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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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In der Falle


 

N

efertari erfuhr ohne weiteres von anderen Dienstboten, dass Chamaat, der Vorsteher der Bäcker, noch nicht wieder bei der Arbeit war und so Menkauchnum das übernommen hatte. So gelangte sie in die Bäckerei und sah sich nach dem Stellvertreter um. Es wäre sicher besser mit ihm unauffällig zu reden, allein, da er ja von dem Schmuck hören sollte und sicher kein Narr war. In aller Öffentlichkeit ausgeplaudert würde er kaum anspringen.

Aber sie betrachtete ihn, als sie sich im Schatten der Tür an die rechte Seite der Wand drückte. Offenkundig verstand er etwas von dem Handwerk, dirigierte die Leute, fragte nach Holz, nach Mehlvorräten. Es wurde sichtlich alles für den Einzug des Lebenden Horus und dessen Gefolge morgen vorbereitet. Da musste und sollte alles wie unauffällig funktionieren. Nein. Töricht war der nicht.

Aber, da Meruka sie darauf hingewiesen hatte, musterte sie aus der Deckung seine Kleidung. Nun gut, der schneeweiße Schurz ziemte einem Beamten, der Schmuck war ebenso. Nein, genau das tat er nicht. Sie kannte Beamte, Schreiber, die mit Kupferarmreifen herumliefen, aber das waren eben Schreiber, seit ihrem fünften oder sechsten Lebensjahr ausgebildet. Das war ein Bäcker.

Kupferne Armreifen in seiner Position standen ihm zu, es wäre kaum verwunderlich, würde er sie morgen bei dem festlichen Einzug oder auch später beim Empfang tragen. Aber so hier, bei der Arbeit?

Das also hatte Meruka gemeint. Der Schmuck, das Auftreten war an sich unauffällig – wenn man selbst ein Schreiber war und es gewohnt war so herumzulaufen. Für einen Mann, der sicher aufgrund seiner Verdienste emporgestiegen war, war es ungut, um kein härteres Wort zu verwenden. Falls sie selbst vor dem mächtigen Apis-Stier tanzte, für ihn sang, trug sie ebenfalls weitaus teureren Schmuck als privat. Oder gar jetzt, wenn sie eine einfache Dienerin spielen sollte. Menkauchnum war fast unauffällig. Aber eben nur fast. Offenkundig wollte er mehr scheinen als sein, war jedoch schlau genug es nicht zu übertreiben.

Drei Ketten, wie es Mode war, um den Hals. Ja. Auch hier – das war Hofmode, er arbeitete in einem königlichen Palast. Aber drei Reihen trug nicht einmal der Hohepriester des Ptah wenn er in der Schreibstube saß, sondern wirklich nur die königliche Familie.

 

Ah, jetzt war er gerade allein und drehte sich um. So ging sie auf ihn zu, scheinbar verlegen sich die Hände etwas reibend, dann jedoch sich aufrichtend. „Entschuldige, du bist der Vorsteher der Bäckerei?“

„Das ist Chamaat. Aber er ist krank, so dass ich ihn vertrete. Willst du zu ihm?“

„Äh, nein. Meine Herrin, Meresanch, fand gestern großen Gefallen an den kleinen Küchlein mit den Datteln, die so spitz geformt waren. Sie lässt fragen, ob es möglich wäre, dass diese heute Abend beim Essen wieder serviert werden.“

„Meresanch. Ah, ja, natürlich.“ Menkauchnum musterte die junge Frau, deren schwerer Dialekt nur zu deutlich verriet, dass sie aus dem tiefsten Süden stammte. Nun ja. Es hieß, dass die Leute dort viel langsamer sprachen und dachten als im Norden. „Nun, ich hörte, ihre Heirat stehe bald bevor.“

„Ja.“ Nefer beschloss heftig zu nicken und ein wenig vertraulich zu sagen: „Sie wird dann in den Rang einer Königstochter aufsteigen, vielleicht später auch mehr! Und womöglich darf ich bei ihr bleiben.“

„Ja, das wäre sicher gut für dich. Darum bist du auch so interessiert daran ihre Wünsche zu erfüllen.“

