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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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Erste Nachfragen


 

N

achdem Baunefer höchstpersönlich Merit das Gästezimmer gezeigt hatte, sagte sie: „Du kannst dich einrichten Heute Abend gibt es dann einen großen Empfang, aber ich bin überzeugt, du hast entsprechende Kleidung dabei.“

„Ja, danke. Ich vermute, wenn man diesen Gang entlang geht, kommt man in den Privatgarten?“

„Ja. Allerdings hält sich dort meist meine Schwägerin auf. Meritneith. Sie wird heute Abend auch sicher nicht an dem Empfang teilnehmen. Sie ist erst vor kurzem Witwe geworden, die Beerdigung fand erst vor einigen Tagen statt. So wäre es nicht nur unziemlich, sondern würde sie belasten.“

Nanu, dachte Nefer prompt, hörte sie da etwas wie menschliche Anteilnahme heraus? Das entsprach nicht ganz dem Eindruck, den sie bislang von der Dame gewonnen hatte.

Merit nickte. „Ich werde darauf selbstverständlich Rücksicht nehmen. Möge das Ka ihres Mannes glücklich sein.“

„Nun, hier, das ist Tij. Sie wird deiner Dienerin zur Hand gehen und ihr auch die Wege zeigen.“ Die Hausherrin deutete auf eine sich rasch verneigende Dienerin mittleren Alters, deren weißen, schmales Kleid nur von einem bunt bestickten Gürtel geschmückt wurde, Der Machart nach ein Geschenk ihrer Herrin.

 

Weder Merit noch ihre erfahrenere Kollegin nahmen an, dass Tij nur eine Hilfe sein sollte. Ganz gewiss sollte sie auch Baunefer etwas über den Besuch berichten. Das Mädchen aus dem ipet sah nur zu ihrer Kollegin. „Das ist Nefer, Tij. - Ich danke dir, Baunefer, für die Gastfreundschaft. Es ist ein reizendes Zimmer.“ Das entsprach den Tatsachen. Wie alle Räume des Statthalterpalastes waren auch hier Wände und Säulen bunt bemalt, zeigten Reichtum und Macht des Hausherrn. Im Vorraum zu diesem Zimmer stand eine eigene kleine Wanne aus Sandstein, damit sich der Gast erfrischen konnte, das Gästezimmer selbst bot ein Bett mit hölzernen Füßen, eine Feuerschale, die Licht und Wärme spendete, denn das schmale Fenster erhellte kaum den Raum, schon, um ihn im Sommer kühl zu halten. Merit vermutete, dass auch Meruka ähnlich untergebracht wurde. Merigeb und seine Familie wollten sich sicher nicht Geiz nachsagen lassen und im Gegenteil die Geschenke des Herrn der beiden Länder präsentieren, wie hoch sie in dessen Gunst standen.

„Wenn du etwas benötigst, sage es nur Tij. Dein Gepäck wird sicher gleich gebracht.“

Ja, dachte Merit, und es war gewiss nicht durchsucht worden. Um so etwas zu verhindern hatte Meruka heute morgen noch alle Kisten versiegelt. Niemand, der bei klarem Verstand war, würde es wagen ein Siegel zu öffnen, auf dem das Zeichen der königlichen Kanzlei prangte. Sie gab zu, dass ihr Vorgesetzter an sehr viel, wenn nicht an alles dachte. Es war eine sehr interessante Arbeit. Ob sie diese nach der Heirat mit Menhekat noch durchführen könnte? Wohl eher weniger. Ausbildung zur maat-hor und viele Pflichten warteten, nicht zuletzt die Möglichkeit ein Kind zu bekommen, wenn möglich natürlich einen Sohn, der ihr den Weg zur Königinmutter ebnen würde. Das lag jedoch in der Zukunft, und sie sollte sich auf das Hier konzentrieren. So verneigte sie sich höflich ein wenig vor Baunefer, die das erwiderte ehe sie ging.

