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Enemy mine - geliebter Feind

von

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Kapitel 7

Es war April, die vorschlug, jemand solle nach Saber sehen und Fireball, der Colt davon abhielt in seiner aufgewühlten Stimmung loszustürmen. So knobelten sie es aus und nun stand die Blondine an der Rampe und beobachtete das Geschehen an deren unterem Ende.

Saber schien die Welt um sich herum völlig vergessen zu haben, woran eindeutig, oh so eindeutig, die junge Frau Schuld war, von der er sich scheinbar nicht lösen konnte und wollte. Hochleistungsknutsch dieser Art konnte man sonst nur im Kino sehen.

Sie fühlte sich genötigt, das zu unterbrechen, ehe Colt das ungehalten tat. Sie räusperte sich, vernehmlich wie sie hoffte. Doch nur Beth zuckte leicht zusammen, was entweder daran lag, dass sie die Navigatorin gehört hatte, oder an dem sachten Biss Sabers in die sanfte Kontur ihrer Unterlippe.

Sie musste also deutlicher werden.

„Hkm. … Alles okay bei euch?“, rief sie. Sie verfluchte gedanklich ihr Pech beim Knobel verloren und diesen Job an Land gezogen zu haben, andererseits wollte sie Colt Reaktion auf diesen Anblick nicht bis auf die Brücke hören. Sie konnte sich die lebhaft vorstellen.

Jetzt zumindest löste sich Beth von Saber und ließ ein verlegenes „Äh“ vernehmen, bei dem April sich unterdrückt grinsend fragte, ob Outrider nicht doch an Sauerstoffmangel leiden konnten.

Saber räusperte sich und drehte sich zur Navigatorn um. „Alles gut. Ist was passiert?“

April presste erneut die Lippen auf einander, um nicht grinsen zu müssen. Dass alles gut war, glaubte sie sofort. Dass ihr Boss bestimmt unter Sauerstoffmangel litt, ließ seine Frage vermuten. Ach, sie gönnte es ihm ja. Trotzdem, nein gerade deswegen, musste sie jetzt auf den Punkt kommen.

„Ich hab beim Knobeln verloren und soll schauen, wo du bleibst. Soll ich lieber Colt schicken?“, erklärte sie ihm.

Der Schotte erhob sich widerstrebend und half auch Beth auf die Beine.

„Alles, nur das nicht! Ich begleite noch Beth nachhause, dann komm ich“, erwiderte er.

„Nach Hause?“ April hob die Brauen. Jetzt da die beiden standen, entdeckte sie einige Geldscheine am Boden. Was hatte es denn damit auf sich? „Hast du deshalb schon das Geld fürs Taxi bereit gelegt?“, erkundigte sie sich und wies auf die Banknoten.

Beth presste die Lippen zusammen, nicht unbehaglich, eher ratlos, als wüsste sie nicht, was sie nun tun sollte. Saber hielt ihre Hand fest umschlossen und schien es dabei auch belassen zu wollen. Schmetterlinge und das Hämmern ihres Herzens waren verflogen. Dafür war sie von einer ihr noch unvertrauten, aber nicht unangenehmen Wärme erfüllt.

„Öhm... ja, nein... so ähnlich.“ Er hob rasch das Geld auf und schob es nachlässig in seine Hosentasche. „Ich komme gleich“, betonte er an seine Navigatorin gewandt. Sie verstand die Umschreibung, die darum bat, ihn und Beth allein zu lassen und nickte leicht seufzend.

„Boss, ich hab ja grundsätzlich nichts dagegen“, begann sie aufrichtig. „Das ist deine Entscheidung, und die respektiere ich, aber ...“

Weiter kam sie nicht. Ihre Befürchtung bewahrheitete sich, als sie Colt neben sich hörte.

„Er hat nichts gelernt. Boss, das ist ne ganz blöde Idee“, brummte er die Rampe hinunter.

„Colt, bitte.“ Saber schüttelte leicht den Kopf. Der Scout musste reden. Als ob der sich nicht selbst nicht unerheblich in eine gewisse Dame mit auberginefarbenen Augen und weißem Haar verguckt hätte. Deshalb trafen ihnen die neuesten Informationen doch so schwer. „Ich werde Beth nachhause bringen. Es wird nichts passieren und falls doch, melde ich mich.“

„Damit du dann wieder niedergeschlagen durch die Gegend läufst, als hätte dich das Phantom der Oper ins Koma gekuschelt?“ Die Anspielung war ausgesprochen dezent für das, was Colt sonst so im aufbrausenden Zustand vom Stapel lassen konnte.

„Ich gehe besser“, flüsterte Beth. Ihre Worte verhalten ungehört. Sabers Aufmerksamkeit hatte sich auf den Scharfschützen gerichtet, um ihn in die Schranken zu weisen und so seine Herzdame in Schutz zu nehmen.