„Äh, ja. Weißt du, die Kleidung, und vor allem ihr Schmuck. Allein das zu berühren, in den Händen zu halten… So etwas wertvolles.“

„Natürlich hat sie Schmuck dabei, morgen zieht der Lebende Horus hier ein.“

Aber Nefer hörte aus jahrelanger Erfahrung ein wenig zu viel Interesse in dem beiläufigen Satz. So erwiderte sie: „Oh ja, wenngleich natürlich nicht alles, was sie im ipet besitzt. Es sind wundervolle Stücke dabei, teilweise sogar aus Silber! Ich kann gar nicht absehen oder mir merken wie viele. Sie sucht es immer jeden Morgen selbst aus, aber selbst sie muss suchen.“

„Natürlich, bei einem Mitglied der königlichen Familie. Diese kleinen Kuchen, sagtest du? Ja, ich erinnere mich. Nun, es sollte nicht schwer sein, sie heute Abend aufzutischen. Geh nur und sage das deiner Herrin.“

„Später.“ Nefer erlaubte sich ein aufdringliches Zwinkern. „Jetzt ist sie im Garten mit der jungen Ehefrau von Merimaaat. Ich habe frei. Und ich werde mich ein wenig zum iteru begeben oder sonst spazieren gehen. Man muss es nutzen.“

„Ja, natürlich.“

 

Als Nefer aus der Bäckerei trat, hielt sie sich rechts, wieder in Richtung des eigentlichen Palastes, ehe sie doch zum Haupteingang abbog. Dort befand sich das Haus der Wachen und sie erkannte ihren Partner Ptahnacht, der gerade nur scheinbar zufällig mit einem Kollegen das Schlangenspiel spielte und soeben würfelte, dann jedoch aufblickte und sie entdeckte. Sein Nicken beruhigte sie. Wie es Meruka wollte, würde er mit einem oder mehreren Wachen in den Gästetrakt gehen. Sollte Menkauchnum tatsächlich es wagen in Merits Zimmer zu gehen und dort stehlen zu wollen, würden sie ihn mit der Hand in dem Kästchen erwischen. Dann gab es keine Ausrede mehr.

 

Merit hatte unterdessen fast verzweifelt nachgedacht. Meruka vertraute ihr, aber wie um aller Götter willen sollte sie unauffällig mit Senebib sprechen? Sie spazierte scheinbar gedankenverloren über den Hof, aber stets, wenn sie ihn erblickte, war er neben oder hinter Seneb, eilte vom Lager in den Palast, in die Küchen und zurück. Es war wirklich nicht die einfachste Lage. Immerhin würde morgen der Herr der beiden Länder hier einziehen, samt großem Gefolge, da wollte sich doch keiner der Beamten irgendeiner noch so kleinen Nachlässigkeit zeihen lassen.

 

Auch Meruka war dies inzwischen bewusst geworden und so war er schlicht zu Anchka gegangen, der als Vorsteher der Öle am ehesten Seneb wegen irgendetwas zu sich holen lassen konnte. Schließlich war er gelähmt. Und Meruka vertraute seinem ehemaligen Kollegen.

So sah Merit etwas erleichtert kurz darauf, wie Seneb von einem Diener geholt wurde und Senebib wohl noch kurze Anweisungen erhielt, ehe er allein stehen blieb.

Sie warf einen prüfenden Blick herum, ehe sie zu ihm trat. „Äh, entschuldige, kann ich kurz mit dir sprechen?“

Senebib bewies prompt, warum er die rechte Hand eines Vorstehers war. „Natürlich, Königstochter.“

Sie wollte ihn nicht korrigieren, stand ihr dieser Rang doch nicht zu. „Ich wollte eigentlich mit Chamaat reden, aber der ist noch krank. Ich ...nun, es ist etwas privates.“

Senebib richtete sich ein wenig auf. „Ich kann schweigen,“ versprach er. Immerhin bedeutete das Vertrauen eines Mitglieds der königlichen Familie doch einiges – und bot gute Möglichkeiten gefördert zu werden. „Ich muss allerdings erwähnen, dass ich nicht Chamaats Stellvertreter bin.“