Nefer lächelte ein wenig Tij an, verlegen und schüchtern, eine Frau vom Land. Sie wusste, dass im Delta die Menschen aus dem tiefen Süden, wie sie, für dumm und simpel gehalten wurden. Aber sie war sich inzwischen sicher, dass Merit ihr helfen würde. Sie musste nur ihren Dialekt ein wenig betonen und niemand in Sau würde sie für voll nehmen.

„Dann kümmere dich, kümmert euch, um mein Gepäck. Nefer, ich möchte vor dem Empfang heute mich abschminken und dann noch baden. Jetzt gehe ich ein wenig in den hoffentlich schattigen Garten. Falls die Arme, wie hieß sie doch, dort ist, werde ich sie nur grüßen.“

Schön, dachte Nefer, also sollte sie sich um Tij und die anderen Dienstboten kümmern, wie Meruka ja schon gesagt hatte – und Merit würde versuchen mit der Witwe zu reden. Mal sehen, was dabei herauskommen würde. Erst nach diesem Empfang heute Nacht würden sie sich alle wieder treffen können. So wechselte sie in die schwere südliche Aussprache. „Es sind zwei große Kisten.“

„Ja, natürlich.“ Tij unterdrückte ein Lächeln. Leute aus dem Süden waren einfach verbauert.

 

Merit musste nicht fragen um den Garten zu finden. Die Holztür war leicht geöffnet, so dass frische Luft, aber auch etwas Wärme der Sonne in das winterkühle Haus kam. Sie blieb kurz in der Tür stehen und orientierte sich. Wie alle Gärten besaß auch dieser in der Mitte ein großes Wasserbecken, das hier vermutlich von dem Kanal gespeist wurde, der sich dort von rechts näherte und sicher zum Fluss führte. Mit diesem Wasser wurden bestimmt auch die Pflanzen gegossen, die hier wuchsen. Sykomoren und Akazien boten Schatten, weiter links gab es nahe der Gartenwand eine große Pergola, deren Schatten von Wein gebildet wurde. Wie praktisch. Im Herbst konnte man dort sitzen und genüsslich die Trauben pflücken. Wie alle Gärten war auch dieser von einer hohen Mauer umgeben, um den stetigen Sand und Wind abzuhalten. Um die Bäume waren kleine Erdwälle aufgeworfen um das Wasser zu halten. Im Teich entdeckte sie blauen Lotos, Mohn und Lilien blühten in Beeten. Aber sie interessierte sich mehr für die Frau, die in der Pergola saß und mehr oder weniger in den Teich starrte. Das musste Meritneith sein, denn zum Zeichen der Trauer trug sie noch immer die Haare offen und mit Asche bedeckt. Vorsichtig trat Merit näher. Die Witwe war ungeschminkt und wirkte wahrlich verhärmt. Es tat ihr fast leid sie stören zu müssen, aber nur so konnte sie selbst vielleicht etwas über diese mysteriösen Todesfälle herausbringen – und womöglich verhindern, dass andere in den Westen gingen, andere Frauen mit so leerem Blick da saßen.

Meritneith fuhr zusammen und blickte auf.

Das Mädchen aus dem ipet entschuldigte sich hastig. „Ich bitte um Vergebung, ich wollte nicht stören. Ich bin Meresanch. Ich kam heute als Gast mit dem Vorsteher der privaten Schreiber des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund. Du bist wohl Meritneith? Möge das Ka deines Mannes glücklich sein.“

„Danke, ja. Gäste? Davon erwähnte Baunefer nichts.“

„Sie wurde wohl überrascht. Ich weiß es nicht genau, denke jedoch wir wurden nicht angekündigt. Ich soll in Sau den Tempel der Neith besuchen“

„Bist du Priesterin? Andere dürfen doch gar nicht in den inneren Bezirk.“

„Ja. Und nein, ich bin keine Priesterin der Neith. Aber es gibt gewisse Regeln, Riten, die ich lernen soll, den Ort kennenlernen soll, ehe sie mich erreichen. Ich werde in wenigen Wochen den Falken im Nest heiraten.“

„Oh.“ Mit gewissem Interesse hob die Witwe doch den Kopf und sah ihre junge Besucherin an. „Ich verstehe. Einen...Bildungsreise. - Setze dich nur her.“ Sie deutet auf den zweiten Hocker. „Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich ….es war so schwer, weißt du? Neben jemandem zu stehen und ihm nicht helfen zu können. Der Arzt sagte ja, es sei eine Krankheit, die man nicht bekämpfen können, aber ….Es war schrecklich.“

