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In Zeiten des Krieges

Draco x Ginny
von

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Teil 2 – Kapitel 17

August 1998
 

Draco ließ den Blick durch den Raum wandern. Er hatte bereits mit Voldemort und der versammelten Todesserbande gemeinsam an einem Tisch gesessen, dann würde er auch das hier überstehen. Dennoch musste er zugeben, dass er sich im Augenblick alles andere als wohl in seiner Haut fühlte. Er saß dem Orden des Phönix gegenüber. Vierzehn Augenpaare starrten ihn an. Ginnys Präsenz neben ihm fühlte sich an wie ein Rettungsring, an den er sich klammern konnte, sollte er Gefahr laufen unterzugehen. Seitdem er hier war, war sie nicht mehr von seiner Seite gewichen. Bevor er den Grimmauld Place betreten hatte, hatte sie unauffällig den Mondstein in die Tasche seines Kapuzenumhangs gesteckt. Allem Anschein nach gingen ihr die gleichen besorgten Gedanken durch den Kopf, wie ihm. Ihren Gesichtern nach zu urteilen wollten sie ihn am liebsten umbringen. Draco konnte es ihnen nicht einmal verübeln.

 

Einige wenige schienen sich immerhin die Mühe zu geben ihm wenigstens die Chance geben zu wollen, sich zu erklären. Vielleicht machte sie das naiv. Aber am Ende zählte für ihn jede Stimme. Unter den Anwesenden erkannte er Fleur Delacour. Die großen blauen Augen der wunderschönen Halbveela sahen ihn neugierig an. Wenn sie eine Schwäche für hübsche Dinge hatte würde sie sich vielleicht für ihn einsetzen. Einige Plätze weiter saß Remus Lupin, sein ehemaliger Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Der narbenentstellte Zauberer mit der Flickenrobe war schon damals hilfsbedürftig und tolerant gewesen. Dabei war Draco nie sehr nett zu dem Werwolf gewesen. Im Gegenteil. Er erblickte die Gesichter von Hagrid, Granger und den zahlreichen Weasleys, deren einst so riesige Familie sich inzwischen halbiert hatte. Niemand von ihnen hatte auch nur einen Grund, ihm zu vertrauen. Sie alle hatte er jahrelang beleidigt und schikaniert. Schon als Kind, als er noch keine eigene Meinung, sondern nur die seines Vaters vertreten hatte, war er ein richtiges Ekelpaket gewesen. Jetzt, viele Jahre später, konnte er klarer sehen und bereute einige seiner vergangenen Taten. Dennoch wusste er, dass er damals einfach so gewesen war. Er war auch noch heute kein netter Kerl. Dafür war er viel zu sehr Slytherin. Er war vielleicht erwachsener und reifer geworden, aber ein Charakter konnte sich nicht einfach so grundlegend ändern.

 

„So, so“, knurrte Moody. Sein magisches Auge schwirrte zwischen ihm und Ginny hin und her. „Du hast also drei Drachen.“

 

Draco nickte. Der kam wenigstens gleich zum Punkt. Vermutlich waren die Drachen auch der einzige Grund, weshalb er hier sein durfte. Er wusste, sie waren ein unschlagbares Argument. Wenn die Mitglieder des Ordens klug waren würden sie sich für die Drachen entschieden, denn die Alternative würde bedeuten gegen sie kämpfen zu müssen.

 

„Wartet mal!“ Weasley saß plötzlich kerzengerade auf seinem Stuhl. Fassungslos deutete er mit der ausgestreckten Hand auf den Slytherin. Sein Gesicht wechselte von kreidebleich zu feuerrot, als er es tatsächlich schaffte eins und eins zusammenzuzählen. „Das heißt du warst das?“

 

Draco nickte erneut. Nur mühsam konnte er sich ein überhebliches Grinsen verkneifen. Weasleys Gesicht war einfach zum Totlachen. Das Goldene Trio hatte bereits vor einem Monat gegen ihn gekämpft, ohne zu wissen, wer sich unter der silbernen Todessermaske verbarg. Seine grauen Augen wanderten von Weasley zu Potter, der aussah, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen. Dann sah er zu Granger. Als sich ihre Blicke begegneten schaute er schnell wieder weg. In ihren braunen Augen hatte er die Bestätigung entdeckt. An jenem Abend hatte sie ihn an seiner Stimme erkannt. Offenbar hatte sie den anderen beiden nichts davon erzählt. Er fragte sich wieso.

 

Ron sprang von seinem Stuhl auf. „Dieser Arsch hat halb Dartford zerstört! Wir konnten gerade noch Schlimmeres verhindern!“

 

Neben sich spürte er Ginnys Blick, den er nicht erwiderte. Stattdessen sah er zu Molly Weasley, die ihre Tochter mit Tränen in den Augen kopfschüttelnd ansah.

 

„Ihr habt gegeneinander gekämpft?“, fragte Black interessiert. Draco sah in seine Augen, die ebenso grau waren wie seine eigenen. Kurz musterte er den ehemaligen Gefangenen von Askaban und fragte sich, was damals wohl alles falsch gelaufen war, dass sich jemand aus dem Hause Black so sehr von seiner Familie und deren Idealen distanzierte. Dann dachte er an die Geschichte seines Bruders Regulus. Und an Druella Black. Vielleicht, dachte Draco, floss in ihnen allen das Blut von Verrätern.

 

„Du hast das Opalauge kontrolliert?“, fragte ein Mann, der neben Ginny saß. Sein Gesichtsausdruck war eher ernsthaft interessiert, als vorwurfsvoll. Offensichtlich war er einer ihrer Brüder. Sein Haar schimmerte in dem gleichen Rotton wie ihres, nur steckte seins in einem langen Pferdeschwanz. Das Gesicht kam Draco wage bekannt vor und er glaubte sich zu erinnern, ihn im Januar im Hogwarts-Express begegnet zu sein. Nach dem Ausschlussverfahren konnte er nur Charlie sein. Bill saß offensichtlich neben Fleur. Und abgesehen von Ron gab es keine weiteren Brüder mehr.

 

„Ja“, meinte Draco nur. Es irritierte ihn, dass er die gleichen Augen hatte wie die Person, die er liebte.

 

„Wow“, hauchte Charlie offen beeindruckt. „Wie?“

 

Einen Moment zögerte Draco. Es widerstrebte ihm ihnen davon zu erzählen. Immerhin war es sein Verdienst, sein Projekt, mit dem er die Gunst des Dunklen Lords gewonnen hatte. Allerdings war ihm bewusst, dass er auch etwas geben und sich ihnen öffnen musste, denn sollte er nicht kooperieren würden sie ihn nie akzeptieren. „Es stellte sich heraus, dass man nicht nur Menschen mit dem Imperius belegen kann.“

 

Die Erwähnung des Unverzeihlichen sorgte dafür, dass die Atmosphäre im Raum noch angespannter wurde, immerhin hatte Draco gerade eben zugegeben, einen der drei Unverzeihlichen Flüche angewandt zu haben. Keiner von ihnen musste aussprechen, was sie alle wussten: Draco hatte bereits alle drei verwendet.

