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Aus der Dunkelheit

von

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King and Queen of Evil

Die Stunden tickten vorbei und Tamaki war am Verzweifeln. Immer wieder hatten es kleinere Gruppen an Helden geschafft, in die Tiefen der Lagerhalle einzudringen, und immer wieder waren sie beinahe kampflos geflohen. Es war bei weitem nicht so, dass er sich nach deren Gesellschaft sehnte; im Gegenteil, je weiter Tamaki in seinen dunklen Gedanken versumpfte, desto dringender wollte er seine Ruhe haben, desto mehr erschienen ihm die eigentlich bekannten Klassenkameraden als feindselige Eindringlinge, die er sich dringend vom Hals halten musste. Er konnte sie flüstern hören, wusste, wie sie über ihn dachten, wie sehr sie ihn fürchteten, und je schlimmer die Vorhaltungen wurden desto mehr entsprach er ihnen. Er war hungrig, obwohl er sich völlig überfressen hatte, und so brachte er immer mehr, immer stärkere Manifestationen hervor, um die Energie zu nutzen. Dazu kamen die Panikattacken, das dringende Bedürfnis, um sein Leben zu kämpfen, die Sicherheit seines Verstecks mit Klauen und Hörnern zu verteidigen. Das Lager, die Gänge, alles verschwamm im flackernden Neonlicht der sterbenden Lampen, was sicher auch an den Ziegenaugen lag, die er über seinen eigenen reproduziert hatte. Die waagrechten Pupillen erweiterten sein Blickfeld und machten es leichter, Bewegungen in den Schatten zu erspähen, dafür war das Bild verschwommen und farblich verzerrt. Es war irreal, psychedelisch. Tamaki war sich nicht mehr sicher, ob er noch ganz bei Verstand war. Das Ticken der alten Wanduhr war unnatürlich laut und er musste sich an die Löffel fassen um zu begreifen, dass es noch die Hasenohren waren. Hatte er seine Macke überhaupt noch unter Kontrolle? Er war nun seit knapp zwei Stunden allein hier drin. Was machten die anderen? Er wollte kämpfen, seiner Panik Luft machen, aber keiner der Gegner, die ihn hier aufsuchten, machte mit. Wenn sie nicht gleich bei seinem Anblick die Flucht ergriffen rannten sich spätestens vor dem ersten Angriff davon.

Tamaki sprang wieder auf. Er hatte Schritte im Gang gehört, er musste hinaus und den Gegner von seinem Versteck fernhalten. Bewegung… er musste sich bewegen. Es half ein wenig gegen die Übelkeit, inzwischen machte es ihm auch nichts mehr aus, dass seine Beine zwei verschiedene Bewegungsabläufe brauchten, er konnte fast normal laufen, obwohl die Gelenke des Hühner- und des Rinderbeines an ganz unterschiedlichen Stellen saßen. Der Schwindel und die Übelkeit ließen etwas nach, sicher, weil wirklich beides der Angst geschuldet war. Jetzt, wo er selbst aktiv wurde, wurde es etwas besser… er konnte sich konzentrieren, seinem Instinkt erlauben, in all der Panik nach der echten Gefahr zu suchen. Leise Schritte von weichen Sohlen, nur ein einziger Gegner dieses Mal. Seltsam, wo sich die Eindringlinge zuletzt in immer größeren Gruppen zusammengeschlossen hatten, um ihm entgegenzutreten. Dass jetzt einer allein herein kam… sicher ein Späher, der nach einer Schwachstelle suchte. Die Schritte kamen zügig näher, hörbar, aber so leise, dass derjenige sicher auch ihn hören würde. Jemand mit einer Spionagemacke? Tamaki versuchte sich zu erinnern, was seine Klassenkameraden für Macken hatten, aber sein Gehirn machte dicht. Sein Herz schlug so laut, dass er an nichts anderes denken konnte. Scheiß Panikattacke… in seinem Kopf herrschte gähnende Leere. Instinktiv kauerte Tamaki sich zusammen. Er war wie ein Tier, das verletzt und in die Ecke gedrängt war, nur klüger und stärker. Gebückt wandte er sich in Richtung der Schritte, so nah am Boden, dass die zu Krabbenbeinen geformten Finger seiner linken Hand über das Linoleum strichen. Speichel tropfte von seinem Kinn auf den billigen Bodenbelag, aber Tamaki störte sich nicht daran. Es war egal, wie er aussah, die anderen hassten ihn ohnehin. Es ging nur noch darum, zu überleben. Er würde den Eindringlich verscheuchen, und wenn der kämpfen wollte anstatt zu fliehen, umso besser. Da war so viel Kraft, so viel Wut und Schmerz… er wollte kämpfen, wollte seinen Gefühlen Luft machen, und mehr noch… nicht töten, das war es nicht. Er wollte etwas von seinem Gegner, er wusste nur das Wort nicht mehr.

