Ist ja nicht falsch“, meinte Yuyu, „Sich jemanden zu suchen, der einen notfalls beschützen kann. Ich würde auch nur einen Jungen wollen, der sich auch anstrengt, mit mir mitzuhalten.“

„Ach, ein netter Hausmann wäre auch okay“, überlegte Nejire ernsthaft, „Wenn man nach einem harten Arbeitstag heimkommt und gleich ein leckeres Essen auf dem Tisch steht… klingt nicht schlecht, oder? Aber mit seinem Partner zusammen gegen Schurken zu kämpfen wäre natürlich auch super.“ Sie überlegte noch eine Weile angestrengt. „Ach, aber das hat alles später noch Zeit, ich bin je erst siebzehn. Und muss für die Abschlussprüfung lernen und noch ganz schön hart trainieren, damit ich Ryuko nachher keine Schande mache. Die Erstklässler, die mit mir ins Praktikum gehen, sind super motiviert, das macht einem total Lust, sich anzustrengen, nicht wahr? Tamaki, Mirio, ihr habt auch superstarke Erstklässler bei euch, ja? Und Mirio! Du warst auch wieder auf Patrouille diese Woche, richtig? Erzähl doch mal, erzähl! Wie war es?“

Es dauerte noch eine Weile, bis Mirio tatsächlich zu Wort kam, um die Frage zu beantworten, aber der Themenwechsel hatte den gewünschten Effekt. Die Aufmerksamkeit lag plötzlich wieder ganz bei Mirio, der begeistert erzählte, wie er ganz ohne seine Macke gegen Kleinganoven und Waffenschieber gekämpft und gewonnen hatte, wie extrem cool sein Kohei Deku war, wenn es um die stärkeren Gegner ging, und was für Supportitems er bei der verrückten Erstklässlerin aus der Supporterfakultät in Auftrag geben wollte, um noch effektiver zu werden. In seinem Schatten konnte sich Tamaki entspannen, und er genoss es ein wenig, Teil dieser lauten, fröhlichen Gruppe zu sein, ohne gleich zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu haben.
 

Er war direkt etwas enttäuscht, als Aizawa um 22 Uhr hereinplatzte und die Party für beendet erklärte.



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