„Ja, das weiß ich. Aber, wie gesagt, es ist etwas privates.“ Merit warf nervös einen Blick herum. Es ziemte sich nicht allein mit einem Vorsteher zu reden, aber sie dachte, dass der Lebende Horus selbst Meruka und damit sie deckte. Überdies, beruhigte sie sich dann, außer den Leuten, die bei den Essen dabei gewesen waren, kannte kaum jemand ihren zukünftigen Rang. Die meisten Arbeiter und Dienstboten kamen aus den umliegenden Dörfern, sie hatten zu tun und kaum einer würde wissen wer sie war, zumal sie sich betont einfach gekleidet hatte, natürlich nicht zu sehr.

Sie war unruhig. Senebib entspannte sich unwillkürlich. Das war sicher für sie sehr wichtig, zumal, wenn sie mit ihm hier so sprach. Er spürte, wie seine Neugier wuchs. „Ich höre, Königstochter.“

„Chamaat stammt ja aus Djedu und ist dort Priester des Usir, so hörte ich. Und ich erfuhr von Djefadhor, dass du dich mit ihm schon darüber unterhalten hast. Nun ja. Es ist ….mein künftiger Ehemann sprach auch schon von Usir …“ Was nicht ganz gelogen war, sie hatten sich schon in der Schulzeit über alle möglichen Götter in kemet unterhalten. „Und ich wollte wissen, was an diesem so besonders ist.“

„Nun, er ist der Gott der Fruchtbarkeit und der Unterwelt. Jeder, der stirbt, gelangt in sein Reich.“

„Jeder?“ Merit sah ihn mit großen Augen an, hoffte allerdings nicht zu übertreiben.

„Ja, jeder.“ Der Fischersohn überlegte, wie er das einer Fast-Schwiegertochter des Lebenden Horus erklären sollte, entschloss sich aber für die Wahrheit. Sie war nervös, es fiel ihr offenkundig nicht leicht hier mit ihm zu reden. Und, wenn der Älteste Königssohn, damit der Thronerbe selbst schon auf Usir aufmerksam geworden war … „Das ist ja das Schöne. Man muss nur eine Prüfung bestehen, nachweisen, dass man stets die Maat eingehalten hat.“

„Ja, aber nur der Horus geht ein in die ewigen Sterne, und die, die ihm folgten.“

„Ich verrate dir etwas, Königstochter. Usir wurde ermordet und sein Sohn wird der Rächer des Vaters und der Erbe des Thrones, ja. Aber, weißt du auch, wie dieser Sohn heißt? Horus.“

Merit stutzte und das deutlich sichtbar. Sie musste aufpassen, ehe sie sich doch noch gegen die maat versündigte. „Das ist dann aber ein anderer gleichen Namens?“

„Nein, das glaube ich nicht. Daraus kann man eigentlich nur schließen, dass der Sohn dem Vater nachfolgt und der Vater eigentlich auf dem Thron sitzt, oder? Gleich. Jedenfalls wäre ein Lebender Usir ebenfalls ein Mittler zwischen den Menschen und den Göttern. Das beweist ja schon der Name.“

„Ja.“ Merit überlegte noch, was sie sagen sollte, um einen Köder zu schaffen, jedoch sich nicht selbst um das ewige Leben zu bringen. „Das klingt wirklich sehr nachvollziehbar. Das also meinte mein zukünftiger Ehemann…“ Sie brach ab, als habe sie zu viel gesagt. Tatsächlich hätte sie keine Ahnung gehabt, wie sie diesen Satz sinnvoll beenden sollte. Hoffentlich genügte das, hoffentlich war Meruka mit ihr zufrieden.

Es hätte sie getröstet, hätte sie gewusst, dass sich ihr Vorgesetzter auf ihre Unruhe und Nervosität verließ. Sie log nicht, ihre Körpersprache verriet Unsicherheit und Unruhe – und genau darum würde jemand wie Senebib ihr glauben. Nun, eigentlich jeder. Sie war glaubwürdig, gerade weil sie so unsicher war.

