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The Diary of Mrs Moriarty

von

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Mondscheindämmerung

Die Kutsche preschte den Weg entlang. Miceyla konnte gar nicht schnell genug von Bartons Anwesen wegkommen. Seine penetrante Stimme, wollte einfach nicht mehr aus ihrem Kopf.

„Kommen Sie doch öfters her.“

„Finden Sie mein prachtvolles Heim, nicht wesentlich ansehnlicher?“

„Denn ich hörte das Anwesen der Moriartys, ist nicht mal annähernd so prunkvoll wie das Meine.“

„Ein Mathematikprofessor, ja, ja, ganz nett.“

„In meiner Position, vollbringe ich wesentlich relevantere Arbeiten für unser Land.“

„Albert, ein vorbildlicher Oberstleutnant? Ist er nicht einfach nur ein Wichtigtuer…“ Um so länger sie sich mit Barton unterhalten hatte, um so mehr stellte er sich als ein prahlender, arroganter Egoist heraus. `Bin mal gespannt, welchen listigen Plan sich William hat einfallen lassen. Bartons Glückssträhne wird bald reißen, dass ist sicher… Noch zwei Stunden bis siebzehn Uhr. Da fällt mir etwas ein. Sherlock hat doch bestimmt in seiner Rumpelkammer, ein paar nette Aufzeichnungen von Kriminalfällen, die mir bei den Büchern von Louis weiterhelfen könnten. Leihe ich mir einfach etwas aus, denn was ist schon verdächtig daran, wenn ich mich für seine Arbeit interessiere. Er wird sich sogar darüber freuen`, entschied sie ihre restliche freie Zeit, noch sinnvoll zu nutzen. Auf geradem Wege, eskortierte der Kutscher Miceyla auf ihren Wunsch hin, in die Baker Street. Emily ließ sie mit einer gestressten Miene herein und beschwerte sich als allererstes, über Sherlocks unbändige Unordnung. Miceyla meinte nur zur Beschwichtigung, dass sich in dem schlimmsten Chaos, die kreativsten Ideen entwickelten und lief ins obere Stockwerk. Mittlerweile hatte sie sich an den hartnäckigen Zigarettengestank gewöhnt. Er gehörte zu dieser Wohnung einfach dazu.

„Hallo. Jemand zu Hause?“ Sie fand ein verlassenes Wohnzimmer vor. Johns Zimmer war abgeschlossen. Sherlocks Tür stand offen, aber auch in seinem Raum war keiner. `Niemand scheint hier zu sein. Aber Emily hätte mir doch sicherlich Bescheid gegeben, wenn die beiden auswärts wären. Komisch…` Trotzdem siegte ihre Neugierde und sie betrat langsam Sherlocks Zimmer. Wenn man es als ein solches bezeichnen konnte. Denn kein normaler Mensch, würde dort freiwillig wohnen wollen. Darauf achtend, wo sie ihre Füße hinsetzte, blickte sie sich in dem halbdunklen Raum um. Die Vorhänge waren beinahe ganz vorgezogen und es lag ein leicht süßlicher Geruch, von chemischen Flüssigkeiten in der Luft. An den Wänden waren etliche ausgeschnittene Zeitungsartikel geheftet, auf denen wild rumgekritzelt worden war. In einem schiefstehenden Holzregal, dass auch schon in die Jahre gekommen war, entdeckte sie einige verstreut rumliegende lose Blätter und Bücher. `Ah, sieht ganz danach aus, als würde ich hier fündig werden.` Miceyla fand allerlei alte handschriftliche Unterlagen, darunter befanden sich sogar Notizen über Lord Darwin Blanchard. In einem Buch waren verschiedene Methoden aufgelistet, wie man anhand einer Mordwaffe den Täter ermitteln konnte. Konzentriert blätterte sie darin, als plötzlich direkt aus dem Regal eine Hand herausgriff und ihr das Buch zuklappte.

„Ahhhhh! Hilfe!“ Verschreckt wich sie zurück und meinte ein Geist sei vor ihr erschienen. Da erschallte vom Regal lautstarkes Gelächter zu ihr herüber und eine Gestalt trat hervor.

„Ha, ha! Auf frischer Tat ertappt! Du hast tatsächlich nicht bemerkt, dass ich hinter dem Regal stand. Darf ich bitte ein Bild von deinem reizenden Gesichtsausdruck haben? Ganz schön staubig hier hinten, ha, ha!“ Ein über die Maße amüsierter Sherlock, schüttelte den Schmutz von sich.

„Du alter Kindskopf! Na warte, dass gibt Rache! Bei diesem schwachen Licht, sieht man ja auch kaum etwas. Du leihst mir jetzt doch bestimmt als Entschädigung, eins, zwei deiner Bücher aus“, sprach sie belustigt.

„Wie beispielsweise dieses hier, in das du bis vor kurzem noch so drin vertieft warst? Da will mir wohl jemand Konkurrenz machen! Dann fordere ich dich zum Duell heraus, besiege mich und du wirst deine Belohnung erhalten“, forderte er Miceyla breit grinsend heraus.

„Warts nur ab du Schuft! Gleich wirst du dir wünschen, mich niemals herausgefordert zu haben!“ Mit gespielter Kampflust, packte sie einen Besen, der an der Wand angelehnt stand und stürmte damit auf Sherlock zu. Er reagierte blitzschnell und lief davon. Sie jagte ihn bis in das Wohnzimmer. Dort schnappte er sich einen von Johns Gehstöcken und nahm eine Abwehrhaltung ein.

„Ha, ha, wenn John uns jetzt sehen würde, wäre er alles andere als begeistert", meinte sie und lachte, während sie sich sein entsetztes Gesicht vorstellte.

„Glücklicherweise ist der Ordnung liebhabende Doktor heute auswärts“, sagte er lächelnd. Ohne Vorwarnung stürzte Sherlock mit dem Stock in der Hand auf sie zu. Gerade noch rechtzeitig schaffte sie es, seinen Schlag mit dem Besen zu parieren. Bei ihrem kleinen Gefecht, versuchte Miceyla eine gute Figur abzugeben. Auch wenn er sie natürlich nicht ernsthaft angriff.

