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Unter den Schwingen des Horusfalken 2

Die Gefahren des Delta
von

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Nachdenken


 

N

ach dem Abendessen mit dem jungen Festungskommandanten und Rahotep war Meruka überzeugt sehr viel neu erfahren zu haben. Oder auch nicht.

 

Der adjmer, Gauvorsteher, des Neithgaus war nach den Meldungen über die Überfälle unverzüglich aufgebrochen, zunächst mit allen in Sau und Umgebung verfügbaren Männern, die anderen waren unter Befehl seiner engsten Mitarbeiter gefolgt. Die Regierung des Gaus hatte er seinem Bruder anvertraut, der das schon öfter durchgeführt hatte. Nicht seinem Sohn. Schön. Laut Rahotep war das immer schon so gewesen, dass Merinut die Vertretung innehatte, noch aus Zeiten, als die jeweiligen Söhne in Ibenu-hedj in der Ausbildung waren. Überdies war Merinut der Stadtvorsteher gewesen. Rahotep selbst, der als Ältester gewiss in Frage gekommen wäre, hatte sich für den Beruf des Arztes entschieden, eine Wahl, mit der sich inzwischen auch sein Vater angefreundet hatte, zumal die Karriere seines Sohnes doch recht zufriedenstellend für den hohen Beamten verlief. Der junge Merira hatte hier als Festungskommandant arbeiten sollen – das Interesse der Familie und die Sicherheit des Gaus wahrend und doch etwas außerhalb der eigentlichen Gefahrenzone eines Krieges.

Soweit Merira wusste, war sein Vater nach einem Abendessen erkrankt, das er im Kreis der Familie zu sich genommen hatte. Es waren also mindestens seine eigene Ehefrau, seine Schwägerin, Rahoteps Bruder und dessen schwangere Ehefrau dabei gewesen. Und nur Merinut war erkrankt und nach wenigen Tagen in den Westen gegangen. Wieder die Symptome einer Lebensmittelvergiftung, wieder nur ein Opfer im Kreis einer Familie. Was war bloß falsch? War es doch ein Salböl? Irgendetwas vollkommen anderes, an das niemand dachte?

Er brauchte mehr Informationen, und die würde es in Sau geben. Und de facto vor allem im Palast des Harpunierenden Horus in Pe und Dep und dessen Domänen. Aber da sollte man vorsichtig mit der Tarnung sein. Merit würde natürlich als Königstochter agieren können, er selbst als Vorsteher der privaten Schreiber des Lebenden Gottes - aber, um in die Scheunen und Werkstätten gehen zu können wäre etwas anderes notwendig. Und würden Ptahnacht und Nefer die wichtigeren Sachen übernehmen können und müssen. Und auch und gerade Rahotep als Arzt. Was passierte wo und welche Wirkung konnte es haben?

Nun, erst einmal sollte er sich die Vorgehensweise in Sau gut überlegen. Es handelte sich um Rahoteps Familie, und auch, wenn der Arzt gelernt hatte nüchtern und sachlich zu agieren – es war nun einmal seine engste Familie. Überdies war der adjmer, der Gauvorsteher, Merigeb, einer der Männer, denen der Herr der beiden Länder am meisten vertraute, auch entfernt mit diesem verwandt.

 

Meruka verschränkte die Hände hinter dem Kopf – eine sehr unübliche Haltung, wie er wohl wusste, aber so dachte er am Besten nach.