 

„Sag ich doch“, knurrte Moody.

 

„Wo sind sie jetzt?“, fragte Harry skeptisch.

 

„In der Nähe des Hauptquartiers“, antwortete Draco. „Der Dunkle Lord sowie die Todesser befinden sich bei den Lestranges.“

 

„Das wussten wir schon“, warf Ron mit einer wegwerfenden Geste ein.

 

„Und wieso sind es deine Drachen?“, fragte Lupin. „Wieso gehören sie nicht Voldemort?“

 

„Ganz einfach. Sie unterstehen meinem Imperius und sie folgen nur meinen Befehlen. Dafür habe ich gesorgt. Jedem anderen widersetzen sie sich.“

 

Lupin nickte anerkennend. „Clever.“

 

„Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, ob wir seinen Deal annehmen wollen“, meinte Dumbledore ruhig. „Draco möchte von nun an mit uns kooperieren.“

 

„Was für ein Deal?“, fragte Sirius skeptisch.

 

Alle Augen sahen den Slytherin nun gespannt an und er machte sich bereit für seine nächsten Worte. Seine Antwort war die einzige Bedingung, die er stellen würde. Ohne die Gewissheit würde er nicht mit ihnen zusammenarbeiten. „Straffreiheit für mich und meine Familie.“

 

Black lachte bellend, Weasley gab einen entrüsteten Laut von sich, Hagrid keuchte erschrocken und Moody schüttelte missbilligend mit dem Kopf. Unter dem Tisch spürte er wie Ginny nach seiner Hand griff und sie fest drückte.

 

„Das kann nicht dein Ernst sein!“, rief Weasley erzürnt.

 

„Nein!“, meinte Black entschieden. „Nie im Leben!“

 

Ein aufgeregtes Durcheinander begann, aber das hatte Draco auch nicht anders erwartet. Seine Forderung war jenseits jeder Vernunft. Sein Vater war die rechte Hand des Dunklen Lords. Wenn jemand die Höchststrafe erhalten würde, dann wohl er. Draco hatte lediglich eine Ahnung davon, was sein Vater im Auftrag Voldemorts bisher alles getan hatte. Solange er sich erinnern konnte war sein Vater ein Unterstützer seines Meisters gewesen. Was würde er jetzt wohl denken, wenn er wüsste, dass sein einziger Sohn und Erbe gerade mit dem verhassten Feind unter einem Dach saß?

 

Er würde ihn ganz sicher verstoßen und ihm diesen Verrat niemals verzeihen.

 

„Der Junge versucht nur seine Familie zu schützen. Ich denke, das können wir alle sehr gut nachvollziehen“, meinte Dumbledore beschwichtigend.
 

„Dieser Junge“, spie Weasley aus, „versucht nur seinen Arsch zu retten!“

 

„Draco, bei allem Respekt“, sagte Bill, „aber du kannst nicht glauben, dass wir damit einverstanden sind. Dein Vater ist Voldemorts treuester Gefolgsmann. Als neuer Zaubereiminister hat er viele Leute nach Askaban geschickt.“

 

„Wegen ihm ist Neville …“, begann Hagrid, doch dann brach seine Stimme. Mit Tränen in den Augen starrte er auf den Tisch. Draco hatte den Vorfall natürlich mitbekommen. Sein Vater hatte das Urteil vollstreckt und später berichtet, dass Potter und Dumbledore versucht hatten Longbottom zu befreien. Die gestellte Falle war zugeschnappt. Doch leider war es den beiden gelungen gemeinsam mit Longbottom zu fliehen. Sein Vater war außer sich gewesen vor Wut. Dass der tollpatschige Gryffindor bei den Widerständlern aufgeschnappt worden war, hatte Draco überrascht. So viel Mut hatte er diesem pummeligen Nichtsnutz gar nicht zugetraut. Auch wenn ihn dieser Einsatz für die Gerechtigkeit ein wenig beeindruckte, fand er es äußerst töricht. Longbottom war nie ein guter Duellant gewesen. Dass es soweit kommen musste war somit nur eine Frage der Zeit gewesen. Und jetzt war von dem weinerlichen, ängstlichen Gryffindor nur noch eine leere Hülle übrig.

 

Sein Vater würde aus dieser Sache nie heile herauskommen, sollten die Widerständler gewinnen. Aber einen Versuch war es wert gewesen. Was ihm wichtiger war, als sein Vater, war aber noch jemand anderes.

 

„Was ist mit meiner Mutter?“, wandte Draco ein. „Sie hat mit all dem nichts zu tun.“

 

Unweigerlich fiel sein Blick auf Molly Weasley. Die gebrochene Hexe sah ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Bedauern an. Draco wollte es sich nicht vorstellen, wie es seiner Mutter ergehen würde, sollte er eines Tages im Kampf fallen. Noch weniger wollte er sich vorstellen, was wäre, sollte sie eines Tages durch die Hand eines Zauberers sterben. In seinem Leben gab es nur noch wenige Personen, die ihm etwas bedeuteten. Da gab es nur noch Ginny und seine Eltern. Und er würde alles ihm Mögliche versuchen, um sie zu beschützen.

 

„Weiß man, ob Narzissa Malfoy offiziell den Todessern angehört?“, fragte Lupin geschäftlich in die Runde, als würden sie abstimmen wollen, ob es zum Nachtisch Pudding oder Grütze geben sollte.

 

Es folgte Schweigen. Jeder schien sich in Erinnerung zu rufen, ob er Narzissa für etwas schuldig sprechen konnte. Draco wusste, dass sie nichts finden würden. Seine Mutter hatte nie jemandem geschadet.

 

„Weiß sie etwas von deinem geplanten Seitenwechsel?“, wollte Bill wissen.

 

Draco verneinte. Weder sie noch sein Vater wussten von seinen Gedanken und seinem Zwiespalt, mit dem er sich seit Jahren herumplagte. Das war auch besser so, denn so könnten sie für den Fall, dass Voldemort sie verdächtigte, Informationen für sich behalten zu haben, selbst unter Veritaserum nichts verraten. Die einzige Person, mit dem er je darüber gesprochen hatte, war seine Großmutter. Weder mit Blaise noch mit Pansy hatte er seine Ansichten diskutiert. Jedoch kannten sie ihn gut genug, um eine Ahnung zu haben. Wie es bei seinen Eltern war konnte er nur vermuten.

