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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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Neuigkeiten


 

N

ach dem Essen zogen sich die Damen in den Garten zurück.

Meruka hatte sich derweil höflich bei Paadigeb erkundigt, was denn aus dessen Vorgänger Schepseska geworden sei, da er von diesem nichts mehr gehört habe.

Der hati von Dep hatte die Schultern gezuckt, jedoch zu Rahotep als Arzt gesehen. „Er ging in den Westen. Viele Krankheiten, wie Schmerzen und Fieber. Immer, wenn der sunu kam, wurde es besser, aber irgendwann… Oh, Meruka, irre dich nicht, er wurde nicht abgesetzt. Der Horus auf dem Thron der Lebenden ernannte ihn zum Bürgermeister von Pe und zu einem der Organisatoren des sed-Festes. Ashmes ist sein Sohn.“

„Ah, dachte ich es mir. Seine Mutter stammt aus einer der Oasen der westlichen Wüste, nicht wahr?“

„Ja, aber sie war keine tehenu.“

„Natürlich nicht.“ Obwohl die tehenu eine durchaus ähnliche Sprache wie die Leute in kemet sprachen und in den Oasen oft genug Seite an Seite lebten, unterschied sich doch der Abkömmling der Nomaden von einem Untertan des Falkengottes. Der Ermittler sah sich unwillkürlich um. Außer ihm und Paadigeb saß nur noch Merimaat bei ihnen. Ashmes würde bald kommen, hatte sich jedoch von dem Essen aufgrund ritueller Pflichten entschuldigen lassen. Rahotep und Ptahnacht waren weg. Gut. Sie würden, jeder auf seine Weise, sich nach Todesfällen in Dep oder auch im Palast des Harpunierenden Horus erkundigen., ebenso Merit und Nefer bei den Frauen. Er musste doch einfach etwas zu finden sein. Keine Woche, keine zehn Tage mehr, und er müsste dem Lebenden Gott Rede und Antwort stehen. Und natürlich durfte er nicht versagen, Der Palast der Harpunierenden Horus … „Als Palastvorsteher, Merimaat, hast du ja gewiss schon alles für die Zeremonie vorbereitet. Wurde denn auch schon ein Flusspferd gefangen?“

„Ja. Es wurden einige Männer verletzt, aber niemand getötet.“ Das Flusspferd wurde auf einem Schlitten in einen Hof des Palastes transportiert und der Herr der beiden Länder tötete es mit einer Lanze , stellvertretend für alle diese schädlichen Bestien. Sie fraßen Getreide und anders mühsam angebautes auf den Feldern und waren für sehr viele Tote in kemet jedes Jahr verantwortlich. Magischer Schutz war da nur zu hilfreich. Die drei Beamten verloren sich in Erzählungen vergangener Festlichkeiten und nicht zuletzt Familienangelegenheiten.

 

Der von Wänden umrahmte Garten des Palastes war nicht allzu groß, wenn man ihn mit dem von Ibenu-Hedj verglich, aber er war sehr schön angelegt und Merit musste zugeben, dass hier Pflanzen wuchsen, die sie noch nie gesehen hatte. Retenutanch war entzückt und erzählte, dass sie manche dieser Pflanzen von den Gärtnern einpflanzen ließ, wenn welche aus retenu oder kanaan nach Dep gelangten. Auch ihr Arzt Nianchnisut sei von manchen begeistert – und der habe natürlich Vorrang, zumal er das Meiste davon weiterschickte an die Hofärzte des Horus.

Die beiden Töchter Nofret und Hetepseschat blieben aufmerksam bei ihrer Mutter und dem hohen Gast. Beide wussten, dass Meresanch ihnen bei der maat-hor oder gar dem Lebenden Gott selbst Fürsprache leisten konnte. Natürlich war es dann immer noch die Sache eines Mannes und ihrer selbst einen Vorschlag anzunehmen, aber zumindest Nofret war alt genug um zu wissen, dass eine solche Empfehlung zumindest überdacht wurde – und ihr Leben umso angenehmer sein würde, je ranghöher ihr Ehemann.

