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Blut_Linie

von

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Neues wagen

Daniel saß in seinem Zimmer auf seinem breiten, mit weichen Kissen bedeckten Bett. Er hatte die Beine an sich gezogen, umschlang sie mit seinen Armen und versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

Er hatte sich, nachdem er mit den anderen Larissa und Steve verlassen hatte, in sein Zimmer zurückgezogen, um ein wenig zu sich zu kommen. Heute Abend hatte der Vater die nächste Ratssitzung einberaumt. Bis dahin jedoch würden sie sich alle ein paar Stunden Ruhe gönnen, ihre Gedanken ordnen, sich auf das kommende vorbereiten.
 

Daniel zitterte leicht, denn jetzt, wo er mit sich allein war, kam ihm nach und nach zu Bewusstsein, was die veränderte Situation für Konsequenzen mit sich brachte, sowohl für ihn, aber auch für das Volk der Vampire, für die Menschen, für seine Freunde und Familie.

Langsam, ganz langsam begann er nicht nur zu begreifen, sondern auch zu fühlen, dass die Bürde der Thronfolge nicht mehr auf seinen Schultern lag. Er war nicht mehr der zukünftige König. Er würde nicht mehr die Pflicht der Regierung zu bewältigen haben.

Und das hieß ... er hatte nun die Möglichkeit, ein Leben mit Marti zu leben. Ein Leben mit dem Mann, den er über alles liebte und der ihm mehr bedeutete, als irgendetwas anderes auf der Welt.
 

Tränen flossen ihm aus den Augen, sein Herz klopfte wild, sein Atem ging stoßweise.

Er würde mit Marti zusammen sein können!

Er wurde geschüttelt von etwas, was Schluchzen und Lachen gleichzeitig war. Die Welle der Gefühle überschwemmte ihn geradezu und es dauerte eine Weile, bis es ihm schließlich gelang, vernünftig zu atmen und wieder einigermaßen klar zu denken.
 

Natürlich war das für ihn am allerwichtigsten, und ja, er schämte sich nicht, nach vielen Jahren des Pflichtbewusstseins nun einmal seine ganz persönlichen Wünsche und Bedürfnisse am allerwichtigsten zu nehmen.

Aber natürlich waren die Konsequenzen viel weitreichender.
 

Allein, was es für das Volk der Vampire für Bedeutung hatte! Es würde keinen Blutdurst mehr geben, die Vampire wären nicht mehr darauf angewiesen, Menschen zu jagen und ihnen Schaden zuzufügen, um zu überleben. Sie würden statt dessen ihren Bedarf mit Gewürzwein stillen. Sie würden unter den Menschen leben können, Menschen würden im Vampirreich leben können...

Nach Jahrhunderten der Angst und der gegenseitigen Feindschaft würde nun ein Zeitalter des Friedens zwischen den beiden Völkern anbrechen.

Sicher würde es zu Anfang Misstrauen und Vorbehalte auf beiden Seiten geben, das war verständlich. Aber dennoch. Die Zeit des Hasses war vorbei.
 

Nun, ein paar Hürden gab es noch. Man musste den dritten Neumond abwarten. Man musste weitere Tests durchführen.

Man musste das Volk der Vampire informieren.

Man musste genügend Würzwein zur Verfügung stellen.

Die meisten Vampire würden froh und dankbar über diese Entwicklung sein. Sicher würde es einige ewig gestrige geben, die sich auf angebliche Traditionen beriefen.

Doch da hatte der Vater bereits klar gestellt, dass er, sobald die Testreihen nach dem dritten Neumond mit positivem Ergebnis abgeschlossen seien, den Konsum von Menschenblut unter Strafe stellen würde.

Man musste dann entscheiden, ob man das Volk der Menschen im großen Stile über die Existenz der Vampire informieren wolle...

Es gab eine Menge zu tun, eine Menge Arbeit, eine Menge zu organisieren, eine Menge Entscheidungen zu treffen.

Und auf der Ratsversammlung heute Abend würden sie beginnen...
 

Nein.

Daniel richtete sich auf. Er holte tief Luft und kletterte aus dem Bett. Er straffte den Rücken, wie um sich selber Mut zu machen. Dann verließ er das Zimmer und trat in den Korridor hinaus.
 

Er lief durch die Gänge des Schlosses, bis er zum Ruhezimmer seiner Eltern kam. Dort klopfte er leise an die Tür.

„Herein!“, ertönte die warme Stimme der Mutter.

Daniel trat ein.
 

Vater und Mutter saßen in ihren bequemen Lehnstühlen, beide sichtlich erschöpft von den Ereignissen der letzten Tage und Stunden.

„Daniel“, sagte der Vater. „Komm, setz dich zu uns.“

Daniel setzte sich auf einen weich gepolsterten Schemel.

„Vater ... Mutter ...“ begann er stockend.

„Nun?“, fragte der Vater. „Was möchtest du mit uns besprechen?“
 

„Vater, ich habe ... mich mein Leben lang vorbereitet, einst König zu werden. Ich habe immer meine Pflicht an erste Stelle gestellt. Habe auf vieles verzichtet. Habe vieles geopfert.“

Er schluckte.

„Auch mein Lebensglück hätte ich geopfert ... ich habe so hoffnungslos geliebt und doch die Hoffnung nie ganz verloren. Und nun, da alles anders ist, da ich die Chance habe, meine große Liebe bei mir zu haben ...“

Seine Wangen glühten und er sah die Eltern voller Hoffnung und um Verständnis heischend an.
 

Die beiden lächelten.

„Nun wo alles anders ist, möchtest du nicht eine Minute länger als nötig ohne deinen jungen Mann sein, stimmts?“, sagte die Mutter liebevoll.

Daniel nickte. Er brachte gerade kein Wort heraus.

„Dann mach dich auf den Weg“, sagte der Vater und stand aus seinem Stuhl aus. Er öffnete die Arme und zog seinen Sohn in eine feste Umarmung.
 

„Flieg los“, sagte die Mutter. „Flieg nach Berlin, flieg zu deiner großen Liebe und sag ihm, dass ihr zwei nun alle Möglichkeiten habt, gemeinsam ein glückliches Leben zu führen.“

„Danke“, hauchte Daniel überwältigt. Er drückte Vater und Mutter fest an sich. Küsste beide liebevoll auf die Wange

Dann machte er sich auf den Weg, um sich von Steve und Larissa zu verabschieden.
 

Eine Stunde später flog er davon in den Abendhimmel.

Mit sich nahm er Grüße an die Freunde und das Versprechen, Belinda einen Kuss von ihrem Frauchen zu geben.

Sobald Larissa wieder ganz hergestellt war, würde Steve nach Berlin geflogen kommen, um die kleine Hündin zu holen. Sie würde im Schloss leben. Im Schlosshof, dem Berg und dem Wald würde es viel zu erschnüffeln geben.
 

Daniel jedoch ließ das alles erst einmal hinter sich.

Er sah nur noch nach vorne.

Er freute sich auf Marti.



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