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In Zeiten des Krieges

Draco x Ginny
von

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Teil 1 – Kapitel 23

Januar 1998

 

Der Hogwarts-Express fuhr wie immer pünktlich um elf Uhr ab. Der Zug setzte sich in Bewegung und verließ den Bahnhof King’s Cross. Die Weihnachtsferien waren nun vorüber, ein neues Jahr brach an und die Schüler von Hogwarts reisten zurück zur Schule.

 

Draco kämpfte sich durch den schmalen Gang, in dem die letzten Schüler einen freien Platz suchten, um in das Abteil für die Vertrauensschüler zu gelangen. Er hatte schlechte Laune und nutzte die Gelegenheit um seinen Frust abzubauen, indem er die entgegenkommenden Schüler mit voller Wucht anrempelte. Schulsprecher hin oder her, es war ihm gleich. Pansy war direkt hinter ihm und schnauzte einen Schüler an, der es gewagt hatte, sich ihr in den Weg zu stellen. Seine Eltern hatten ihn wie immer zum Bahnhof gebracht. Ihre Verabschiedungen waren in den Jahren immer kürzer geworden. In seinem ersten Jahr noch hatte seine Mutter ihn kaum gehen lassen wollen, doch jetzt, als inzwischen Volljähriger, fiel ihnen der Abschied nicht mehr so schwer. Pansy hatte ihn direkt am Gleis 9 ¾ abgefangen und sie waren gemeinsam in den Zug gestiegen. Blaise hatte er bisher noch nicht entdeckt, aber er würde hier auch irgendwo sein und sich ein Abteil mit den anderen Slytherins teilen.

 

Für die Vertrauensschüler in Hogwarts gab es ein eigenes Abteil. Für die vierundzwanzig Schüler gab es vier Sitzgruppen, für je sechs Schüler, damit jedes Haus für sich sein konnte. Draco öffnete die Tür und fand sich im bereits vollen Abteil wieder. Er und Pansy waren anscheinend die letzten. Er steuerte direkt auf die Gruppe der Slytherins zu und stellte zähneknirschend fest, dass die Plätze am Fenster bereits besetzt waren.

 

Er baute sich vor dem Fünftklässler an der Fensterseite auf und setzte seinen einschüchternsten Blick auf. „Los, verzieh dich, Gibbon. Das ist mein Platz.“ Der Fünftklässler sah ihn verärgert an und öffnete bereits den Mund, doch Dracos Blick ließ keinen Widerspruch zu. Mit einem genervten Augenrollen machte er Platz. Draco ließ sich auf dem weichen Sitz fallen und fand sich plötzlich einer blonden Slytherin gegenüber.

 

„Was machst du denn hier?“, fragte er verdutzt. „Das ist das Abteil für die Vertrauensschüler.“ Daphne hatte hier schließlich nichts zu suchen und sollte irgendwo anders sitzen, mit Millicent, Blaise und den anderen.

 

Sie runzelte verwirrt die Stirn. „Ich bin Vertrauensschülerin“, sagte sie und sie zeigte auf das Abzeichen, das an ihrem Pullover hing.

 

Draco überkam das Gefühl eines Déjà-vu. Er sah ungläubig auf das Abzeichen. Seit wann war Daphne Vertrauensschülerin? Pansy war schließlich seit ihrem fünften Schuljahr die Vertrauensschülerin in ihrem Jahrgang. Er sah zu seiner rechten, wo seine beste Freundin gerade Platz nahm.

 

„Pansy, seit wann ist Daphne Vertrauensschülerin?“, murmelte er seiner Sitznachbarin zu. Die Schwarzhaarige sah ihn verwirrt an. „Das ist nicht Daphne“, erklärte sie mit einem Augenrollen. „Das ist ihre Schwester.“

 

Draco sah sich noch mal die Schülerin an, die ihn anschaute, als säße sie einem Verrückten gegenüber. Und dann sah auch er den Unterschied und ihm fiel wieder ein, dass Daphne ja eine kleine Schwester hatte: Astoria. Sie sah ihrer Schwester wirklich sehr ähnlich. Kein Wunder, dass er sie verwechselt hatte. Sie hatten die gleichen langen blonden Haare und die gleichen blauen Augen.