„Colt, hör auf damit“, mahnte er entschieden.

„Ich hab noch ein Wort für dich, Superschwert. Eigentlich einen Namen, falls er dir entfallen ist“, erinnerte der davon unbeeindruckt. Prompt presste Saber die Zähne zusammen. Wirklich treffsicher versenkt von dem Lockenkopf, so präzise nach dem hingebungsvollen Austausch an Zuneigungsbekundungen, als hätte er eine Antenne dafür.

„Wage es nicht, Colt.“ Jetzt hatte seine Stimme einen drohenden Unterton, so dass April sich entschied zu vermitteln.

„Colt, Saber. Beruhigt euch.“ Weiter kam sie jedoch nicht.

„Und zu gucken, wie sie ihn vorführt?“

„Sei nicht voreingenommen, Colt.“

„Das kann auch mit einem Menschen passieren“, wies Saber ihn hin.

Fireball hatte sich inzwischen auch an der Rampe eingefunden und beobachtete den Schlagabtausch. Anders als Colt und Saber jedoch, bemerkte er, wie sich Betz behutsam von dem Recken löste und sich auf leisen Sohlen wie ein unerfahrenen Kätzchen davon schlich, das einer Situation vorsichtshalber entwich. Er hob die Hand und winkte ihr schmunzelnd zu. Etwas überrascht erwiderte sie den Gruß, ehe sie sich weiter davon stahl.

„Ich bin nicht voreingenommen. Ich weiß nur wie's läuft. Sobald sie kann, klebt sie bei ihrem Kommandanten und wartet auf neue Befehle“, brummte Colt überzeugt.

„Jegliche rationale Argumentation mit dir ist zwecklos, wenn du erst mal eine Meinung hast, Colt“, parierte der Schotte. Er verabscheute die Bedenken, die ihm eine objektive Betrachtung auferlegte und Colt gab denen mehr Nahrung, als sie brauchten.

„Das ist Erfahrung, Mann. Meine hieß Annabell und deine Lilly.“ Er hatte das so laut gesagt, dass es auch Beth hörte, obwohl sie sich immer weiter entfernte. Sie hielt kurz inne und sah zurück. Einen Moment musterte sie Colt und Saber von ihrem Standort aus, dann schlich sie weiter.

April schlug sich die Hand vors Gesicht. Musste Colt das aussprechen und Salz in Wunden streuen, die vielleicht doch noch nicht ganz verheilt waren? Warum bemerkte Saber nicht, dass Beth beinahe im Schatten der Bäume verschwand, die in einiger Entfernung den Parkplatz säumten?

Fireball atmete tief durch, dann entschied er sich, dem Disput einen Beitrag zu leisten.

„Also, der Grund für euren Streit verzieht sich gerade und soweit ich mich erinnere gab es da noch andere Erfahrungen wie Robin oder Sincia. Nur mal so als kleine Gedächtnisstütze für euch beide.“

Der Scharfschütze fuhr zu ihm herum und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Verräter“, knurrte er und marschierte stampfend ins Innere des Friedenswächters.

Auch Saber wirbelte herum und erspähte Beth einige Meter entfernt. Er rief nach ihr und sie verharrte einige Augenblicke lang, in denen sie entschied, ob sie rennen oder bleiben sollte.

Das reichte ihm, um hinterher zu rasen.

„Beth! Warte!“ Sein Ruf war so eindringlich, dass sie stehen blieb und wartete, bis er zu ihr aufschloss.
 

„Ich frage mich, ob wir noch was kochen sollen oder ob das für heute reicht“, meinte April, ehe sie langsam dem Scharfschützen folgte.

„Ich glaub, wir haben noch Eis im Gefrierschrank“, erwiderte Fireball schulterzuckend und begleitete sie.
 

Saber ergriff ihre Hand.

„Entschuldige, Beth. Das... so wollte ich mich nicht von dir verabschieden.“

Sie hob die Schultern. „So kann ich dir noch etwas erklären“, meinte sie schlicht.

Er nickte und legte ihre Hand in seine Armbeuge. „Du erklärst mir, während ich dich nachhause begleite. Was hältst du davon?“

„Wenn du das möchtest.“

„Ich möchte es.“

Sie schlenderten die Straße entlang. Die Nacht eroberte sich das Firmament, zauberte erste Sterne darauf. Die Luft war mild und der Wind strich sanft um das Paar. Still war es. Sie hörten nur ihre Schritte auf dem Asphalt und das Spiel der Blätter im Wind. Irgendwo in der Stadt war das Vergnügungsviertel belebt. Irgendwo abseits davon begann ein gemütlicher Abend mit Freunden oder in der Familie.