Der Eindringling war nun so nah, dass Tamaki ihn riechen konnte. Aber es war nicht die übliche Mischung aus Schweiß und Angst, sondern etwas süßes, wie Blumen. Ein Parfüm? Es kam ihm vertraut vor, aber er kam nicht mehr darauf, woher. Gerade als er den Gang erreichte, in dem er den Angreifer vermutete, flackerte über ihm eine der halbtoten Neonröhren auf. Tamaki brüllte, halbblind, und konnte nur noch sehen wie der Schatten einer Person erschrocken kreischend die Flucht ergriff. Frustriert spuckte er auf den Boden. Die Lampe flackerte wieder, erlosch kurz, bemühte sich dann aber doch, den Gang zumindest mit halber Kraft zu erleuchten. Tamaki wollte sich schon abwenden um wieder in sein Versteck zu schlurfen, als plötzlich jemand lautstark zu kichern begann. Verwirrt blickte er in den schmalen Gang, in den der Schatten des Eindringlings geflüchtet war, und tatsächlich: Hinter den umgestürzten Obstkisten saß jemand und kicherte vergnügt. Es war… völlig fehl am Platz und so seltsam, dass er einfach nachsehen musste.

Weil die Ziegenaugen nicht mit dem Wechsel der Helligkeit klar kamen ließ er sie wieder verschwinden, um besser zu sehen, und stellte stattdessen die Ohren auf. Das Kichern verstummte. Tamaki hielt still, hob nur leise die Hand mit den Krabbenbeinen. Vorsichtig… sowie der Angreifer wieder hervorkam… die Gestalt lugte über den Rand der Kisten hervor und Tamaki machte im selben Moment einen Schritt nach vorne, ein Geräusch auf den Lippen, dass halb Knurren, halb Bellen war und eigentlich eine artikulierte Frage hätte werden sollen, würde sein Gehirn sich nur lange genug von der Panik lösen. Der Ausbruch erntete erneut einen spitzen Schrei, und diesmal erkannte er Nejire, die eilig hinter dem nächsten Regal verschwand und sich dort versteckte. Tamaki zitterte am ganzen Leib, als ihm die Situation bewusst wurde. Nejire… Nejire war seine Freundin, und nun hatte selbst sie Angst vor ihm. Kein Wunder, wirklich, er sah ja auch zum Fürchten aus. Ein Monster, das nur eine Mutter lieben konnte… und das war nur eine der Beschreibungen, die er heute aus dem Flüstern seiner Gegner herausgehört hatte. Die Wut wich einer ohnmächtigen Trauer, und Tamaki ließ die reproduzierten Körperteile verschwinden. Er sollte sich zurückziehen… vielleicht etwas schlafen. Er wusste nicht mal mehr genau, wofür er überhaupt hier war. Das alles hier fühlte sich so falsch, so irreal an, dass er-

„Hey, mach das nochmal!“

Die fröhliche Stimme riss ihn aus den Gedanken. Nejire stand plötzlich direkt vor ihm, ihre großen Augen viel zu nah an seinem Gesicht, und lächelte ihn breit an. „Was ist? Komm schon, Tamaki, das war lustig!“