 

„Wow“, sagte Astoria kühl. „Das kränkt mich jetzt wirklich.“

 

Draco machte eine wegwerfende Handbewegung und das Thema war für ihn gegessen.

 

Pansy sah ihn besorgt an. „Was bei Merlin ist los mit dir?“ zischte sie leise.

 

Draco sah aus dem Fenster. Sie hatten London bereits verlassen. „Nichts“, murmelte er. „Ich hatte nur beschissene Ferien.“ Außerdem wusste er, dass der Zug heute von den Todessern angegriffen werden würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Er spürte Pansys fragenden Blick, doch sie stellte keine weiteren Fragen. Er würde ihr später alles erzählen.

 

Die Ländereien zogen an ihnen vorbei und nach etwa einer halben Stunde erhob sich die Schulsprecherin und bat um Aufmerksamkeit. Nicht nur von Seiten der Slytherins kamen genervte Laute.

 

„Zuerst einmal wünsche ich euch allen ein frohes neues Jahr“, begann Granger mit einem strahlenden Lächeln, das von niemandem erwidert wurde. In ihren Händen hielt sie einen Stapel Pergamentblätter. „Wir ihr alle wisst haben wir als Vertrauensschüler die Pflicht für Recht und Ordnung zu sorgen. In den letzten Jahren wurde dieser Aufgabe nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie benötigte. Von daher habe ich einen Zeitplan erstellt–“ (Genervtes Stöhnen im Abteil) „und Zweiergruppen erstellt, die in den Gängen patrouillieren und nach dem Rechten sehen.“

 

„Muss das sein?“, rief einer der Ravenclaws und Granger verzog verärgert das Gesicht.

 

„Ja, das muss sein“, erwiderte sie kühl und scheinbar verletzt. Vermutlich hatte sie sich eine andere Reaktion auf ihren tollen Zeitplan erhofft. „Wie ihr wisst bin ich nicht nur Vertrauensschülerin, sondern auch Schulsprecherin und sehr bemüht um das Wohlergehen unserer Schüler. Einige von uns sollten ihre Aufgabe ein wenig ernster nehmen. Der Zeitplan wird eine gute Unterstützung dafür sein. Jede Zweiergruppe wird für dreißig Minuten eingeteilt.“ Sie reckte das Kinn. „Das ist doch nun wirklich nicht zu viel verlangt.“

 

Anschließend ging sie durch das Abteil und verteilte die Zeitpläne.

 

„So eine blöde Kuh“, zischte Pansy, als Granger außer Hörweite war. „Lechzt immer nach Aufmerksamkeit.“ Und sie zerknüllte ihren Zeitplan ohne auch nur einen Blick drauf geworfen zu haben.

 

Draco sah sich die Einteilung der Schüler an. Ginevras Name stand ganz oben. Sie war in der ersten Gruppe. Als er zu den Gryffindors hinüberblickte war sie bereits aufgestanden.
 

„Na los, Euan, bringen wir es hinter uns“, sagte sie, während der andere Gryffindor widerwillig aufstand. Und sie beide verließen das Abteil.

 

Nach einigen Minuten lehnte sich Draco zu Pansy und flüsterte ihr zu: „Die Todesser greifen heute den Zug an.“ Einige Sekunden verstrichen, ehe sie nickte.

 

„Wann?“, flüsterte sie ebenso leise.

 

„Bald.“ Er spürte den Blick von Astoria, aber sie konnte unmöglich etwas gehört haben, denn das Rattern des Zuges war viel zu laut. Und er fuhr fort: „Ich gehe und sage es Blaise.“ Pansy sagte nichts und ließ sich nichts anmerken. Sie starrte aus dem Fenster und Draco konnte nur vermuten, was die Slytherin in diesem Moment dachte. Er stand auf und verließ das Abteil.

 

Ihm blieb nicht viel Zeit. Er musste zumindest diejenigen warnen, die ihm etwas bedeuteten.