Er würde Rahotep sein Leben anvertrauen, kannte den seit sieben oder acht Jahren – aber wie reagierte der in seiner Familie? Es half nichts, er musste sich selbst gegen seinen Freund absichern. Wobei, Freund? Das durfte man sich bei verdeckten Ermittlungen nicht leisten. Er wusste, seitdem ihn Hekaptah, der Siegler des Königs und dritter Mann in kemet, der Ehemann seiner Mutter, ihn seit drei Jahren so einsetzte, dass er seine Mitarbeiter in Gefahr und womöglich den Tod schickte. Aber das hatte er auch schon als Befehlshaber einer Schar von fünfzig Männern gegen die Sandleute tun müssen, und da war er knapp achtzehn gewesen. Das war der Preis, wenn man hoch in der Hierarchie stand, lesen und schreiben konnte. Und manchmal fragte er sich, wie Hekaptah oder auch der tjati, Sobeknacht, das empfanden. Die Verantwortung, die sie trugen, wog noch viel schwerer. Der Herr der beiden Länder, Horus Quahedjet, mochte das ähnlich verspüren, war er doch ein Gott und den anderen Göttern gegenüber für die Aufrechterhaltung der maat in kemet, und damit in allen Ländern, über denen die Sonne aufging, verantwortlich.

Nun, Selbstmitleid half nicht. Er musste einen Plan haben, wenn ihn seine Mitarbeiter später aufsuchten.

 

In dem kleinen Raum, in dem man sie und Nefer als ihre vorgebliche Dienerin untergebracht hatte, wartete Merit geduldig bis diese wiederkam. „Sie waren neugierig?“ fragte sie nur.

Die „Wärterin des Apisstieres“, wie Nefers offizieller Priestertitel lautete, dem sie ihr geregeltes Einkommen verdankte, nickte schlicht, als sie sich niederließ. „Das kannst du dir vorstellen. Es ist eine Festung des mächtigen Horus, er lebe, sei heil und gesund, aber dennoch haben sie meist nur Beamte zu Gast, die eben dort übernachten. Frauen haben sie selten. Und natürlich wollen sie möglichst viel über das Leben in einer Stadt wie Ibenu-hedj wissen oder gar am Hofe des Herrn der beiden Länder.“

„Ich denke mal, du hast sie auch ausgefragt?“

„Natürlich.“ Die Ältere beschloss aus der auf dieser Reise gewonnen Erfahrung ehrlich zu sein. Merit gab sich Mühe und sie sollte ihre persönliche Antipathie gegen eine junge Frau, die in ihrem Leben kaum auf Probleme gestoßen war, sein lassen. Das war unprofessionell. „Der Trick ist in tausend Worten weniger zu sagen, als der Andere in hundert. - Der Befehlshaber der Festung ist der Sohn des Toten, Merira, ungefähr fünfzehn. Er erhielt das Kommando, da sein Vater die Stadt Sau leiten sollte, während der eigentlich Verantwortliche, namens Merigeb, sich mit Tausenden von Männer auf einem Feldzug gegen aufsässige tehenu befindet.“

„Das ist Rahoteps Familie.“

„Ja. - Wir werden heute sicher kaum mehr Anweisungen erhalten, eher morgen, wenn wir Meruka wieder sehen und an Bord der Wildstier gehen.“

„Darf ich dich noch zu Meruka etwas fragen, oder eher, zu dem, was du für ihn in meiner Kiste hast?“

Nefer, die bereits die Augenbrauen hochgezogen hatte, verstand. „Nichts privates, der Bogen?“

„Ja. Ich wusste nicht, dass ein Bogen aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden kann.“

„Wird er gewöhnlich auch nicht. Aber Meruka hat ihn von einem besonderen Lehrer, einem Nubier, den sein Vater einst gefangen nahm. Der bildete ihn im Bogenschießen aus. Er war vom Stamm der Medjai. Sie sind berühmt für ihre Bogenkünste. Und Meruka war wohl ein guter Schüler.“

„Ich dachte in kemet gibt es nur Lanzenträger und Steinschleuderer.“

„Und wenige Bogenschützen, geschweige denn solche, ja. Ich weiß nicht genau, was er kann. Ptahnacht sah einmal, wie er auf mehr als dreißig Schritte einen Mann tötete. Und dass das seine noch sichere Entfernung ist. So ein Bogen muss ja erst auch noch zusammengebaut und gespannt werden. Ich weiß nur, das Meruka da sehr schnell ist.“ Nefer lächelte etwas. „Ich bin froh, dass ich in aller Regel auf seiner Seite stehe.“