„Möchtest du auch hören, was ich dir erklären möchte? Es betrifft Lilly und Annabell“, fragte sie in das friedliche Schweigen, das sie eine Weile begleitet hatte.

Er wog kurz, was das für ihn bedeuten würde. Es würde unangenehm werden, schmerzhaft womöglich, aber es konnte ihn eigentlich nur weiterbringen.

„Ich möchte es hören.“

„Lilly und Annabell waren, das weißt du sicher schon, Agentinnen unserer Seite. Wie alle weiblichen Agenten wurden sie systematisch dafür ausgebildet auf das, was bei uns Schwäche genannt wird, bei ihrem Gegenüber zur reagieren und gezielt das gegen ihn zu verwenden. Bei Colt war es sein Beschützerinstinkt - wie es Menschen nennen.“ Sie musterte ihn von der Seite. Sein Kiefer hatte sich angespannt und seine Miene dunkel verzogen. So viel also zur Zusammenfassung, nun zur Ergänzung. „Wenn in einer Familie bereits zwei Soldaten, bei mir wären dass Jean-Claude und Annabell, versagt haben, reagiert die Führung und unterbindet künftiges Scheitern. Das bedeutet, Snow musste ihre Ausbildung abbrechen und ich wurde gar nicht erst zu gelassen.“

Er nickte. Was sie über Annabell und Lilly gesagt hatte, wiederholte und bestätigte sein Wissen. Nachdenklich antwortete er ihr: „Das klingt wie ein Familienunternehmen, ist einer Agent, werden auch die anderen Agenten, bis sie versagt haben.“ Er sah auf ihr hübsches Gesicht und in ihre großen Augen. „ Eine befremdliche Vorstellung, dass auch Snow und du Agentinnen werden solltet.“

„Aber ich bin keine“, betonte sie leise.

„Ich bin froh darüber.“

Still gingen sie weiter. Es war angenehm und bedurfte keiner weiteren Worte. Vertraut fühlte es sich für den Schotten an, neu für Beth.

Als sie ihr Häuschen erreichten, zögerte er. Ausgerechnet vor der Tür eines ehemaligen Kontrahenten dessen Schwester zu küssen, hatte einen wenig anziehenden Charakter. Er schob sie unter die Treppe, durchaus in dem Bewusstsein, das er auch hier gesehen werden konnte falls Jean-Claude zu Hause war, aber es gab dennoch etwas wie Privatsphäre.

Er drückte Beth behutsam gegen die Wand und studierte mit zärtlichem Blick ihr Gesicht, legte seine Hände auf ihre Wangen.

Wieder war er es, der den Kontakt initierte, der ihre Lippen suchte und kosten wollte. Wieder begegnete sie ihm, neugierig forschend und weckte so ihrer beider Sehnsucht nach dem Mund des anderen.

Wie lange sie so standen, konnten sie später nicht mehr sagen. Sehr widerstrebend lösten sie sich von einander und wünschten sich eine gute Nacht.
 


 

Saber kam spät zu Ramrod zurück. Er war froh darum, hatte er noch Zeit mit Beth verbringen können und musste sich bei seiner Ankunft auch nicht mehr mit Colt auseinander setzen. Danach stand ihm gerade gar nicht der Sinn. Er duschte ausgiebig, ehe er sich schlafen legte, dann kroch er in sein Bett.

Fireball schlief tief und fest, schnarchte vernehmlich, aber nicht störend.

Colts Nachtruhe war unruhig. Er warf sich von einer Seite auf die andere und murmelte im Schlaf. Saber meinte, den Namen „Annabell“ gehört zu haben und entschied sich dagegen, ihn aufzuwecken und doch ein Gespräch mit ihm zu suchen. Schlimmer als der Cowboy mit aufgekratzten Wunden, war der verschlafene, müde Cowboy mit aufgekratzten Wunden.

Er schob sich seufzend unter die Decke. Er verstand es ja. Es war nicht so, dass er leise Befürchtungen, erneut in eine Falle zu tappen, nicht selbst hatte. Zumal ihre Gegenwart seine Fähigkeit sachlich und logisch zu denken durchaus einschränken konnte. Er schloss die Augen und schob die Decke zurück. Ihm war zu heiß für die Decke. Er schlief schnell ein, träumte von Beth, ihren Fragen, ihrem Gesicht, ihrem Wissenshunger und ihren Küssen. Oh ja, die Küsse.

Colts Träume waren weniger angenehm. Die Erinnerung flackerten auf, wie Bildsequenzen auf einer riesigen Kinoleinwand. Von Annabell, deren hilflose, anschmiegsame und dankbare Art, die den Beschützer in ihm so sehr angesprochen hatte, dass er bereit war seinen Job an den Nagel zu hängen und seine Freunde gleich daneben. Doch dann hatte sie ihn hinterrücks angegriffen. Es war zu einem Kampf gekommen und er selbst hatte ihr den Schuss versetzt, der sie in die Phantomzone zurück geschickt hatte.