„Souverän abgewehrt und du verlagerst dein Körpergewicht gleichmäßig auf beiden Beinen. Das sind schon mal die richtigen Ansätze. Doch achte mehr auf deine ungeschützte linke Flanke. In einem richtigen Kampf, hättest du bereits verloren“, analysierte Sherlock mit einer entspannten Haltung ihren Kampfstil. `Ist…ist er stark. Danach sieht er gar nicht aus`, dachte Miceyla, während sie beinahe ihre gesamte Kraft aufbringen musste, um dem Gegendruck seines Stockes standhalten zu können. Und dabei nutzte er nicht einmal einen Bruchteil seiner ganzen Stärke. Dies war wieder ein Beweis dafür, wie unterlegen die Frauen den Männern doch waren. Entmutigt betrachtete sie ihre verkrampften Hände. `Ich muss stärker werden, viel stärker. Sonst werde ich in der knallharten Welt der Verbrecher, nicht lange bestehen können…` Keiner der zwei bemerkte, wie jemand am Eingang zum Wohnzimmer stand und sie eine Weile vergnügt beobachtete. Ein tiefes Räuspern ließ Miceyla und Sherlock jäh zusammenfahren.

„Verzeihung Mr und Mrs Holmes, wenn ich bei der innigen Auseinandersetzung stören muss.“ Sie traute ihren Augen kaum, als sie sah wer dort stand. `D-das ist doch schon wieder dieser Mycroft!`

„Was für ein Zufall, dass wir uns heute ein weiteres Mal begegnen. Und Sherly, hast du mich vermisst?“, sprach Mycroft ausgelassen und breitete seine Arme aus.

„Ich würde es gutheißen, wenn du es über dich bringen könntest und deine spontanen Besuche vorher ankündigst!“, kam es genervt von Sherlock, sein alles andere als begeisterter Gesichtsausdruck sprach Bände.

„I wo, dann wäre es doch nicht mehr spontan, oder?“, entgegnete Mycroft grinsend und zückte mit nur einem Handgriff eine Pistole. Er schoss ohne mit der Wimper zu zucken, auf seinen jüngeren Bruder. Doch der schaffte es gerade noch rechtzeitig, unter dem Wohnzimmertisch Deckung zu suchen. Er kroch wieder hervor und nahm einen der Stühle als Schutzschild.

„Das kann jetzt nicht euer Ernst sein!“ Entrüstet beobachtete sie den albernen Kampf der zwei Brüder. `Wenn das so weiter geht, verwandelt sich das ordentliche Wohnzimmer bald auch in einen Saustall…` Mycroft schien zwei verschiedene Persönlichkeiten zu besitzen, denn er konnte sich genauso kindisch verhalten wie Sherlock. Diese Erkenntnis beruhigte sie aber irgendwie.

„Glaubst du etwa Fortschritte zu machen? Na dann erhöhen wir doch einfach mal den Schwierigkeitsgrad…“, sprach Mycroft kühl und mit einer skrupellosen Miene, bei der man nicht wusste ob sie gespielt war oder nicht, nahm er Miceyla ins Visier und zielte direkt mit seiner Pistole auf sie. Ihr Körper zuckte bei dem Gefühl der Angst, die ihren Herzschlag sofort zum Rasen brachte. Sie verabscheute Schusswaffen zutiefst. Die Bewegung eines einzigen Fingers reichte aus, um einem Menschen das Leben zu nehmen. `E-er würde doch niemals wirklich abdrücken…`, dachte sie zitternd. Sherlock hechtete, ohne auch nur einen kurzen Moment lang zu zögern, zu Miceyla und stellte sich schützend vor sie. Nun stand er unmittelbar vor ihr, keine Möglichkeit zur Verteidigung erbot sich ihm, er handelte selbstlos und aus dem Bauchgefühl heraus.

„Lass…Miceyla bloß in Ruhe!“, zischte Sherlock aufgebracht. Zwar sah sie nicht sein Gesicht, trotzdem konnte sie sich seine vor Zorn funkelnden Augen vorstellen. Seine Worte galten nicht mehr dem kleinen Scherzgefecht. Nein, sie waren todernst gemeint. Mycroft blieb unbeeindruckt und drückte schließlich ab. Miceyla entglitt ein Entsetzensschrei und sah, wie Sherlocks weißes Hemd sich an der Brust blutrot färbte. Jedoch ohne jegliche Schmerzen zu verspüren, seufzte er nur mürrisch.

„Keine Panik, junge Lady. Das war lediglich eine Farbpatrone. Ha, ha, Sherly! Damit macht das eine weitere Niederlage für dich. Und ich habe einen weiteren Sieg zu verzeichnen. Sie müssen wissen, er hat noch nie gegen mich gewonnen. Wollen Sie hören, wie oft Sherly verloren hat?“, zog Mycroft triumphierend seinen kleinen Bruder auf und blickte Miceyla lachend an.

„Sei einfach nur still! Wenn du nichts Wichtiges zu sagen hast, verschwinde wieder!“, zischte Sherlock trotzig wie ein kleines Kind. Erleichtert legte sie sich eine Hand auf ihr pochendes Herz. Und nach kurzer innerer Beruhigung, lachte sie über das verspielte Verhalten, der beiden von Grund auf verschiedenen Brüder. Erst in diesem Augenblick fiel ihr auf, dass sie gar nicht darauf geachtet hatte, wie viel Zeit eigentlich vergangen war.

„Wie spät ist es?“, fragte sie hektisch.

„Sechzehn Uhr fünfzig. Wieso der plötzliche Zeitdruck? Hat da jemand vielleicht noch, eine dringende Verabredung mit ihrem Verlobten?“, sprach Sherlock mit gemischten Gefühlen. `Oh nein! Schon so spät! Ich mag nicht, dass Albert auf mich warten muss…`

„Ich sollte besser los, bis bald…“ Miceyla war bereits beinahe aus der Tür hinaus, als Sherlock sie noch an etwas erinnerte.

„Wolltest du nicht jenes Buch lesen? Nimm es ruhig mit. Aber beim nächsten Mal gibt es eine Revanche“, meinte dieser neckend.