Merit rieb sich unbehaglich die Arme. „Seltsam. Ich hätte immer gedacht, dass er eben ein Schreiber ist und denken kann. Und Ptahnacht der Gefährlichere ist.“

Nefertari lächelte etwas. „Wir sind alle irgendwie gefährlich. Auch Rahotep oder ich. Ich würde sagen, du reist in ziemlich gefährlicher Begleitung durch kemet, Königstochter.“

„So sollst du mich nicht ansprechen, das steht mir nicht zu,“ protestierte Merit prompt, aber sie dachte nach. „Ja, vermutlich. Und in kaum sichererer.“

 

Die drei männlichen Gäste hatten ein gemeinsames Zimmer in der Enge der Festung zugeteilt bekommen und es war bereits spät, als auch Rahotep zu seinem Vorgesetzten und Ptahnacht zurückkehrte. Er hatte noch mit seinem Cousin geredet und zog sich Perücke und Schmuck ab.

„Noch etwas Neues?“ erkundigte sich Meruka.

„Leider nein, nichts, was zu unserem Fall passt. Außer, dass Merira ein Mädchen im Auge hat, aber er hat sie noch nicht gefragt.“

„Aus Sau.“

„Ja. Sein Vater hätte wohl nichts dagegen gehabt, aber der meine. Nun ja. Das ist wie bei mir. Er befürchtet, wenn man nicht rasch und gut Verbindungen knüpft, kann man nie wirklich weit aufsteigen.“

„Deswegen war er auch gegen deine Lehre als Arzt?“ fragte Ptahnacht, der sich bereits niedergelegt hatte, aber bei Weitem nicht schlief.

„Ja. Ein Arzt ist eben, bis auf die ranghöchsten Männer, nur ein unterer Hofbeamter, über „semer des Hauses“ kommst du nicht hinaus.“ Und der Hoftitel, der die Nähe zum göttlichen Falken anzeigte, zählte weit mehr als der Amtstitel. Selbst im Grab galt diese Regel: wenn man nur einen Titel schreiben konnte, wählte man den ranghöchsten Hoftitel.

„Das ist wahr.“ Meruka dachte kurz nach. „Aber er ließ dich studieren, nachdem der Vorsteher der Ärzte und Älteste des Lebenshauses deine Bildung übernahm.“ In der Hoffnung, dass der seinem Sohn in die höchsten Ehren helfen würde.

„Ja, genau. Und ich denke, als ich ihm vor einigen Wochen schrieb, dass ich semer und königlicher Leibarzt geworden bin, hat ihn das doch sehr beruhigt.“ Ein Mann, der nur den Titel eines „semer“ führte, stand im Hofrang über dem „semer des Hauses“, da er näher zum Herrn der beiden Länder durfte, bei Audienzen oder auch einfach in den diversen Wartehallen. Früher hatte dieser Titel sogar nur Königssöhnen zugestanden, nun gut, vor hundert Jahren. Und ein königlicher Leibarzt wurde bei Problemen in der königlichen Familie gerufen, gar des Herrn der beiden Länder selbst, durfte ihn manchmal sogar berühren. Das war sicher etwas, was auch seinen Vater beeindrucken konnte, denn dieser war als so ranghoher Provinzbeamter durchaus auch oft genug bei Hofe, um die dortigen Spielregeln zu kennen. Schließlich wollte der tjati mindestens ein Mal im Jahr persönlichen Bericht, nach solchen Zwischenfällen wie im Augenblick mit den Sandleuten des Westens sicher auch prompt. Falls nicht sogar der Lebende Horus persönlich Bericht wünschte.