So wagte sie es dann auch von ihrer älteren Schwester zu erzählen, die ja Merimaat den Jüngeren geheiratet hatte, immerhin den Vorsteher der Rinder des Herrn der beiden Länder und vermutlich auch einen der kommenden hohen Beamten als Palastvorsteher im Erbe seines Vaters. Fast unmittelbar danach erkundigte sie sich, ob Meruka verheiratet sei.

Merit hätte um ein Haar gelächelt. „Nein, aber ich glaube, nach allem, was ich hörte, sucht er auch keine.“

„Er hat schon viele Kinder?“

„Nofret!“ tadelte die Mutter prompt.

Merit zuckte die schmalen Schultern. „Es schickt sich nicht einen Beamten danach zu fragen, nicht wahr?“ Nun ja. Paadigeb und Retenutanch hatten vier Mädchen, die alt genug für die Ehe geworden waren, zwei waren bereits fort, Nofret wäre wohl die nächste und sehnte sich offenkundig danach selbst die Herrin eines Hauses zu werden, auch, wenn sie oft genug dafür die ranghöhere Schwiegermutter in Kauf nehmen musste. Die jüngere Tochter, Hetepseschat, war nach der Göttin des Schreibens benannt und wohl noch zu jung für solche Pläne. Zwölf, wenn überhaupt. Gut. Mädchen heirateten früh, sie sollten auch rasch Kinder bekommen, falls die Götter sie segneten. Die Kindersterblichkeit war hoch, allerdings auch die der jungen Frauen. Sie sollte jedenfalls ablenken, um die entstandene Spannung zu dämpfen. „Was ist das dort, Retenutanch? Man sieht nur Blätter, aber sie sind an jeder Tür“

„Meerzwiebeln. Man sagt, dass sie verhindern, dass sich Dämonen in das Haus schleichen. Manche Leute hängen auch die Zwiebeln selbst auf. Aber sie blühen auch sehr hübsch, allerdings erst nach der Überschwemmung. Der Stängel wird höher als meine Hüfte ehe die Blüte in weiß kommt, auch wie ein Stängel, mit vielen Einzelblüten daran.“

„Eine Rispe?“ schlug Merit vor, ehe sie fortfuhr: „Ich sah sie unterwegs am den Fenstern, ja. Der Arzt, der mich … der uns begleitet, Rahotep, sagte, sie wachse nur im Delta, oder eigentlich nur im Sand an den Küsten zum Großen Grün.“

„Ja, das mag sein. Ich habe sie, wenn ich so nachdenke, selbst im Garten des Lebenden Horus, er lebe, sei heil und gesund, in Ibenu-hedj nicht gesehen. Da nehmen alle gewöhnliche Zwiebeln, wenn ich an das Sokar-Fest denke.“

„Ja. Wobei die Meerzwiebeln, die ich sah, auch viel zu groß und schwer wären, um sie sich als Kette um den Hals zu hängen.“

Die Damen lachten, ehe Nofret wieder das Gespräch auf das Thema lenkte, das sie am Meisten interessierte. „Ashmes, der ja der Bürgermeister von Pe ist, sagte, er werde eine Meritneith aus dem Gazellengau heiraten. Weißt du etwas über sie, Meresanch?“

Merit begriff. Also nicht Nofret, obwohl ihr Vater sozusagen der gegenüber Pe auf der anderen Seite des Iteru liegende Bürgermeister war. Ja, sie selbst konnte unschwer erraten, wer das war und auch, warum Ashmes sie vorzog. „Ich kenne eine Meritneith als Beamtentochter. Sie ist die älteste Tochter von Padiselket, des Vorstehers des Gazellengaus und der Meresanch, damit die Enkeltochter von Hekaptah dem Siegler und Halbbruder des Herrn der beiden Länder.“

Nofret nickte betrübt. Mit dieser Familienbeziehung konnte sie nicht mithalten. Sicher, man schloss eine Verbindung auch aus Zuneigung, aber natürlich war auch der Rang der Eltern, in diesem Fall, des Großvaters, beachtenswert. Und da Ashmes Mutter aus der westlichen Wüste stammte, hatte sie angenommen … nun, es war gleich. Gegen Meritneith kam sie nicht an. Hoffentlich lernte sie einen neuen, netten, Beamten kennen, wenn der mächtige Horus in wenigen Tagen mit seinem Hofstaat anreisen würde und Vater und die ganze Familie ihn in den Palast des Harpunierenden Horus begleiten würde. Mutter hatte ja gemeint, das sei eine gute Chance sich zu präsentieren, wenn nicht, müssten sie eben nach Ibenu-hedj reisen. Meresanch hier bot freilich eine sehr gute Gelegenheit an eine Empfehlung zu gelangen.

