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Things That Should Not Be

Kunikida/Dazai
von

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Kapitel 12

Plötzlich hörten Dazais rasante Bewegungen auf, dann packte er sein Smartphone weg und sah zu Kunikida rüber, der immer noch genervt vor sich hingrummelte und die Kompetenz seines Kollegen bezweifelte. Er zupfte an Kunikidas Ärmel und grinste.
 

„Mir ist langweilig! Komm, lass uns einen Blick auf die Explosionsstelle werfen ♥“, kicherte er.
 

„Wieso das auf einmal?“, knurrte Kunikida erbost, sah seinen Brünetten Kollegen nicht einmal an.
 

„Hab keine Stamina Punkte mehr und muss jetzt fünf Stunden warten, bis ich das nächste Level spielen darf“, seufzte er theatralisch, erhielt jedoch kein Mitleid, sondern nur einen eiskalten, stechenden Blick des Blonden.
 

„Außerdem gehe ich davon aus, dass der Bombenleger noch nicht fertig ist“, fügte er nebenbei hinzu.
 

Kunikida saß urplötzlich aufrecht und sah Dazai schockiert an. Der Bombenleger war noch auf freiem Fuß und würde erneut zuschlagen? Das konnte Kunikida nicht zulassen. Das war viel zu gefährlich. Zivilisten könnten verletzt werden oder sogar umkommen. Es war reiner Zufall, dass das Lagerhaus von bewohnten Gebieten entfernt war und niemand tödlich verletzt wurde, doch wer konnte ihm versichern, dass es beim nächsten Mal auch so sein würde? Kunikida durfte nicht untätig rumsitzen, sondern tun, was getan werden musste. Aber Dazai war gerade erst entlassen worden und noch nicht genesen. Es war überhaupt keine gute Idee, ihn mitzunehmen. Er sollte eigentlich im Bett liegen und schlafen. Dazai starrte ihn vorfreudig an.
 

Dazai machte überhaupt nicht den Anschein, verletzt zu sein, sondern wirkte genauso agil wie immer. Konnte er dieses Risiko eingehen? Unmöglich. Dazai war bereits beim letzten Mal verletzt worden, weil er unüberlegt in eine Situation hineingeplatzt war, von der er zu wenig Ahnung hatte. Er brauchte Informationen. Wer legte die Bomben? Wie bewegte sich der Bomber fort? Handelte es sich um eine Einzelperson oder um eine Gruppierung? Und vor allem: welches Verbrechersyndikat steckte hinter den Angriffen? Oder handelte es sich um einen Amateur? Der Blonde schluckte hart. Was, wenn sie sich ungewollt mit der Port Mafia anlegten und dabei einen erneuten Krieg riskierten? Es war schon viel zu lang ruhig gewesen. Der nächste Angriff der Port Mafia ließ viel zu lange auf sich warten.
 

„Ku-ni-ki-da-kuuuun“, jaulte Dazai und betonte jede einzelne Silbe extra laut, um den Bogen zu überspannen und den Geduldsfaden seines Kollegen zum Reißen zu bringen.
 

„Nein. Wir bleiben hier. Du bleibst hier“, antwortete er dann.
 

Keine unnötigen Kampfausschreitungen. Die Lage war zu unsicher. Er konnte nicht riskieren, dass Dazai noch einmal verletzt wurde. Besser er informierte Fukuzawa und erzählte ihm von der Lage. Dazai löste seinen Gurt und öffnete die Beifahrertür, die krachend zu Boden fiel, sodass beide kurz zusammenfuhren und auf die am Boden liegende Tür sahen.
 

„Wenn wir nichts unternehmen, wird es zu Opfern kommen. Kunikida-kun... ist das nicht gegen dein Ideal? Wirst du etwa zulassen, dass Unschuldige verletzt werden, nur weil du Angst hast, dass mir etwas zustoßen könnte?“
 

Dazai sah ihn durchdringend an. Nichts mehr zu sehen, von dem sonst so faulen Kollegen, der unmotiviert in der Gegend rumlag und den man am Kragen hinterher ziehen musste, damit er überhaupt zum Arbeitsplatz erschien.
 