„Gut.“ Meruka zog sich die Decke über und drehte sich seitwärts, um die Schläfe auf seine private Kopfstütze zu legen, die für seine Schulter maßgefertigt worden war. „Dann weiß ich schon, wie ich dich deinem Vater vorstellen werde. - Und überlege dir, Rahotep, ob dir nicht noch irgendeine Pflanze, ein Öl, einfällt, dass diese Symptome hervorrufen kann – obwohl es vielleicht in einem vollkommen anderen Zusammenhang steht.“

„Die Bücher der Ärzte werden seit Jahrhunderten geführt, Meruka. Was da drin steht, ist hundertprozentig wahr und erprobt. Nur, wenn etwas Ungewöhnliches und Neues dazu kommt, wird es ergänzt. Es können nicht alle Ärzte vor dir sich geirrt haben. - Nun ja. Ein anderer Zusammenhang. Vielleicht ein neues Salböl, ein neuer Duft, ausprobiert, mit verheerenden Folgen, meinst du.“

„Ja, genau das.“ Meruka wusste, er musste behutsam sein. Alle Ärzte hatten eine lange Lehre hinter sich und das Wissen ihrer Vorgänger gelernt. Sie hatten es nicht gern, wenn ein Laie daran zweifelte.

 

Nach dem ausgiebigen Frühstück, der Mundwaschung, wie man es nannte, zu dem auch die beiden Damen geholt worden waren, wurden die Besucher, Merit und Meruka in den hölzernen Sänften, wieder zurück zu der Wildstier begleitet,

Kapitän Paadiptah begrüßte seine hohen Gäste bereits vor seinem Schiff mit einer tiefen Verneigung, wartete jedoch höflich ab, bis der ranghohe Schreiber der jungen Dame an Bord geholfen hatte und diese mit ihrer Dienerin sich in die Hütte zurückzog, gewiss, um ihre Kisten wieder einzurichten. Frauen hatten doch immer recht viel Schmuck und Schminke, je ranghöher sie waren, desto mehr, wobei auch die Herren da kaum zurückstanden.

Meruka senkte seinen Amtsstab auf den Boden um sich abzustützen. „Nun, Kapitän?“

„Ich weiß bislang noch nicht, wie dein weiterer Reiseplan aussieht. Nun, ja, Sau, aber dann? Muss ich die Männer austauschen oder bekommen sie zwei Tage in Sau?“

„Du sorgst dich um sie, das ist gut und zeugt von deiner Verantwortung. - Nein, ich denke, wir sind sicher zwei Tage in Sau und sie können sich erholen.“ Sau war mit Rahoteps Hilfe einfach DIE Gelegenheit herauszubekommen, was genau bei diesen fatalen Essen serviert wurde oder überhaupt geschah. Das wäre der Ort an dem man, mit Ausnahme eben des Königspalastes bei Pe weiterkommen musste. Er musste es schaffen. Vor dem lebenden Gott kemets versagte man nicht – die Konsequenzen für das jetzige Leben und in alle Ewigkeit waren zu schrecklich.

 

Auf der weiteren Fahrt in den Norden wurde es merklich kühler und begann zu regnen, ein seltener Genuss, der weder Meruka noch seine Mitarbeiter davon abhielt, sich unter dem Sonnendach leise zu unterhalten, gegenseitig Bericht zu erstatten.

„Es ist wahrlich ein Rätsel,“ murmelte Merit am Ende. „Wenn alle das Gleiche gegessen haben ….“

„Und es unterschiedliche Wirkungen hatte, ja.“ Meruka sah sie an. „Aber das bedeutet nur, dass vermutlich etwas anderes als das Essen die Ursache des Todes war.“

Sie sah ihn an. „Und was, glaubst du?“

„Ich glaube gar nichts. Wir müssen es finden.“

„Ich habe nachgedacht,“ sagte Rahotep. „Deine Idee mit einem Salböl wäre im Prinzip gut. Es wurde, nun, sagen wir verunreinigt, und das spätere Opfer freut sich ein so wertvolles Geschenk des Herrn der beiden Länder zu erhalten. Es reibt sich ein, natürlich nur sich selbst, und stirbt. Das wäre durchaus denkbar, es gibt gewisse Stoffe, die ich natürlich nicht nennen werde. Nur: in Chem war es die Hausherrin, in Sau mein Onkel, woanders Kinder … Wer gibt seinen Kindern solch ein Fläschchen in die Hand? Das wertvollste Öl überhaupt? Womöglich denken wir zu kompliziert und es handelt sich um etwas ganz einfaches, das wir nur nicht sehen.“