Tamaki stand nur da und blinzelte verwirrt. „W…was?“

„Erschreck mich nochmal! Das hat Spaß gemacht. Oder willst du nicht mehr? Bist du müde? Ist es anstrengend, so viele Tiere auf einmal zu machen? Das sah voll cool aus! Ich mochte die Hörner, was waren das für welche? Gibt es ein Tier, das vier Hörner hat? Oder war das von zwei Tieren? Darf ich raten? Kuh und Ziege, richtig? Und die Augen, war das auch Ziege? Kann man Ziegen essen? Die sehen aus als wären sie total zäh und so. Und die Ohren waren süß! Sind Hasenohren immer weiß mit Punkten oder kommt das auf den Hasen an, den du gegessen hast? Schmeckt Hasenbraten wirklich wie Hühnchen oder…“

„N.. nejire…“ Tamaki wusste gar nicht, wo er anfangen sollte. Selbst, wenn Nejire ihm mal die Zeit lassen würde, das waren so viele Fragen…

„Ich versteh nicht, warum die anderen sich so anstellen“, meinte Nejire schließlich, „ich meine, die schicken extra mich rein, weil du angeblich richtig echt böse geworden bist und hier nicht mehr raus willst, aber das ist doch lächerlich. Ich meine, ja, es ist lustig, sich ein bisschen erschrecken zu lassen, aber das hier ist Training, oder? Bei der Abschlussprüfung rennen die ja hoffentlich auch nicht gleich weg, nur weil der Schurke ‚Buh‘ macht, wie peinlich wäre das denn?“

„Du bist eben auch weggerannt“, warf Tamaki ein.

„Ich bin aber immer noch hier, oder?“, entgegnete Nejire sofort, „Beim ersten Mal hast du mich auch richtig erschreckt, ich hab dich gar nicht gesehen und dann warst du auf einmal direkt vor mir.“

„Ich wollte dich nicht erschrecken…“

„Ach, warum nicht? Ich fand’s lustig.“

Tamaki wandte nur den Blick ab. „Ich… seh furchtbar aus, oder?“

Nejire legte den Kopf schief und sah ihren Freund genauer an. Sie hätte beinahe ‚ja‘ gesagt, sich aber gerade noch gefangen, weil er es nur falsch verstehen würde. Gerade jetzt, wo er seine Macke nicht aktiviert hatte, sah man deutlich wie blass und krank Tamaki wirkte. Dazu die tiefen Ringe unter seinen geröteten Augen… „Hast du geweint?“ Der Junge zuckte ertappt zusammen. Es war furchtbar, ihn so zu sehen. „Sag mal…“, versuchte sie es, nun sanfter, „Dass die anderen weggelaufen sind… glaubst du, die wollten dich damit ärgern? Hidoku hat wieder seine blöden Lügen erzählt, aber…“

„Aber er hat doch recht!“, warf Tamaki ein, und Nejire konnte nicht sicher sagen ob es Wut oder Verzweiflung war, was sie in seiner Stimme hörte, „Sieh mich doch an! Ich bin ein Monster! Und es stimmt, dass ich die Macken von anderen Leuten reproduzieren kann, wenn ich einen Teil ihrer DNS esse! Ich hab es schon getan! Ich hab die Kristalle von diesem Yakuzi gegessen um sie gegen ihn anwenden zu können!“

„Oh, wie schmecken denn so Kristalle? Wie Fleisch, oder…?“ Es war eine Ablenkung, und sie brachte Tamaki tatsächlich aus dem Takt.

