Zum Inhalt der Seite

Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Nefer


 

<p style="text-align: justify;"> 

Nefer hatte aus den Augenwinkeln beobachtet, dass Ptahnacht mit jemandem von diesem anscheinend königlichen Schiff gesprochen hatte und dem Mann jetzt möglichst unauffällig zum Stadttor folgte. Da sie seinen Schatten spielen sollte, musste sie ebenfalls dorthin. Allerdings benötigte sie etwas länger, da sie noch über fast den halben Markt musste, aber als sie an den Wachen zurück in die eigentliche Stadt gelangte, erstarrte sie. Hier befanden sich rechts und links Lagerhallen, vor manchen saßen Schreiber, aber bis zu dem nächsten schmalen Tor, das sichtlich in eine Gasse mit Wohnbereichen führte, war niemand zu sehen.

Nefer blieb kurz stehen. Das passte nicht zu ihrem Partner, Sie kannte Ptahnacht seit einigen Jahren, sie waren durchaus zusammen in gefährlichen Lagen gewesen – er wusste doch, dass sie ihn beschatten sollte. Wo also steckte er? Warum wartete er nicht vor einem Lagerhaus oder auch nur unauffällig an der Ecke in die Gassenwelt der Stadt? Weil hier, in diesem Lagergebiet irgendetwas passiert war. Entweder war er in eine Falle gelaufen, aus der nur sie ihn herausholen konnte, oder er hatte irgendetwas so überaus wichtiges, eiliges gesehen, dass er nicht auf sie warten wollte oder konnte.

In die engen, schattigen, Gassen Saus zu folgen ohne Ahnung wo sie suchen sollte, wäre unsinnig. So entschloss sie sich die Lagerhallen abzusuchen, natürlich nicht am Haupteingang, neben dem oft genug der zuständige Schreiber im Schatten saß. Das wäre doch auffällig, Frau hin oder her. Aber zum Glück hatten die Lagerhäuser ja meist eine zweite Tür, schon, um im Hochsommer die morgendliche Kühle durchziehen zu lassen. So wich sie nach rechts, da sie sich dort zwischen den Hallen und der Mauer zum Hafen einigermaßen in Sicherheit fühlte. Waren dort Wachen oder etwa auch Schreiber, so musste sie eben improvisieren. Sie nahm ihre Tasche instinktiv fester an sich, als sie sich auf den Weg machte. Die Geräusche des Hafens waren hier kaum zu hören, die Rufe der Händler wurden durch die Mauer gedämpft. Und ihr war so, als hörte sie jemanden reden. Im dritten Lagerhaus.

Möglichst leise huschte sie zu der Mattentür. Zu Glück war hier Schatten, so dass der ihre nicht in die Lagerhalle fallen würde, als sie lauschte.

„Das reicht,“ sagte jemand. „Fesselt ihn. Wir müssen zusehen, dass wir weitermachen.“

„Und wenn der Schreiber kommt?“ erkundigte sich ein anderer.

Nefer hätte fast aufgeatmet. Immerhin musste man Tote nicht fesseln. Aber sie lauschte angespannt.

„Ich sage dem Schreiber, dass unser Schiff etwas später beladen wird. Du weißt schon, Ballast und so. Die Schreiber kennen sich damit nicht aus und glauben einem Kapitän, zumal eines Schiffes des Horus. Gut. Weg jetzt.“

Nefer wich instinktiv zwischen die beiden nächsten Hallen zurück, erkannte jedoch, dass hier hinten niemand herauskam und wandte sich prompt zurück, um nicht im letzten Moment noch durch einen Blick zwischen den Häusern gesehen zu werden. Dann erst hob sie behutsam die Matte auf und huschte hinein.

Ein Lagerhaus wie tausend andere in kemet. Ein Gang, in Sandbetten auf der einen Seite waren Säcke und Amphoren gestapelt. Zwischen Zweien, ungefähr in der Mitte der Halle, entdeckte sie ihren Kollegen.

„Ptahnacht!“ flüsterte sie und ließ sich eilig nieder. Die Bösewichte konnten nur zu bald zurückkommen, wenn sie mit dem Schreiber gesprochen hatten. „Los, komm, beeil dich.“ Sie zog das Obsidianmesser unter ihrem Kleid hervor, froh, dass sie sich angewöhnt hatte, es immer bei sich zu tragen. Zum zweiten Mal schon kam es Ptahnacht zu Gute.

Der Wächter war kaum bei Bewusstsein und offenkundig systematisch zusammen geschlagen worden. Blut rann über seinen verstopften Mund, als er sich mühsam auf zerren ließ.