Merit nickte nur und nahm die Hand Meritneiths. „Du hättest ihm gern geholfen, aber wenn schon ein Arzt versagt….“

„Ja., ich weiß.“

„So traf ihn wohl ein Fluch der Sachmet?“

„Ja, ich denke. Ich weiß nur nicht warum, er hat doch die Götter immer geachtet!“

„Man sagt, die Dämonen der Sachmet treffen unvermutet und wahllos. Auch meine Eltern und Brüder starben bei der Seuche an solchen Dämonen. Vor fast zehn Jahren. Ich war erst acht und stand allein.“

„Ja, die zornige Göttin ließ mir meinen Sohn. Er heißt Merira und ist schon aus der Schule, im Augenblick soll er eine Festung leiten, da ja der adjmer auf einem Feldzug war. Aber er darf sicher bald wieder zu mir.“

„Sicher.“ Merit überlegte, was sie noch sagen sollte und könnte. Immerhin hatte da gewisser Stolz auf den Sohn herausgeklungen.

„Deine Eltern starben an der Seuche? Wer waren sie denn?“

„Oh, mein Vater hieß Minnacht. Er war der Stadtvorsteher von Per-Bast und Milchbruder des Herrn der beiden Länder, er lebe, sei heil und gesund.“

„So war deine Großmutter die Amme eines Lebenden Gottes. Kein Wunder, dass du in Erwägung als maat-hor gezogen wirst.“ In der Stimme Meritneiths klang gewisse Bewunderung. Sie war aus guter Familie, aber hatte Sau kaum je verlassen. Der Hof, die Residenzstadt, hatten sie eher eingeschüchtert, dazu das strikte höfische Protokoll.

„Ich wollte dich hier nicht stören,“ meinte die junge Dame behutsam. Hier kam sie wohl kaum weiter. „Nur ein wenig die Einsamkeit genießen. Heute Abend soll ein Empfang stattfinden.“

„Ja, natürlich, wenn schon Gäste herkommen. - Ich würde ja auch müssen, wenn mein Ehemann noch leben würde ….“

Merit sah ihre Chance. „Du magst solche Empfänge wohl nicht? Es gibt immer gut zu essen, das muss ich sagen.“

„Ach ja, Baunefer und Merigeb lassen sich bei solchen Gelegenheiten immer etwas einfallen. Aber ich würde sowieso nichts essen wollen. Ich müsste immer daran denken, wie das letzte Mal ….“

„Oh, deinem Mann ging es nach einem solchen Essen so schlecht? War es etwa ein Fehler in der Küche? Und wurden auch andere Leute krank?“

„Oh nein!“ Meritneith war prompt bemüht Schwager und Schwägerin zu schützen. „Wirklich nicht! Es wurde niemand krank außer ihm. Und der Arzt sagte ja, es wäre ein dämonischer Wurm. Er erklärte es mir so, dass in einem Körper ein Fluss laufe, mit vielen Kanälen. Der giftige, dämonische Same käme dort hinein und würde etwas verstopfen. Deswegen soll man ja auch immer wieder Abführmittel nehmen. Leider hat es bei meinem armen Ehemann nichts geholfen und so schloss der Arzt eben auf einen Wurm. Ich hatte ja einmal einen Wurm im Zahn, der daran fraß, und ein Zahnarzt konnte das Loch verschließen und mir den Schmerz nehmen. Ich weiß, wie weh das tat. Merinut sagte ja auch zu mir, es sei, als oh er innerlich aufgefressen würde, so sehr schmerze es.“

Das war eine neue Information. Bislang war doch gesagt worden, die Opfer seien alle durch Ersticken gestorben? Schmerzte das etwa auch? Sie müsste es in jedem Fall Meruka und Rahotep berichten. „Ja, das hört sich schrecklich an. Möge sein Ka glücklich sein – und dein Sohn dich glücklich machen. - Ich werde dich wieder allein lassen. Ich möchte doch heute Abend hübsch aussehen.“