Dann Jean-Claude, die Entführung Aprils und Pierres und das Duell, zu dem der Outrider ihn herausgefordert hatte. Eine alte Rechnung, die Schuldzuweisung Annabell auf dem Gewissen zu haben, hatte er so begleichen wollen. Colt hatte nicht verstanden, was er damit meinte, hatte nur die Bedrohung im Kopf gehabt, in der sich die beiden Geiseln befanden und kein Mitleid für seinen Kontrahenten und dessen gnadenlose Verbissenheit. Eine Verbissenheit, die er bei Snow auch bemerkt hatte.

Colt blinzelte und öffnete die Augen. Er starrte an die Zimmerdecke in der Dunkelheit. Seine Träume hatten seine Gedanken in Gang gebracht und ihn geweckt.

Snow. Das Flackern ihrer Augen, wenn sie sprach und das Grinsen, so herausfordernd, mit dem sie ihm Kontra gegeben hatte. Colt durchlebte diesen Abend in der Bar noch einmal, fühlte sich einmal mehr davon angezogen, wie taff und konterfreudig sie gewesen war. Er hatte sich ziemlich vor den Kopf gestoßen gefühlt, als sie aufgetaucht und Beth mit sich genommen hatte. Als hätten sie am Abend zuvor keine schöne Zeit gehabt. Aber da war ihm die Verbissenheit aufgefallen, die auch Jean-Claude an den Tag gelegt hatte. Verbissen. Entschlossen. Entschlossen ihre Schwester fern zu halten, von etwas, das … ja was … ? Um sie zu schützten? Ja, das lag auf der Hand. Aber sie waren doch nicht die Bösen, sie waren doch nicht der Feind.

Colt fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Doch sie waren der Feind. Für Jean-Claude und seine Schwestern waren sie der Feind. Der Gedanke wirkte tief in ihn ein, nahm sich Zeit, sich in sein Bewusstsein zu setzen und ließ ihn eine Weile nicht einschlafen.
 

Fireball und April waren am nächsten Morgen, irgendwann vor zwischen Frühstück und Mittagessen, auf den Beinen. Auf den Urlaub und für eine entsprechend entspannte Atmosphäre begann die Navigatorin Frühstück zu machen. Weil sie es lange nicht mehr hatten und den Cowboy hoffentlich aufmunterte mal wieder mit Eggs Benedict, Speck, Hash Browns und Pancakes.

Er registrierte es mit einem kaum merklichen Schmunzeln und spülte große Bissen davon mit reichlich Kaffee runter. Der Schlaf der vergangenen Nacht war kein Qualitätsprodukt. Er rieb sich die Augen an der Nasenwurzel.

Währenddessen erzählten April und Fireball von ihrem Ausritt am Vortag, neckten sich leicht dabei.

„Was hast du heute vor, Saber?“, erkundigte sich die Blondine dann.

„Ich wollte reiten gehen“, erwiderte er. Dazu hatte er auch Beth eingeladen. Allerdings hatte sie in einem zweiten Job zu tun, neben dem als Kellnerin noch als Verkäuferin in einer Bäckerei. Für die Stoßzeit bis etwa zehn Uhr morgens würde sie dort beschäftigt sein, so dass sie sich erst danach treffen konnten.

„He, das finde ich gut. Ich würde auch gern noch mal reiten gehen. Das Gelände war wunderschön“, erklärte April begeistert und stieß Fireball neben sich an. „Was meinst du? Noch eine Runde?“

Fireball hob die Brauen. „Tja, wirklich nichts gegen das Gelände und so, aber stören wir dann nicht?“ Er sah zu Saber.

„Nein, wieso? Gemeinsam hinzugehen ist das eine. Wir sehen dann dort, ob wir zusammen einen Rundritt machen“, erwiderte der leichthin.

April stimmte zu, dann musterte sie Colt. „Hey, Cowboy, kommst du mit?“, erkundigte sie sich fröhlich.

Er kaute eine Portion Egg Benedict hinunter und nickte: „Warum nicht?“ Vielleicht schüttelte er so die Schläfrigkeit ab, die hartnäckig an seinem Körper hing.
 

Die kleine Reitanlage befand sich auf der anderen Seite Bay Backs, hatte einige Pferde, die sie für Ausritte zur Verfügung stellten, ein paar Ponys für den Reitunterricht kleiner Kinder und bot außerdem Kutschfahrten an, was so altmodisch wie beliebt war.