 

Rahotep hatte sich unterdessen mit Nianchnisut, dem Arzt in Dep, getroffen. Sie kannten sich aus dem Haus des Lebens und Rahotep grüßte den Älteren höflich. Dieser war an die Fünfzig, trug offen das geschorene Haar. Um seinen Hals lag das Amulett der Selket, der Skorpiongöttin, das anzeigte, das er ein Arzt war, der sich auch mit Schlangenbissen auskannte, und das der Wadjet, der Schlangengöttin von Pe und Dep, eine der beiden Kronengöttinnen kemets. Sie bäumte sich an der Stirn des Horus auf, wenn er in vollem Ornat auf dem Thron saß.

Nianchnisut winkte. „Setze dich nur auf den Hocker hier. Wie geht es meinem alten Freund Ramose? Er hat dich offenkundig gut ausgebildet, wenn du in so jungen Jahren schon Leibarzt der Königssöhne bist und semer. Oh ja, man spricht über dich in unseren Kreisen. Du bist auch kaum zufällig mit Meresanch hier.“

Das konnte Rahotep ehrlich bejahen. „Es ist eine direkte Anweisung des Horus auf dem Thron der Lebenden, er lebe, sei heil und gesund. - Meinem verehrten Lehrer und Vorsteher aller Ärzte ging es gut, als ich ihn verließ. Er sagte, du habest ihn angefragt wegen einer seltsamen Sache, tödlich, aber nur für eine Person.“

„Ja. Konnte er es erklären?“

„Nein.“ Rahotep zögerte, er bewegte sich auf schmalem Pfad zwischen Arztpflicht und Geheimhaltung. „Aber du warst offenkundig nicht allein. Ach in anderen Städten, wenngleich nicht vielen, gab es solche Zwischenfälle. Doch weder in der Erinnerung der ältesten Ärzte noch im Haus der Schriften fand sich eine Erklärung. Gab es weitere Zwischenfälle?“

„Nein, Wadjet sei dank. Sagte Ramose dir etwas über Dämonen der Sachmet?“

„Die Dämonen schlagen wahllos zu, ja. Aber sie treffen immer viele, nie einzelne. Es sieht nach Gift aus, aber warum so viele Menschen, es sind wohl insgesamt zehn oder gar mehr. Allerdings stets nur eine Person von vielen.“

„Das wird immer seltsamer. Ja, ich gebe zu, ich dachte an Gift, als Nihotep, der Sohn des Schepseska, starb. Aber er war nicht der einzige Gast Merimaats und ich glaubte auch nicht, dass ein Mörder im Palast des Harpunierenden Horus lauere. Andere Städte, immer nur eine Person. Das sieht eigentlich eher danach aus, als würden zufällig viele Zutaten etwas ergeben Und bei einer Person kommen alle zusammen, bei allen anderen fehlt irgendetwas.“

„Ja, so wurde mir auch gesagt,“ bestätigte Rahotep prompt. Das hatte zwar nicht sein Lehrer gemeint, sondern Meruka, aber wozu so kleinlich werden. „Es gibt so viele Dinge, die nur ein Arzt weiß – Unaufmerksamkeit oder Ahnungslosigkeit könnte diese Tode verursacht haben. Kennst du solche tödlichen Mischungen? Ich gebe z, es wurde bereits an Salböl gedacht oder ähnliches, eine Kräuterpfanne, wir hatten den Monat der Herdfeuer, aber ….“

„Nein, keine Kräuterpfanne. Nihoteps Tod war noch zur Saatzeit und es war ein Fest im Garten. Ich dachte womöglich daran, dass er zwar im Palast des Horus starb, aber sich dennoch zuvor etwas in Pe gezogen hätte. Aber wie sollten dann so viele andere Menschen ebenfalls den Weg in den Westen finden, die nie in Pe waren? Oh ja, ich verstehe nun, warum Ramose so aufmerksam wurde. Wenn ein Mann schuld daran trägt, aus Unwissen oder üblem Wollen – muss er gefunden werden. Ich hörte, Meruka leite den Ausflug. Er ist nicht nur der Schreiber des Herrn der beiden Länder in dessen privatesten Angelegenheiten, sondern auch Einziger Freund. Und, was gern übersehen wird sab-Beamter. Und ich wage zu bezweifeln, dass das in seinem Fall nur ein Ehrentitel ist. Da gäbe es andere.“