 

Draco hatte schon früh gelernt Geheimnisse für sich zu behalten, sogar vor seinen eigenen Eltern, die er von ganzem Herzen liebte. Und genau aus diesem Grund hatte er ihnen nie etwas von seinen Gedanken und Gefühlen offenbart. Würde Draco als Verräter enttarnt werden könnten seine Eltern behaupten, sie hätten von nichts gewusst.

 

Der einzige, der tatsächlich etwas wusste, war ein unbedeutender Hauself, von dem nie jemand Notiz nahm. Wicked war damals Zeuge von Ginnys unfreiwilligem Besuch in Malfoy Manor geworden. Aber der würde nie jemandem etwas verraten.

 

„Selbst wenn sie kein Dunkles Mal trägt“, meinte Black barsch. Mit verschränkten Armen sah sein Onkel zweiten Grades Draco tadelnd an. „Sie ist mit einem Todesser verheiratet und toleriert seine Taten. Noch dazu hat sie einen weiteren Todesser geboren und großgezogen. Für mich reicht das, um sie der Mittäterschaft zu beschuldigen.“

 

Draco schloss für einen Moment die Augen, um die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. Dann blickte er Sirius direkt in die Augen. „Du legst dir die Tatsachen wohl gern so zurecht, dass sie dir gefallen, was Black?“

 

Blacks Augenbraue zuckte gefährlich und er bleckte die Zähne, wie ein Hund. „Pass auf wie du mit mir sprichst, Malfoy. Wir sind hier in meinem Haus. Und wenn ich mich richtig erinnere, bist du hier, um uns um etwas zu bitten.“

 

Dracos Augenbrauen schossen in die Höhe. Das war ja lächerlich. „Ich bin hier, um euch etwas anzubieten. Ich bin jederzeit bereit, wieder zu gehen“, zischte er zurück. Beschwichtigend legte Ginny eine Hand auf seine Schulter.

 

„Er kann es einfach nicht lassen“, meinte Weasley kopfschüttelnd. „Immer hat er eine große Klappe. Mit so jemandem können wir nicht zusammen arbeiten.“

 

Black nickte zustimmend. „Ich gebe Ron recht. Harry hat mir viel von diesem Kerl erzählt. Man kann ihm nicht trauen. Selbst wenn er sich uns anschließen sollte, wer sagt uns, dass er uns nicht wieder verrät? So wie Snape.“

 

Dumbledore seufzte. Ein Ausdruck von tiefer Trauer erschien auf dem Gesicht des alten Zauberers.

 

Draco schnaubte verärgert. „Vergleiche mich nicht mit dem! Wenn es nach mir ginge wäre er der erste, der dran glauben muss.“

 

Daraufhin änderten sich die Gesichtsausdrücke der anderen. Aus Abneigung wurde Neugierde. Was brachte einen Slytherin dazu so über seinen ehemaligen Hauslehrer zu sprechen?

 

„Wieso denn das?“, fragte Bill überrascht.

 

Draco lehnte sich in seinem Sitz zurück. Unter dem Tisch hielt Ginny weiterhin seine Hand. Ihr fester Griff war angenehm tröstend für ihn. Während er sprach fixierte er einen Punkt auf der Tischplatte. Diese Erinnerung war etwas sehr Privates und gleichzeitig etwas Schmerzhaftes. Darüber zu reden fiel ihm alles andere als leicht.

 

„Snape hatte damals das Kommando über Projekt Schlange“, begann Draco zu erzählen. „Der Angriff auf Hogwarts war lange geplant. Die Slytherins sollten die Lehrer mithilfe von Gift töten, die Überlebenden einschließlich der Schüler bekämpfen und gleichzeitig die Todesser ins Schloss lassen. Und sollte sich ein Slytherin diesem Befehl widersetzen, wäre es Snapes Aufgabe, sich um dieses Problem zu kümmern. Und das hat er auch getan.“

 

Daraufhin herrschte Schweigen. Während Draco sich erneut an jene Nacht erinnerte und die daraufhin aufkommenden Emotionen zu unterdrücken versuchte, tauschten die anderen besorgte Blicke miteinander. Seine Worte waren nicht misszuverstehen.

 

„Keiner der Lehrer ist an jenem Tag vergiftet worden“, wandte Dumbledore ein. Draco hob kurz den Blick, sah in die weisen, mitfühlenden Augen und starrte dann wieder auf die Tischplatte.

 

Er nickte. „Ja, weil die beiden im letzten Moment einen Rückzieher gemacht haben.“

 

Er würde ihnen keine Namen nennen. Nur Ginny wusste, dass es Pansy und Daphne gewesen waren. Die Anspannung im Raum schien sich zu verändern. Sogar der Riesentrottel Hagrid verstand das Unausgesprochene.

 

„Das ist furchtbar“, wisperte Granger traurig und Draco hatte das Gefühl, dass sie das auch so meinte.

 

Weasley fügte zerknirscht hinzu: „Jetzt hasse ich Snape noch mehr.“

 

Draco wechselte einen Blick mit Potter. Der Schwarzhaarige war an diesem Abend erstaunlich still. Vielleicht hatte er seinen ganzen Frust bei ihrer ersten Begegnung bereits an ihm abgelassen. Er fragte sich, was Potter in diesem Moment wohl dachte. Dass sein jahrelanger Rivale ihm vertraute klang äußerst lächerlich, doch andererseits hätte es dieses Treffen nie gegeben, wenn er sich nicht dafür entschieden hätte, dem Slytherin eine Chance geben zu wollen.

 

„Das beweist nur, dass Snape nicht davor zurückschreckt auch seinesgleichen zu töten“, meinte Sirius ernst. „Snape ist ein Mörder. Genauso wie Malfoy. Ich sehe da keinen Unterschied.“

 

Draco dachte an sein erstes Opfer, an das kleine Muggelmädchen, das er getötet hatte. Noch immer träumte er von ihrem Gesicht, von dem Moment, in dem das Leben aus ihren Augen wich. Seit diesem Tag hasste er sich, verabscheute sich selbst und seine Feigheit, sich Voldemort zu widersetzen. Dieses Mädchen war jung und unschuldig gewesen und hatte es nicht verdient so früh zu sterben. Scham und Schuld quälten ihn, das schlechte Gewissen zerriss seine Seele. Dabei hatte er gedacht, dass es einfach, dass es ihm egal wäre. Lange Zeit hatte er versucht, all die Emotionen zu verdrängen, doch spätestens in der Nacht musste er sich in seinen Alpträumen mit seinen Ängsten und Zweifeln beschäftigten. Sie ließen ihn nie in Ruhe.