„Vielen Dank, Sherly. Ich bringe es dir die Tage wieder vorbei. Und Wiedersehen, Mr Mycroft.“ Schnellen Schrittes verließ sie die Baker Street und eilte zum vereinbarten Treffpunkt. Albert wartete bereits neben einer Kutsche auf sie.

„Verzeih mein verzögertes Eintreffen. Ich wurde aufgehalten und habe die Zeit vergessen“, entschuldigte sie sich mit rasendem Atem.

„Keine Hektik, meine Liebe. Ich selbst bin erst vor wenigen Minuten, mit der Arbeit fertig geworden. Na dann wollen wir mal los, nach dir“, beschwichtigte er sie mit sanfter Stimme und half ihr mit einer Hand in die Kutsche. Sie bat Albert darum kurz bei ihrer Wohnung zu halten, da sie Sherlocks Buch nicht bis zum Anwesen mitschleppen wollte und das Louis sie ja nicht damit erwischte. Ehe Miceyla wieder zur Kutsche hinauslief, konnte sie nicht widerstehen, noch schnell ihr Spiegelbild zu überprüfen. Es war fast achtzehn Uhr, als sie beim Anwesen eintrafen und Louis war der Erste, welcher die beiden empfing.

„Willkommen daheim, Bruder. Und hallo Miceyla. Ihr könnt direkt runtergehen, Will hat alles vorbereitet“, kündigte dieser sachlich an und verschwand in Richtung Keller. `Vor anderen verhält sich Louis ganz normal mir gegenüber. War ja klar…`, dachte sie misslaunig und blickte ihm schweigend nach.

„Komm, gehen wir uns mal der debattierenden Runde anschließen“, sprach Albert lächelnd und hing seinen Mantel und Zylinder an die Garderobenstange. Ein zweites Mal betrat sie den geheimnisumwobenen Kellerraum. Das flackernde Kerzenlicht, hüllte das Kämmerlein in ein angenehmes Licht. Gleichzeitig herrschte eine mystische Aura. Man könnte annehmen, dies sei der Stammsitz einer heimlichen Sekte.

„Guten Abend ihr drei“, begrüßte sie knapp William, Moran und Fred, die bereits zusammen mit Louis auf die zwei Nachzügler warteten und setzte sich wieder auf denselben Platz wie in jener Nacht.

„Schön euch beide zu sehen. Dann können wir ja anfangen“, verkündigte William ausgeglichen und seine rubinroten Augen funkelten motiviert.

„Was für eine lasche Begrüßung. Ich habe ein paar mehr Emotionen erwartet. Du brauchst dich nicht zu genieren, Miceyla. Falle deinem Liebsten ruhig in die Arme“, meinte Moran und leckte sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen, als hätte er allerlei heißblütige Vorstellungen im Kopf.

„Also wirklich Moran! Das wäre ziemlich unanständig!“, entgegnete sie und wurde vor Verlegenheit rot im Gesicht. Da fiel ihr auf, dass dieser neben ihr einen randvollen Teller mit allerlei Gebäck in der Hand hielt und friedlich vor sich hin mampfte.

„Die Kekse hab ich in der Küche mitgehen lassen. Magste auch welche? Mit leerem Magen lässt es sich nur schwer denken und zuhören. Für reichlich Absacker ist auch schon gesorgt“, bot er ihr an, die Kekse mit ihr zu teilen und zeigte auf eine beachtliche Anzahl an Bier- und Whiskyflaschen, die versteckt neben seinem Stuhl auf dem Boden standen.

„Hast du etwa vor, dass alles während unserer Besprechung zu trinken?“ Miceyla wusste nicht, ob sie darüber empört oder belustigt sein sollte.

„Jede Viertelstunde ein Gläschen und schwuppdiwupp sind wir am Ende angelangt“, antwortete Moran grinsend. Er musste ein hartgesottener Trinker sein.

„Oha, ich fürchte das wird ein langer Abend, ha, ha“, stellte sie daraufhin nur lachend fest.

„Könnt ihr beiden Plagegeister mal endlich Ruhe geben! Schon schlimm genug, dass Moran ein unzüchtiger Unruhestifter ist. Da musst du nicht auch noch bei seinen Kinkerlitzchen mitmachen, Miceyla!“, tadelte Louis wieder einmal autoritär.

„Jawohl! Ich werde nun, wie es sich für eine anständige Dame gehört, dass Reden dem stärkeren Geschlecht überlassen!“ Nach ihrem sarkastischen Einwand, musste Albert zu ihrer Rechten amüsiert kichern.

„Wie war dein kleiner Besuch heute bei Lord Barton? Hat es dir bei ihm gefallen?“, erkundigte William sich schief grinsend bei Miceyla.

„Es war reizend, einfach nur reizend…“, meinte sie mit wenig Begeisterung.

„Nun denn, wir müssen uns sputen. Dieses Mal muss alles auf die Minute genau nach Plan verlaufen. Für Abweichungen bleibt nur wenig Spielraum. Ich beginne am Anfang. Lord Barton Wakefield wurde in der Vergangenheit, stets für seine aufopfernde Arbeit beim Militär hochgeschätzt und genießt viel Prestige in der oberen Schicht der Gesellschaft. Doch wie Albert immer wieder angemerkt hat, ist er sehr machtgierig und versucht ohne jemals zufrieden zu sein, an einen höheren Rang zu gelangen, um seine Befehlsgewalt im Regime weiter auszubreiten. Er entledigte sich seiner Konkurrenten, welche ihm bei seinen Beförderungen im Wege standen. Dabei hinterließ er beinahe keine stichfesten Beweise. Somit konnte Barton bequem die Karriereleiter emporsteigen. Fred ist es gelungen, einen Augenzeugen ausfindig zu machen. Zweifel an den von ihm begangenen Morden, stehen also außer Frage. Bislang kamen wir auf acht hochrangige Mitglieder, die im Kriegsministerium tätig waren, welche Barton ermordet hat. Miceyla, hier kommst du ins Spiel. Du hast nicht zufälliger Weise, eine nette Sammlung von Orden in seinem Anwesen vorgefunden?“, fragte William, der wieder vor ihnen an der Wand, mit seinen angehefteten Plänen stand und die Leitung bei dieser Besprechungsrunde übernahm.