„Das mag stimmen. Allerdings frage ich lieber nicht.“ Nun ja, Rahotep wusste es wohl besser als sein Gegenüber, aber es schien ihm ratsam sich da raus zu halten. „Es wird Unwissen sein, denn anscheinend liegt die Ursache im Palast des Harpunierenden Horus. Zumindest erhielten alle betroffenen Familien von dort eine Lieferung. Kennst du außer Merimaat als Palastleiter noch andere Beamte?“

Nianchnisut nickte langsam. „Ja, natürlich. Sie wohnen ja meist in Dep und fahren nur in den Palast, wenn es dort etwas zu tun gibt, wie jetzt, wenn der Lebende Gott persönlich kommt. Er liegt doch recht abseits, inmitten von Domänen, und gerade die Frauen schätzen die Abwechslung. Du hast recht, unwissend ist niemand von ihnen, allerdings arbeiten auch eine Menge einfache Leute dort, Fischer, Sandalenmacher, Weberinnen, eben, was man braucht. Natürlich auch die Landarbeiter. Manche Familien arbeiten schon sehr lange dort, Großvater, Vater, Sohn … Ich könnte mir jedoch auch nicht vorstellen, dass jemand gerade der einfachen Leute das Wissen hätte um bewusst zu vergiften. Und, welches Motiv sollte jemand haben.“

„Tja, ich bin kein sab-Beamter,“ gab Rahotep zu. „Aber auch für einen Arzt ist es unangenehm ungeklärte Tote zu haben.“

„Da hast du Recht, mein junger Freund. Reden wir über etwas angenehmeres. Hast du schon eine junge Dame ins Auge gefasst?“

„Oh, nein. Ich fand erst einmal eine, aber sie starb und ich konnte sie nicht retten. Darum suche ich auch nicht.“

„Schade für die Damenwelt. Du siehst recht gut aus, bist Arzt in höherer Position am Hofe… Überlege es dir.“

„Äh, hast du eine Tochter?“

Jetzt lachte Nianchnisut. „Du bekommst das öfter von Vätern zu hören? Nein, ich habe zwei Söhne. Einer lebt im Süden, in Nubt, er ist auch Arzt geworden, und ich hoffe, dass unsere Bitte erhört wird, dass der Herr der beiden Länder ihn hierher schickt, damit er mir helfen kann. Der Jüngere ist Karawanenführer. Er führt Karawanen durch die großen Tore der Wüste nach Osten an das Meer. Er ging zuvor als Eselsführer, aber nun kennt er diese Strecke so gut.“ Und eine kleine Empfehlung an den zuständigen Vorsteher der königlichen Bauten hatte mitgeholfen, das war Nianchnisut klar. Aber eine Familie musste zusammenhalten. Immerhin lebten beide Söhne in einer Stadt.

 

Ptahnacht hatte sich zu den Wachen gesetzt und zunächst beiläufig erzählt, dass er gerade in Sau gewesen war, natürlich im Auftrag des Königs, und dort die Truppe gesehen hatte, die vom Kampf in der westlichen Wüste zurückgekehrt waren. Das meiste waren ja, wie immer, rasch ausgehobene Bauern gewesen, nur die Kommandeure waren ausgebildete Schreiber. Außer den Getreuen, die die Leibwache des Lebenden Horus bildeten und auch dessen Palast bewachten, gab es nur wenige kampferfahrene, ja, kompetente Männer, wenn man von denen absah, die in den Festungen rund um das Land postiert waren und in der freien Zeit auch üben konnten. Es war unmöglich, das von einem Bauern zu verlangen. Allerdings zeigten gerade die einfachen Leute beim Thema Schleudern, wie erfolgreich man durch die Übung auf Schakale und Hyänen seit Kindertagen werden konnte. Ptahnacht gab zu, dass er das nicht vermochte. Lanze, nun gut, das hatte er ebenso wie das Schildtragen geübt, als der Lebende Gott kemets ihn gnädig wieder aufgenommen hatte, aber in seiner Kindheit war er nur mit einem Messer bewaffnet gewesen.