„Nein, eher… sandig. Wie Stein. Hab nicht so drauf geachtet, weil die Typen gerade dabei waren, mich umzubringen.“

Nejire kicherte, der sarkastische Tonfall gefiel ihr doch etwas besser, als wenn Tamaki sich verheult anhörte. „Kannst du jede Macke so kopieren? Meine auch?“

Diesmal wartete sie tatsächlich, damit Tamaki Zeit zum Antworten hatte. Die brauchte er auch, um sie erstmal genervt anzusehen. Gerade so als wäre die Frage so dämlich, dass ihm keine Antwort einfiel… „Du… hast schon zugehört, oder? Du kennst meine Macke? Ich muss Dinge ESSEN, um sie reproduzieren zu können.“

„Schon, aber nicht so viel, oder? Es recht, wenn ein bisschen DNS in deinem Magen ist, wie bei der Hühnersuppe.“

„Und…?“

„Und was? Wenn die Polizisten im Fernsehen DNS wollen, fahren sie einem mit einem Wattestäbchen durch den Mund, ja? Im Speichel selbst ist zwar keine, aber wenn man innen die Wange entlangstreicht bekommt man ziemlich sicher genug DNS für einen Gentest. Also müsste ein Kuss ausreichen, nicht wahr?“

Tamaki war sprachlos. Dieses Mädchen war echt zu viel… er wusste nicht, ob sie es ernst meinte oder einfach nur absolut nicht nachdachte, aber allein der Vorschlag war doch zum Schreien. Und dann dieses Funkeln in ihren Augen…

„O…kay…“, begann er, ohne wirklich zu wissen, was er sagen wollte.

„Ja? Was ist, willst du es ausprobieren?“

Tamaki seufzte tief, so würde Nejire es nicht verstehen. Er aktivierte seine Macke wieder, bemühte sich, wieder so auszusehen, wie er es vorhin getan hatte. Ein Rinderhuf, ein Hühnerbein, Tentakel, Krabbenbeine, Hauer und Hörner… die Hasenohren bekam er nicht mehr hin, aber Schaf vom Lammbraten ging auch. Kleine Federflügel und die unheimlichen gelben Ziegenaugen… selbst im Licht musste er so abstoßend genug aussehen, damit sie verstand, wie die anderen ihn sahen. Aber diesmal rannte Nejire nicht weg, im Gegenteil, sie lehnte sich sogar noch näher heran.

„Die Augen sind echt abgedreht“, fand sie, nun so knapp vor seinem Gesicht, dass er ihren Atem spüren konnte, „Und die Oni-Zähne erst! Das solltest du öfter machen. Kannst du auch einen Schwanz? Ein Drachenschwanz wäre cool, von einer Eidechse oder so? Geht das?“

Tamaki antwortete nicht, ließ sich aber einen Kuhschwanz wachsen. Nejire quiekte begeistert und schnappte nach dem buschigen Ende. Er zog den Schwanz eilig weg, aber das führte nur dazu, dass sie versuchte, ihn zu fangen. Dass sie auch nichts ernst nehmen konnte! Ihr Verhalten war einfach unmöglich!

„Das ist soooo cool, Tamaki! Du siehst wirklich wie ein Chimerakönig aus!“ Sie kicherte wieder und schmiegte sich an seine Brust, was ihn ausreichend ablenkte, dass sie den buschigen Kuhschwanz zu fassen bekam. „Hihi, das fühlt sich lustig an! Die Haare sind ja richtig dick und stark, nicht weich. Meinst du, eine echte Kuh würde sich auch so anfassen lassen?“

„Ich glaube, eine echte Kuh würde dich treten“, meinte Tamaki. Er stand wortwörtlich mit dem Rücken zur Wand und hatte keine Chance mehr, irgendwie auszuweichen.