„Du bist gerade erst entlassen worden! Verdammt! Du bringst dich schon wieder unnötig in Gefahr! Du gehörst nicht mehr zur Mafia, also halte dich gefälligst an unsere Regeln! Keine Alleingänge, hörst du?!“, schimpfte Kunikida, der nun ebenfalls ausstieg, um das Auto herumlief und direkt vor Dazai stehenblieb.
 

„Wenn du mitkommst, bin ich nicht alleine... oder?“
 

Kunikida gefror das Blut und er spürte, wie sein Herz einen kleinen Hüpfer machte.
 

„Trotzdem ist das zu gefährlich. Du bist nicht in der Verfassung dich direkt ins Kampfgetümmel zu stürzen“, mahnte Kunikida.
 

„Dafür habe ich ja dich, oder etwa nicht? ♥“
 

Dazai grinste und drehte sich um, bahnte sich seinen Weg durch die stehenden Autos, während einige Leute ihre Hupen betätigten. Der Brünette ließ sich nicht beirren und führte seinen Weg fort. Sein Kollege lief ihm hinterher, packte ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich um. Dazai blinzelte paar mal verwirrt, wirkte aber keineswegs überrumpelt. Immer noch ein schönes Lächeln auf seinen Lippen. Kunikida wollte ihn anschreien und den Hals umdrehen. Nie hörte er auf irgendjemanden und setzte seinen eigenen Kopf durch!
 

„Kunikida-kun wird mich also beschützen? Wie ein wahrer Gentleman~“, kam es dann von ihm und er riss sich los, packte Kunikidas Hand und zog ihn hinterher.
 

Gemeinsam verließen sie die Straße und kamen einer abgelegenen Wohngegend näher. Deutlich weniger Leute befanden sich auf den Straßen und man erkannte mit einem Blick, dass sie sich von der viel belebten Innenstadt entfernten. Dann ein großer Stacheldrahtzaun und feste Mauern, die ein verlassenes Firmengrundstück umzäunten. Dazai lief weiter, führte Kunikida zu einem kleinen Loch im Stacheldrahtzaun und quetschte sich hindurch. Das Grundstück wurde offenbar schon seit Jahren nicht mehr offiziell genutzt. Überall wucherte Unkraut. Alte Holzpaletten, die man auf dem Gelände hatte stehen lassen, moderten vor sich hin und Fässer und Kisten waren hier und da verteilt. Kunikida wollte etwas sagen, denn immerhin betraten sie hier ein abgeriegeltes Grundstück, wo niemand Zutritt hatte und somit traten sie erneut auf Recht und Ordnung. Dazai jedoch packte ihn, warf ihn auf den Boden und drückte sich auf ihn, hielt ihm den Mund zu. Dazai war ihm so nahe, dass er leicht in Panik geriet. Er konnte Dazais Hüfte auf seinem Oberschenkel spüren, konnte tief in dessen Augen blicken. Kunikidas Herz klopfte so wild, dass er befürchtete, dass Feinde ihn direkt aufspüren konnten, sofern sich welche hier befanden.
 

Dann hörte er mehrere Stimmen, die an ihnen vorbei gingen. Sie lauschten dem Gespräch.
 

„Hast du gehört? Sie haben Galos dingfest gemacht“, erklärte ein Mann. Seine Schritten waren fest, Kunikida ahnte Springerstiefel und eine volle Kampfausrüstung, konnte sich jedoch nicht sicher sein, da er sich nicht wagte, sich zu bewegen. Das hohe Gras versteckte sie und solange er ruhig blieb, würde man sie nicht aufspüren können.
 

„Ich sag dir eins: Henkō ist endgültig erledigt! Lass uns auch abhauen. Der Job lohnt sich nicht mehr. Hab keinen Bock mich in einen Mileukrieg einzumischen, sollen sich die Obergangster dieser Stadt doch gegenseitig die Schädel einschlagen... damit will ich nichts zu tun haben“, grummelte der andere.
 

„Aber Henkō ist unser Auftragsgeber und sie haben bereits im Vorfeld gezahlt... es ist unser Job die Ware zu bewachen und sicher zu gehen, dass keiner hier reinkommt.“
 

„Ich werde doch nicht mein Leben für einen Boss aufs Spiel setzen, der im Knast sitzt. Du bist noch viel zu jung und unerfahren... ich sag dir eins: Yokohama ist anders. Wenn hier einer Schwäche zeigt, nutzen das alle aus. Wenn wir Pech haben, murkst man uns ab, weil wir zum falschen Zeitpunkt auf der falschen Seite gekämpft haben.“
 

„Wenn wir jetzt abhauen, wird man uns als Deserteure ansehen. Dann kriegen wir nie wieder ein Angebot.“
 

Die beiden Wachen liefen vorbei. Dazai warf den beiden Wachen einen prüfenden Blick hinterher, machte aber keinerlei Anstalten von seinem Kollegen runterzugehen. Kunikida räusperte sich leise, wartete darauf, dass Dazai ihm wieder Beachtung schenkte. Dazai lächelte und stand auf, klopfte sich den Staub von der Hose, doch Kunikida war sich sicher, dass ihm diese plötzliche Nähe genauso peinlich gewesen war wie ihm. Oder hatte er sich mit Absicht auf ihn geworfen? Kunikida wusste gar nicht mehr, was Dazais Intentionen waren!
 

„Wir schleichen uns ins Gebäude, stellen den Bombenleger, setzen ihn außer Gefecht und gehen dann einen trinken“, erklärte Dazai den Plan, nickte Kunikida bestimmend zu.
 

„Nein, wir schleichen uns ins Gebäude, setzen den Bombenleger ohne direkte Konfrontation außer Gefecht und gehen dann wie normale Menschen nach Hause“, korrigierte Kunikida.
 

„Spaßbremse“, murrte Dazai nur und schlich über das Gelände. Kunikida folgte ihm.
 

Moment. Dazai schien bereits genau zu wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Aber woher? Kunikida war sich nicht sicher, was ihm mehr Sorge machen sollte, die Tatsache, dass Dazai sich auf diesem abgeriegelten Grundstück wie in seiner eigenen Westentasche auskannte oder aber, dass er wusste, mit wem sie es zu tun hatten und sein Wissen wie so oft nicht mit seinem Kollegen teilte. Dazai zeigte ihm den Weg. Er wusste, wo man sich am besten verstecken konnte. Sie kamen dem alten Gebäude näher und schlichen vorsichtig zur Hintertür hinein. Ein altes Lagerhaus. Die Stahlträger waren stark verrostet, Dreck, Schutt und Asche lag überall verteilt. Staub wirbelte in der Luft empor, als sie durch die Halle streiften. Kunikida ermahnte sich selbst, nicht zu husten und hielt sich ein Taschentuch vor dem Mund.
 

Vor einigen Kisten blieben sie stehen. Dazai grinste, beugte sich zur Holzkiste vor und strich über die Oberfläche des Holzes. Plötzlich zuckte er zusammen, was Kunikida ermahnte, sodass er sofort in Kampfstellung überging, bereit jeden Gegner zu erledigen. Dazai wimmerte und hob seinen Zeigefinger, schniefte gespielt und formte mit seinen Lippen einen Schmollmund.
 

„Ich hab mir einen Splitter zugezogen“, jammerte er und sah Kunikida an.
 

Dieser stöhnte nur genervt, beruhigte sich jedoch wieder. Keine Alarmstufe. Nur mal wieder einer von Dazais kindischen Ablenkungsmanövern, um von der Mission abzulenken. Insgeheim wunderte sich der Blonde, ob Dazai – der selbst vorgeschlagen hatte, den Bombenleger aufzuhalten – bereits das Interesse verloren hatte, doch er schüttelte den Gedanken ab. Es war einfach unmöglich, Dazai zu verstehen. Kunikida verkniff sich einen spitzzüngigen Kommentar, packte Dazais Hand grob und begutachtete den Splitter. Das Stück war groß genug, es mit bloßer Hand hinauszuziehen, was er auch sofort tat. Im nächsten Moment zog Kunikida sein Stofftaschentuch hervor und umwickelte Dazai Finger damit. Dieser sagte kein Wort, blinzelte verwirrt und sah Kunikida erstaunt an, als könnte er seinen eigenen Augen nicht trauen. Der Blonde war sich selbst nicht sicher, warum er so behutsam Dazais kleines Wehwehchen behandelte.
 

„Sei gefälligst vorsichtiger“, mahnte der Blonde, räusperte sich und errötete. Die Verlegenheit stand ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben und Dazai grinste über beide Ohren hinweg.
 

„Kunikida-kun~ ♥“, trällerte Dazai und tänzelte auf der Stelle.
 

Kunikida ließ ihn nicht weitersprechen.
 

„Muss ich dich daran erinnern, dass wir einem Bombenleger auf der Spur sind und dass das hier nicht nur im höchsten Maße illegal ist, sondern dass wir unser beider Leben hier aufs Spiel setzen ohne auch nur eine verlässliche Information zu haben?“
 

„Stimmt doch gar nicht. Ich bin mir zu 99% sicher, dass er hier auftauchen wird.“
 

„Was macht dich so sicher?“ Kunikida beäugte ihn misstrauisch.
 

Dazai zeigte grinsend auf die Kisten. Fragend hob Kunikida eine Augenbraue, öffnete dann die Kiste und stolperte erschrocken zurück.
 

„Waffen sind in Japan verboten, was machen dann diese Gewehre hier?!“
 

„Das sind Sturmgewehre der Art HK433. Ziemlich beliebt auf den Schwarzmarkt und in den anderen Kisten lagert auch so einiges illegales Zeug. Möchte Kunikida-kun diese auch öffnen und einen Blick reinwerfen?“
 

Kunikida atmete tief ein und wandte sich dann von der Kiste und ihrem abscheulichen Inhalt ab. Waffen waren in diesem Land verboten. Henkō war eine philippinische Bande, die hier Fuß fassen wollte und dessen Mitglieder entweder als Zeitarbeiter oder illegal ins Land eingewandert waren. Sie hatten die größte Untergrundorganisation Yokohamas – die Port Mafia – herausfordern wollen und waren bei diesem wahnwitzigen Versuch gescheitert. Es macht durchaus Sinn, dass Ausländer Waffen mitbringen und sie hier auf dem Schwarzmarkt verkaufen wollen.
 

„Was ist in den anderen Kisten?“, fragte Kunikida neugierig, blieb möglichst ruhig. Es war ihm durchaus suspekt, dass Dazai so viel Ahnung hatte und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass er sich in diesen Kreisen bewegte, aber er musste zugeben, dass Dazais Informationen immer verlässlich waren und dass einige Fälle nur aufgrund von Dazais Insiderinformationen gelöst werden konnten. Auch das hier.
 

„Cannabis, Marihuana, Ganja, Pillen... allerhand Drogen, die man gut an Jugendliche verticken kann. Der Drogenhandel ist für kriminelle Vereinigungen eine lukrative Einnahmequelle und eine sichere Geldquelle. Die meisten Kunden kommen immer wieder“, erklärte Dazai in ernster Tonlage.
 

„Das ist doch abartig... wie kann man Kindern und Jugendliche absichtlich abhängig machen? Was ist, wenn sie erwischt werden?“
 

„Oh, du kennst doch die Strafe für den Besitz von Drogen. Ein paar Jahre Gefängnis sind schon drin.“
 

„Und das rührt dich nicht?“
 

Kunikida war aufgebracht. Warum blieb Dazai so ruhig?
 

„Kunikida-kun scheint vergessen zu haben, dass ich in der Port Mafia war“, kicherte dieser amüsiert, drehte sich dann einfach weg und tapste weiter durch das Lager. Kunikida schnaubte, lief Dazai hinterher und packte ihn am Kragen, drehte ihn zu sich herum.
 

„Das beantwortet meine Frage nicht! Wie kannst du dabei so gleichgültig bleiben?!“, schimpfte er. Dazai blieb weiterhin ruhig, verdrehte lediglich die Augen, ehe in gleichbleibender Tonlage Kunikidas Frage beantwortete. Keinerlei Gefühlsregung zu sehen.
 

„Das interessiert mich nicht. Man kann nicht jedem helfen und wenn Jugendliche blöd genug sind, sich zum Drogenkonsum verleiten zu lassen und abhängig zu werden, dann ist es ihre eigene Schuld.“
 

„Wie kannst du das nur sagen?!“
 

„Du hast also Mitleid mit Abhängigen?“
 

„Natürlich! Sie sind jung und brauchen eine führende Hand! Niemand nimmt Drogen, nur weil er gerade Lust darauf hat, das hat immer Gründe, die im sozialen Umfeld anfangen und auf eine psychische Schwäche zurückzuführen ist. Diese Jugendliche brauchen Hilfe und nicht Ablehnung“, erklärte der Blonde, ließ Dazai nun endlich los. Dieser sagte kein Wort. Sein Blick war leer, wieder dieses gefährliche Funkeln in seinen Augen. Kunikida wusste nicht, was gerade in Dazais Kopf vor sich ging. War er wütend? Traurig? Irgendetwas musste er doch denken und fühlen! Doch Dazais Blick blieb weiterhin unverändert. Es war ihm offenbar komplett egal, dass Kinder und Jugendliche von diesen schäbigen Banden in eine Abhängigkeit verführt wurden, die ihr ganzes Leben zerstören würde. Doch Kunikida konnte das nicht zulassen.
 

Dazai sagte nichts weiter mehr. Sie wanderten durch die Lagerhalle. Stunden vergingen. Die Söldner draußen wurden zunehmend weniger. Sie waren ihrem Boss und der Gruppe Henkō offenbar nicht treu ergeben. Geld war eine große Motivation. Da Galos eingesperrt worden war, gab es keinen Arbeitgeber mehr und der Großteil der Söldner zog von dannen, ließen die Lagerhalle komplett unbewacht. Dazai setzte sich auf eine der Kisten ab. Kunikida zückte sein Notizbuch und schrieb alles auf, was ihm hier widerfahren war. Die mutmaßlichen Täter, die Verbindungen. Dazai zog die Beine an den Körper, stützte seinen Kopf auf seinen Knien ab und beobachtete seinen Kollegen, der so fleißig arbeitete und rasant mit seinem Füllfederhalter über das Papier segelte.
 

Sie brauchen Hilfe... keine Ablehnung, wiederholte Dazai gedanklich und schloss seine Augen.
 

Er schüttelte den Gedanken ab. Er durfte jetzt nicht die Konzentration verlieren. Er warf einen Blick auf sein Smartphone. Fast 16:00 Uhr. Dazai schluckte. Er wird gleich da sein...
 

„AHH!“, schrie Dazai plötzlich auf und Kunikida fuhr erschrocken zusammen, warf einen Blick zu seinem brünetten Kollegen, der von der Kiste sprang und sich seinen Schritt hielt.
 

„Ich muss ganz dringend mal wohin!“, erklärte er dann und lief an Kunikida vorbei.
 

„Was? Wo musst du hin?!“, fragte der Blonde perplex. Das konnte doch nicht Dazais Ernst sein? Dazai rief ihm über seine Schulter hinweg noch etwas zu, doch Kunikida schüttelte nur noch genervt den Kopf. Natürlich musste er ausgerechnet jetzt pinkeln. So typisch für Dazai. Manchmal fragte sich Kunikida, ob Dazai auch als Kind zu der Sorte gehörte, die beim Einkaufen ganz plötzlich zur Toilette musste, obwohl sie vorher ausreichend Zeit gehabt hätten, zu gehen. Kunikida warf einen Blick durch die Lagerhalle, notierte weiterhin alles, was ihm auffiel. Fußspuren. Blut am Boden. Diese Kisten.
 


 

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Dazai verließ das Gebäude, stellte sicher, dass die Lagertür hinter sich geschlossen war und atmete noch einmal tief ein, dann sah er sich um und analysierte seine Lage. Es waren insgesamt nur noch fünf Wachen hier, verteilt auf dem großen Grundstück und glücklicherweise weit genug von der Lagerhalle selbst entfernt. Dazai wusste genau, was ihn erwartete. Nein, wer ihn erwartete. Und ohne, dass er dessen Namen aussprechen musste oder seinen Gedanken zu Ende führen konnte, hörte er Schritte neben sich, ein dumpfes Klacken. Er wusste sofort, dass sein Gegner Getas trug. Er ließ sich nichts anmerken und tapste zu einem Baum, summte vergnügt vor sich hin. Die Person folgte ihm. Er fühlt sich sicher und glaubt, ich hätte ihn nicht bemerkt, dachte und öffnete laut hörbar seinen Reißverschluss von der Hose, wartete nur auf den richtigen Augenblick.
 

Der Fremde stürzte sich auf ihn, doch Dazai bückte sich und wich elegant zur Seite aus. Der weiße Laborkittel flatterte hin und her und im nächsten Moment trat Dazai ihm in seine Kniekehlen, sodass dieser hilflos nach vorne strauchelte, dann packte Dazai den grüben Schal und schnürte ihm die Luft ab.
 

„Motojirou Kaijii, nicht wahr?“ Keine Frage. Eher eine Aussage. Sein Gegner war nicht in der Lage zu sprechen. Er hockte auf den Knien und rang nach Luft, während Dazai erbarmungslos den Schal noch fester zuschnürte. Motojirou lief bereits knallrot an und irgendwann hörte er auf zu kämpfen. Erst als seine Arme reglos an seinen Seiten baumelten, lockerte Dazai den Griff und kickte ihn in den Rücken, sodass er vornüber ins Gras fiel. Dann hockte er sich neben ihn, legte seine Hand auf Motojirous Hinterkopf und drückte sein Gesicht in den Dreck, ließ ihn aber noch die Möglichkeit, wieder Luft zu schnappen und wartete geduldig darauf, dass sein Gegner wieder aufnahmefähig genug war.
 

„Ich bin verdammt schlecht gelaunt und ich habe wirklich keinen Bock einen unwichtigen Handlanger wie dich töten zu müssen, aber wenn du dich in Geschäfte einmischt, die dich nichts angehen, lässt du mir keine Wahl.“
 

„Ich handle auf Befehl vom Boss.“
 

„Nein. Ich kenne Mori-san weitaus länger als du schäbige Made und das Verletzen von Zivilisten ist noch nie ein Bestandteil einer Mission gewesen. Die Port Mafia arbeitet im Verborgenen und wir beschützen Yokohama bei Nacht. Das Töten von unschuldigen Bürgern geht gegen die Prinzipien und Leitregeln“, knurrte Dazai und schlug Motojirous Gesicht auf den harten Boden. Man hörte, wie das Glas seiner getönten Sicherheitsbrille splitterte.
 

„Ich habe niemanden getötet“, verteidigte sich der verrückte Möchtegernwissenschaftler.
 

„Aber du nimmst in Kauf, dass Menschen verletzt werden könnten. Das ist genauso ekelhaft. Ich sollte wohl ein ernstes Wörtchen mit Mori-san sprechen, damit er dir die Leviten liest.“
 

„Ich führe lediglich Befehle aus“, hauchte er, doch weiter konnte er nicht sprechen, denn Dazai schlug sein Gesicht erneut auf den Boden, grinste dabei amüsiert und kicherte leise.
 

„Du verschwindest von hier und überlässt das Beseitigen der Ware echten Profis, bevor ich mich vergesse und deinen Schädel einschlage“, sagte er dann ruhig. Motojirou wollte noch etwas entgegnen, doch Dazai ließ ihn nicht zu Wort kommen, schlug sein Gesicht erneut auf den Boden. Das Glas seiner Sicherheitsbrille war komplett gesprungen und die einzelnen Splittern steckten in seinem Gesicht. Blut und Dreck klebte in seinem Gesicht. Dann ließ Dazai seinen Haarschopf los, erhob sich und drehte ihn auf den Rücken, beugte sich mit einem zuckersüßen Lächeln zu ihm herunter und klimperte mit seinen Wimpern.
 

„Sag deinem Boss, dass The Demonic Prodigy sich um diese Angelegenheit gekümmert hat“, dann wandte er sich ab.
 

„Warte... du bist...?!“, keuchte Motojirou, doch Dazai schenkte ihm keinerlei Aufmerksamkeit mehr und machte sich auf den Weg zu seinem Kollegen zurück, während sein beiger Trenchcoat im Wind flatterte und er vergnügt eine Melodie summte, die der Bombenleger wahrscheinlich auch in den nächsten Tagen noch hören würde.
 


 

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„Du hast aber lange gebraucht“, grummelte Kunikida und schob sich seine Brille mit dem Mittelfinger hoch.
 

„Ich bekam unangemeldeten Besuch“, meinte Dazai nur und setzte sich wieder auf dieselbe Kiste, auf der er zuvor gesessen hatte. Sein Kollege warf ihm einen Blick zu.
 

„Was? Hat einer der Wachen dich gesehen?“
 

„Ahhh~ macht sich Kunikida-kun etwa Sorgen um mich? ♥“
 

„Wurdest du gesehen oder nicht?“
 

„Nein, die Wachen haben mich nicht gesehen, aber der Bombenleger hat mich überrascht“, meinte Dazai nur und machte es sich bequem, während Kunikida kurz vorm Explodieren war und sich direkt vor ihm positionierte.
 

„WAS?!“, keifte er dermaßen laut, dass er im Nachhinein befürchtete, dass spätestens jetzt, sämtliche Wachen alarmiert waren, doch Dazais Art regte ihn derart auf, dass es ihm unmöglich war, seine Wut zu zügeln.
 

„Nun, ich war gerade am pieseln, weißt du? Also konnte ich ihm nicht hinterher laufen, aber er scheint geflohen zu sein“, meinte Dazai nur und lächelte lieb.
 

„Du hast ihn gehen lassen?!“
 

„Entschuldige?! Hat Kunikida-kun etwas in den Ohren? Ich war am pinkeln! Es ist doch eine Sache der Hygiene mindestens zweimal abzuschütteln, bevor man den trockenen Penis zurücksteckt!“
 

„Das kann schon sein, hat aber absolut nichts damit zu tun, dass du nicht sofort zurückgekommen bist, zum mir Bescheid zu geben! Stattdessen setzt du dich hier wieder hin und machst es dir gemütlich?! Sag mal, hast du noch alle Latten am Zaun?“, keifte Kunikida nun noch lauter.
 

Dazai formte einen Schmollmund und gab ein empörtes „Pah“ von sich und drehte beleidigt den Kopf weg.
 

„Und selbst jetzt hältst du es nicht für nötig, etwas zu unternehmen?!“
 

„Wieso denn auch? Der Kerl ist über alle Berge und ich habe keine Lust mehr. Mir tun die Beine weh und ich hatte echt genug Auslauf für heute. Morgen ist auch noch ein Tag.“
 

„Ich schwöre, ich verliere den Verstand! Wie kann ein Detektiv so viele Fehler auf einmal machen?“
 

„Oh, ich bitte dich, Kunikida-kun!“ begann Dazai mit fester Stimme und sprach dann stolz weiter: „Fehler sind für Anfänger. Ich bin Profi und produziere Katastrophen.“
 

Von draußen hörte man, wie einige Kisten zu Bruch gingen...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Für den Fall der Fälle, dass jemand nicht weiß, was Getas sind: Geta (下駄) bezeichnen japanische Holzsandalen, die zusammen mit traditioneller Kleidung wie zum Beispiel dem Kimono getragen werden. Komplett anzeigen

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