 

Er wollte nicht mehr töten. Nie wieder.

 

Und doch wusste er, dass es nicht unvermeidbar war, wenn er sein Ziel erreichen wollte.

 

„Der einzige Unterschied zwischen mir und euch liegt darin, dass ich früher angefangen habe, als ihr“, meinte Draco bitter. Er versuchte sich seinen inneren Konflikt nicht anmerken zu lassen. „Wir sind im Krieg. Da lautet die oberste Regel den Feind zu töten. Das werdet ihr früher oder später auch tun müssen. Oder denkt ihr, es reicht, den Dunklen Lord zu entwaffnen? Ihr seid zu naiv, wenn ihr glaubt, ihr könntet gegen die Todesser gewinnen, ohne auch nur einen von ihnen umzubringen. Dafür sind es viel zu viele. Und nur die wenigsten von ihnen würden sich ergeben.“

 

„Da hat er wohl recht“, meine Moody grimmig. „Vergesst nicht, was ich mit Rookwood angestellt habe. Ich hatte kein Mitleid, denn ich wusste, dass auch er keins mit mir haben würde. Ich bin genauso ein Mörder, wie Malfoy oder Snape. Früher oder später heißt es töten oder getötet werden. Das muss jedem der hier Anwesenden bewusst sein.“

 

Draco betrachtete den berühmten Auroren. Interessant. Diese Information kam ihm wirklich zugute. Das war mal wieder typisch für Weaselbee – ihn verurteilen, aber seinesgleichen damit durchkommen lassen. Doppelmoral nannte man so etwas. Auch in den Gesichtern von Black und Potter konnte er erkennen, wie sie mit sich haderten. Sie schienen abzuwägen, ob man hier nun Äpfeln mit Birnen verglich oder ob es tatsächlich keinen Unterschied zwischen ihnen gab.

 

„Wir können nicht nur von den Drachen und seinen Informationen über die Todesser profitieren“, warf Ginny entschlossen ein, die bisher noch nichts gesagt hatte. „Draco ist außerdem ein talentierter Zauberer. Und ihr könnt mir glauben, ich würde euch nie in Gefahr bringen. Ich bin mir absolut sicher, dass wir ihm vertrauen können.“ Sie sah nun direkt zu Weasley, Potter und Granger. „Ich weiß, dass ihr in Hogwarts Probleme miteinander hattet …“ Daraufhin rollte Weasley mit den Augen, als wäre das Wort Probleme nicht annähernd ausreichend, um die jahrelange Feindschaft zwischen ihnen zu beschreiben. „… das war bei mir nicht anders, aber dann habe ich eine andere Seite an ihm kennengelernt.“ Ginny wandte sich ihm zu und ihre Augen blickten in seine. Wieder einmal fragte er sich, womit er sie verdient hatte, weshalb sie all dies für ihn ertrug, dabei hätte sie es mit jedem anderen so viel einfacher haben können. Dass sie sich hier für ihn so sehr einsetzte bedeutete ihm unheimlich viel. „Keiner verlangt, dass ihr Freunde werdet“, fuhr Ginny fort, den Blick wieder zum Trio gerichtet. „Nur dass ihr zusammenarbeitet und einander helft.“

 

Dumbledore nickte anerkennend. „Das hätte ich nicht besser sagen können.“

 

Black weigerte sich immer noch nachzugeben. „Ich glaube kaum, dass hier auch nur einer bereit wäre, ihm zu vertrauen“, behauptete er.

 

„Ich vertraue ihm.“

 

Augenblicklich war es still im Raum und alle Augenpaare sahen nun zu der Person, die soeben gesprochen hatte. Granger schaute entschlossen geradeaus, direkt in Dracos Augen. Es schien, als hätten alle im Raum gleichzeitig den Atem angehalten. Weasley sah seine Freundin an, als hätte sie den Verstand verloren.

 

„Er hat mich verschont“, meinte Granger sanftmütig. Es kostete Draco viel Kraft ihrem warmherzigen Blick standzuhalten. Ihre offene Dankbarkeit war entwaffnend. „Als wir in Dartford gegeneinander gekämpft haben. Er hatte mich im Duell entwaffnet und meinen Zauberstab zerbrochen, wodurch er die Chance hatte mich ohne große Mühe umzubringen. Aber er hat es nicht getan.“ Ihre Hände streichelten über ihren dicken Babybauch, der offenbarte, dass es bis zur Geburt nicht mehr lange dauern würde. „Vielleicht hat er es nur getan, weil er gesehen hat, dass ich ein Kind in mir trage, aber ganz gleich aus welchem Grund, er hat mich verschont.“

 

Molly Weasley schlug sich ergriffen eine Hand vor den Mund. „Ist das wahr?“

 

Granger musterte Draco, wartete auf eine Reaktion seinerseits. Aber er blieb stumm. Diese Situation war ihm seltsam unangenehm. Letztendlich nickte die Gryffindor. „In dieser Nacht trug er eine Maske, aber ich hatte ihn an seiner Stimme erkannt und heute hat er zugegeben, dass er es war.“

 

Weasley sah sie anklagend und enttäuscht an. „Das hast du mir nie erzählt.“

 

„Ja, weil ich wusste, dass du mir nicht glauben würdest“, antwortete Granger sofort. „Deine Meinung über ihn ist einfach festgefahren.“ Daraufhin wandte sie ihren Blick wieder zu Draco. „Dafür danke ich dir, Malfoy.“ Sie strich über ihren Bauch. „Wir danken dir dafür. Ich weiß, dass du unter deiner harten Schale ein Herz hast. Allein Ginny ist der Beweis dafür.“

 

Wieder einmal drückte Ginny seine Hand. Als er sich zu ihr drehte bemerkte er, wie sie ihn anlächelte. In ihrem Gesicht fand er Zuversicht und nicht den kleinsten Hinweis eines Zweifels.

 

Resignierend fuhr sich Potter mit beiden Handflächen übers Gesicht. Hatte seine Entscheidung bereits festgestanden oder war sie erst mit Grangers Worten gefallen? „Ich würde mich gerne mit dem Orden beratschlagen. Malfoy, könntest du bitte so lange draußen warten?“

 

„Ginevra, würdest du Draco begleiten?“, fragte Dumbledore höflich. „Ich bin sicher, du würdest ihm gerne beim Warten Gesellschaft leisten.“

 

Molly Weasley schnappte empört nach Luft. „Aber–“

 

„Keine Sorge“, knurrte Moody. „Ich passe auf.“ Sein magisches Auge fixierte Draco und er wusste, dass es ihm folgen würde, egal wo er hinginge. Dieses Auge konnte durch Türen und Wände sehen.