„Sag, Tamaki, willst du es nicht versuchen? Das mit dem Küssen, meine ich? Wäre doch voll lustig, wenn du meine Twister-Welle einsetzen könntest, nicht wahr?“

„Sollten… wir nicht irgendwas anderes machen?“, wimmerte Tamaki ausweichend. Die Eberzähne sperrten unangenehm in seinem Mund, er fing schon wieder an zu sabbern deswegen, und durch die Ziegenaugen war seine optische Wahrnehmung total verzerrt… er musste völlig albern aussehen, und Nejire sprach immer noch davon, ihn zu küssen! „Hatten wir nicht irgendwie Unterricht oder so?“

„Achso, ja. Stimmt, die Übung ist noch gar nicht vorbei, weil dich ja noch keiner besiegt hat. Du bist eben einfach zu stark, Tamaki!“

„Bin ich gar nicht!“ Nun reichte es Tamaki wirklich. „Es hat nur keiner versucht, das ist alles! Ich sitze hier seit Stunden, und jeder, der hier reinkommt, lauft weg, sobald er mich sieht! Ich bin ein Monster, ein menschenfressendes Ungeheuer!“ Jetzt, wo er es endlich aussprach, konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Die Traurigkeit, die er schon den ganzen Vormittag hinter Wut, Schmerz und Panik versteckte und mit immer mehr Essen zu ersticken versuchte, brach sich endlich eine Bahn. Hilflos griffen seine Krallen in die Betonwand hinter ihm. Er wollte Nejire nicht angreifen. Er wollte nicht kämpfen, niemanden verletzen. Er wollte einfach nur mit jemandem reden, der ihm sagte, es sei in Ordnung. Dass er kein Monster war, sondern ein Mensch. Ein Freund. Nejire sah ihn einen Moment schweigend an, dann schmiegte sie sich wieder an in und umarmte ihn, so fest sie konnte.

„Das bist du nicht“, sagte sie leise, „Du bist kein Monster. Schau doch, ich bin hier, ja? Und ich hab keine Angst, ich hab dich lieb.“ Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte oder was sie sonst tun konnte. Tamaki litt fürchterlich, und nicht erst seit heute. All diese fiesen Dinge, die Hidoku erzählte… Gerüchte, die er seit Wochen gesät hatte, die ihre ganze Klasse vergiftet hatten. Sicher nicht so sehr, dass sie ihm wirklich glaubten, aber die Zweifel, die Unsicherheit waren groß genug, um mit ein paar einfachen Tricks zu erreichen, dass zumindest Tamaki glaubte, von allen gehasst und gefürchtet zu werden. „Ich glaube, ich weiß, was passiert ist“, meinte sie schließlich, als der Junge sich wieder halbwegs gefangen hatte, „Warum alle weglaufen. Es ist mies, aber… nicht so schlimm, wie du denkst.“

„Ach ja?“

„Ja. Du bist der Stärkste in der Klasse, und das mit einigem Abstand. Fatgum hat dir beigebracht, den Kampfeswillen deiner Gegner zu brechen ja? Und das machst du inzwischen schon instinktiv. Außerdem hast du gut gegessen, das macht dich noch viel stärker, und diese Kraft sieht man dir an.“ Sie zog bekräftigend an einem der süßen Schäfchenohren. „So viele Sachen von so vielen Tieren! Und schau mal, die Kratzer in der Wand da, das warst du auch gerade.“ Tamaki zog ertappt die Krallen aus dem Beton. „Die anderen haben keine Chance und das wissen sie auch. Da braucht es in jeder Gruppe nur einen, der absichtlich Panik schürt und bei erster Gelegenheit wegrennt, dann laufen die anderen automatisch hinterher, weil sie allein keine Chance haben und den Rückhalt der Gruppe nicht verlieren wollten, deren Plan gerade in den Rückzug übergegangen ist. Für dich sieht das dann natürlich aus, als hätten alle die Hosen voll, dabei laufen die meisten einfach nur mit, verstehst du?“

„Ich… denke schon.“

„Also, was machen wir dagegen? Hidoku hat sicher nicht damit gerechnet, dass Aizawa mich allein reinschickt. Immerhin hat er vorher lang und breit geschildert, wie du da drinnen wahnsinnig geworden bist, und dass es echt gefährlich ist, weil du ja komplett außer Kontrolle wärst. Aizawa hat ihm aber nicht geglaubt, oder er war einfach sicher, dass ich stark genug bin, es mit dir aufzunehmen.“