„Ja, natürlich. Baunefer wird auch ihren Schmuck tragen.“

„Das denke ich mir, ja.“ Merit erhob sich und ging, durchaus zufrieden dass sie hier offenkundig etwas Neues gehört hatte. Sie vermutete, wenn jemand am Ersticken sei, könne er doch nicht mehr sprechen. Also musste der Tote hier an etwas anderem gelitten haben. Handelte es sich etwa gar nicht um eine Serie von Todesfällen, sondern waren eben immer andere Ursachen dafür verantwortlich? Aber das sollten Meruka und Rahotep überlegen. Ihr Interesse sollte wahrlich sein heute Abend hübsch auszusehen, den königlichen Hof würdig zu repräsentieren. Zum Glück hatte sie auch ihren wertvollsten Schmuck mitgenommen, weniger, weil sie an einen großen Empfang in Sau gedacht hatte, als daran, dass sie womöglich dem Herrn der beiden Länder in Pe und Dep begegnen würde, wenn dieser dorthin fuhr, um die Riten der Flusspferdejagd und des Fischfangs zu vollziehen, um die Äcker zu schützen und die Menschen in kemet mit Fisch zu versorgen. Nun, es war besser, dass sie den Schmuck, den ihr der Lebende Gott kemets geschenkt hatte, dabei hatte, denn so könnte sie Baunefer im wahrsten Sinn des Wortes ausstechen. Derartiges besaß eine noch so hochrangige Frau nicht, die nicht der engsten königlichen Familie angehörte. Da sie es von dem Herrn der beiden Länder bereits erhalten hatte ohne mit Menhekat verheiratet zu sein, durfte sie diese Ehre gewiss auch nach außen zeigen. Zunächst jedoch sollte sie sich ausziehen und in dem kühlen Becken waschen und abschminken. Nefer sollte dann auch kommen um ihr zu helfen, so dass sie Neuigkeiten austauschen könnten. Meruka wollte ja stets, dass mindestens zwei seiner Mitarbeiter Informationen teilten, um sicher gehen zu können selbst alle zu erhalten.

 

Nefer hatte sich unterdessen mit Tij unterhalten, aber die Dienerin war ihrerseits zu neugierig auf das Leben bei Hofe gewesen, als dass sie allzu viel hätte in Erfahrung bringen können. Nur, aber immerhin, dass es an dem Abend, an dem Merinut erkrankt war, ebenfalls einen Empfang gegeben hatte, bei dem viele Speisen angeboten worden waren, darunter auch, wie Tij betonte, Ehrengeschenke aus dem Palast des Harpunierenden Horus, darunter der Nachtisch, Datteln in echtem Wein, wie es die Frau aus Sau nannte, also aus Trauben. Es hatte Rind gegeben, Ente, frisch gebackenes Brot aus der großen Bäckerei der Stadt, frisch angesetztes Dattelbier aus der Brauerei, dem auch reichlich zugesprochen worden war. „Das mag im Süden anders sein,“ erklärte Tij stolz. „Aber hier wird Honig mit hineingetan. Ich glaube, im Süden wird der von wilden Bienen gesammelt.“

„Ja, in der Wüste, oder deren Rand,“ hatte Nefer eilig gesagt, die durchaus schon gehört hatte, dass im Delta Bienen in langen Tonröhren gehalten wurden. Das war natürlich einfacher den da zu finden und einzusammeln, aber die Agentin wollte die Gelegenheit nutzen zu verdeutlichen, dass sich die Deltabewohner zu Recht überlegen fühlten.

Tij lächelte auch. „Na, komm. Deine Herrin wird sicher schon warten. Hat sie auch Schmuck dabei?“

„Ja, natürlich.“ Nefer hütete sich freilich zu sagen welchen, zumal sie auch nur gesehen hatte, dass einiges in blau aus Färberwaid gefärbtem Tuch eingehüllt war., auf dem in Gold ein Serech gestickt war. Sie konnte nicht lesen, aber sie wusste, dass darin immer und ausschließlich der Horusname stand.