„Ja, die verschiedensten Abzeichen von fremden Soldaten mit deren Namen. Sie hingen wie Dekoration über einem Kamin“, berichtete sie verblüfft, dass er dies vorhergesehen hatte.

„Wie ich es mir dachte. Kannst du dich noch an die Namen erinnern?“

„Hm… Ich denke schon, wenn ich mir die Orden noch mal ins Gedächtnis zurückrufe.“

„Perfekt. Schreibe sie mir bitte alle auf, ich werde sie anschließend mit meinen aufgezeichneten Namen abgleichen. Unser Glück ist es, das die Medaillen mit Namen versehen sind. Dies ist nicht bei allen der Fall“, bat William Miceyla und gab ihr ein Blatt Papier und einen Stift.

„Mache ich. Aber ist das denn notwendig? Du hast doch sicherlich ganz leicht durch Albert herausgefunden, wer beim Militär umgekommen war“, hinterfragte sie nachdenklich seine Überprüfung.

„Selbstverständlich. Jedoch hätten diese Männer auch durch einen Unfall oder auf eine andere Art verunglücken können. So wie es auch an die Öffentlichkeit getragen wurde. Ich brauche hundertprozentige Gewissheit. Fehlschlüsse kann ich mir nicht leisten“, erklärte er ihr ausführlicher.

„Das leuchtet ein. Dann war mein Auftrag ja tatsächlich von großer Bedeutung“, meinte sie stolz. `Nur, ist es nicht etwas riskant, all die Orden bei sich zu Hause zur Schau zu stellen? Na wahrscheinlich denken die meisten, er würde sie als Erinnerung an seine gefallenen Kameraden aufbewahren…`

„Natürlich, was denkst du denn. Wir machen keine halben Sachen“, kam es beifällig von Louis. Miceyla überreichte William wieder den Zettel. Sie war selbst verwundert darüber, dass sie sich alle Namen gemerkt hatte, obwohl sie heute nur für kurze Zeit einen Blick darauf werfen konnte.

„Sehr gut, dann weiter im Text. Barton besitzt ein kleines Schloss in Richmond, in welchem er meistens die Sommermonate verbringt und mit einer Gruppe von anderen Adeligen auf die Jagd geht. Am elften März findet dort eine Feier statt, zur Bekanntgabe seiner Beförderung zum Generalmajor. Es sind über hundertfünfzig Gäste geladen, unter anderem wir. Da das Schloss recht abgelegen, in der rauen Weidelandschaft von Richmond liegt, fahren kaum Kutschen in das unwegsame Gelände hinaus. Daher treffen die meisten Gäste auf einem Passagierschiff ein, das von Zentrallondon die Themse bis dort hinunterfährt. Vom Anlegeplatz am Fluss, kann man die Umrisse des Schlosses schon erkennen. Nach ein paar Stunden der Feier, kehrt Barton zusammen mit den Gästen auf das Schiff zurück. An Deck wird ihm dann von Londons aktuellem Generalleutnant, sein Orden verliehen. Eine alte Tradition, da Barton viele Jahre der königlichen Marine gedient hat,“ erläuterte William und demonstrierte die Route auf einer detaillierten Karte von London und dessen Umgebung.

„Das ist ja schon in drei Tagen…“, kommentierte Miceyla leise.

„Korrekt. Das waren die groben Rahmeninfos. Kommen wir nun zum eigentlichen Plan. Erst mal vorweg, Miceyla, ich habe dich, da es dein erster richtiger Auftrag ist, für die Aufgaben im Hintergrund eingeplant. Du wirst bei Fred bleiben und…“, begann William, hielt jedoch inne, als er sah wie sie die Hand hob um Einspruch zu erheben.

„Wenn du nichts dagegen hast, erbitte ich, dass du mich vollwertig miteinbindest. Du hast mich bereits einmal ins kalte Wasser geworfen. Nun weiß ich was auf mich zukommt und mit der passenden Vorbereitung, brauchst du auch keine Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich wette du hältst einen Ersatzplan bereit, den du entwickelt hast, da du dies von mir erahntest“, sprach sie und blickte William mit felsenfester Entschlossenheit an. Die beiden lächelten und für einen Moment, schienen sie in ihrer eigenen Welt zu wandeln.

„Wusste ich doch, dass wir uns auch in diesem Punkt einig sein würden. Dann soll es so sein. Du wirst den bedeutendsten Akt mit Moran ausführen“, bekundete er zufrieden.

„Aber Will, dass wird viel zu gefährlich für sie“, sorgte Albert sich um ihr Wohlergehen.

„Bruder, es ist verständlich, dass du dir Sorgen machst. Doch habe mehr Vertrauen in Miceyla, sie handelt nicht unüberlegt. Das wird außerdem eine gute Übung werden. So, jetzt zu den Einzelheiten unseres Plans. Louis und ich treffen pünktlich zu Beginn der Feier, um siebzehn Uhr bei Bartons Schloss ein. Fred hat bereits das komplette Gebäude ausgekundschaftet und anhand seines Berichts, habe ich eine präzise Skizze des gesamten Schlosses angefertigt und jedem einzelnen Raum einer Nummer zugeordnet. Prägt euch die Zeichnung mit den Nummerierungen gut ein, noch besser, lernt alles auswendig, damit ihr euch dort blind fortbewegen könnt. Dies ist besonders von essenzieller Bedeutung für Miceyla und Moran. Ihr werdet etwas zeitverzögert auf der Feier erscheinen. Allerdings trefft ihr wie wir zur selben Uhrzeit in Richmond ein. Nur nehmt ihr mit einem separaten Boot, eine andere Route. Ich werde sagen, dass meine Verlobte verspätet nachkommt, da sie noch meinem Bruder Albert, bei einem wichtigen Projekt für das Kriegsministerium unterstützt hatte. Barton wird sich an der Tüchtigkeit einer jungen Frau sehr erfreuen. Moran gibt sich wie immer als ein Bediensteter aus. Dein Pseudonym für den Abend lautet `Eliot Hamilton`. Den Namen darfst du auch bei zukünftigen Einsätzen verwenden, wenn es die Begebenheiten zulassen“, begann William mit der grundlegenden Struktur seines Plans. Miceyla warf einen Blick auf den grimmig dreinschauenden Moran, der alles andere als begeistert über diesen Namen zu sein schien.