„Vielleicht hat er auch einfach nur darauf gesetzt, dass ich dich nicht angreifen würde, weil wir Freunde sind?“

„Oder dass ich zu erfahren und mutig bin, um wie ein blöder Idiot davonzulaufen, nur weil einer ‚Buh‘ ruft.“ Nejire kicherte wieder. „Vermutlich war gerade das mein Vorteil, dass ich allein rein bin, so konnte mich niemand beeinflussen. Hidoku hat noch versucht, mich zu überreden, dass er mit rein geht, aber ich dachte mir schon, dass ich allein besser dran bin.“

„Weil ich dich mag und ihn nicht?“

„Auch, und weil er solche Angst vor dir hatte, dass ich mich nicht auf ihn hätte verlassen können. Außerdem wollte ich mit dir reden und selbst sehen, ob an seinem Gelaber was dran ist. Was es nicht ist, aber das war eigentlich eh klar. Aber weißt du was?“

„…was?“

„Wir zahlen es ihm heim. Als ich vorhin die Böse Königin gespielt habe, hat Yuyus Team mich mit der Kraft der Liebe zum Guten bekehrt. Besiegt haben sie mich nämlich gar nicht, nur überredet! Ich geh da jetzt raus und sag ihnen, dass der Chimerakönig wirklich und echt unbesiegbar ist, und dass mich das total überzeugt hat. Und wenn die Kraft der Liebe wirklich die größte Macht auf der Welt ist, dann sind wir beide, der mächtige König der Chimären und die Königin des Bösen, gemeinsam unbesiegbar! Mit meiner Intelligenz und deiner unbändigen Kraft wird die Welt uns gehören, und die Helden werden weinen vor Angst! Mua ha ha ha!“ Ihr böses Lachen hallte von den Betonwänden wieder und verschlimmerte sich noch durch das Echo. Tamaki drückte sich eingeschüchtert gegen die Wand und auch die Neonleuchte ergab sich mit einem leisen Summen und erlosch. „Ach Mist. Jetzt seh ich nichts mehr.“

Tamaki lachte. Es ging ihm noch nicht gut, bei weitem nicht, aber dank Nejires Unterstützung fühlte er sich immerhin besser. Er führte sie in sein Versteck, wo sie die Freisprechanlage nutzte, um ihre große Ansprache zu halten, und während die Helden draußen sich sicher schwitzend berieten, wie sie mit dieser schrecklichen Wendung umgehen sollten, ließ Tamaki ein paar Blumen und Ranken entstehen, die er in Nejires Haare einflechten und zu einer hübschen Krone binden konnte. Mit Sonnenblumen und Apfelblüten im Haar sah sie wirklich wie eine Königin aus, und so hell, wie sie strahlte, konnte Tamaki auch gut auf die trüben Lampen verzichten.
 

Die wenigen Helden, die sich nach Nejires Ansprache herein trauten, ergriffen ebenso schnell die Flucht wie die, die sich Tamaki alleine entgegengestellt hatten. Eher flüchteten sie noch schneller in Anbetracht der Tatsache, dass Nejire ihnen, elegant-überlegen auf Tamakis Schultern sitzend, ihre Energiestrahlen entgegenschoss, während er nichts weiter tun musste, als gruselig mit den Hufen zu scharren. Nejire war schwer, gerade auf Dauer, aber sie lachte ihn nicht aus, wenn er deswegen strauchelte oder vor Anstrengung und wegen der großen Dämonenzähne zu sabbern anfing. Es war traurig zu sehen, wie leicht sich die Helden in die Flucht schlagen ließen, aber er sah auch, dass Nejire Recht hatte: Es gab immer einen in der Gruppe, der die Flucht provozierte, und letzten Endes war die Flucht berechtigt, weil das böse Königspaar einfach zu überlegen war, als dass die verbleibenden Helden eine Festnahme realisieren konnten.
 

Am Ende kam, was die beiden gehofft hatten: Aizawa verlor die Geduld und schickte Mirio rein.



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