Der königliche Schreiber nickte. „Ja, das befürchte ich auch. Es gibt manche Menschen, die auf bestimmte Nahrung hin krank werden. Womöglich so etwas, aber in Salbenform. Und es kam nur auf, weil es sich eben um hochstehende Personen handelte, die einen Arzt befragen konnten. Ich befürchte, dass durchaus hundert Bauern gestorben sind.“

„In diesem Fall würde es aber kaum um königliche Geschenke gehen,“ warf Merit prompt ein.

Meruka nickte erneut, froh, dass seine Mitarbeiter auch mitdachten. Schon in jungen Jahren, bei Einsätzen gegen die Sandbewohner, hatte er gelernt, dass nur Befehle erteilen zwar einfacher war, aber nicht unbedingt zum Erfolg führte. „Ja, aber das müssen wir eben herausfinden. Wenn ein bestimmtes Öl Menschen in den Westen schickt, wird der göttliche Falke, er lebe, sei heil und gesund, das sicher nicht mehr herstellen lassen. Liegt dagegen ein Fehler eines Menschen vor, nun ….“ Ja, dann würde der Schuldige den Zorn eines Gottes zu spüren bekommen. Aber, und da machte sich Meruka keine Illusionen, fand er keine Lösung, würde er eben dieses tun. Und auch sein Stiefvater würde ihn weder schützen wollen noch auch nur können. Der Fluch des Herrn der beiden Länder war wirksam und mächtig in alle Ewigkeit. Abgesehen davon, dass er sich auch nur ungern als Befehlshaber über fünf Mann, oder gar als Rangniedrigster, an einem öden Wachposten am Horusweg nach Osten wiederfinden würde. „Wenn wir in Sau sind, Merit und Nefer, redet mit den Frauen. Rahoteps Mutter heißt Baunefer, ihr Mann ist auf dem Feldzug. Ihr zweiter Sohn heißt Cheprihotep und ist momentan der Stadtherr, in Vertretung seines Vaters. Sesheshet ist seine Ehefrau. Die Witwe des Opfers und Mutter von Merira, unseres Gastgebers letzte Nacht, heißt Meritneith. Kennst du jemanden, Merit?“

Das Mädchen aus dem ipet dachte kurz nach. „Baunefer, denke ich. Sie hat den Titel einer Königsbekannten und war öfters auch bei der maat-hor oder der Königinmutter, wenn sie in Ibenu-hedj waren.“ Sie warf einen Blick auf Rahotep. „Ich habe allerdings nicht gewusst, dass sie deine Mutter ist.“

Der Arzt zuckte ein wenig die Schultern. „Nun ja, ich besuchte sie bislang, wenn sie in Ibenu-hedj waren. Vater nimmt Mutter ja immer mit, wenn er Bericht erstattet oder Steuerklärungen abgibt. Ihre Familie stammt aus Nechen und so bietet es sich an, dass sie sich bei den jährlichen Treffen sehen können. Ich selbst lebe seit meiner Ausbildung im Lebenshaus. Ich werde mit meiner Muter auch reden, mit meinem Bruder, aber ihr seid natürlich auch gefragt. So nahe wie in Sau kommen wir an keine andere der betroffenen Familien heran. Und, ehrlich gesagt, ich habe meinen Onkel gemocht. Ich möchte gern wissen woran er starb und damit auch die anderen. Ich gebe zu, ich persönlich vermute, dass es nicht am Essen lag sondern an etwas anderem. Meruka meint Salböl oder so, das mag sein. Aber das würde wenigstens erklären, warum es nur eine Person traf. Es könnte ein Gewürz, ein Kraut, aus der Fremde sein, ich hörte schon einmal, dass jemand ausgerechnet auf den göttlichen Weihrauch reagierte.“