„Der Name klingt doch edel, Sir Eliot“, sprach sie leise mit gekünstelt hoher Stimme.

„Sir Eliot, schenken Sie bitte der Lady ihren Tee ein“, schloss Albert sich ihr amüsiert an.

„Ihr beiden Scherzkekse seid unmöglich…“, kommentierte Moran nur mit rollenden Augen.

„Zwischen siebzehn und siebzehn Uhr dreißig werden die Gäste eintreffen und sich im größten Saal des Schlosses versammeln. Im Anschluss wird Barton vor allen Anwesenden, eine kleine Rede halten. Um achtzehn Uhr beginnt das Bankett. Demnach werden alle mindestens bis achtzehn Uhr fünfundvierzig beschäftigt sein. In diesem Zeitraum wird sich euer Akt abspielen, Miceyla und Moran. Werft bitte mal einen Blick auf meine Karte. Auf der rechten Seite des Schlosses befindet sich ein kleiner Graben, dort werdet ihr eine schwere Eisentür vorfinden, die in einen großen Weinkeller führt. Dort schleicht ihr euch unbemerkt hinein. Fred wird dafür sorgen, dass die Tür geöffnet ist und euch warnen, falls Personen in der Nähe sind. Auf geradem Wege, geht ihr durch den Keller hinauf ins Erdgeschoss. Bitte stets rechts halten. Hier seht ihr nun eine schmale Treppe, die selten benutzt wird. Im ersten Stockwerk biegt ihr nach links in den zweiten Flur ein und macht Halt bei dem Zimmer mit der Nummer fünfzehn. Moran hält im Innern am Raumeingang Wache, falls jemand kommt. Miceyla, du gehst hinein und suchst die Medaille, welche seinen Brigadegeneralrang kennzeichnet. Fred wird wieder vor Ort sein und dir behilflich sein, solltest du nicht fündig werden. Hierzu eine kleine Erläuterung: Barton wird auf der Feier, vor seinen Gästen leger im Anzug zugegen sein. Erst für die Ordensverleihung auf dem Schiff, wird er sich umziehen und seine Militäruniform tragen. Wofür ich die Medaille brauche, dazu gleich mehr. Ach und es wird ihn bloß etwas stutzig machen, wenn sein Orden fehlt, dass wird den weiteren Verlauf nicht weiter beeinträchtigen. Soweit, so gut. Ich werde mich kurz entschuldigen, dass ich das Bad aufsuche. Louis wird die Lage rund um das Geschehen bei Barton im Auge behalten. In diesem versteckten Winkel im Erdgeschoss, wirst du mir die Medaille überreichen, Miceyla. Und zwar um Punkt achtzehn Uhr zehn. Du und Moran tragt bitte beide an dem Abend eine Uhr bei euch, ganz wichtig. Es muss alles reibungslos ablaufen. Fred und Moran halten während der Übergabe, an diesen zwei verschiedenen Posten Wache. Kurz darauf trifft Miceyla wieder hier mit Moran zusammen. Kommen wir nun zu dem unschöneren Teil des Plans. Natürlich hat Barton, wie jeder der viel Macht besitzt, seine ganz persönlichen Handlanger, welche ihm treu ergeben sind. Das Positive gleich vorweg. Diese Männer, um genauer zu sein Söldner, haben dort im Schloss ihren eigenen Stützpunkt, den Barton für sie errichtet hat, um sie untertauchen zu lassen. Und jener Stützpunkt befindet sich unterhalb, auf der gegenüberliegenden Seite des Weinkellers. Die Männer werden den ganzen Abend nicht viel zu tun haben und bloß ihrem Herrn Barton, bei Notfällen den Rücken freihalten. Keiner von ihnen wird ohne einen triftigen Grund hinaufkommen, denn niemand darf schließlich von ihrer Existenz erfahren. Es dürften nicht mehr als zwölf Männer sein. Diese Leute haben selbst in ihrer Vergangenheit schlimme Straftaten verübt und sind sich für kein Massaker zu schade. Wir müssen die Kerle zur Strecke bringen, damit sie uns nicht in die Quere kommen. Außerdem kommt uns ihr Ableben, noch für einen weiteren Teil meines Plans zugute, was an den abschließenden Akt von Miceyla und Moran anknüpfen wird. Ihr beide geht zurück in den Keller und sorgt dafür, dass jeder einzelne von ihnen ausgelöscht wird. Moran, ich überlasse dir für dieses Unterfangen die Führung. Du wirst selbst wissen, wie du die Sache am besten angehst. Eure Waffen enthalten dieselbe Munition mittleren Kalibers, welche auch Barton verwendet. Dreißig Minuten sollten euch für die Eliminierung seiner Mittäter ausreichen. Dann geht ihr wieder hinauf in den Raum Nummer neun, zieht euch eine saubere Abendgarderobe an und überreicht all eure Waffen Fred. Er tauscht sie durch neue aus, die ihr für den Fall der Fälle versteckt bei euch tragt. Eure getragene Kleidung wird Fred verbrennen, sicher ist sicher. Also, du hast es gehört Miceyla, wähle nicht dein Lieblingskleid aus. Wenn ihr beide makellos zurechtgemacht seid, trefft ihr auf der Feier ein und stoßt zu uns, etwa um neunzehn Uhr zehn. Es gibt noch eine Hand voll anderer Gäste, die aus unterschiedlichen Gründen, verspätet mit ihren privaten Booten auftauchen. Ihr macht euch also nicht verdächtig. Die Mühe überhaupt auf der Feier zu erscheinen, macht ihr euch nur damit ihr dem Finale, ohne euch im Hintergrund halten zu müssen beiwohnen könnt. An dieser Stelle endet euer Hauptakt und ihr dürft euch etwas zurücklehnen. An dem Abend wird noch ein ganz besonderer Gast anwesend sein, der von uns einen anonymen Brief erhält. Nämlich Inspector Lestrade. Er wird für uns den Fall aufdecken. Zwar arbeitet er mit kleinkarierten Methoden, doch ist er nicht gerade auf den Kopf gefallen. Sein Ruf und sein unparteiisches Denken sind von Vorteil. Für unseren Plan ist er der richtige Mann. Ich werde mir eine nette kleine Geschichte ausdenken, welche ihn dazu bringen wird, etwa eine Stunde bevor Barton und die Gäste zum Schiff aufbrechen, mit mir zusammen in den Keller zu gehen. Den Raum mit den Leichen werde ich vor Lestrade betreten und die von Miceyla überreichte Medaille dort fallen lassen. Ohne das der Inspector etwas merkt. Diese wird er natürlich finden. Und welche Schlussfolgerung er daraus ziehen wird, könnt ihr euch selbst zusammenreimen. Etwa vorher, während Miceyla und Moran im Keller zu schaffen sind, werden wir Barton kurz aus dem Festsaal rauslocken, um sein Abbleiben verdächtig aussehen zu lassen. Wie wir das anstellen, dazu komme ich gleich. Gibt es bis hierhin Fragen von eurer Seite? Jetzt habt ihr die Möglichkeit, mir diese zu stellen“, legte William eine kurze Zwischenpause bei seiner Planerklärung ein. Miceyla hob sofort die Hand.