 

Granger war wirklich nervtötend, doch dieser Zeitplan hatte auch etwas Gutes: So konnte er mit etwas Glück mit Ginevra reden, ohne dass es jemand bemerkte. Da sich das Abteil für die Vertrauensschüler im vordersten Waggon befand blieb ihm nur eine Richtung, in die er gehen konnte. Er wusste nicht wie viel Zeit ihm blieb und wie er es schaffen sollte sie anzusprechen, ohne das Abercrombie irgendwie dazwischen funkte.

 

Er ging durch das nächste Abteil. Keine Spur von den beiden Gryffindors.

 

Blaise erreichte er zuerst. Wie vermutet teilte er sich das Abteil mit den übrigen Slytherins aus ihrem Jahrgang. Vincent, Gregory und Theodore waren ebenfalls dabei. Und siehe da, auch Daphne. Draco wusste, dass zumindest Nott ebenfalls von dem Angriff wusste, eventuell wussten es auch die anderen beiden. Zumindest ließen sie sich nichts anmerken. Draco und Blaise sprachen kurz vor dem Abteil. Blaise reagierte ebenso emotionslos wie Pansy. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Draco wollte nur, dass die beiden zumindest gewarnt waren. Die Todesser würden selbstverständlich keine Slytherins angreifen, doch würden sie die Slytherins auch noch erkennen, wenn sie keine Schuluniformen trugen?

 

Er empfahl seinem besten Freund sich einfach an Nott zu halten. Der würde schon wissen, was zu tun ist.

 

Als Draco durch das nächste Abteil ging bemerkte er zwei Personen, die offensichtlich keine Schüler von Hogwarts waren, auch wenn ihre Schulzeit vielleicht nicht so lange zurückliegen mochte. Eine von ihnen war eine Frau, mit so einer verrückten Frisur, die es schwer machte, sie nicht zu bemerken. Die grünen und lila Strähnen standen in alle Richtungen ab. Neben ihr stand ein Mann, höchstens dreißig, mit langen roten Haaren, einem roten Bart und unzähligen Sommersprossen im Gesicht. Na wenn das kein Weasley war.

 

Die beiden verstummten mitten im Satz, als sie den Slytherin bemerkten. Wortlos quetschte er sich an ihnen vorbei und versuchte sich ihre Gesichter möglichst genau einzuprägen. Wie viele Mitglieder des Ordens würden sich hier wohl noch aufhalten?

 

Draco ging weiter durch das nächste Abteil, aber er konnte sie immer noch nicht sehen. Spätestens am Ende des Zuges würde er sie finden. Er zog seinen Zauberstab und beschwor mit einem einfachen Zauberspruch einen Vogel herauf, der fröhlich zwitschernd über seinem Kopf flog. Es war ein Rotkehlchen. Mit einem Schwenker seines Stabs schickte er den Vogel los.

 

Der Zug fuhr durch Täler und Wälder. Die Landschaft lag unter weißem dickem Schnee. Der Himmel war bewölkt, grau und diesig. Im vorletzten Waggon entdeckte er endlich Abercrombie, der gerade versuchte einen Streit bei den Ravenclaws zu schlichten. Ginevra war nicht bei ihm, was bedeutete, dass sie seine Botschaft erhalten hatte. Wortlos quetschte er sich an dem Gryffindor vorbei und machte sich auf den Weg.

 

Am anderen Ende des Zugs sah er sie dann endlich. Ginervra stand bei der alten Hexe mit dem Servierwagen. Das Rotkehlchen saß auf ihrer Schulter. Ihr langes rotes Haar fiel ihren Rücken hinab. Dicht hinter ihr blieb er stehen. Sie wollte gerade einen Schokofrosch bezahlen, als er bereits der Hexe eine Galleone hin hielt.