 

Draco und Ginny standen gerade auf, als Black rief: „Kreacher!“ Mit einem lauten Plop erschien der grimmigste Hauself, den Draco je gesehen hatte. „Pass auf, dass Malfoy nichts Dummes anstellt.“

 

Die glubschigen Augen des hässlichen Hauselfen wurden groß, als sie Draco musterten. „Der junge Master Malfoy?“, hauchte er ehrerbietend. „Kreacher wird ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen.“

 

Draco verzog das Gesicht. Hauselfen hatte er noch nie leiden können. Dicht gefolgt von Ginny verließ er den Salon. Kurz darauf hörte er noch wie jemand einen Muffliato sprach, damit sie nicht lauschen konnten. Anscheinend beratschlagten sie sich jetzt, ob sie Draco nun in ihrem heiligen Orden aufnehmen wollten oder nicht.

 

„Darf Kreacher dem jungen Master eine Erfrischung anbieten?“, säuselte Kreacher. Aufgeregt knetete er seine knochigen Finger. „Kreacher hat schon seit Ewigkeiten kein nobles Mitglied der Familie Black mehr bedienen dürfen. Kreacher weiß gar nicht, was er sagen soll.“ Der Hauself verneigte sich tief vor ihm. Irritiert zog Draco die Augenbrauen zusammen.

 

„Oh man, der liegt die ja geradezu zu Füßen“, murrte Ginny augenrollend. „Wahrscheinlich bist du der einzige, dem er nicht in den Tee spuckt.“ Sie strafte Kreacher mit einem unzufriedenen Blick, dann griff sie nach Dracos Hand und zog ihn den Flur entlang. Kurz darauf betraten sie einen unordentlichen Raum.

 

Irritiert sah Draco sich um. Von einem Anwesen der Familie Black hatte er etwas anderes erwartet. „Und hier sollen meine Verwandten gewohnt haben?“, fragte er skeptisch. Sein Blick lag dabei auf einem Tisch, auf dem sich dreckiges Geschirr stapelte.

 

Ginny rollte mit den Augen. „Jetzt stell dich nicht dumm, Draco. Das ist die Küche. Tu nicht so, als hättest du noch nie eine Küche gesehen.“

 

Sein Blick wanderte weiter, betrachtete Pfannen und Töpfe, sowie diverse Regale und Schränke. „Wer sagt, dass ich so tue?“

 

„Kreacher fängt sofort an Ordnung zu schaffen!“ Mit einem Fingerschnipsen des Hauselfen setzte sich das Geschirr in Bewegung und begann sich selbst abzuwaschen. Türen klappten auf, Töpfe und Pfannen flogen hinein und auch das herumliegende Obst und Gemüse fand seinen richtigen Platz. In wenigen Sekunden war die Küche ordentlich und blitzblank. Stolz und erwartungsvoll sah Kreacher Draco an, als erwarte er ein Lob, doch Draco meinte bloß, er solle sich verziehen. Dankbar verschwand der Hauself aus der Küche.

 

„Also“, meinte Ginny, als sie endlich allein waren. „Das lief doch gar nicht so schlecht. Immerhin wurde niemand verletzt.“

 

Draco lehnte mit dem Rücken gegen einen hohen Schrank, in dem soeben noch einige Teller verschwunden waren, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Griff der Tür bohrte sich unangenehm in seinen Rücken. Er hätte sich selbst nicht getraut. Das stand fest. Aber Draco hatte ja auch ein leichtes Vertrauensproblem und war von vornherein allen anderen gegenüber skeptisch. Aber Potter und seine Leute waren dafür bekannt, immer das Gute im Menschen sehen zu wollen. „Es scheint so, dass Dumbledore sich für mich einsetzt und ich schätze, er wird viele überzeugen können. Letztendlich kommt es auf ihn oder Potter an. Einer von ihnen wird am Ende das letzte Wort haben.“

 

Er streckte seine Hand nach ihr aus und als sie sie ergriff, zog er sie sanft zu sich heran. Ginny stellte sich direkt vor ihn und sah ihm forschend ins Gesicht. „Stimmt es, was Hermine gesagt hat?“ Sie betrachtete ihn wieder mit diesem Blick, den er immer in Hogwarts gesehen hatte. Er war voller Hoffnung und Zuversicht.

 

Draco wusste, dass seine Entscheidung an jenem Tag ihm heute womöglich den Arsch gerettet hatte. Etwas, das er damals nie voraussehen hätte können. Dennoch fühlte er sich immer noch unwohl, weil er Granger damals verschont hatte. Es fühlte sich an, als wäre er bei etwas gescheitert, als hätte er versagt und Schwäche gezeigt. Jeder andere hätte diese Empfindung, die ihn damals vom Avada Kedavra abgehalten hatte, wohl als Mitgefühl bezeichnet, ein Wort, das dem Slytherin seltsam fremd war.

 

Ginny hatte immer an das Gute in ihm geglaubt. Anscheinend hatte sie recht behalten. Vermutlich war das in den letzten Monaten die einzige noble Tat seinerseits gewesen. Ein kleines bisschen Gnade. Vielleicht war für ihn doch noch nicht alles verloren.

 

Draco nickte. Ginny lächelte leicht und umarmte ihn. Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und schlang die Arme um seine Hüften. Ihre Wärme und ihre Nähe fühlten sich gut an. Sofort erwiderte er die Umarmung, strich mit den Händen über ihren Rücken und zog sie fest an sich. Ohne sie wäre er heute nicht hier. Sie hatte ihm einen letzten Ausweg gezeigt und mit ihrer Hilfe konnte er vielleicht nicht nur sich vor dem Untergang bewahren.

 

Er wollte sich bei ihr bedanken. Dafür, dass sie ihn nicht aufgegeben hatte, dass sie ihn so nahm, wie er war, trotz all seiner Fehler. Er wollte ihr dafür danken, dass sie ihn liebte, dass sie ihm einen Grund gab weiterzumachen. Sie war der hell erleuchtete Weg, der ihn aus der Dunkelheit führte, in der er sich schon so lange befand. Sie zeigte ihm eine Alternative, eine bessere Welt, war in gewisser Weise sogar so etwas wie ein Vorbild. Er wollte ihr für so vieles danken, doch er blieb stumm. Seine Lippen waren fest aufeinander gepresst und brachten nicht einmal dieses eine simple Wort hervor. Nach wie vor fiel es ihm schwer, ihr zu sagen, was er wirklich fühlte. Er hoffte nur, dass sie es wusste.