Nefer nahm den Knebel ab. „Wir müssen hier weg!“ zischte sie. „Los ,hoch mit dir, großer Krieger!“

Das war leichter gesagt als getan, dachte Ptahnacht, aber er gehorchte in dem Wissen, dass sie recht hatte. Auch Meruka hatte recht gehabt ihn nicht allein hier losziehen zu lassen. Zwei gute Gründe seine Partner zu schätzen. Dennoch spürte er, wie schwer er sich auf sie stützen musste.

Zu seiner gewissen Verwunderung bog sie direkt in das folgende Lagerhaus ein. Er wollte sich schon hinsetzen, als sie wie Sachmet persönlich fauchte: „Ich wusste nicht, dass sie dir das Herz zerschlagen haben!“

Das galt als Sitz des Denkens, aber er war zu matt um zu begreifen.

So fuhr sie ruhiger fort, bereits hastig in ihrem Beutel kramend, sich die Perücke abreißend: „los, zieh dich aus. Die werden dich doch suchen! Perücke weg!“

Er nahm sie ab und wickelte etwas mühsam seinen Schurz ab, den Strick, an dem der befestigt war. Was hatte sie nur vor? Zu seiner Verblüffung zog sie sich ebenfalls aus und nahm seine Kleidung. „Hier, zieh mein Kleid über!“ kommandierte sie. „Diese Narren suchen doch gewiss nach einem Mann.“

Er wollte schon einwenden, dass sie doch keiner sein, als sie sich bereits seinen Schutz umwickelte und ebenso hastig seine Perücke überstülpte. Immerhin reichte sie ihr bis zu den Schultern, das ging auch bei Frauen gut durch. Ihre war länger und er konnte, wie er sinnloserweise feststellte, die Haare zwischen den Schulterblättern spüren. Gleich. Er musste ihr Kleid überziehen. Immerhin waren Frauen und Männer fast gleich geschminkt, so dass es schon gehen würde … was hatte sie nur vor? Seine Gedanken waren viel langsamer als gewöhnlich, was nur zu einem Gutteil auf die Schmerzen zurück zu führen war.

„Dir ist wirklich schwer zu helfen,“ murrte sie, als sie ihre Ketten abstreifte und um sein Genick legte. „Hier, meine Sandalen und den Korb. Los.“

 

Ptahnacht gehorchte, noch immer verwirrt und zerschlagen, aber ihm war bewusst, dass Eile geboten war. Nur, sie konnte doch unmöglich als Mann durchgehen? Mit bloßem Oberkörper? Dann erst sah er, dass er nur das weißen Leinenkleid trug. Das darüber geworfene Netz aus Fayenceperlen, das ihr zum Schmuck gedient hatte, trug sie nun über dem Leinenschurz. Am Hafen gab es Tänzerinnen und Marktfrauen, die ihre Waren und Leistungen anboten, aber eben auch andere, die etwas mehr als nur Tanz bieten konnten. Jedenfalls würde kein Mensch daran zweifeln, dass sie weiblich war. Er raffte sich auf.

„Los!“ befahl Nefer ungeduldig und drückte ihm den Korb in die Hand. „Du bist eine alte Frau, gehst gebeugt, trägst schwer an deinem Einkauf. Verschwinde in den Gassen. Ich werde dich schon finden. Falls die Truppe zurück kommt, lenke ich sie ab.“

Dazu brauchte sie kaum mehr zu tun als so, wie sie eben vor ihm stand, aber Ptahnacht fand es besser, dazu nichts zu sagen. So meinte er nur ein wenig mühsam: „Du hast etwas gut bei mir.“

„Vergiss es nur nicht. Weg jetzt.“ Sie trat an den Vorhang zum Hauptweg und überprüfte die Lage. „Los jetzt. - Du gehst ja wirklich wie eine alte Frau,“ erklärte sie dann. „Halte den Kopf geneigt.“

Ptahnacht gehorchte, als er mühsam aus der Lagerhalle humpelte. Das würde er diesem Sextett nie vergessen! Hoffentlich wusste Meruka etwas mit seinem Bericht anzufangen. Diese Tracht prügel würde er den Männern der „Mins Stolz“ nur zu gern heimzahlen.