Groß war das Gelände nicht, aber es hatte rustikalen Charme. Dicke und schlanke Baumstämme waren bearbeitet und poliert worden und fanden Verwendung als Tische, Pfeiler und Begrenzungsmöbel. Große Fensterfronten und Glastüren sorgten für reichlich Tageslicht und gaben den Blick auf sachte hüglige Wiesen und kleine Waldabschnitte frei.

An der Rezeption wurden sie gastfreundlich empfangen und dann, nach dem sie eine Gebühr für die Pferde gezahlt hatten, mit denen sie ausreiten wollten, zu den Ställen geführt.

Allmählich kam etwas mehr Leben in Colt. Er schlenderte an den Boxen vorbei und tätschelte die ein oder andere Pferdenase sacht.

Eine Fuchsstute schnaubte leicht, als hätte sie ihm etwas zu sagen.

„Na, Hottahü. Was hat dich denn geritten? Eine Rennsemmel? Mein Beileid.“ Er klopfte ihr den Hals.

Der Rennfahrer sah von der Box zu ihm. Er hatte den Hengst gefunden, mit dem er am Vortag gut zurecht gekommen war und entschied wieder für ihn. Er musterte den Cowboy skeptisch, als der mit der Fuchsstute sprach, als wären sie enge Vertraute.

„Nein, dein Hotti war das gestern nicht“, erwiderte er lahm.

Colt schüttelte den Kopf. Das war so typisch für den Wuschelkopf. Er hielt ihn noch für schlecht gelaunt vom Vortag und hatte mal wieder nicht die leiseste Ahnung, was wirklich in ihm vorging. Er fragte nicht einmal danach, weil er glaubte Recht in seiner Vermutung zu haben und so Ärger aus dem Weg zu gehen. Aber er tat ach so unvoreingenommen, wenn es um Beth ging und nörgelte, Colt sei vorurteilsbeladen. Konnte sich getrost mal an die eigne Nase fassen. Der Scharfschütze würde gern sehen, ob der Rennfahrer noch so gelassen und unvoreingenommen blieb, wenn es … tja, Jesse … oder Jean-Claude … oder sonst einem Outrider, den man optisch als gutaussehend bezeichnen konnte, gelang, April schöne Augen zu machen.

Er sah zu April, auf die er sich in solchen Momenten verlassen konnte. Der Brunch hatte ihm das bewiesen.

Wieder horchte er auf das leise Schnaube der Stute.

„Ah“, fuhr er fort. „Der Schimmel da … aha, der hat sich in die schöne Frau verliebt, die ihn gestern geritten hat? Interessant.“ Er schlussfolgerte das, weil die Navigatorin so innig dessen Hals klopfte und wirkte, als hätte sie Vertrauen zu dem Tier.

Nun sah sie zu ihm und grinste belustigt: „Ja, ich bin eben bezaubernd.“

„Da widerspreche ich nicht, obwohl ich es nicht bezaubernd sondern verhexen nennen würde“, scherzte der Wuschelkopf und zwinkerte ihr zu, wurde aber nicht mit einem Lachen oder Grinsen belohnt, weil April noch überlegte, ob und wie sie zwischen den beiden vermitteln sollte.

Inzwischen führte der Schotte einen Rappen aus der Box und kraulte dem die Nase.

„Das wird heute heiter mit euch, ich seh es schon kommen“, meinte er ohne sich sicher zu sein ob das gut oder schlecht sein würde. Es war nicht immer einfach herauszufinden, woran es lag, wenn Colt mal wortkarg blieb. Anders als der Rennfahrer konnte Saber sich allerdings zusammen reimen, dass Schlafmangel der Grund dafür war.

„Das war doch der Sinn der Sache, das es lustig wird. Oder wolltest du lieber auf Schnitzeljagd gehen?“, gab der Scout zurück und grinste schief.

„Schnitzeljagd? Wir hatten gerade erst Brunch“, witzelte April und führte ebenfalls ihr Pferd auf den Hof.

„Wenn Colt die Schnitzeljagd veranstaltet, sterben wir hungrig. Er versteckt alles so gut, dass er es selbst nicht mehr findet.“ Der Rennfahrer folgte ihnen.

„Ich hab bei euch dreien eher Angst, dass ihr euch im Wald verirrt“, erklärte Saber, während er seinen Blick zum Haupthaus mit dem Empfang gleiten ließ.

„Na, so was kann nur von dir kommen“, kam es unbeeindruckt von Colt. Dabei bot er mit einer Geste der Navigatorin neben sich Hilfe beim Aufsteigen an, die sie gern akzeptierte.

„Wenn du so viel Vertrauen in deine Navigatorin setzt, fürchte ich, wird sie dich im Wald stehen lassen“, versetzte diese schmunzelnd.