 

„Machen Sie zwei draus“, sagte er mit dem Blick auf Ginny. „Geht auf mich.“ Die alte Hexe reichte ihnen zwei Schokofrösche und Draco drückte ihr die Münze in die Hand. „Stimmt so.“

 

„Danke, mein Lieber.“ Die alte Hexe lächelte über das großzügige Trinkgeld. „Immer wieder schön, dein Gesicht zu sehen.“

 

Früher hatte Draco sein halbes Taschengeld bei dem Servierwagen gelassen. Außerhalb der Kontrolle seiner Eltern hatte er sich immer vollgestopft mit Süßigkeiten, die sie ihm nie erlaubt hätten, um dann abends mit Bauchschmerzen im Bett zu liegen. Die alte Hexe war immer nett zu ihm gewesen.

 

Freundlich lächelnd schob sie ihre Süßigkeiten weiter zum nächsten Abteil und öffnete die Tür. „Meine Lieben, darf es etwas vom Servierwagen sein?“

 

Draco und Ginny standen noch an derselben Stelle, beide mit ihren Schokofröschen in der Hand. Sie biss ihrem zappelnden Frosch gnadenlos den Kopf ab und ließ den Slytherin nicht aus den Augen.

 

„Wolltest du nur angeben wie reich du bist“, fragte sie, „oder willst du irgendetwas bestimmtes?“

 

Draco überlegte. Wenn er ihr von dem Angriff erzählen würde dann wäre ihre erste Intention vermutlich den Mitgliedern des Ordens sofort Bescheid zu sagen. Und wenn herauskäme, dass sie gewarnt worden wäre, dann wäre das vermutlich nicht sehr günstig für ihn, vor allem, da Nott gesehen hatte, wie er durch den Zug schlich. Und wenn man ihn mit ihr zusammen sah, würde das nur Fragen aufwerfen. Trotzdem wollte er nicht gehen. Er wollte hier bleiben. Bei ihr.

 

„Schöne Ferien gehabt, Weasley?“, stellte er die Gegenfrage. Draco lehnte sich gegen die Wand des Zuges und packte seinen eigenen Schokofrosch aus. Beinahe hätte der sich aus dem Staub gemacht, doch Dracos Reflexe waren schnell genug, sodass er ihn schnappen konnte. Die beiliegende Karte zeigte Albus Dumbledore. Er rollte innerlich mit den Augen. Davon hatte er doch bestimmt schon zehn Stück.

 

Ginny betrachtete ihn mit einem argwöhnischen Blick und er konnte ihr ansehen, wie sie ihm misstraute. „Bezaubernd“, antwortete sie und aß den Rest des Schokofrosches. „Wüsste nur nicht, was dich das angeht.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn angriffslustig an.

 

Er wusste einfach nicht, was er sagen sollte. Ihr Anblick raubte ihm den Atem. Es gab so vieles, was er ihr sagen wollte. Wie oft er in den Ferien an sie gedacht hatte, wie sehr er sie vermisst hatte und was er in diesem Moment in ihrer Nähe empfand. Welches Risiko er für sie einging. Dieser Rotschopf verwirrte ihm dermaßen den Kopf, dass er erst wieder zu sich kam, als es laut knallte.

 

Der Zug machte einen Ruck. Für eine Sekunde war es todstill, ehe das Chaos begann. Der Zug stand still und plötzlich schossen die Vorhänge der Fenster zu. Das Licht ging aus und man konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen.

 

„Bleibt, wo ihr seid!“, rief die alte Hexe vom Servierwagen. Sie ließ ihren Wagen stehen und zückte ihren Zauberstab. Dieser Anblick überraschte Draco, denn er hatte die alte Frau als schwach und langsam in Erinnerung.

 

Ginevras Stimme drang zu ihm durch. „Was geht hier vor?“ Ein lauter Knall ertönte und das Rotkehlchen stieß einen erschrockenen Laut aus. Es flog von ihrer Schulter und schwirrte verängstigt durch die Luft. Durch die Abteiltür neben ihnen lugten einige Köpfe heraus. Draco versperrte Ginevra mit seinem Körper den Weg.

 

„Lass mich durch!“ Sie versuchte ihn beiseite zu schieben, aber sie hatte keine Chance. Dann zog sie ihren Zauberstab. „Geh mir aus dem Weg, Malfoy!“ Ihr Blick war fest entschlossen, nicht der kleinste Funken von Angst lag in ihren Augen. Er zog nun auch seinen Zauberstab.