 

Unbehelligt gelangte er durch das schmale Tor in eine Gasse. Unwillkürlich drehte er sich um, aber er sah nur, wie Nefer scheinbar auf der Suche nach interessierten Kunden ihm in gebührendem Abstand folgte. So würde sie auch sehen, in welche Gasse er verschwand. Die schmalen Straßen hier waren leer, aus den Häusern drangen die Geräusche der fleißigen Hausfrauen, Töpfe, manchmal auch das leise Klappern eines Webstuhls. Die Einkäufe waren erledigt, oft auch das Bier im Haus gebraut, jetzt stand die Hitze des Mittags bevor und da zog sich jeder lieber in das doch angenehmere Haus zurück. Er war nicht böse darum, musste er sich doch nicht irgendwelchen kritischen Blicken stellen. Er bog erst nach links ab, als er eine Sackgasse erkannte, an deren Ende sich ein kleiner Platz öffnete, der mit einem größeren Sandhügel verziert war. Offenbar war hier eine der Gruben, in denen die ärmeren Stadtbewohner ihre Abfälle entsorgten. Nach jeder Ladung wurde Sand darüber gestreut, schon, um die Geruchsbelästigung gering zu halten. Er blieb dort stehen und sah sich um. Nefer kam bereits heran, sie war offenbar deutlich schneller geworden, als sie die relative Sicherheit der Gassen erreicht hatte. Unwillkürlich wich er zurück an die Wand, um von der Hauptstraße nicht gesehen zu werden. Das fehlte noch, dass diese Typen zurückkamen und ihn erneut in die Mangel nahmen. „Tauschen wir wieder unsere Kleidung,“ sagte er leise. „Wie sehe ich aus?“

„Die Frauen werden dir kaum zu Füßen liegen. Das dürfte einige blaue Flecke geben. Abschürfungen habe ich auch gesehen. Hier, deine Perücke.“

„Ja, danke, noch mal.“

„Was wollten die denn von dir?“

„Ich weiß von keinem Fehler, aber da soll Meruka drüber nachdenken, Er ist unser Genie und wozu hat man solche Leute. Naja, ich denke,“ ergänzte er ehrlich, als er sich den Strick umschlang: „Sie wollten mir die Neugier austreiben.“

„Schlagende Argumente? Überdies, sinnlos, das versuche ich seit Jahren.“ Aber Nefer lächelte, froh, dass ihm nicht ernsthafteres widerfahren war. „Gehen wir rasch zum Palast, am Besten in Merukas Zimmer. Ich weder zusehen, dass ich Rahotep finde, damit er dich verarzten kann und auch Meruka Bescheid geben kann. Ich muss zu Merit.“

„Weißt du,“ Ptahnacht rieb sich ein wenig das schmerzende Kinn: „Ich kann dominante Frauen ja im Allgemeinen nicht ausstehen, aber bei dir mache ich eine Ausnahme. Du hast nämlich heute laufend recht.“

„Nicht nur heute, und es wäre gut, wenn du dir das mal merken würdest. Komm jetzt.“

 

Mit ihren Amuletten und Schmuck kamen sie unbehelligt in den Statthalterpalast. Falls sich eine der Wachen wunderte, warum der Getreue des Königs ein Tuch um die Schultern und untere Gesichtshälfte geschlungen hatte, so fragte doch niemand nach.

Ptahnacht streckte sich in Merukas Zimmer mit einem gewissen Seufzen auf dem Bett aus, froh, dass er nicht mehr gehen musste. Das hatte doch recht weh getan.

Nur kurze Zeit später kam Rahotep, den Arztkoffer dabei. Er setzte den neben dem Bett ab. „Ich sehe schon. Bleib liegen. Nefer sagte, du bist zusammen geschlagen worden. Das wird blaue Flecken geben. Lass dich mal ansehen. Ich werde dich auf alle Fälle mit Korniferenharz, Antiu, einreiben. Das hier gibt Striemen. Da stand wohl ein Pfosten?“

„Ja, leider. Hast du Meruka erwischt?“

„Ja, ich konnte allerdings nur Andeutungen machen, denn er saß neben meinem Vater und dessen Schreibern. Gegen die Striemen hole ich dir nachher noch Milchsaft der Sykomore, den habe ich jetzt nicht dabei. Ja, hier am Auge auch. Kannst du dich umdrehen? Gut.“ Der Arzt strich den heilenden Balsam über den ganzen Körper. „Wie viele waren das denn?“

„Sechs.“

„Sechs gegen einen? Echte Helden.“ Er wandte rasch den Kopf, entspannte sich jedoch, als er seinen Vorgesetzten hereinkommen sah.

Meruka ließ die Türmatte hinunterfallen und trat näher. „Bericht,“ meinte er nur.

Ptahnacht begann mit der Unterhaltung mit der Fischerfrau und deren Man zum Thema Welse, dann die kurze Unterredung mit dem Kapitän der „Mins Stolz“ – und dem Überfall auf ihn.