„Oh, Verzeihung, liebste April.“ Der Schotte eiste seinen Blick vom Haus los und grinste sie verschmitzt an.

„Na gut, weil wir Urlaub haben“, verzieh sie ihm postwendend. „Kommst du, Colt? Oder muss ich dich in das Eicherhörnchen verwandeln, das Fireball schon in der sieht, der kleine Blindfisch?“, fragte sie dann fröhlich und versprach sich prompt. Der Gefragte sah zu, dass er schnell in den Sattel kam. Ja, langsam wurde er wach.

„Eicherhörnchen? Die Spezies musst du mir mal zeigen, April. Colt ist ja eher die Fraktion Streifenhörnchen, stopft sich alles in die Backen, was es finden kann“, lachte der Wuschelkopf.

„Blindfische, Eicherhörnchen und flotte Bienen? Ich schätze, ich kann demnächst einen Zoo mit sonderbaren Tieren eröffnen.“ Der Recke zögerte noch, schaute immer wieder zum Haupthaus. Er schien auf etwas zu warten, nur wusste keiner seiner Kollegen worauf.

Dann ertönte eine Durchsage: „Herr Rider bitte zum Empfang. Herr Rider bitte.“

Jetzt ließ er sein Pferd los. „Ich komme gleich wieder. Das wird Beth sein.“

„Beth?“, riefen Colt und April überrascht aus.

„Ja, ich hab sie eingeladen.“ Er warf dem Scout einen ernst-fragenden Blick zu. „Was dagegen?“

Der hob die Schultern. „Ich hab mich keinen Einwand erheben hören.“

„Je mehr desto lustiger“, meinte Fireball und warf dem Scharfschützen einen Seitenblick zu.

Colt rollte die Augen. Der glaubte also immer noch, er vermute richtig.

Am Empfang lief Saber auf Beth zu. Er umarmte sie liebevoll und gab ihr einen kurzen, sanften Kuss.

„Hallo, Beth. Ist alles klar?“, erkundigte er sich.

„Sie lassen mich wegen der Gebühr nicht rein“, erwiderte sie und presste die Lippen auf einander. Den Betrag hatte sie nicht erwartet und sie konnte ihn nicht begleichen.

Er nickte verstehend und zog seine Brieftasche. „Das mach ich. Ich hab dich eingeladen“ erwiderte er, wobei er die ausstehende Summe beglich.

„Ich geb es dir zurück so bald ich kann“, versprach sie ihm, doch er schüttelte den Kopf. Zum einen wollte er nicht mit ihr vor der Dame am Empfang sprechen, zum anderen wollte er das Geld auch nicht zurück.

„Jetzt genießen wir erst einmal den Ausflug. Ich werde dir alles zeigen“, überging er geflissentlich ihr Angebot und führte sie zu seinen Freunden, die vor den Ställen warteten.

Die Begrüßung war selbstverständlich, wie man sich begrüßte, wenn man sich noch nicht so lange kannte.

Saber begleitete Beth zum Stall und überlegte dabei, wie gut seine Chancen standen sich mit ihr zurückzuziehen. Kaum hatte er sie gesehen, hatte er den Wunsch gehabt mit ihr allein zu sein. Andererseits dürfte es interessant werden zu sehen, wie dieser Ausritt für alle verlief. Er würde nicht zu lassen, dass es in Streit ausartete und dafür sorgen die Chance, die sich hier für ein weiteres gegenseitiges Kennenlernen ergab, auch zu nutzen.

Er wählte, während die junge Frau sich aufmerksam umsah, ein ruhiges, geduldiges Pferd, das sie für den Anfang reiten konnte. Steed wäre optimal für ihre erste Reitstunde gewesen, aber der stand auf Ramrod.

Also führte er den braunen Hengst aus dem Stall zu der kleinen Koppel davor und half ihr beim Aufsitzen. Sie zog sich flüssig hoch und nahm, geschmeidig wie eine Katze, im Sattel Platz. Das begann vielversprechend.

Saber führte das Pferd am Zügel und erklärte Beth, wie sie sich verhalten sollte und was sie beachten musste. Er ließ sie einige Runden im normalen Schritt reiten, damit sie sich an das Gefühl im Sattel und die Bewegungen des Tieres gewöhnen konnte. Sie war so aufmerksam und gelehrig, wie am Vortag, als er ihr eine Einführung ins Tennisspiel gegeben hatte.

Er beobachtete, wie sich ihr Körper dem Rhythmus des Hengstes bewegte, ihre Beine sich an seine Flanken drückten und ihre Finger sich in die lederne Leine verschlangen. Sein Blick verfing sich an ihrer Hüfte und der Jeans, in der sie steckte. Sie reichte ihr gerade bis übers Knie. Ihre blanken Waden wärmte die Sonne.