 

Das Licht des Zuges flackerte leicht und der Waggon geriet erneut ins Wanken. Vermutlich kämpfte jemand in der Nähe. Aus dem Abteil drang das Wimmern der verängstigten Schüler.

 

Ginny deutete mit ihrem Zauberstab direkt auf die Stelle zwischen seine Augen. „Ich sagte, geh mir aus dem Weg!“

 

Er schüttelte langsam den Kopf.

 

Mit einem Schwenker seines Stabs verschloss er die Tür des Abteils vor den neugierigen Blicken der Schüler und damit sie nicht in Versuchung kamen ins Geschehen eingreifen zu wollen. In den Gängen waren nun Stimmen zu hören. Ein weiterer Knall. Und ein Rütteln fuhr durch den Zug. Dies schien auch die Gryffindor wachzurütteln und sie schoss einen Ungesagten Zauber auf ihn ab, den er jedoch mit Leichtigkeit parierte. Sie war zu unkonzentriert, um ihn zu überraschen.

 

Sie versuchte es noch weitere Male. Letztendlich jedoch schien sie zu begreifen, dass sie mit Magie nicht weiterkam, und so versuchte sie es mit Gewalt. Mit aller Kraft versuchte sie an ihm vorbei zu kommen, warf sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen ihn, drückte und zerrte, doch er war stärker. Er hielt sie an den Handgelenken fest und gab ihr keine Chance, an ihm vorbei zu kommen.

 

„Lass! Mich! Los!“ Ihr Körper kämpfte und es kostete ihn große Mühe sie festzuhalten. Die Gryffindor war stärker, als er gedacht hatte. Ihr Ellenbogen erwischte ihn im Magen und er keuchte auf. Ein stechender Schmerz schoss durch seinen Körper.

 

„Verdammt, Weasley, halt endlich still!“, fluchte er mit zusammengebissenen Zähnen. Funken sprühten aus ihrem Zauberstab. Sie raste vor Zorn.

 

Oppugno!“

 

Das Rotkehlchen, das Draco zuvor heraufbeschworen hatte, flog auf ihn zu und begann, auf seinem Gesicht einzupicken. Instinktiv ließ er Ginny los und hob die Hände, um den spitzen Schnabel des Vogels abzuwehren. Diesen Moment nutzte sie, um ihm zu entkommen. Sie drängte sich an ihm vorbei und lief los, zum nächsten Waggon.

 

„Verdammt!“ Draco richtete seinen Zauberstab auf den blutrünstigen Vogel. „Finite!“

 

Der Vogel verpuffte. Eine Sekunde später wurde der Zug umgeworfen. Es war, als würde er vom Besen fallen. Die Welt um ihn herum wirbelte umher und die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst. Mit einem lauten Rumms schlug der Zug auf. Schreie voller Panik aus den Abteilen durchschnitten die Dunkelheit. Draco brauchte einen Moment, um die Orientierung wiederzuerlangen. Er musste erst wieder oben und unten zuordnen. Einige Vorhänge der Fenster flogen auf, sodass wenigstens wieder Licht hineinkam. Er versuchte einen Blick hinauszuwerfen, doch alles, was er sah, war der graue Himmel. Und das Dunkle Mal, das über dem Zug leuchtete.

 

Langsam rappelte Draco sich auf und keuchte. Der Sturz hatte ganz schön weh getan, aber es schien, als sei ihm nichts weiter passiert. Er sah den Gang hinab und sah Ginevra auf dem Boden liegen. Sie rührte sich nicht. In nur wenigen Schritten hatte er sie erreicht. Er kniete sich neben sie. Für den Hauch einer Sekunde konnte er nicht klar denken, als er das Blut an ihrem Kopf sah. Doch dann stöhnte sie vor Schmerz auf. Noch nie in seinem Leben war er so erleichtert gewesen.

 

Sie versuchte sich aufzusetzen.

 

„Vorsicht, du bist verletzt.“

 

Sie stöhnte erneut und fasste sich an die Stirn. Als sie das Blut an ihren Fingern sah weiteten sich geschockt ihre Augen. Das Licht des Zuges ging wieder an. Anscheinend war der Kampf nun endlich vorbei. Ginny fing an zu schluchzen.