 

Sie zuckte daher unwillkürlich zusammen, als er sie im Palast von dem Gang in ihr Zimmer abhielt, schlicht, in dem er sich vor sie stellte. „Meresanch,“ grüßte er, damit anzeigend, dass das nicht privat war.

„Ja, ehrenwerter Vorsteher?“

„Gehen wir noch ein wenig in den Garten. Ich muss dir noch erzählen, wie der Einzug morgen von statten gehen soll und was deine Aufgabe sein wird.“

Merit hätte fast gesagt, dass sie das wisse, immerhin war sie nicht zum ersten Mal dabei, aber wohl zum ersten Mal ohne die Königinmutter und die erkrankte maat-hor. Überdies wollte er sicher wissen was sie bei Senebib herausgefunden hatte.

 

Beides entsprach den Tatsachen und so gab ihr Meruka nur rasch die Informationen weiter, dass sie stets bei Merimaat dem Älteren als Palastvorsteher bleiben sollte, während er sich auf seinen Platz weiter nach rechts begab. Nun, sie alle würden sich flach zu Boden werfen, wenn der Lebende Gott kemets von hohen Beamten und dem Ältesten Königssohn von der Barke in den Palast getragen wurde. Er saß bereits in der Sänfte auf dem Schiff. Niemand würde der Gegenwart eines Gottes so lange und so nah widerstehen können, nicht einmal die engste Familie. Nun, niemand außer der maat-hor, aber diese blieb ja offenkundig zurück. Hoffentlich wurde sie wieder gesund.

Dann fragte er: „Was sagte Senebib? Oh, nicht zögern, Merit. Erzähle es. Das ist wichtig. Und ein sachlicher Bericht bringt dich sicher nicht um das ewige Leben, eher entspricht er der maat. War es so arg was er sagte.“

„Ja, so logisch, so folgerichtig. Ich kann begreifen, wie er ins Zweifeln kam.“ Sie erzählte so ausführlich wie möglich.

Meruka atmete tief durch. „Ja, aber das ist nichts, womit man ihn dazu bekommen könnte erneut die giftigen Schalen in Wein zu legen. Nun gut. Ich lasse ihn unauffällig überwachen und werde auf jeden Fall Hekaptah, dem königlichen Siegler …“ Und Halbbruder des Horus. „Bericht erstatten. Senebib untersteht ihm als Siegler. Er wird dann entscheiden, ob er es Sobeknacht als tjati oder gar dem Lebenden Horus mitteilt.“ Senebib eine Falle zu stellen in die der auch hereinfiel, war bis Morgen schlicht nicht möglich. Der würde jetzt wieder dauernd mit Seneb zusammen sein, alles für den Einzug vorbereiten, beide bemüht keinen Tadel oder Ärgeres zu verursachen. Erst danach konnte man weiter sehen. Hoffentlich hatte zumindest die Falle für Menkauchnum zugeschnappt, sonst stünde er mit leeren Händen da. Theorien waren eben keine Beweise.

Er spürte, wie eine eiskalte Furcht seine Wirbelsäule empor kroch und sich langsam durch den gesamten Körper fraß. Er hatte möglicherweise einen Dieb gefunden, einen Anstifter von Dieben. Aber nicht den Verantwortlichen für die Toten. Er hatte versagt, außer, ihm fiel bis morgen noch etwas sehr Gutes ein, was er dem Lebenden Gott berichten konnte. Im Hier und im Jenseits wurde Versagen schrecklich bestraft.

Ptah, Sachmet, beschwor er die beiden Götter seiner Heimatstadt. Eine Idee, bitte, ich werde schlafen. Und, ich werde euch in meinem Grab in alle Ewigkeit mit Opfergaben beschenken, schickt ihr mir nur einen Traum. Und schützt Merit, denn ich fürchte, sie ist die Einzige, die noch den Falken im Nest vor einem Angriff schützen kann. Falls Senebib so verrückt sein sollte.

Damit bewies Meruka nur, dass er einen Wahnsinnigen nicht nachvollziehen konnte.

 

 
 



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