„Ich denke auch an den Versuch Menhekat zu töten,“ erwiderte der Gruppenleiter sofort. „Eine Feuerschale mit gewissen Kräutern. Aber, sowohl dein Onkel war verheiratet, als auch in Chem Merithor, sie hatte sogar Kinder. Das Risiko nicht nur einen, sondern mehrere zu treffen, falls es Absicht war. War es nur ein Versehen? Hat jemand neue Kräuter als Tribut nach kemet geschickt und niemand kennt die Gefährlichkeit? Und, da sie so kostbar sind, werden sie eben auch selten verarbeitet und verteilt? Ich bezweifle nicht, dass der Stadtvorsteher von Chem, Anchsachmet, oder auch deine restliche Familie, Rahotep, unschuldig sind. Das ist kein einfacher Mord. Niemand anderer hat etwas bemerken können. Aber es ist eben die Frage ob Fahrlässigkeit oder Mord. Wir drehen uns im Kreis. In Sau liegt die beste Möglichkeit etwas zu finden. Und, leise jetzt.“ Er sah warnend zu den Ruderern.

Nefer begriff sofort. „Oh, Herrin,“ begann sie lauter als nötig, aber ja, einige Ruderer bemühten sich anscheinend zuzuhören, was bei dem Wind und Regen schwierig war aber natürlich musste man vorsichtig sein. „Sieh doch, da drüben, ein Flusspferd. Ich hörte, das sind die gefährlichsten Tiere in ganz kemet. Aber so ein großes Schiff werden sie nicht angreifen.“

„Nein, du kannst unbesorgt sein,“ erwiderte Ptahnacht prompt. „Sie greifen solche hölzernen Schiffe nicht an, nicht einmal die Papyrusboot, die hier im Delta üblich sind.“

„Überdies hat der Kapitän gestern und vorgestern stets Opfer gebracht, um die Götter zu beruhigen,“ meinte Merit. „Das sollte man nie vergessen. Und er machte auch, als wir losfuhren das Handzeichen gegen … nun ja, Seths Tiere.“ Man sollte die Gefahr nie aussprechen oder zeichnen, sonst wurde sie zur Wirklichkeit. Selbst in den Gräbern wurden Tiere, die gefährlich werden konnten, nur teilweise oder tot dargestellt, Schlangen zumindest durchgestrichen. „Oh, mir fällt ein, Nefer, wenn wir im Palast des Harpunierenden Horus sind, können wir sicher auch das Öl bekommen, das aus dem Horn gewonnen wird.“

„Äh, Antilopenhorn?“ Nefer war ehrlich verwirrt.

„Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht. Es ist aber sehr selten und mir sagte Hekaptah, der Siegler, zu, dass ich ein Fläschchen bekommen könne. Hornöl, heißt es, das weiß ich. Und ich weiß, dass die Königinmutter es erhielt. Der mächtige Horus, er lebe, sei heil und gesund, verwendet es sogar zur Ehre der beiden Herrinnen, wenn er morgens deren Riten im Tempel vollzieht.“ Der Kronengöttinen, die ihn wie eine Mutter beschützten.

Hornöl. Meruka dachte nach. Das kannte er nicht, aber er vermutete so etwas Seltenes als Ursache. Solange man Götter damit schmückte, geschah nichts – und bei Menschen? Andererseits: wieso wirkte das dann nicht bei dem Herrn der beiden Länder selbst? Weil er eben göttlich war und die Opfer Menschen? Dann wurde die Ermittlung nur noch schwieriger. In göttliche Sphären konnte man sich kaum vorwagen.

 
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Bis heute konnte meines Wissens niemand sagen, aus was das "Hornöl" bestand.
Der Bogen, den ich Meruka gegeben habe, entspricht einem, der in einem Grab aus der 2. Dynastie gefunden wurde und heute im Ägyptischen Museum Berlin liegt.


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