 

„Was ist wenn sie Nein sagen?“, murmelte Ginny leise an seiner Brust. Er strich mit einer Hand sanft über ihren Kopf, als würde er sie beruhigen wollen. Seine Finger glitten durch ihr rotes Haar.

 

„Werden sie nicht.“

 

Sie hob den Kopf und sah ihn aus großen braunen Augen an. „Was macht dich da so sicher?“

 

„Sie wären dumm, wenn sie sich nicht darauf einließen.“ Draco bot ihnen mehrere Dinge, die für sie von Vorteil wären. Vorranging stand ihnen ihr Stolz im Weg, sich mit ihm zu verbünden. Stolz und fehlendes Vertrauen. „Außerdem haben sie mich ihr geheimes Versteck sehen lassen. Das hätte sie nicht getan, wenn ihnen das Risiko zu groß gewesen wäre, dass ich es verrate.“

 

Ginny lächelte leicht. „Unterschätze sie nicht. Sie hätten dich auch einfach obliviieren können.“

 

Daraufhin warf Draco ihr einen ungläubigen Blick zu. „Das sollen sie erst einmal versuchen.“ Langsam beugte er sich zu ihr hinab, um sie zu küssen. Diesen kurzen Moment allein wollte er noch einmal auskosten.

 

Doch Ginny wich ihm aus. „Lieber nicht. Moody sieht sicher zu“, sagte sie, doch ihr mahnender Blick wurde von ihrem frechen Lächeln überspielt.

 

Ob der alte Krüppel sie gerade beobachtete oder nicht, das war Draco völlig egal. Im Augenblick wollte er ihr einfach nur nah sein und ihre Lippen schmecken. Er küsste sie und sagte mit einem leichten Grinsen gegen ihre Lippen: „Na, dann wollen wir ihm doch mal eine gute Show liefern.“ Daraufhin biss er ihr kurz in die Unterlippe, woraufhin sie sehnsüchtig seufzte.

 

„Du willst doch nur überspielen, dass du wahnsinnig nervös bist“, murmelte sie mit halb geschlossenen Augen. Ihre Hände wanderten in seinen Nacken und sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen, um ihm entgegenzukommen. Er hörte gar nicht mehr richtig, was sie sagte, denn sie presste sich an ihn und er spürte, wie sich ihre Brüste gegen seinen Oberkörper drückten. Seine Hände umfassten ihre Hüften und zogen sie näher an sich. Ihre Küsse wurden leidenschaftlicher, gieriger. Ihre Zungen spielten miteinander. Bei Merlin, er verzehrte sich so sehr nach ihr. Wenn er überlegte wie lange es bereits her war, dass sie miteinander geschlafen hatten. Er konnte es kaum erwarten sie erneut zu berühren, ihre sanfte, zarte Haut unter seinen Fingern zu spüren und ihr erregtes Stöhnen zu hören. Seitdem sie sich wieder begegnet waren hatten sie sich lediglich geküsst. Das war viel zu wenig. Draco wollte mehr. Vor allem jetzt, da er sie endlich wieder hatte und sich erlaubte, mit ihr zusammen zu sein, sich nach so langer Zeit erlaubte, sie zu lieben. Und das wollte er mit jeder Faser seines Körpers.

 

Ein Schalter klappte um und blendete alles andere aus. Blacks Küche, der Grimmauld Place oder Moodys magisches Auge. Ein Verlangen breitete sich in ihm aus, das gestillt werden wollte. Rasch schlüpften seine Finger unter den Stoff ihres Tops, strichen über ihre weiche Haut, über den Rücken und ihre Seiten, versuchten so viel nackte Haut zu berühren, wie möglich. Seine rechte Hand wanderte weiter zu ihrem Bauch, dann höher, zu ihren Brüsten. Er spürte die feine Spitze ihres BHs und die warme, weiche Haut ihres Brustansatzes. Sie keuchte in seinen Kuss hinein, was ihn anspornte, fest zuzugreifen.

 

Was auch immer er plante, in Blacks Küche zu tun, wurde jäh unterbrochen, als sich die Tür öffnete und eine überraschte Stimme sie auseinanderschrecken ließ. „Oh!“

 

Ginny sprang von ihm weg und richtete sich instinktiv ihre verrutschte Kleidung. Mit feuerrotem Kopf starrte sie zu Charlie, der verdattert in der Küche stand. Draco hatte nur einen genervten Blick für den Störenfried übrig. Er mied es jedoch ihm lange in die Augen zusehen, da es ihm peinlich war, erwischt worden zu sein.

 

Charlie blinzelte mehrmals und sah zwischen Ginny und Draco hin und her. „Ähm, störe ich?“ Ginny wurde nur noch roter. Sie sah aus, als würde sie vor Scham am liebsten im Erdboden versinken.

 

„Seid ihr endlich fertig?“, übernahm Draco deshalb das Reden.

 

Charlie musterte ihn einen Augenblick lang. „Ja. Ihr könnt kommen.“ Mit einer Hand fuhr er sich über das lange Haar, wobei er seiner kleinen Schwester einen schelmischen Blick zuwarf. „Es sei denn, ihr wollt lieber noch ein bisschen hier bleiben.“

 

Draco und Ginny wechselten einen Blick. Er hob eine Augenbraue. Seinetwegen hätte er nichts dagegen. Er verbrachte seine Zeit lieber mit ihr, als mit den Mitgliedern des Phönixordens. Aber Ginny gab nur einen frustrierten Laut von sich und stapfte dann los in Richtung Tür, penibel darauf achtend, Charlies belustigten Blick nicht zu begegnen. Draco folgte ihr.

 

Wenig später saßen sie wieder auf ihren beiden Plätzen an der langen Tafel im Salon. Unter dem Tisch hielt Ginny unbemerkt von den Blicken der anderen wieder seine Hand.

 

„Wir haben abgestimmt“, meinte Dumbledore mit einem neutralen Blick über seine Halbmondbrille, der keine Vermutung zuließ, wie das Ergebnis aussehen mochte. Ein unangenehmes Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Vorher war Draco sich noch sicher gewesen, doch nun nagten Zweifel an ihm. Er besah sich der Reihe nach die Gesichter der Anwesenden. Wer hatte für ihn und wer hatte gegen ihn gestimmt? Er konnte bloß vermuten.

 

„Wieso durfte ich nicht mit abstimmen?“, beschwerte sich Ginny sofort.

 

„Wir haben angenommen, du würdest für ihn stimmen und haben deine Stimme dementsprechend gewertet“, erklärte Lupin, was Ginny augenblicklich besänftigte.