Meruka hörte schweigend zu, sagte auch nichts, als der Krieger geendet hatte. Erst, als Rahotep sich aufrichtete sah er zu diesem: „Du gehst?“

„Ich komme noch einmal, ich hole nur Sykomorensaft.“

„Gut. Dann warte ich.“

Ptahnacht wäre es weitaus lieber gewesen die Meinung seines Vorgesetzten gleich zu hören, vor allem, ob der sagen würde, er habe einen Fehler begangen. Aber da half nichts außer Warten. So schloss er die Augen.

Als der Arzt zurückkam, meinte der Vorsteher der Schreiber: „Ich gebe dir recht, Ptahnacht, das verhalten dieses Kapitäns und seiner Mannschaft ist mehr als eigen, zumal für ein königliches Schiff. Du hast dich als Wache des Horus vorgestellt und es gibt keinen Grund, warum sie derart zuschlagen sollten. Überdies glaube ich, wenn dich Nefer nicht herausgeholt hätte, hättest du die reise in den Westen angetreten. Andererseits denke ich nicht, dass das etwas mit unserer Todesserie zu tun hat. Falls sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben sollten, wäre es weitaus einfacher gewesen, dich einfach zur Wildstier weiter zu schicken und fertig. Nein. Sie müssen entweder etwas an Bord haben oder bringen, das sie nicht dürften. Ich werde Merigeb von dem Überfall auf dich in Kenntnis setzen, wie es jeder hohe Beamte tun würde, wenn einer seiner Leute so zugerichtet wird. Er wird sicher Mins Stolz untersuchen lassen und die Mannschaft gleich dazu. Falls sie, wie ich vermute, etwas von dem Eigentum des Lebenden Horus an sich genommen haben, unterschlagen haben, werden sie ihre gerechte Strafe bekommen.“ Diebstahl am Eigentum des Herrn der beiden Länder wurde nicht, wie unter Privatleuten, als Zivilvergehen behandelt, das mit Rückgabe der Ware und einer Strafzahlung in Höhe des Doppelten oder auch Mehrfachen Preises geahndet wurde, sondern das galt als Gotteslästerung und Hochverrat – mit den entsprechenden Konsequenzen. „Eine gewisse Panik dürfte die Ursache sein, dass sie sich von dir verfolgt fühlten, ja, bedroht.“

Ptahnacht verzog das Gesicht. „Die Bedrohung lag wohl mehr auf ihrer Seite. Glaubst du nicht, dass sie, wenn sie etwas zu viel an Bord haben, das wegbringen?“

„Wir wissen nicht, ob sie überhaupt schon bemerkt haben, dass du weg bist. Deswegen werde ich mich beeilen und auch Merigeb zu promptem Handeln auffordern. Überdies – sie könnten Schmuggelware oder ähnliches nicht einfach in den Fluss kippen. Sie werden Mitwisser haben, Lieferanten oder wartende Kunden. Bis später. Bleibe nur hier.“ Meruka ging.

Rahotep nahm ein kleines Gefäß. „Also, Saft der Sykomorenfeige gefällig? Er heilt blutende Wunden gut ab, aber auch Striemen. Man verwendet ihn auch, wenn Delinquenten eine Tracht Prügel bekommen haben.“

„Du bist der Arzt.“ Aber der Wächter wusste, der kühle Milchsaft würde ihm gut tun.

 

Der adjmer des Neith-Gaus war alles andere als begeistert, als ihm Meruka von dem Überfall wahrheitsgemäß berichtete. Nun ja, er ließ die Kleinigkeit aus, dass Nefer Ptahnacht gerettet hatte und sich dieser verkleidet hatte, sondern meinte nur, der erfahrene Krieger habe sich selbst befreien können. Merigeb nickte bloß und befahl sofort „Mins Stolz“ zu durchsuchen und die gesamte Mannschaft festzusetzen. Er war alt und erfahren genug um zu wissen, dass bei weitem nicht die Menschen gut waren. Leider bezog sich das in diesem Fall auch auf ihn. So manch anderer Beamter wäre gern adjmer oder gar der militärische Befehlshaber gegen die tehenu. Meruka nahm er da tatsächlich aus. Der wollte anscheinend Karriere bei Hof machen, sonst wäre der kaum in das private Büro des Herrn der beiden Länder gegangen. Allerdings würde der diesen Zwischenfall sicher in seinem Reisebericht erwähnen, ja, erwähnen müssen – und das würde das Auge des tjati und damit des Lebenden Horus negativ auf ihn selbst lenken. Je höher ein Beamter stieg umso weniger wurden Fehler verziehen. Meruka wusste das anscheinend recht gut, denn er hatte ihm mit diesem prompten Lagebericht die Gelegenheit gegeben seinen Fehler auszubessern. Hatte die Besatzung etwa Waren, die dem Herrn der beiden Länder gehörten, getauscht, unterschlagen, so war das schlicht unerhört und sie würden namenlos in die Ewigkeit gehen müssen. Selbst, wenn sie nur das Schiff, das ja dem Lebenden Horus gehörte, für andere Zwecke als seine Dienste benutzt hatten, war das eine bodenlose Unverschämtheit. Und, da musste er seinem Gast recht geben – das Benehmen des Kapitäns und seiner Männer war mehr als verdächtig. Überdies ziemlich töricht, denn sie lenkten so ja die Aufmerksamkeit auf sich. Oder hatten sie etwa vorgehabt diesen Ptahnacht umzubringen und das nur herausgeschoben, weil sie einen wichtigen Termin hatten, den sie unbedingt einhalten mussten? Merigeb bemerkte erst, dass er diese Frage laut gestellt hatte, als Meruka erwiderte:

