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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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Horus und Seth


 

M

eruka saß etwas nervös beim Abendessen. Er hatte, wie er hoffte unauffällig, mit Hekaptah gesprochen, um eine Unterredung nach dem Essen gebeten. Der Siegler hatte ihm das zugebilligt – dessen kurze Nacht würde noch kürzer werden, aber er glaubte wohl, dass er, Meruka, die Todesfälle geklärt hatte.

Wie immer saßen Männer und Frauen getrennt und er erkannte durchaus, dass Merit, durch den Tod der maat-hor und der Abwesenheit der Königsschwestern, als ranghöchste Frau behandelt wurde. Nicht, weil sie es tatsächlich bereits war, aber dem allzeit aufmerksamen Hof war die direkte, sehr liebevolle, Begrüßung durch Menhekat nicht entgangen. Auch jetzt trafen sich immer wieder die Blicke des Mädchens aus dem ipet und des Königssohnes. Nun gut. Sobald diese Ehe geschlossen war, wenn sich Meruka richtig entsann sollte das gleich nach den Feierlichkeiten des neuen Jahres geschehen, musste er erneut einen Mitarbeiter suchen. Immerhin hatte er mit Merit noch immer jemanden im ipet, der ihm Kontakte verschaffen konnte. Falls er dann für derartige Aufgaben noch überhaupt eingesetzt wurde.

Sein Blick glitt links neben sich zu den Beamten des Palastes. Merimaat der Ältere hatte gewiss dem tjati Bericht erstattet, Chamaat als Leiter der Bäcker saß etwas unglücklich und einsam da. Sicher wusste er, dass sein bisheriger Stellvertreter Betrug, ja, Verrat am königlichen Eigentum begangen hatte – und, dass er nur zu leicht darin verwickelt werden konnte. Anch-ka, sein eigener, ehemaliger Mitarbeiter, ließ den auch nicht aus den Augen.

Er sah nach links. Nebhotep, der zweite Mann der Leibwachen, stand neben dem Herrn der beiden Länder, einen Fächer aus Palmwedeln in der Hand. Als Wedelträger des Königs, wie der offizielle Titel lautete, würde er alle Gespräche mitbekommen, aber auch in einem undenkbaren Notfall bereit sein den Lebenden Gott zu schützen. Im Augenblick freilich war dieser in seiner Menschenform hier. Er trug keine Kronen, nicht die Symbole, die ihn zu einem Gott machten, sondern ein nemes-Kopftuch, blau-weiß gestreift, statt der Zepter griff er zu, wenn ihm Essen serviert wurde. Natürlich nicht von einfachen Dienern, sondern von den Geheimräten, wie diese engsten Vertrauten tituliert wurden, die eben den Menschen im Gott sehen durften, ihm nahe kommen durften. Nahe bei dem Podest des Herrn der beiden Länder saßen dessen Halbbrüder, Sobeknacht, der tjati, und Hekaptah, der Siegler. Immerhin, stellte Meruka mit gewisser Beruhigung fest, war er auch vom „Leiter der Sitzordnung“ so platziert worden, wie es ihm mit dem Titel „Einziger Freund“ zukam – keine zehn Männer befanden sich zwischen ihm und dem Herrn der beiden Länder.

Sein Blick glitt wieder nach rechts. Direkt neben ihm saß Merimaat, der Palastleiter, daneben dessen gleichnamiger Sohn. Und dann auch die beiden Männer, die Grund für seine Sorge waren – Seneb und Senebib. Das letzterer so ranghoch sitzen durfte war ein wenig erstaunlich, denn er war kein gelernter Schreiber, aber es waren auch einige hochrangige Beamte nicht mitgekommen. Sie hatten gewiss in Ibenu-hedj genug zu tun, wenn der Herr der beiden Länder mit seinen engsten Vertrauten im Delta weilte. Und, so sehr Meruka auch Senebib beobachtete, der wirkte absolut frei von Sorge. Irrte er sich doch? Oder war der so sicher, dass ihm niemand auf die Spur kommen könnte? Hatte der gar mitbekommen, dass da jemand verhaftet worden war, und wähnte sich schon darum in Sicherheit?

Er beachtete die vorgelegten Speisen kaum, obwohl sie das Beste boten, was das Delta zu bieten hatte. Nein. Erst, wenn er selbst sicher war seinen Auftrag erfüllt zu haben, seinen Gott nicht enttäuscht zu haben, würde er wieder Lust auf Gazelle oder gemästete Hyäne verspüren.

 

Sobald es angängig war, und das bedeutete, nachdem sich der Herr der beiden Länder zurück gezogen hatte, verschwand auch Meruka aus dem Saal. Höflich wartete er noch einige Zeit, ehe er sich auf den Weg zum Quartier des Sieglers machte. Die Wachen auf dem Weg ließen ihn passieren.

Vor dem Rollvorhang sagte er diplomatisch: „Darf ich eintreten, Hekaptah?“

„Komm nur, Meruka. Ich hoffe, du bringst ebenso gute Kunde wie Merimaat zuvor.“

Der Vorsteher der Schreiber trat ein. Der Königsbruder war in einem kleinen schmalen Raum untergebracht. Zeichen seines hohen Ranges war nur die Tatsache, dass er hier allein schlafen durfte und eine schmale, durch einen Rollvorhang aus Schilfrohr gefertigte, Tür, die in ein eigenes Bad ging. Jetzt war er herabgelassen.