 

„Ich heile es“, sagte Draco sanft, der den Zauberstab bereits bereit hielt. „Die Verletzung ist nicht schlimm.“

 

Tränen liefen ihr über das Gesicht. „Ich weine nicht deswegen“, sagte sie mit brüchiger Stimme. Fragend sah er sie an, doch sie wich seinem Blick. „Du wusstest es.“ Ihre Stimme war anklagend. „Du wusstest von dem Angriff.“ Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen weg. „Und du hast verhindert, dass ich ihnen helfe.“

 

Zuerst war er total perplex, doch dann ergriff ihn die Wut. „Falls es dir nicht aufgefallen ist“, fauchte er, „ich versuche dich zu beschützen!“ Sie hätte ihn nicht anklagen sondern ihm danken sollen!

 

Ihre braunen Augen sahen ihn an, voller Verzweiflung und Missachtung. „Und was ist mit den anderen?“

 

Graue Augen sahen in braune. „Die anderen sind mir egal!“ Und es war die Wahrheit. Er konnte sich nicht um die anderen scheren. Entweder sie oder er. Es war alles erst der Anfang. Tränen liefen ihr über das Gesicht, während er einen Zauberspruch sprach und die Wunde an ihrem Kopf heilte.

 
 

***

 

Eine Stunde später war der Express bereits wieder auf dem Weg nach Hogwarts. Nachdem es den Mitgliedern des Orden des Phönix gelungen war, die Todesser zu vertreiben, hatten sie einen Patronus nach Hogwarts geschickt, woraufhin Dumbledore und die anderen Lehrer zur Hilfe eilten. Gemeinsam schafften sie es den umgeworfenen Zug wieder auf die Bahngleise zu bringen. Die Vertrauensschüler kümmerten sich um die verängstigten Schüler, während die Lehrer zusammen mit den verletzten Schülern nach Hogwarts apparierten, damit sie im Krankenflügel von Madam Pomfrey geheilt werden konnten.

 

Wie sich herausstellte waren außer den beiden Personen, die Draco im Zug gesehen hatte noch drei weitere Widerständler anwesend gewesen. Zwei von ihnen waren ebenfalls verletzt worden und kamen ins St. Mungos. Einer von ihnen war Sirius Black.

 

Die restliche Fahrt verlief ereignislos. Die Schüler waren viel zu geschockt und heilfroh, als der Zug endlich in Hogsmeade ankam. Abgesehen von Hagrid, der wie üblich die Schüler am Bahnhof in Empfang nahm, waren noch weitere Lehrer anwesend. Inzwischen war es dunkel, dicke Schneeflocken fielen vom Himmel herab und nur das Knirschen der Schuhe im Schnee war zu hören.

 

Draco ging gemeinsam mit Pansy und Blaise zu den Kutschen. Nur noch wenige Momente und sie würden wieder in Hogwarts sein.

 

Und dann würde der Spaß erst richtig losgehen.

 

In Gedanken versunken näherten sie sich den Kutschen, bis Draco auf einmal abrupt stehen blieb. Pansy, die sich bei ihm eingehakt hatte, blieb ebenfalls stehen und auch Blaise drehte sich zu ihm um.

 

„Was ist los?“, fragte Blaise mit einem Stirnrunzeln.

 

Draco sah an ihnen vorbei. Er starrte direkt auf die Kutschen, ohne sie wirklich zu sehen.

Das Ding vor ihm erhielt all seine Aufmerksamkeit.

 

Pansy musterte ihn. „Alles in Ordnung, Draco?“

 

Nach einem Moment fing er sich wieder. „Ja, alles bestens.“ Er ging weiter und zog Pansy an seinem Arm mit sich, um in die Kutsche einzusteigen. Seine beiden Freunde folgten ihm mit besorgten Mienen. Draco stieg zuletzt ein, nicht ohne noch einmal einen letzten Blick auf die Kreatur zu werfen.

 

Aha, dachte Draco bitter. Das sind also Thestrale.



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