 

Ptahnacht hatte sich bei Getränken und Essen von den Männern des adjmer von dem erfolgreichen Feldzug, oder eher, der Strafaktion, gegen die tehenu unterrichten lassen. Die gestohlenen Rinder waren ebenso zurückgeholt worden, wie Schafe und Ziegen der Stämme, die das Pech gehabt hatten dem Heer in die Quere zu kommen. Auch fast hundert Gefangene waren gemacht worden, die in den Süden gebracht werden würden, um in den Grauwacke-Steinbrüchen oder anderen Minen zu arbeiten, als Schadenersatz. Das war eine sehr gnädige Sache, befanden alle hier, immerhin hatten es die tehenu gewagt, das Eigentum des Herrn der beiden Länder anzurühren. Ein solcher Diebstahl konnte durchaus mit der Todesstrafe geahndet werden, auch, wenn diese relativ selten verhängt wurde.

Ptahnacht erkundigte sich behutsam, wie denn Empfänge, wie der heute Abend so stattfinden würden, wo die Wachen wären, und damit auch er, wie die Türen bewacht wurden. Auch in Sau, wie schon in Chem, wurde nur das Haupttor für die Gäste aufgelassen, alle anderen geschlossen und verriegelt. Nachtwachen passten auf, dass auch wirklich jeder nach Hause ging, der nicht in den Statthaltersitz gehörte. Es konnte also kein Fremder gewesen sein. Doch Unfall oder eine natürliche Krankheit, die nur die Ärzte nicht kannten? Er selbst hatte ja den Chirurgen auf einem Feldzug gegen die Sandleute eine Menge zu verdanken, sie hatten ihm das Leben gerettet, aber deswegen nahm er nicht an, dass jeder Arzt jede Krankheit kannte. Allerdings sollte der Oberste der Ärzte genug Ahnung haben, um zumindest in der Bibliothek nachschlagen zu können. Was also war nur passiert? Oder etwas ganz anderes, was jeder kannte – und an das keiner dachte, weil es eben alltäglich war? Was war da nur gerade für ein Gedanke vorbei gehuscht?

Er sollte besser zuhören, was die Kameraden hier so von sich gaben, erkannte er, als er zum zweiten mal gefragt wurde, wie denn die Wachen in Ibenu-hedj stationiert wären, was sie zu essen bekämen …. Hastig streckte er seinen Becher aus. „Gib mir noch Wein,“ forderte er. „Dann bekommt ihr es ausführlich zu hören, was es im Haus der Getreuen so gibt.“ Jetzt musste er selbst reden, aber darin besaß er Übung. Alle wollten wissen, wie es einem Wächter des mächtigen Horus erging, schließlich war das der Wunsch manches Kriegers.

 

Rahotep hatte sich einige Zeit mit seinem Vater unterhalten, dem über seine Karriere und die Aussichten berichtet, zumal als Arzt der königlichen Familie, genauer, der Königssöhne, ehe er sich noch zu seiner Mutter begab. Baunefer wollte, wie eigentlich immer, wissen, ob er sich nicht eine Ehefrau aus guter Familie suchen wollte, er wiegelte, ebenso wie immer, damit ab, dass er zum Einen seine Verlobte nicht vergessen könne, zum Zweiten doch erst noch seinen beruflichen Fortgang beschleunigen wollte. Und solch eine Reise wie hier wäre mit Ehefrau und kleinen Kindern doch schlechter möglich. Danach allerdings suchte er den Arzt der Familie auf, der drüben, in einem Haus direkt neben dem Neith-Tempel wohnte und arbeitete – und der sich sehr über sein Kommen freute, zumal er Nachrichten aus erster Hand aus dem Haus des Lebens in der Residenzstadt erhoffte. Nach seiner Ausbildung war er doch seltener dort gewesen, aber er kannte einige der königlichen Ärzte noch aus dieser Zeit.Sein Name war Djehutimose und er war schon sehr lange in Sau, noch unter dem früheren adjmer, ehe mit der Thronbesteigung Horus Quahedjets auch dessen Vertrauter der Wächter der westlichen Wüsten geworden war. Nicht, dass der Arzt am Urteil des Lebenden Gottes auch nur zu zweifeln wagte. Merigeb war ein hervorragender Verwalter und Schützer des delta, das klang in seiner Rede immer wieder heraus, wenn er dessen Sohn aus den letzten Jahren erzählte.