Er schaute wieder zum Sattel auf dem sie saß und dann weiter hinauf zu ihr, ehe ihm seine Phantasie Streiche spielen konnte.

Zwischendurch wies er das Pferd an, sein Tempo zu beschleunigen. Als es schien, dass sie sich auch im Trab gut im Sattel hielt, beendete er die kleine Einführung. Für einen kurzen Ritt würde ihr Können reichen und er wollte seine Freunde nicht länger warten lassen.

„Das machst du gut“, lobte er sie. „Wollen wir ins Gelände?“ Sie nickte einverstanden.

Er führte sie aus der Koppel zu seiner Freundin zurück.

„Sieht doch gut aus für den Anfang“, meinte April leicht hin, als die beiden sie erreichten.

„Verdächtig graziös für deinen ersten Ausritt“, stimmte auch der Rennfahrer anerkennend zu.

Sie blinzelte ihn irritiert an.

„Was ist daran verdächtig?“, wunderte sie sich.

„Er meint, du reitest für dein erstes Mal sehr gut. Man könnte meinen, du hast schon mal geübt“, erklärte der Schotte und schwang sich selbst auf sein Pferd.

Es wurde Zeit für den Aufbruch. Colts Stute begann schon zu tänzeln, als wollte sie nicht länger warten und auch April und Fireball hatten keine Einwände.

Sie verließen das Grundstück und trabten einen Pfad entlang, der über die angrenzende Wiese führte.

Die Sonne schien warm vom strahlend blauen Himmel. Der Wind kühlte nur hin und wieder die Haut. Hier war es ruhig, man konnte kaum noch die Geräusche der Stadt vernehmen. Irgendwo in der Ferne war eine andere Gruppe zu hören, die mit Kindern unterwegs war. Deren helles Lachen drang zu ihnen hinüber.

Fireball und April ritten voraus, führten die Freunde über die gleiche Route, die sie zu zweit am Vortag genommen hatten. Colt bewegte sich in der Mitte, während Saber und Beth das Schlusslicht bildeten.

Der Rennfahrer schaute sich immer wieder um, am meisten in die Richtung der Navigatorin. Er reichte ihr die Hand und sie ergriff sie gleich. Sie lächelte ihm zu.

Dem Scout wurde beinahe übel. Etwas weniger wegen des Paares an sich, eher wegen der trauten Harmonie, wenn er es auch nicht so genannt hätte, um die er sie beneidete. Er hätte sich noch mehr wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt, hätte er gesehen, wie der Schotte nach Beth‘ Hand griff und ihre Finger sanft um schloss.

Immer wieder prüfte Saber, ob sie mit dem Ritt zurecht kam und versuchte dabei, nicht allzu sehr auf die Taille der jungen Frau zu starren und die rhythmischen Bewegungen ihrer Hüften auf dem Sattel. Es beflügelte seine Gedanken zu sehr, weshalb er begann ihr einzelne Blumen und Blüten am Wegesrand zu erklären. Ihre Aufmerksamkeit war ihm gewiss. Sie hing an seinen Lippen, wissbegierig wie ein Musterschülerin, bestrebt, jedes seiner Worte aufzunehmen und einzuprägen.

Colt kam nicht umhin sich zu fragen, wie der Ritt wohl verlaufen würde, wäre auch noch Snow anwesend. Würde sie ihre Schwester im Auge behalten, oder hätte er die Möglichkeit die weißhaarige näher kennen zu lernen. Letzteres würde ihm eher gefallen. Outrider oder nicht – sie war taff und locker in ihrem Umgang, was besonders anziehend war, da ihre Bewegungen energisch waren, wie die eines Soldaten.

Er seufzte vor sich hin.

„Was ist los, Colt?“, wandte sich der Rennfahre zu ihm um. „Ist es dir zu langsam? Wir haben Urlaub. Da geht’s auch mal gemächlicher.“

„Ja, aber eine Schnecke ist das Tier nicht, also trabt ein bisschen“, erwiderte der Scharfschütze ein wenig ungeduldig, da sie immerhin schon eine gute halbe Stunde so ruhig daher ritten

und den Kurzweil auf dem Pferderücken genossen.

Die Aufforderung kam daher nicht ungelegen. So verlegten sie sich auf das schnellere Tempo.

Beth hielt nicht nur die Zügel fest, wie Saber es ihr geraten hatte. Ihre Finger vergruben sich auch in der rauen Mähne des Pferdes. Je länger sie so ritten, desto eher gewöhnte sie sich an die neue Geschwindigkeit. Ihre Augen begannen zu leuchten und wenn sie den Schotten so ansah, beflügelte es sein Herz.