 

„Die Mehrheit war für dich“, sagte Dumbledore ohne auf weitere Details einzugehen. Draco atmete langsam die Luft aus, die er unbeabsichtigt angehalten hatte. „Wir werden ab sofort miteinander kooperieren. Wir nehmen den Deal an, aber nur was dich und deine Mutter betrifft.“

 

Draco nickte. Das war zu erwarten gewesen, aber damit konnte er leben. Nicht nur er würde am Ende heile aus der Sache herauskommen, sondern auch seine Mutter. Das war das Mindeste, das er für sie tun konnte.

 

„Von heute an“, verkündete Dumbledore feierlich, „gehörst du zum Orden des Phönix.“

 
 

* * *

 

„Malfoy Manor!“

 

Snape ließ das Flohpulver fallen und wurde augenblicklich von grünen Flammen verschluckt. Sie tanzten um ihn herum, ohne ihn zu verbrennen, und schickten ihn stattdessen an einen anderen Ort, als würden sie seinen Körper zu Staub einäschern und woanders neu auferstehen lassen. Sobald die Flammen erstarben trat er aus dem Kamin und klopfte sich die zurückgebliebene Asche von den schwarzen Roben. Er hob den Blick und betrachtete die teure Einrichtung des Empfangszimmers. Gäste der Malfoys wurden mit besonders kostspieligen Erbstücken und Gemälden begrüßt, damit sie sofort einen Eindruck davon bekamen, in welcher Gesellschaft sie sich nun befanden. Snape hatte diesen Protz immer verabscheut. Alles nur Maskerade. Sie wollten angeben und einschüchtern. Snape benötigte dafür keine materiellen Dinge.

 

Sein letzter Besuch in diesem Anwesen war bereits einige Jahre her. Als er Narzissa erblickte wirkte sie kaum verändert, nicht um ein Jahr gealtert, beinahe noch so hübsch, wie zu ihrer Schulzeit. Ob es die Gene oder Magie waren, die sie so jung und schön hielten vermochte er nicht zu sagen. Es war ihm einerlei. Für Narzissa hatte er nicht viel übrig. Im Gegensatz zu ihrer Schwester Bellatrix mochte sie disziplinierter und eleganter sein, aber die blonde Hexe war ihm einfach zu weich. Und viel zu schwach. Vielleicht lag es daran, dass sie eine Mutter war. Ihre Familie war ihre Schwäche.

 

„Severus“, grüßte Narzissa kühl, als sie auf ihn zu kam. „Was führt dich zu mir?“ Sie trug ein dunkelgrünes enganliegendes Kleid, die hellblonden Haare fielen ihr lang und seidig den Rücken herunter. Ihr Gesicht zeigte ein höfliches Lächeln, das im Widerspruch zu ihrem misstrauischen Blick stand. Natürlich war sie misstrauisch. Sie standen sich schließlich alles andere als nah. „Zuerst dachte ich, die Eule hätte sich verflogen und sie wäre eigentlich für Lucius bestimmt.“

 

„Nein“, meinte Snape mit seiner öligen Stimme. Die schwarzen Augen waren fest auf sie gerichtet. Er studierte ihr Gesicht ganz genau – war sie wirklich so ruhig, wie sie vorgab, oder war sie nervös? Hatte sie bereits eine Vermutung, weshalb er hier war? „Ich wollte mit dir sprechen.“

 

„Und worüber?“ Sie legte den Kopf leicht schief und sah ihn mit großen, blauen Augen fragend an. Snape betrachtete sie einen Moment und stellte abermals fest, wie wunderschön die ehemalige Black war. Reinblütig, vermögend, gutaussehend. Snape brach den Blickkontakt, als ihm bewusst wurde, wie groß die Kluft zwischen ihnen war, wie unterschiedlich sie waren.

 

„Es geht um deinen Sohn“, meinte Snape schließlich, während er ein Porträt musterte, das irgendeinen ehemaligen Malfoy in einer vergoldeten Rüstung zeigte.

 

Erschrocken keuchte Narzissa. „Draco? Ist etwas mit ihm geschehen?“ Die kühle, gut erzogene Fassade brach und zeigte das besorgte Gesicht einer liebenden Mutter. Schnell hob er eine Hand, um sie zu beruhigen.

 

„Falls du denkst, dass ich hier bin, um schlechte Mitteilungen zu überbringen, dann darf ich dir versichern, dass das nicht der Grund meines Besuchs ist.“ Erleichtert atmete die blonde Hexe auf. Der Schreck stand ihr dennoch immer noch ins Gesicht geschrieben.

 

„Verzeih, seit er … sich seinen neuen Aufgaben widmet muss ich jeden Tag mit dem Schlimmsten rechnen. Du weißt ja, was Rookwood widerfahren ist. Und Draco ist noch so jung.“

 

„Es ist nur normal für eine Mutter, dass sie sich sorgt“, meinte Snape mit einem falschen Lächeln. Verstellen konnte er sich schon immer gut, wenn es für ihn von Vorteil war.

 

„Möchtest du vielleicht einen Tee?“, bot Narzissa ihm an. Snape hätte am liebsten verneint, doch für sein Vorhaben war es wichtig, ihr Vertrauen zu erwecken. Deshalb nickte er. Nur wenige Minuten später saßen sie im Salon. Der war noch größer und noch protziger. Snape konzentrierte sich voll und ganz auf Narzissa. Sie saßen beide in dunkelgrün gepolsterten Barocksesseln um einen kleinen runden Beistelltisch, auf dem bereits zwei dampfende Tassen Tee auf ihren Untertassen standen. Der Hauself stellte gerade noch ein Kännchen mit Milch sowie ein Schälchen mit schneeweißen Stücken Würfelzucker auf die mit Stickmustern verzierte Tischdecke. Nach getaner Arbeit verbeugte er sich vor seiner Meisterin.

 

„Das wäre dann alles, Wicked“, sagte Narzissa, ohne ihren Diener auch nur eines Blickes zu würdigen, und der Hauself disapparierte.

 

„Wo ist dein Sohn im Moment?“, begann Snape vorsichtig das Thema, das ihn heute an diesen Ort geführt hatte. Narzissa sah ihn einen Moment an. Entweder schien sie zu überlegen, wie die Antwort lautete oder ob sie ihm ihre Antwort mitteilen wollte.

 

„Ich vermute er erfüllt irgendeinen Auftrag“, mutmaßte sie. „Weder er noch Lucius sind sehr gesprächig, was diese Themen betrifft. Meist erfahre ich erst am nächsten Tag aus dem Tagespropheten davon.“

 

Snapes schwarze Augen fixierten sie, versuchten ihre Antwort zu analysieren. Sowohl ihre Wortauswahl sowie ihre Stimmlage klangen beherrscht. Sie wirkte ruhig, nichts deutete darauf hin, dass sie log. Doch Snape glaubte ihr nicht.