Hekaptah saß auf seinem Bett. Meruka hätte es als unhöflich empfunden sich auf den leeren Hocker zu setzen und ließ sich im Schreibersitz auf den Boden nieder, die Beine verschränkt.

„Merimaat sagte, er habe einen Betrüger gefunden, ich vermute, du warst daran nicht unbeteiligt.“

„Nein.“ Meruka berichtete sachlich über die "Mins Stolz" und die Ermittlungen, ehe er schloss: „Das überließ ich dem Palastleiter. Mein Auftrag lautete die Ursachen für die ominösen Todesfälle zu suchen.“

„Du hast keinen Namen?“

„Ich habe einen. Allerdings keine sachlichen Beweise,“ gab Meruka zu. „Nur Vermutungen, Aussagen.“ Sein Kopf fuhr herum. Irrte er sich, oder hatte er aus dem kleinen Bad einen Laut vernommen?

Der Siegler folgte seinem Blick, meinte jedoch nur nüchtern: „Dein Bericht?“

Meruka tat, was er auch stets von seinen Mitarbeitern verlangte. Er lieferte sachlich, möglichst ausführlich und wörtlich Bericht ab. Er schloss: „Ich bin sicher, dass alles auf Senebib verweist, nicht sicher jedoch, ob und in wie weit auch Seneb davon weiß. Ich denke, nein. Allein Senebib hatte mit Chamaat und dem Kult des Usir zu tun, auch nur von ihm weiß man, dass er einen Arbeiter samt Schreiber hinausschickte, als die Krüge noch offen waren. Bloß – das sind Indizien, keine Beweise.“

„Es ehrt dich, dass du stets logisch denkst. Nur, du weißt es selbst, eine gute Tracht Prügel bringt die Leute zum gestehen.“

„Sie gestehen, was man hören will. Nicht unbedingt die Wahrheit,“ gab Meruka zurück. „Es wäre durchaus möglich, dass Senebib seinen Freund schützen will, es schon die ganze Zeit tut. Er hat ihm zuliebe seinen Namen geändert – das Herz Senebs. Vielleicht ist Seneb der Schuldige – Senebib nur der treue Freund. Ich grübele über eine Falle, in die der Eine oder Andere fallen mag – doch ich sehe nicht wie. Die Krüge samt den Datteln stehen seit Wochen fertig, es wäre geradezu Wahnsinn, würde Senebib oder Seneb daran gehen. Allerdings habe ich zur Vorsorge Merit gebeten viel um Menhekat zu sein.“

„Du fürchtest um den Königssohn.“

„Es scheint um Usir und seinen Sohn Horus zu gehen. Horus als der Thronfolger. Was wäre sinnvoller?“

Hekaptah schloss kurz die Augen. Noch ehe er allerdings reden konnte, kam ein Einwand von hinten.

„Es geht um einen geistig verwirrten Mann, der vergessen hat, was die ma´at ist. Und du suchst nach einem Sinn?“

Meruka riss förmlich den Kopf empor, nur um ihn hastig wieder zu senken und sich soweit vor zu neigen, wie es ging. Er hatte recht gehabt. Im kleinen Bad war jemand gewesen. Allerdings verriet der praktisch kahlgeschorene Kopf ebenso wie der schmucklose Körper, dass der Herr der beiden Länder auf einen rein privaten Besuch zu seinem Halbbruder gekommen war. Dennoch – das war momentan zwar der Mensch, aber immer noch die Erscheinungsform eines Gottes.

„Hekaptah,“ fuhr der mächtigste Mann kemets fort: „Nannte dich und deine Mitarbeiter die Augen und Ohren des Falken. Das wart ihr in der Tat. - Geh nun, Meruka. Nach der Mundwaschung, noch ehe man das Flusspferd jagt, wirst du gerufen. Hekaptah, lass Sobeknacht kommen. Wer auch immer schuld ist an den Toten hat vergessen, dass ich nicht nur der Liebling der beiden Herrinnen bin, sondern auch die Verkörperung der beiden Herren.“

Horus und Seth. Meruka verneigte sich eilig. Ja, das vergaß man gern, denn zumeist zeigte sich der schützende Himmelsfalke. Zum Glück, denn der Zorn des Herrn der Stürme und Wüsten galt als unübertroffen. Es hieß, dass einst ein Herr der beiden Länder in seinem Zorn mit einem Erdbeben das Land entzwei gerissen hatte. Der Titel lautete nur „Horus“ Quahedjet, und man vergaß leicht, dass es eben beide Herren, zwei entgegengesetzte Mächte, waren, die vereint wurden. Ebenso wie der Titel der maat-hor, die den Horus sieht, eigentlich immer um das: und den Seth trägt, ergänzt werden müsste. Zwei Mächte in einem vereint, eine Macht, der niemand widerstehen konnte. So folgte er lieber eilig der Anweisung, sicher, dass er morgen erfahren würde, was beschlossen worden war.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel bietet dann auch wahrhaft "Göttliches".

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sanguisdeci
2022-09-29T07:51:26+00:00 29.09.2022 09:51
Oh, was für ein schönes Kapitel und welch spannendes Ende! Die Zeit des Wartens war es wert und wird es wieder sein. Vielen Dank für diesen tollen Start in den Tag!


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