„Ja bitte.“

„Also, die Sache mit der gestohlenen Medaille. Warum die Umständlichkeit mit der Übergabe? Wenn Moran und ich sowieso danach in den Keller gehen, könnte ich sie doch einfach selbst dort liegen lassen“, meinte sie grübelnd.

„Das ist eine berechtigte Frage, die ich dir auch direkt beantworten kann. Der schlichte Grund hierfür ist, dass in der Zwischenzeit trotz aller Planungen etwas schiefgehen könnte. Stell dir vor irgendjemand oder gar Barton betritt den Keller. Der Orden würde logischerweise sofort von der betreffenden Person entfernt werden. Und so sind wir auf der sicheren Seite. Kannst du es nun besser nachvollziehen?“ Miceyla nickte verständnisvoll.

„Gut, gibt es sonst noch weitere Fragen?“ Wieder war es Miceyla, die ihre Hand hob.

„Ja, meine Liebe?“

„Ähm… Verzeih das ich dies fragen muss, aber ich bin einfach zu neugierig… Warum lässt du anstatt Lestrade, nicht gleich Sherlock den Fall lösen? Für ihn wäre es eine Leichtigkeit, die Wahrheit ans Licht zu bringen.“ Nach ihrer Frage hatten alle außer Fred, ein heimtückisches Grinsen auf den Lippen.

„Ich glaube das beantwortet sich von ganz allein. Mit der Anwesenheit von dem Detektiv, würden wir uns nur selbst ein Bein stellen. Dachte mir schon, dass du ihn zur Sprache bringen wirst. Hätte ich den gesamten Plan noch etwas raffinierter gestaltet, wäre es mit ihm sogar machbar gewesen. Aber wir wollen mal bei unserem allgegenwärtigen Plan bleiben. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sherlock Interesse an einem simplen Fall zeigt, der die Obrigkeit betrifft, ohne das ein tiefgründigeres Rätsel dahintersteckt. Kann ich fortfahren oder soll ich noch eine Frage beantworten?“ Alle Blicke waren auf Miceyla gerichtet.

„Nein, fahre bitte fort. Ich bin wunschlos glücklich“, gab sie William mit einem Schmunzeln ihre Zustimmung.

„Dann begeben wir uns langsam aber sicher in Richtung Schlussakt. Hier knüpfe ich an Alberts Aufgabe an, die er natürlich schon selbst fleißig einstudiert hat. Aber ich erzähle es noch einmal für alle. Das Passagierschiff, dass ausschließlich für Barton und seine Gäste vorgesehen ist, welche am späten Abend wieder dort an Bord zurückkehren, werden wir durch ein identisch aussehendes Schiff ersetzen. Allerdings halten sich dann dort ganz gewöhnliche Bürger auf, die auf ihrer Rückreise nach London sind. Davon wird Barton zunächst einmal nichts mitbekommen. Um den Schiffaustausch und alles diesbezüglich Betreffende, kümmert sich Albert. Fred wird immer von Zeit zu Zeit zwischen ihm und mir vermitteln, ob alles planmäßig verläuft. Um Punkt Mitternacht wird Barton sein Orden verliehen und sein Rangaufstieg offiziell gemacht. In jener Nacht haben wir übrigens Vollmond. Das passende Ambiente für unser Vorhaben. Das Schiff hält für eine Weile mitten auf der Themse, dafür sorgt ebenfalls Albert. Übrigens haben mein Bruder und ich, den Generalleutnant über unseren Plan in Kenntnis gesetzt. Er hat ihn befürwortet und unterstützt uns dabei. Ein gerechter Mann ist er und ist sich Bartons Schandtaten bewusst. Dann, genau um Mitternacht während der Verleihung, erwartet unseren nichtsahnenden Barton, eine nette Überraschung. Denn wir lassen all seine Opfer, die gefallenen Soldaten, wieder auferstehen!“, verkündete William mit betonender Stimme und breitete seine Arme dabei mit einem stolzen Grinsen aus. Dabei vermittelte er seinen Zuhörern den Eindruck er sei ein Magier, der kurz davor war seinen besten Trick vorzuführen.

„Wiederauferstehen? Hast du etwa deshalb die Namen gebraucht? Aber wie bitteschön willst du dies anstellen?“, fragte Miceyla sichtlich erstaunt, über die plötzlich so unrealistische Kehrwende seines Plans und blickte ihn erwartungsvoll an. Sie hatte ja bei seinem grenzenlosen Einfallsreichtum mit fast allem gerechnet, doch garantiert nicht damit.