„Ja, das ist auch meine Meinung. Sie waren sehr aufgeregt, machten nicht nur einen Fehler, was darauf hindeutet, dass es sich kaum um kaltblütige Verbrecher handelt. Vielleicht ist das ihr erstes Mal, aber das wirst du sicher herausfinden können.“

„Mit Sicherheit.“ Der adjmer musterte den Schmuck des neben ihm Sitzenden. Ja, Seschat, die Göttin der Schreiber, aber auch der hängende Schakal – das Zeichen eines sab-Beamten. Zuerst hatte er geglaubt, das sei nur der Ehrentitel, aber anscheinend führte Meruka ab und an zumindest auch Ermittlungen für den Herrn der beiden Länder durch. Männer, die dies taten, genossen in aller Regel das Vertrauen des Horus, ebenso wie er selbst. Und als einer der Vorsteher des privaten Schreiberbüros war Meruka gewiss in der Lage jeden Tag den Lebenden Gott zu sehen, mit ihm zu sprechen. Umso wichtiger war es sich mit dem gut zu stellen, diesen Fehler unverzüglich zu bereinigen. Diese Bande konnte sich schon einmal auf eine ausgiebige Fragestunde einrichten, Stockschläge inklusive. Wenn ein Bauer seinen Pflichten, sei es dem Anteil der Ernte oder auch an Arbeit für den König, nicht nachkam, drohten dem ebenso Prügel wie jedem Beamten, der seiner Aufsichtspflicht nicht genüge tat, oder einem faulen Schreibschüler. „Ich werde die Aussagen noch abwarten, danach jedoch nach Ibenu-hedj fahren. Immerhin muss ich auch noch über den Feldzug gegen diese tehenu berichten. Wobei … Ich muss es noch überprüfen, aber du wirst es sicher eher wissen – reist nicht der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, in diesem Jahr wieder einmal nach Pe und Dep um die Zeremonien der Jagd zu vollziehen?“

„Oh, ja, natürlich.“ Meruka hätte nicht zugegeben, dass ihm das entfallen war. Leider bestanden damit gute Aussichten, dass der Lebende Gott kemets bereits in wenigen Wochen, eher Tagen, von ihm eine Lösung für die Todesfälle verlangte. Die Zeit wurde knapp. Gut, dass sie morgen bereits abreisten. „Wir werden sicher die Ehre haben ihn im Palast des Harpunierenden Horus empfangen zu dürfen. Was mich daran erinnert, ich möchte Kapitän Paadiptah sprechen, bezüglich der Abreise morgen.“ Das hatte er zwar schon, aber er wollte Merigeb darauf aufmerksam machen, dass noch ein königlicher Kapitän im Hafen gewesen war. Womöglich hatte einer der beiden Paadiptah, Kapitän oder Steuermann mit jemandem von der „Mins Stolz“ gesprochen.

Der adjmer bewies sofort, dass er mitdachte. „Ja, wenn ihr morgen schon abfahren wollt – dann sollte ich wohl auch noch mit ihm sprechen.“

Gut, dachte Meruka. Dann würde er auch hoffentlich noch das Ergebnis der Befragung erfahren, hoffentlich die Bestätigung seiner Vermutung, dass es sich um sehr kleine Leuchten handelte, nicht um die gesuchten Serienmörder. Vielleicht war alles doch nur Zufall, Unfall? Aber der Zwischenfall hatte bewiesen, dass es auch in königlichen Diensten Unsitten, ja, Verbrechen, gab.

 

 

 
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück