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Mosaik

Urban Fantasy Thriller
von

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[26.08.2011 – M22 – Gänsemutter]

Auf beiden Seiten der R302 breiteten sich Felder auf. Es war wie beinahe überall in Südafrika, sobald man aus den urbanen Gebieten heraus war: Man fand entweder Wildnis oder Felder.

Zumindest war hier die Straße befestigt und man musste sich wenig Sorgen um kreuzende Elefanten machen.

Sie waren beide auf Motorrädern unterwegs – weil Murphy es für eine gute Idee gehalten hatte. Sie hatte ihn ein paar Mal mit dem Motorrad zur Arbeit kommen sehen, bevor er sich entschlossen hatte, ständig in ihrer Nähe abzuhängen. War das wirklich erst drei Wochen her? Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit. Man konnte sich schnell an die Gesellschaft anderer Leute gewöhnen.

Sie fuhren in Richtung Malmesbury. Murphy hatte ihr gesagt, dass die Schamanin, die er „Mother Goose“, „Mutter Gans“, genannt hatte in der Nähe des Paardenbergs eine kleine Farm hatte.

Sie vertraute ihm. Was blieb ihr auch übrig?

Nach einigen Kilometern und sicher einer Stunde Fahrt, bog Murphy auf eine schmalere Seitenstraße nach Rechts, Richtung Osten ab. Sie folgte ihm, noch immer angespannt ob des Motorrads. Sie war so ein perfektes Opfer für einen Scharfschützen. Wurde sie paranoid?

Doch Pakhet wusste eins: Wenn sie die Sache durchzog und sie bei dem Versuch nicht starb, würden die Köpfe hinter der Organisation es persönlich nehmen. Das Kopfgeld würde sich erhöhen, nicht weniger werden.

In der Ferne konnte sie ein Farmhaus erkennen. Es erweckte den Eindruck, als hätte es sich aus einem Westernfilm hierher verirrt. Es war größtenteils aus Holz gebaut, ganz im Stil der amerikanischen Farmhäuser des mittleren Westens. Es gab auch zwei Scheunen: Eine große, die offenbar genug Platz für einige Tiere bot, eine kleinere, die wahrscheinlich eher als Schuppen oder Lagergebäude diente. Das Haupthaus war länglich, hatte auf der gesamten Länge eine Veranda. Die Front war angemalt – Regenbogenfarbend. Nun, nicht ganz. Doch waren Abschnitte in hellem Rosa, andere in Blau, wieder andere in Grün, Gelb oder Weiß gemalt. Auch die Farbdichte war unterschiedlich und Pakhet ahnte bereits bei der Fahrt zu dem Gebäude, woran es lag: Sie konnte mehrere Kinder auf dem Innenhof spielen sehen.

Hatte diese Mutter Gans einfach so viele Kinder?

Als sie näher kam, schien es ihr unwahrscheinlich. Sie konnte acht Kinder ausmachen, allesamt im Alter zwischen sechs und sechzehn Jahren, wie sie schätzte. Fünf von ihnen waren schwarz, zwei dagegen eher blass, während das letzte Kind einen braunen Hautton hatte, den Pakhet nicht sicher zuordnen konnte.

Zwei von ihnen, zwei Mädchen, fütterten gerade einen kleinen Schwarm fetter Hühner und sahen misstrauisch zu ihnen, als sie auf den Hof fuhren.

Okay. Was auch immer. War das hier ein Waisenhaus?

„Murphy?“, fragte sie, als sie von ihrem Motorrad abstieg.

Er setzte seinen Helm ab, sah sich um. Er grinste, doch im Moment wirkte sein Grinsen eindeutig falsch. „Ja?“

„Du musst irgendetwas bei der Geschichte über Mutter Gans vergessen haben“, meinte Pakhet leise.

„Habe ich?“, fragte er. Er sah sich um.

Ein älterer dunkler Junge, der gegen die Scheune lehnte, sah zu ihnen. „Wer seid ihr?“ Er sprach Afrikaans, was sie nicht überraschte.

Murphy sah zu ihm, seufzte leise, hob dann die Hand. „Hey, Thato.“

Die Stirn des Jungen, den Pakhet auf vierzehn oder fünfzehn schätzte, legte sich in Falten.

Ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren, eins der beiden hellhäutigen Kinder, sah zu ihnen hinüber. „Bist du das, Murphy?“

Murphy grinste. „Genau der.“

„Was machst du hier, Rabenjunge?“, fragte Thato. Er ging zu ihnen hinüber. „Und wie siehst du überhaupt aus?“

Murphy zuckte mit den Schultern. „Ich hatte bei Mhambi angerufen“, sagte er. „Ich bin mit ihr verabredet.“

Thato musterte ihn. Dann wanderte sein Blick zu Pakhet. „Und wer ist sie?“

„Eine Freundin“, erwiderte Murphy.

Thatos Blick wanderte ihren Körper hinab und wieder hinauf. „Was ist mit Ihrem Arm passiert?“

Woher wusste er das? Sie trug den mit Silikon und Kunsthaut überdeckten Arm, der für die meisten Menschen auf den ersten Blick wie ein normaler Arm aussah. Vor allem, da sie noch immer eine langärmlige Bluse trug, so dass nur die Hand zu sehen war. Es ging ihn nichts an, doch sie wollte nicht feindselig wirken. „Ein Unfall.“

Thato musterte sie.

„Warum kommst du jetzt?“, fragte das Mädchen. „Wo bist du eigentlich gewesen?“

„Ich arbeite jetzt“, erwiderte Murphy. Er wirkte verlegen, sah immer wieder unsicher zu Pakhet.

Langsam verstand sie. Murphy hatte hier gelebt. Jedenfalls für eine Weile. Ganz offenbar schien diese „Mutter Gans“ oder Mhambi, wie Murphy sie gerade genannt hatte, eine Art Waisenhaus zu betreiben. Danach sah dieser Ort zumindest aus. Seltsam, kam es ihr in den Sinn, sie war sich dessen sicher gewesen, dass Murphy ein Straßenkind war. Seine Art, seine Vorsicht, sprach nicht dafür, dass er an einem Ort mit zumindest einer grundlegenden Sicherheit aufgewachsen war. Konnte sie danach fragen? Wahrscheinlich ging es sie nichts an.

„Du solltest öfter vorbei kommen“, beschwerte sich das Mädchen weiter. „Und wer ist sie überhaupt?“

„Eine Freundin“, wiederholte Murphy.

„Das hast du vorhin schon gesagt. Aber wer ist sie?“

„Mein Name ist Pakhet.“ Sie sah zu dem Kind. „Und ich bin hier, um Mutter Gans um Hilfe zu beten.“

„Was willst du von Mhambi?“, fragte das Mädchen.

Murphy sah die Kleine an. „Das sagte sie doch schon: Hilfe. Kannst du mich zu Mhambi bringen?“

Das Mädchen verdrehte die Augen. „Okay“, seufzte sie. Sie streckte fordernd ihre Hand aus, bis Murphy sie griff und sich von ihr zum Haus hinüberzerren ließ.

Vorsichtig trat Pakhet auf die Veranda des Hauses. Ein Kribbeln sagte ihr, das Magie in der Luft lag. Es musste viel Magie sein, denn normalerweise war sie selbst nicht besonders magiefühlig. Dennoch: Sie hatte das Gefühl durch einen dünnen Schleier zu treten, durch eine Schutzschicht. Ein Schild, der das Haus schützte? Wovor?

Das Mädchen schob die Tür, die offenbar nur angelehnt war, auf. Die Tür knarzte, quietschte, fiel aber nicht aus den Angeln.

Das Haus roch ungewöhnlich. Pakhet konnte nicht genau sagen wonach. Es roch nach Kräutern, nach Holz, nach Essen, aber auch irgendwie alt. Manche Häuser hatten diesen Geruch, der sich nicht anders beschreiben ließ. Alt.

Das Mädchen führte sie in einen Flur mit verputzten Wänden und dann nach links durch eine Tür.

Das Zimmer, in dem sie nun standen, war komplett verputzt, der Boden eindeutig mit Lehm und Stein befestigt. Es wirkte, als wäre es in den letzten hundert Jahren nicht renoviert worden.

Es war eine Küche, doch das Waschbecken, an dem eine ältere Frau zusammen mit einem vielleicht vierzehnjährigen Afrikanischen Mädchen stand, hatte noch eine kleine Pumpe daneben.

Auch gab es im Raum keine elektrische Lampe und der Ofen hatte eine Feuerstelle – wahrscheinlich war deswegen der Boden hier aus Stein.

„Mhambi“, sagte das Mädchen, das sie geführt hatte.

Die ältere Frau, deren krauses, schwarzes Haar einige graue Strähnen hatte, drehte sich zu ihr herum. Ihre Gesichtszüge waren afrikanisch, doch ihre Haut dafür recht hell und – wie oftmals bei älteren Leuten – mit dunklen Flecken übersät. Vor allem jedoch fielen ihre Augen auf, deren Iris beinahe gänzlich schwarz zu sein schien.

„Was ist, Pati?“ Die Frau sah sie an, ehe ihr Blick zu Pakhet und Murphy wanderte. Sie schien zu verstanden. „Murphy.“ Sie trocknete sich die Hände an der Schürze ab, die sie trug. „Trägst du schon wieder diese Gestalt?“

Murphy zuckte mit den Schultern. „Und?“

Die Frau seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich verstehe dich nicht, Junge.“ Dann wandte sie sich an Pakhet. „Sie sind die Frau, von der er gesprochen hat? Pakhet?“

Sie nickte. „Ja.“ Was ging überhaupt vor sich? Sie wusste so wenig über den Jungen.

Mhambi, Mutter Gans, seufzte. „Pati, Sindisa, geht raus. Ich will mich mit den beiden unterhalten.“

„Aber ich will da bleiben“, meinte das Mädchen, dass noch immer Murphys Hand hielt. „Ich habe Murphy seit  … Seit  …“ Sie überlegte. „Seit Monaten nicht mehr gesehen.“

Die alte Frau schüttelte mit den Kopf. „Bitte ihn nachher, zum Abendessen zu bleiben. Ich möchte jetzt mit den beiden alleine sprechen.“

„Aber“, setzte das Mädchen sofort an, erntete dafür jedoch einen strengen Blick.

„Pati.“

Das Mädchen seufzte schwer und nicht ohne dabei störrisch zu wirken. „Schon gut.“ Sie stampfte mit dem Fuß auf und wandte sich ab. Dann sah sie sich aber noch einmal zu Murphy um. „Bleibst du heute Abend?“

Murphy sah unsicher zu Pakhet. „Ich weiß nicht. Ich  … Wir haben aktuell viel zu tun.“

„Du magst uns nicht mehr“, seufzte Pati.

Murphy wirkte verlegen. „Du weißt, dass das nicht stimmt. Ich werde euch garantiert wieder besuchen, wenn ich etwas mehr Zeit habe.“

„Ja ja  …“ Das Mädchen schlurfte zusammen mit der anderen, die Murphy nur einen kurzen Blick zuwarf, heraus und schlug die Tür mit zu viel Gewalt zu.

„Setzt euch.“ Mhambi zeigte auf den langen Tisch, der genug Platz für fünfzehn, vielleicht zwanzig Leute zu bieten schien und beinahe die ganze Küche ausfüllte.

Unsicher kam Pakhet der Aufforderung nach. Sie war mit der Situation überfordert und verfluchte Murphy dafür, sie nicht vorgewarnt zu haben. Wer war diese Frau? Sie wusste zu wenig. Wie sollte sie mit ihr umgehen?

Mhambi setzte sich ihnen gegenüber und musterte sie. „Was führt Sie hierher?“

Pakhet sah zu Murphy, der seinerseits ihrem Blick auswich. Großartig. „Hat Murphy es Ihnen nicht erzählt?“

„Er hat mir einiges erzählt, aber ich möchte es von Ihnen selbst hören.“ Die alte Frau sah sie mit durchdringendem, starren Blick an. Blinzelte sie nie?

Wie oft würde sie die Geschichte noch erzählen, ehe die Sache vorbei war? Sie entschied sich für eine Kurzfassung. „Ich habe von einer Organisation erfahren, die Kinder entführt und verkauft. Sie töten einige, füttern mit ihnen offenbar Dämonen, die diese Kinder wiederum bewachen. Einige dieser Dämonen sind sehr stark gewesen, zu stark für mich. Ich brauche etwas, um sie in die Astralebene oder gar die Anderswelt zurückzuschicken.“ Die meisten Dämonen entstammten der Anderwelt und brauchten einige Zeit, um von dort in die physische Ebene zurückzukehren.

„Wieso brauchen Sie das?“, fragte Mhambi, als wäre es nicht klar.

„Ich will die Kinder befreien.“

„Und warum?“ Noch immer war der Blick der alten Frau – wie alt war sie überhaupt? – ungebrochen.

„Weil es das richtige ist zu tun.“ Wozu fragte die Alte überhaupt?

Für eine Weile schwieg Mhambi, während Murphy auf dem Stuhl neben Pakhet unsicher hin und her rückte. Sie hätte ihm gerne einen wütenden Blick zugeworfen, beherrschte sich aber. Sie wollte dem Blick der Alten nicht nachgeben.

Schließlich zeigte sich so etwas wie ein Grinsen auf dem Gesicht der Frau. Ein Grinsen, das zeigte, das einer ihrer Front und der danebenliegende Eckzahn mit Gold überzogen waren. „Sehen Sie sich als Heldin, Pakhet?“

Nur mit Mühe verkniff Pakhet sich ein Schnauben. „Nein.“

„Als was dann?“

Langsam wurde ihr das ganze zu dumm. Die alte Frau war ihr unheimlich. „Als jemand, der nicht völlig gewissenlos ist.“

Die Frau ließ ein kurzes Lachen hören. „Ich gebe Ihnen einen Rat: Lassen Sie sich nicht in eine Rolle zwingen, die sie nicht wollen.“

„Keine Sorge“, zischte Pakhet, sich dessen bewusst, dass ihre Wut zu deutlich klang. Sie hasste dieses pseudo-mystische Getue.

„Es gibt Mächte, deren Einwirkungen nicht immer für Sterbliche zu sehen sind“, fuhr die Frau fort.

„Aha.“ Sie starrte die Frau an, bis Murphy schließlich die Stimme erhob.

„Mhambi, bitte!“

Die Frau seufzte und sah ihn an. „Was hast du vom Schwarzen erfahren?“

„Nichts“, erwiderte Murphy defensiv. Er sah zu Boden. „Okay. Viel. Aber ich weiß nicht, wovon du redest.“ Sie seufzte. „Mhambi, bitte. Wir brauchen deine Hilfe. Du weißt, wie man Dämonen vertreibt.“

Mutter Gans musterte ihn für eine Weile, dann seufzte sie wieder. „Ja, das weiß ich wohl.“ Auf einmal wurde ihre Stimme geschäftsmäßig. Sie stand auf, klopfte sich die Schürze ab. „Ich kann Ihnen einen Trank anbieten, Pakhet. Vielleicht auch zwei Tränke. Einen, um Dämonen zu schwächen, eine andere, um sie ihrer physischen Gestalt zu rauben und sie in die magische Welt zurückzuschicken.“

„Wie viel?“, fragte Pakhet.

„Tausend für beides zusammen“, erwiderte die alte Dame. „Für beides und die Warnung.“ Ihr Blick schien für einen Moment eine Stelle oberhalb von Pakhets Schulter zu fokussieren. „Ich würde mich an ihrer Stelle in Acht nehmen, Pakhet. Oder Sie werden in Sachen hineingezogen, mit denen Sie sehr wahrscheinlich nichts zu tun haben wollen.“

Pakhet fragte nicht. So wie die alte Frau sich ausdrückte, würde sie sicherlich keine klare Antwort bekommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Taroru
2020-01-24T17:46:07+00:00 24.01.2020 18:46
hier wird einem bewusst das man im grunde von allen nicht besonders viel weiß immer nur andeutungen, un man versucht sich seinen teil zu denken, aber so richtig wissen tut man nichts.
gutes kapitel, was das betrifft XD
Antwort von:  Alaiya
24.01.2020 18:50
Nun, ich mag es immer wenn spekuliert wird
Antwort von:  Taroru
24.01.2020 19:07
das weiß ich, ich mag nur immer nicht spekulieren, wenn man nur so wenig weiß XD
ich meine, das murphy in den verschiedensten gestalten rum läuft, wissen wir ja nu, und ich frage mich schon, was seine tatsächliche gestallt wäre. wäre er da tatsächlich ein männlein`? oder könnte es auch ein weiblein sein? oder sogar weder noch? was ist er überhaupt? könnte ja auch gänzlich nicht menschlich sein. möglich wäre alles XD


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