„Es geht ganz einfach nur darum, Barton für einen kurzen Moment zu verunsichern und ihn dazu zu bringen, dass er vor den Augen aller Anwesenden, einschließlich dem Adel, den Bürgern aus der Mittelschicht und Inspector Lestrade, sein wahres Ich zu Tage bringt. Dafür schlüpfen von uns eingestellte Double mit gefälschten Militärorden, in die Rollen der von ihm ermordeten Soldaten. Es macht nichts das Barton sofort erkennen wird, dass es sich nicht um jene echten Männer handeln kann. Aber eine Person seines Charakters, lässt diese Beleidigung nicht lange auf sich beruhen und geht ohne Skrupel auf die Personen los, welche eigentlich tot sein müssten. Der erste unserer Schauspieler wird bereits im Schloss auftauchen und ihn, wie ich es vorhin bereits angesprochen habe, kurz von der Feier weglocken. Miceyla, ich sehe schon dein schockiertes Gesicht. Ich weiß was dir jetzt durch den Kopf geht. Lass mich dich gleich beruhigen. Die von uns ausgewählten Double sind selbst Kriminelle gewesen und haben ihre Schuld eingesehen. Sie sind bereit ihre Sünden zu begleichen. Sorge dich nicht, ich opfere nicht grundlos Unschuldige. Mein eigenes Ziel ist es, dies zukünftig immer zu berücksichtigen. Denn schließlich wollen wir ja gerade die Unschuldigen retten und ihnen ein sorgenfreies Leben ermöglichen. Und nicht sie für unsere Pläne ausnutzen. Nur macht diese Tatsache, unser Handeln um einiges umständlicher und wir müssen etliche Einschränkungen in Kauf nehmen. Aber wir packen das, nicht wahr Freunde? Ach, schaut mal auf die Uhr, in einer halben Stunde haben wir schon Mitternacht. Ich denke ihr seid nun alle mit den Details des Plans gut vertraut. Falls doch noch Unstimmigkeiten auftauchen sollten, habt ihr in den nächsten zwei Tagen die Möglichkeit mich aufzusuchen. Ich wünsche einem jeden von euch schon mal viel Erfolg und ich verlasse mich wie immer auf euer Geschick!“, beendete William die lange Planbesprechung.

„Ich muss zugeben dein Plan ist genial, wenn auch ein klein wenig utopisch, ha, ha“, lobte Miceyla bewundernd die Kreativität seiner Vorgehensweise.

„Warum gibst du unserem Plan, nicht einen passenden Namen? Denn Barton-Plan klingt doch furchtbar langweilig und einfallslos“, schlug Albert lächelnd vor.

„Einen Namen? Hm… Da Vollmond in jener Nacht ist… Wie wäre es mit `Mondscheindämmerung`?“ fragte sie begeistert die kleine Gruppe.

„Was soll das denn bitteschön für eine Planbezeichnung sein? Ist dir kein besserer Name eingefallen? Außerdem ist der mir viel zu lang. Gibt es überhaupt so etwas wie eine Mondscheindämmerung?“, nörgelte Moran, der gerade die letzte seiner Flaschen leerte. Der ganze Alkohol, schien bei ihm aber keinerlei Wirkung zu haben.

„Also mir gefällt der Name. Klingt doch romantisch“, verteidigte Albert ihren Vorschlag.

„Gutes Gelingen bei der Mondscheindämmerung, Eliot“, fügte Fred mit ernstgemeintem Nachdruck hinzu.

„Ach, macht was ihr wollt… Komm mal eben mit, bevor du mir davonläufst, Miceyla“, meinte Moran, der sich neben ihr erhob. Sie folgte ihm gehorsam hinauf in den zweiten Stock. Dort holte er etwas aus einem Zimmer und kehrte damit zu ihr zurück.

„Hier, nimm diesen Revolver an dich. Er ist leicht und liegt gut in der Hand. Genau die richtige Waffe für einen Anfänger. Ich gebe dir noch zwei Ersatzmagazine mit. Schau her, so wechselst du sie. Wie ist es um deine Kenntnisse im Umgang mit Pistolen bestellt? Hach… Dein Blick sagt schon alles… Ich arbeite also tatsächlich mit einer blutigen Anfängerin zusammen…“, gab Moran ihr eine knappe Einführung, zur Nutzung ihrer neuen Waffe und sah sie kritisch an.

„Ich…konnte Schusswaffen noch nie leiden… Und ich werde garantiert keinen einzigen Menschen umbringen!“, sagte Miceyla stur und ballte die Hand zu einer Faust zusammen.

„Dann wirst du dich wohl mit ihnen anfreunden müssen. Ich kann dich schlecht mit einem Messer auf eine Schießerei schicken. Rechne damit, dass Bartons Schergen bis an die Zähne bewaffnet sein werden. Dir fehl es schlicht und ergreifend an Erfahrung. Und wenn du es nicht über dich bringen kannst abzudrücken, dann tu dir keinen Zwang an, wenn du als Erste sterben willst. Für längere Trainingseinheiten ist leider keine Zeit. Also machen wir das Beste draus“, sprach er harte, aber ehrliche Worte. Miceyla wollte vor einem Soldaten, der den echten und brutalen Krieg kennen musste, keine Schwäche zeigen und riss sich am Riemen.

„Ich werde das beherzigen! Auf gute Zusammenarbeit! Wir schaffen das schon! Ich bemühe mich darum, dir kein Klotz am Bein zu sein. Achte nicht auf mich und zieh dein Ding durch, wenn es hart auf hart kommt.“

„So einfach ist das leider nicht… William wird mich dafür verantwortlich machen, sollte dir etwas zustoßen. Deshalb ist es das Sinnvollste, wenn du dich an meine Anweisungen hältst. Genug geplaudert. Über weitere Strategien, entscheiden wir spontan am elften März vor Ort. Ist ja schließlich nicht mein erster Auftrag, den ich für William ausführe. Gute Nacht, Kleine. Und hoffen wir mal, dass es in den nächsten drei Tagen nicht regnet“, sprach er zum Abschied und streckte sich mit einem lautstarken Gähnen.

„Ja, sonst brauchen wir auch noch saubere Schuhe, ehe wir Bartons Schloss betreten. Gute Nacht, Moran.“ Miceyla lief wieder die Treppe hinunter und begegnete im ersten Stockwerk William, der sie liebevoll in die Arme schloss.