 

Vorsichtig versuchte er sich an ihre Gedanken heranzutasten. Er musste behutsam vorgehen, so bedächtig und präzise wie es manche komplizierte Tränke erforderten. Legilimentik war etwas Kostbares, vor allem, wenn derjenige nicht mitbekam, dass jemand seine Gedanken erforschte.

 

Snape beugte sich vor, griff nach dem Henkel des Kännchens und füllte etwas Milch in seine Tasse. Mit dem kleinen silbernen Teelöffel in der Tasse rührend lehnte er sich zurück, blickte dabei in den wirbelnden schwarzen Tee. „Nun, ich sehe Draco in letzter Zeit nicht sehr oft. Mir ist aufgefallen, dass er kaum noch im Hauptquartier ist. Und deshalb frage ich mich, wo er denn sonst sein sollte, wenn nicht zuhause.“

 

Er hob den Blick, immer noch mit dem Löffel im Tee rührend und sah Narzissa direkt in die Augen. Sie bewegte sich nicht, wirkte für einen Moment wie eine leblose Puppe. Als sie sprach, deutete nichts in ihrer Stimme darauf hin, dass sie irgendwie beunruhigt schien. „Soweit ich weiß wurde er mit der Aufgabe betreut sich um drei Drachen zu kümmern. Vielleicht fliegen sie durch die Gegend. Wer weiß das schon. Ich denke, ich bin der falsche Ansprechpartner, Severus. Wie ich bereits sagte, bin ich nicht darüber im Bilde, welche Aufträge Draco ausführt. Vielleicht solltest du lieber Lucius oder den Dunklen Lord persönlich danach fragen.“

 

Snape hörte auf zu rühren und setzte die Teetasse an seinen Mund. Heißer Dunst benetzte seine Lippen. „Manche Leute reden über deinen Sohn“, entgegnete er. „Er war mit einem Tabubrecher befreundet. Wusstest du das?“ Er trank einen Schluck seines heißen Tees, während er sie nicht aus den Augen ließ. Ihr Gesichtsausdruck würde härter. Man sah ihr an, dass sie die unausgesprochene Unterstellung nicht guthieß. Narzissa Malfoy mochte es nicht, wenn jemand schlecht über ihren kleinen Jungen sprach. Und Snape wusste, wenn sie sich provozieren ließ wäre sie leichter zu lesen. Ein aufgewühlter Geist konnte die Gedanken schlechter verbergen.

 

„Natürlich wusste ich das. Ich kannte Blaise Zabini. Seine Mutter und ich sind befreundet.“ Sie reckte das Kinn, wollte keine Angst zeigen. „Aber mein Sohn hat damit nichts zu tun. Der Junge hat sich all die Jahre über gut verstellt und nicht nur seine Freunde getäuscht. Sogar du hast die ganzen Jahre über nichts bemerkt“, warf sie ihm vor.

 

Süffisant grinsend erwiderte er. „Das ist wohl wahr.“ So einfach ließ er sich nicht provozieren. Sie wollte zum Angriff übergehen, aber in diesem Kampf war sie diejenige, die in die Ecke gedrängt wurde. „Was muss das für ein Schock für deinen Sohn gewesen sein, Narzissa. Erst seine beste Freundin, dann sein bester Freund.“ Langsam stellte er die Tasse zurück auf die Untertasse. Narzissas Augen funkelten ihn kalt an, was ihn belustigte. „Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen, mit welchen Personen sich dein Sohn abgibt. Nicht, dass das noch auf ihn abfärbt.“

 

Er wühlte in ihrem Geist, suchte nach Informationen, nach irgendeinem Hinweis, der seine Vermutungen bestätigte. Draco benahm sich verdächtig und sein Instinkt sagte ihm, dass mehr hinter dieser Sache steckte. Da waren Bilder und Erinnerungen, Gedanken und Gefühle, er suchte, suchte immer weiter …

 

Plötzlich brach sie den Augenkontakt und er wurde wieder weggerissen. Hart schlug er in der Realität auf. Narzissa fixierte die bordeauxrote Tapete an der Wand, während sie sprach. „Mein Sohn ist gut erzogen und ich verbiete mir solche Unterstellungen. Er ist dem Dunklen Lord treu ergeben. Das hat er mehrere Male bewiesen.“ Sie bemühte sich um einen gefassten Gesichtsausdruck, doch Snape entgingen nicht ihre verkrampften Finger auf ihrem Schoß.

 

„Natürlich“, säuselte er entschuldigend. „Du und Lucius könnt stolz auf ihn sein. Draco ist das Musterbild eines reinblütigen Todessers. Nicht umsonst war er jahrelang mein Lieblingsschüler. Ich will nur nicht, dass er in seinem jugendlichen Leichtsinn falsche Entscheidungen trifft.“

 

Sie sah ihn an, als würde sie ihm kein Wort glauben und er spürte, dass er ihre Geduld langsam überstrapazierte. Bisher hatte er jedoch noch nicht gefunden, wonach er suchte.

 

„Ich denke es wird Zeit, dass du gehst, Severus.“ Das hübsche Gesicht sah ihn an, als wäre er ein lästiges Insekt, das schnellstens entfernt werden musste. Deshalb wollte er sie nicht weiterhin unnötig quälen. Snape stand auf und stieß mit seinem Bein gegen den runden Tisch, sodass beide Tassen umkippten. Heißer Tee lief über die Tischplatte und tropfte auf den teuren Teppich.

 

„Ich bitte um Verzeihung.“

 

Narzissa sah nicht zu ihm sondern zu dem dunklen Fleck, der immer größer wurde. Mit gerümpfter Nase und verzogenem Mund rief sie: „Wicked!“

 

Sofort erschien ein Hauself. Als er das Malheur entdeckte begann er sofort die Unordnung zu beseitigen. Diesen Moment nutzte Snape und tauchte in seinen Geist ein. Hauselfen waren weitaus unkomplizierter, als Menschen. Und sie verbargen viele Geheimnisse. Wer wusste schon, was die Hauselfen in Malfoy Manor alles aufschnappten? Natürlich würden sie freiwillig nie jemandem etwas verraten. Der kleine Hauself würde nicht einmal merken, dass jemand seine Gedanken las.

 

Es dauerte nicht einmal drei Sekunden, da hatte er gefunden, wonach er suchte.

 

Snape verbeugte sich tief und entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten. Narzissa begleitete ihn zurück zum Kamin, mit ernstem Gesicht und unverhohlener Abneigung im Gesicht. Mit einer höflichen Verabschiedung, die von ihr nicht erwidert wurde, verschwand Snape in den grünen Flammen.

 

Dieser Besuch war durchaus interessant gewesen.

 



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