Rasch stellte er im Gespräch mit den Männern Paadigebs fest, dass diese wohl auch nur mehr hier herumsaßen und den Palast bewachten. Ein echter Feldzug war schon lange nicht mehr notwendig gewesen, leider, in ihren Augen, denn die Beute wurde auch immer unter die Teilnehmer verteilt. Wer dem Horus auf dem Thron der Lebenden besonders auffiel, erhielt vielleicht sogar ein Armband oder ein Stück Land zugewiesen, das ihm dann selbst gehörte.

Kurzum das Leben hier im alten Palast von Dep mochte ehrenvoll sein, aber es war auch deutlich langweiliger als das, was er selbst als Wächter des Königs oder gar als dessen Agent gemeinsam mit Meruka so erlebte. Den Männern blieb ebenso nur viel Gerede, um Heiraten, Freundschaften, Intrigen unter den Beamten. Es war ihm allerdings nur zu recht, denn so konnte er sich unauffälliger nach den Kollegen erkundigen, die im Palast des lebenden Horus die Verantwortung trugen. Er war gewohnt sich Namen und Titel zu merken und hatte bis jetzt eigentlich auf sein gutes Gedächnis geschworen, aber bald schwirrte ihm der Kopf, denn viele der Männer des Horus hatten Posten in Dep oder in Pe oder beides und zusätzlich im Palast des Harpunierenden Horus. Die wenigsten Beamten waren stets dort und das war die unterste Schreiberebene, die direkt die Landarbeiter beaufsichtigenden, Männer, die die Ernten zählten oder auch weiterleiteten, sei es nach Ibenu-hedj an den Hof oder auf Befehl des Sieglers oder gar des Herrn der beiden Länder selbst. Also genau die Eben, die Meruka als verdächtig erwähnt hatte. Weit genug oben um etwas anstellen zu können, tief genug unten, um bei Gesprächen mit Fischern nicht aufzufallen oder mit wem auch immer. Wenn der Vorsteher der Kühlhäuser des Palastes mit dem Vorsteher der Schweinehirten oder einem von diesen sprach, gab es ein dutzend einleuchtende Erklärungen, der Vorsteher des Öls mit einer Arbeiterin, die Lotosblüten sammelte und auspresste … Nun, da sollte Meruka darüber nachdenken. Das war der Vorteil, wenn man nicht selbst der Anführer war. Er würde nur berichten. Und da sollte er langsam wirklich besser aufpassen, sich wenigstens von dem Palast, zu dem sie übermorgen weiterfahren würden, die Namen der Vorsteher und deren Aufgaben merken. Wie stets wurde die Sache dadurch nicht vereinfacht, dass jeder Vorsteher auch alle Titel seiner Untergebenen führte, um anzuzeigen, wo er überall das sagen hatte. Ein geradezu leuchtendes Beispiel war dieser Merimaat der Jüngere, dessen Vater der Palastvorsteher war. Der nannte sich zumeist Vorsteher der Rinder, aber er trug auch den Titel des Vorstehers der Weiden, weil er ja auch für das Weideland verantwortlich war und dem Vorgesetzten der Weiden und dem der Rinder eben vorstand. Dazu trug er aber auch den Titel eines Vorstehers der Wüsten, weil er auch die Jäger für die Fleischversorgung von Gazellen für die königliche Tafel beaufsichtigte. Und so weiter … Ptahnacht war kein Schreiber, aber er vermutete, dass diese Titelketten bei diesen Beamten bewiesen, wie fähig sie waren.

Als er nach einigen Krügen Dattelbier die Wachen verließ, schwirrte ihm zwar der Kopf, aber er hatte einige Namen, Titel und vor allem Aufgaben im Palast des Harpunierenden Horus sich gemerkt.