„Sei bitte vorsichtig und überstürze nichts. Ich bin froh, dass Moran an deiner Seite sein wird. Bei ihm bist du in sicheren Händen. Denn ich wüsste nicht, ob ich mich an seiner Stelle konzentrieren könnte, aus Angst um dich. Sobald wir mit Barton abgeschlossen haben, widmen wir uns voll und ganz der Planung unserer Hochzeit, versprochen. Teile mir all deine Wünsche mit, ich möchte das nichts offenbleibt“, sprach er so sanft, dass es beinahe nur noch ein Flüstern war. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und fand bei ihm einen schläfrigen Blick vor. `Es muss für ihn sehr anstrengend sein, sich rund um die Uhr Taktiken und Pläne auszudenken. Selbst an ihm geht das nicht spurlos vorüber…`, dachte Miceyla und legte ihm besorgt eine Hand auf seine warme Wange.

„Geht es dir gut… Will?“

„Ich muss mich nur etwas ausruhen. Keine Sorge, Liebes… Da es schon so spät ist, warum übernachtest du nicht gleich hier?“ Plötzlich verschwand die Müdigkeit aus seinem Gesicht und er blickte sie mit einem verführerischen Schimmer in den Augen an, der ihre Sinne benebelte und ihren gesamten Körper umgarnte. Ihre Gesichter waren sich so nah, dass sie meinte, schon seinen Kuss auf den Lippen zu spüren.

„Ich…“, mehr brachte sie nicht heraus. Da zog sie jemand sanft, dennoch beharrlich aus Williams Armen. `Albert…!` Voller Erstaunen sah sie hinauf in seine leicht strenge Miene.

„Ich werde Miceyla zurück in ihr Zuhause bringen, in dem sie momentan nun mal noch wohnt. Oh, wie ich sehe hat dir Moran schon eine Waffe gegeben. Damit hätte er doch auch bis zu dem Tag unserer Mission warten können. Die Pistole steht dir nicht, dich damit zu sehen, versetzt mir einen Stich ins Herz. Das schadet nur deinem liebenswerten Äußeren, meine liebe Eisblume. Ich werde die Waffe an mich nehmen. Du bekommst sie in drei Tagen wieder zurück. Bald wirst du Miceyla jede Nacht für dich allein haben, Bruder. Gönne ihr bis dahin noch etwas Ruhe. Und bis zum elften März, solltet ihr euch beide ohnehin entspannen“, sprach Albert ruhig, dennoch hatte sein Tonfall einen leicht anordnenden Nachklang. Aus den Blicken, mit denen sich die beiden jungen Männer ansahen, konnte sie nur schwerlich entnehmen, was sie sich ohne Worte zu sagen versuchten. Welche Warnungen und Geheimnisse verbargen sich dahinter? Waren es Erwartungen und Hoffnungen, die von der schmerzenden Wahrheit zu Fall gebracht wurden? Jedoch, für diese Art von Blick, musste erst noch eine geeignete Bezeichnung erfunden werden…

„Du hast ja vollkommen recht, Bruderherz. Schlafe gut, meine süße Miceyla“, verabschiedete William sich mit einer sachten Spur von Wehmut. Die Brüder waren ununterbrochen darum bemüht, ihre Zielstrebigkeit und ihre warmherzig menschlichen Gefühle, auf ein Gleichgewicht zu bringen. Aber was geschah wohl, wenn die Waage kippen sollte und das eine plötzlich über dem anderen stand? Jede noch so gut beherrschte Ausgeglichenheit hatte Grenzen. Und die eigene Verzweiflung holte einen spätestens dann ein, wenn man gezwungen war, eine schwere Entscheidung zu treffen...
 

Liebes Tagebuch, 10.3.1880
 

heute ist der Abend vor unserer Planumsetzung und meiner ersten richtigen Mission zusammen mit der Gruppe. Ich habe mich doch glatt dabei erwischt, so viele Notizen zu machen, dass ich nun wirklich blind durch Bartons Schloss rennen könnte. Und mir schwirren die ganzen Uhrzeiten im Kopf herum. Irgendwie bin ich froh, dass Albert mir erst mal die Pistole abgenommen hatte. Er gab die Waffe an Moran zurück und dieser gibt sie mir dann morgen wieder, da ich Albert vor dem Auftrag nicht mehr sehen werde. Ha, ha, wie umständlich. Moran ist jetzt sicher immer noch deswegen genervt. Aber trotzdem auch schade, denn mit einer ordentlichen Waffe in meinem Besitz, hätte ich keine Angst mehr, nachts durch Londons verlassene Straßen zu laufen. Naja, zukünftig werde ich mich bestimmt öfters bewaffnet unter die Leute mischen. Doch ich denke dabei eher an eine Waffe, die besser zu mir passt… Die letzten zwei Tage habe ich eigentlich nur damit verbracht, dass Wichtigste von Louis‘ Lektüren zusammenzufassen. Das war wirklich alles andere als einfach. Doch Sherlocks Buch, hat mir bei dem Verständnis vieler Begriffe sehr weitergeholfen. Übermorgen muss ich mit meinem Ergebnis, schon wieder Louis gegenübertreten… Der Zeitdruck darf mich nicht nervös machen! Und noch etwas beschäftigt mich. Die Atmosphäre zwischen William und Albert, war an dem Abend nach unserer Besprechung irgendwie recht angespannt… Aber damit sollte ich mich besser nicht mehr, so kurz vor unserer Mission beschäftigen. Ich sollte zeitig ins Bett gehen und ich hoffe, dass morgen nichts schief gehen wird…
 

Mondscheindämmerung
 

Vor euren Fenstern tanzt ein Licht klar und hell,

seht her, wie der Mond emporsteigt ganz schnell.

Die Geheimnisse wird er in den Himmel hinauftragen,

die Mysterien der Nacht dürft ihr nun hinterfragen.
 

Was sehe ich da nur in einem gestohlenen Traum,

ein gieriger Schwindler, ich glaub es fast kaum!

Die Waffen sind bereits geladen,

doch wer nimmt am Ende den größten Schaden?
 

Die Höhle des Löwen wird zu unserem Revier,

bald ist es vorbei mit deiner endlosen Gier.

Auf mein inneres Gespür werde ich mich verlassen,

es geht nicht darum irgendjemand zu hassen.
 

Beenden wir es noch ehe die Dämmerung naht,

befolgt lieber meinen gut gemeinten Rat.

Kommt zur Besinnung, bevor ihr in den tiefen Gewässern ertrinkt,

nutzt euer neues Schicksal, welches euch bedingungslos herbeiwinkt



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