Rahotep hörte eine Weile geduldig zu, ehe ihm einfiel, dass er sich wohl auch noch für den Empfang heute Abend waschen und umkleiden musste. Es wäre undenkbar gewesen für einen königlichen Arzt, aber auch den Sohn des Gauvorstehers, in einem zerknitterten oder gefleckten Schurz, ungewaschen und ungeschminkt aufzutauchen. So kam er etwas abrupt zu dem Thema, das ihn eigentlich interessierte. „Ich hörte, du warst dabei, als Onkel verstarb. Du konntest nichts tun.“

„Nein, leider nicht. Die Boten der Sachmet hatten zugeschlagen. Ich versuchte es natürlich, mit einem Getränk aus Sellerie oder auch noch einem Abführmittel aus dem Granatapfelbaum aus retenu. Selten und teuer, wie du weißt, aber ich hoffte doch noch, es sei ein gewöhnlicher Wurm.“

„Das war es nicht.“ Ja, Sud aus Granatäpfeln vertrieb sehr sicher die Asch- Würmer aus dem Körper. „Du hast keinerlei Mittel gescheut, entnehme ich dem.“

„Das ist wahr. Aber, nun, du weißt es selbst, Rahotep. Es gibt Krankheiten, die man nicht heilen kann. Dennoch suchte ich noch durch Räuchern ihm Linderung zu verschaffen, die Dämonen mit dem Geruch des Weihrauchs zu vertreiben. Auch ohne Erfolg. Er wurde immer matter, rang immer mehr nach Atem und verstarb schließlich. Ich konnte für deine Tante noch Beruhigungsmittel brauen. Sie war sehr erschöpft und litt mit.“

Weihrauch stammte von Sträuchern, die noch tief im Süden von kemet wuchsen, ja, von weiter her, aus retenu oder auch kusch beschafft wurden. Man benötigte ihn für die Götter und natürlich den Horus, um die Riten zu vollziehen, aber auch für manche Räucherung bei schwerkranken Patienten. Bei einigen wurde es wirklich besser.Man konnte ihn als Arzt oder Priester nur über den Palast des Horus beziehen. Nein, Dejutimose hatte wirklich an nichts gespart. Ein ärztlicher Kunstfehler war ausgeschlossen, wie er es sich eigentlich bereits gedacht hatte. Immerhin gab es auch den Tod von Merithor in Chem und die anderen Vorfälle. „Ja, du hast wirklich alles unternommen. Aber es gibt eben Dinge, die auch ein noch so kundiger Arzt nicht heilen kann. - Verzeih, wenn ich das nochmals frage, aber ich möchte auch lernen, da du viel erfahrener bist als ich. Onkel wurde immer matter? Rang er erst dann nach Atem oder bereits zuvor?“

„Als ich gerufen wurde bekam er kaum mehr Luft. Aber er hatte kein Fieber, obwohl sein Puls sehr rasch schlug. Ich vermutete, er kämpfe mit einer Krankheit, aber ich sah keine. Sein Atem ging auch immer rascher und er begann zu keuchen, konnte auch nicht mehr sprechen. Obwohl deine Tante sagte, zuvor hätte er es noch vermocht. Aber sie riefen mich erst im Morgengrauen.“

„Ich verstehe dein Problem, das du Ramose schriebst.“ Das klang eigentlich auch nicht nach einer der bekannten Lebensmittelvergiftungen. Und überhaupt – wieso nur eine Person? Dieses Rätsel blieb. Meruka tippte ja auf Öl oder Parfüm, aber das erschien Rahotep doch recht weit hergeholt.

„Ach ja, der Oberste der Ärzte ist ja dein Lehrer. Alle anderen, die an dem Empfang teilnahmen waren übrigens unversehrt. Es kann nicht am Essen gelegen haben.“

„Ich danke dir.“ Rahotep erhob sich, doch ein wenig unzufrieden.
 



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