Der Ritt war beschwingt und gelöst. April jauchzte vor sich hin. Der Trab machte sie leicht und gab ihr das Gefühl von Freiheit.

„Na, Speedjunkie, ist das ein Tempo für dich?“, lachte sie dem Rennfahrer zu.

„War das die Herausforderung zu einem Wettreiten?“, fragte er, ahnte aber schon die Antwort, deshalb fügte er gleich hinzu. „Kannst du gerne haben! Was ist der Einsatz?“

„Und ob das eine war?“, gab sie zurück. „Mit einem Naturtalent wie Beth ... wir machen euch platt.“ Es war immerhin eine Möglichkeit die Herzdame des Schotten mit einzubeziehen.

Der Scharfschütze wandte sich um. Beth gab tatsächlich eine gute Figur zu Pferd ab. Sie schien mit dem Trab zu rechtzukommen, wirkte recht souverän. Es sprach wohl nichts dagegen, den Galopp zu versuchen. „Bis zur Kreuzung davon?“, schlug er vor und wies auf die Stelle, wo die Wiese in den Wald mündete. Ein breiter Sandweg kreuzte ihren Weg dort vor dem Dickicht.

„Von mir aus.“ Auch der Rennfahrer wandte sich um. „Was ist mit euch beiden?“, rief er Saber zu. „Traut ihr euch einen kleinen Sprint hinzulegen?“

Beth fügte sich dem Vorschlag. Zu reiten schien doch nicht so schwierig zu sein. Als der Recke auch noch die Strecke abschätzte, ihren bisherigen Ritt einbezog und zu stimmte, war auch sie einverstanden.

„Na dann! Auf los geht’s los!“, rief April fröhlich. „Und LOS!“ Lachend galoppierte sie davon. Fireball und Coltn folgten ihr im gestreckten Galopp.

Beth beobachtete kurz, wie die drei ihre Pferde antrieben, ehe sie ihrem Beispiel folgte. Mit dem Blitzstart, den die hingelegt hatten, hatten ihre Mühen allerdings wenig zu tun.

Der Schotte beobachtete sie. Als er den Eindruck gewann, dass die junge Frau mit dem blass lila Haar keine Schwierigkeiten hatte, trieb er auch sein Pferd an. Er schloss zu ihr auf. Sie hielt sich noch immer gut, so wagte er es, an ihr vorbei zu ziehen und Colt, der vor ihnen galoppierte, einzuholen.
 

Die Landschaft flog an ihr vorbei. Ein Ruck war durch ihren Körper gegangen als ihr Pferd abrupt das Tempo beschleunigt hatte. Instinktiv spannte sie sich an und versuchte Halt und Balance nicht zu verlieren. Je länger sie aber den vier Freunden folgte, desto schwieriger gestaltete sich die ganze Sache. Sie kam ins Rutschen, presste ihre Beine fester in die Flanken des Tieres. Der Hengst verstand die Aufforderung und beschleunigte sein Tempo weiter. Beth‘ Herzschlag beschleunigte sich alarmiert.

Beth Hände umgriffen die Zügel fester. Sie hielt sich an dem Sattel fest, aber sie glitt abwärts, Zentimeter für Zentimeter. Es gelang ihr nicht, sich wieder hinauf zu ziehen. Ihr Körper war zu verkrampft.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  MissAuditore
2020-05-06T08:00:08+00:00 06.05.2020 10:00
Hallo

erstmal Danke das du hier wieder Leben reinbringst. Mittlerweile habe ich fast alle SRATSS Fanfiktions min. zweimal gelesen, daher freue ich mich über neuen Content sehr!

Ich bin ehrlich gesagt kein Fan vom Charakter Saber Rider, egal ob in der Serie oder in Fanfiktions. Aber deine Story ist so großartig, dass ich ganz vielleicht Saber Rider jetzt etwas mehr mag als vorher.

Du gibst fast allen Charakteren eine neue Tiefe was im Vergleich zur Serie alle reifer/ erwachsener scheinen lässt. Trotzdessen bedienst dich an den Vorgaben aus der Serie vorallem was den Umgang der Freunde untereinander angeht.
Beim Lesen musste ich viel darüber nachdenken wie sehr das Thema "geliebter Feind" doch auch im wahren Leben stattfindet. Ich würde fast behaupten, dass dies vorallem deine Story so spannend macht. Ich meine jeder trifft irgendwann mal jemanden aus seiner Vergangenheit und sieht denjenigen in einem anderen Licht oder?!

Ich hoffe das es ganz bald weiter geht und vielleicht ist ein Happy End für Saber und auch für Colt drin.

P.S. Mir gefallen auch deine kleinen Hinweise auf die mehr als freundschaftliche Beziehung zwischen April und Fireball. Hiervon gerne mehr!

Liebe Grüße


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