 

Nefer hatte es sich in der Küche gemütlich gemacht und sich ebenfalls einen Krug Dattelbier zu Gemüte geführt. Nach diesem langen und langweiligen Tag war es angenehm einmal nicht schweigen zu müssen um der Rolle genüge zu tun, sondern angeblich Sachen vom Königshof ausplaudern zu können. Die meisten Frauen und Männer hörten ihr fasziniert zu, vor allem, als sie – da sie Merit zuvor gefragt hatte – ziemlich detailliert den ipet und die Webereien dort beschrieb. Allen hier war bewusst, dass der Lebende Gott mit einem Großteil des Hofstaates bereits in einigen Tagen hier wäre und es lag auch schon die Anweisungen von Retenutanch für den Empfang und das Essen vor. Das Meiste würde frisch geliefert, dafür würde der Hausherr samt Merimaat sorgen. Sie selbst würden sich natürlich alle Mühe geben, kam es doch nur alle zwei Jahre vor, dass der Herr der beiden Länder herkam. Nicht, dass sie ihn auch nur sehen durften. Das Servieren für den Lebenden Gott übernahmen hochrangige Höflinge, aber sie durften es kochen, und, mit ein bisschen Glück, irgendwie aus der Ferne den Einzug sehen.

 

Nefer nickte eifrig und erzählte wahrheitsgemäß vom Fest des Sokar in Ibenu-hedj, wo der Lebende Horus neben dem Apisstier um die Stadtmauer ging und von allen gesehen wurde, um die Fruchtbarkeit im Lande zu steigern. Das wussten die Menschen in Dep natürlich, arbeiteten sie doch für den Königshof, aber jemanden sprechen zu können, der ihnen den Horus beschreiben konnte, war selten. Die hohen Beamten hielten sich nie in der Küche auf – und waren meist auch zu beschäftigt um das Personal überhaupt zu sehen.

Nefer bemühte sich darum, was sie kochten, wenn das gewöhnliche Leben hier ablief, aber das war nur für Paadigeb und seine Familie, manchmal auch Ashmes von Pe. Der Einzige, der ihr etwas Neues berichtete war der Vorsteher der Küche. In seiner Eigenschaft fuhr er morgen früh auch in den Palast des Harpunierenden Horus um dort die angeforderten Lieferungen an Wein, Öl, Getreide und Gemüse in Empfang zu nehmen.

„Fisch,“ ergänzte er. „Alles wird zur Auswahl stehen. Der Lebende Gott, er lebe, sei heil und gesund, soll doch nicht denken, dass er nur im Süden, in Ibenu-hedj etwas Gutes bekommt.“

„Dann werdet ihr alle schon morgen früh Brot backen und Bier brauen?“ erkundigte sich Nefer, anscheinend mit großen Augen.

„Nein, natürlich erst übermorgen, Ich fahre morgen früh mit dem Passlastvorsteher hoch und mit einem Lastschiff her, aber ein Schnellruderer brachte die Bestellungen bereits hoch. Das ist ja nicht Neues für unsereins.“

„Ja, das glaube ich dir. Du hast sicher eine große Verantwortung für alle Nahrungsmittel. So kennst du auch alle, die dort arbeiten, selbst den Palastvorsteher.“

„Ja, ich fahre ja mit ihm,“ erklärte der Koch, Hori, mit stolzgeschwellter Brust. „Das will ich meinen. Aber die anderen Vorsteher kenne ich natürlich auch, wenn auch keinen so gut wie Djedefchnum, den Vorsteher der Öle und Weine. Er ist selbst für Parfüm mein Ansprechpartner. Er ist ja auch Priester der Bastet, deswegen.“

„Oh, ja.“ Man wurde zu einem Diener der Gottheit, die den beruflichen Aufgabenbereich schützte. Bastet war eben auch für Salben und Kosmetik zuständig. Vielleicht wäre das auch ein Ansprechpartner für Meruka – ein viel beschäftigter Mann wie dieser mochte auch mal etwas übersehen oder einem Falschen Vertrauen schenken. Er war nur ein Mensch,

 

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Gut, wenn man ein Team hat, nicht wahr Meruka? Spätestens in wenigen Tagen sollte eine Lösung vorliegen - und das möglichst beweisfest. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sanguisdeci
2021-01-04T18:34:14+00:00 04.01.2021 19:34
Die Spannung steigt :D

Sehr schön geschrieben! Zwei oder drei Gedanken schwirren mir da durch den Kopf, wenn auch vage. Ich bin gespannt, ob einer davon Teil der Lösung sein wird ^^


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