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Angelo

von

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Bittere Wahrheit

Alejandro fühlte das Ziehen der Beschwörung schon, bevor seine Umgebung um ihn herum verschwamm und sich im nächsten Augenblick die steinernen Mauern der Ankunftshalle um ihn herum materialisierten. Womit er nicht gerechnet hatte war sein Meister, der dort neben Ernie stand und ihm höchst persönlich den Empfang bereitete. Das war noch nie vorgekommen. Unsicher wie er sich jetzt verhalten sollte, senkte er den Blick, verzichtete jedoch auf den üblichen Kniefall. Das würde ihn vermutlich teuer zu stehen kommen, aber anhand der Tatsache, dass sie nicht allein waren, wollte er sich nicht die Blöße geben, sich derart unterwürfig zu zeigen. Den treuen Hund hatte er in den zurückliegenden Stunden nur allzu überzeugend spielen müssen.

 

„Alejandro.“

Die Stimme seines Meisters war sanft wie immer, doch Alejandro spürte die geflochtene Lederschnur der Peitsche bereits über seinen Rücken gleiten. Hörte, wie sein Herr sie nur mit Hilfe dieses einen Wortes fallen ließ, sodass sie sich zu seinen Füßen entrollte und ihm fürchterliche Schmerzen androhte, sollte er die Fragen, die sein Herr offenbar an ihn hatte, nicht zu dessen Zufriedenheit beantworten können.

„Ihr habt mich rufen lassen.“

„In der Tat.“

Ein feines Lächeln umspielte die perfekten Lippen seines Herrn. Alejandro erinnerte sich bei dem Anblick daran, wie dieser Mensch und der Engel sich vor seinen Augen geküsst hatten. Es hatte so … innig ausgesehen. Er hatte sich fast übergeben müssen.

„Ist dir eigentlich bewusst, dass ich bereits seit mehreren Tagen darauf warte, dass du mir endlich den versprochenen Engel lieferst? Und als ich mich höflich danach erkundigen will, bist du nicht da. Ich frage also in höchster Sorge unseren lieben Ernie hier nach deinem Verbleib und er erzählt mir, dass du nicht nur vor einigen Tagen mit Dingen aus meinem persönlichen Besitz von hier fortgeschlichen bist, nein, er verrät mir ebenfalls, dass du bereits vor zwei Nächten mit einem Ahool von hier aufgebrochen bist, das Tier aber heute Nacht ohne dich zurückkam. Und all das ohne einen Rapport oder gar eine Entschuldigung für deinen frechen Diebstahl. Das, mein lieber Alejandro, hat mich doch ziemlich erzürnt und ich muss dir sicherlich nicht erklären, was das bedeutet, oder?“

Alejandro schüttelte den Kopf ohne aufzusehen. Nein, was das bedeutete, musste ihm niemand erklären. Es bedeutete Bestrafung, Schmerzen, Hunger, vielleicht sogar den Tod. Wenn sein Herr gnädig war. Doch gerade jetzt war es wichtig, dass der ihm noch ein wenig länger vertraute. Immerhin war der Engel auf dem Weg hierher. Von ganz allein. Aber das konnte er seinem Meister nicht offenbaren. Der würde sich womöglich höchstpersönlich der Sache annehmen und die Belohnung, die er Alejandro versprochen hatte, würde damit null und nichtig werden.

„Herr, ich … ich bringe Euch den Engel. Ich verspreche es.“

„Worte!“ Die eben noch so anschmiegsame Stimme war plötzlich voller Widerhaken, die sich in Alejandros Fleisch bohrten und drohten, es in blutige Fetzen zu reißen. „Nicht mehr als leere Versprechungen bekomme ich von dir. Vielleicht sollte ich lieber Victor zu mir rufen lassen. Der wäre an deiner Stelle wenigstens noch eine Augenweide, während er sich vor mir im Staub windet. Ich werde gleich mal sehen, wo er steckt.“

„Herr!“ Alejandro war aufgesprungen und hatte die Hand nach seinem Herrn ausgestreckt, bevor er noch darüber nachgedacht hatte, was er da tat. Das Aufblitzen in den schwarzen Augen seines Meisters versprach ihm dafür einen schmerzhaften Tod. „Ich habe etwas anderes für euch. Ein Geschenk. Bis ich den Engel bringe.“

Sein Herr zögerte und seine wunderschönen Augen wurden schmal „Ein Geschenk? Was könnte das wohl sein? Ich begehre nichts auf dieser Welt außer diesem Engel, den du mir nicht bringen kannst.“

Alejandro leckte sich über die Lippen, die plötzlich so furchtbar trocken waren. Der Nephilim war seine letzte Trumpfkarte. Wenn er sie ausspielte, konnte er nur hoffen, dass der Rest seines Plans aufging. Andernfalls war es wohl besser, wenn er sich eigenhändig vom höchsten Turm stürzte und darauf vertraute, dass sein Herr keinen Nekromanten fand, der ihn wiederbeleben würde, damit er doch noch für seine Verfehlungen büßen konnte. Aber noch war er nicht am Ende. Noch konnte er alles zum Guten wenden.

Er wagte ein Lächeln.

„Ja, Herr, ein Geschenk. Es ist hübsch und ich denke, dass es Euch gefallen wird.“

„Ist es ebenso hübsch wie ein Engel?“

Alejandro zog den Kopf ein wenig zwischen die Schultern. „Etwa halb so hübsch, Herr. Wenn Ihr wollt, zeige ich es Euch.“

Ein kleines, köstliches Lächeln umspielte die Mundwinkel seines Herrn. „Na gut. Ich erwarte dich damit in meinem Büro.“

Alejandro verbeugte sich und sah von unten herauf zu seinem Meister auf.

„Wenn ich vielleicht einen Vorschlag machen dürfte, Herr?“ Eine Geste erlaubte ihm fortzufahren und Alejandros Lächeln wurde verschlagener. „Lasst mich Euch das Geschenk in Euer Schlafzimmer bringen. Ich denke, dort werdet Ihr mehr damit anfangen können.“

Ein interessiertes Funkeln trat in den Blick seines Meisters und Alejandro wusste, dass er gewonnen hatte.

„Wenn das so ist“, gab sein Meister in einem etwas zu beiläufigen Tonfall zurück, „erwarte ich euch beide in meinen Gemächern. Sollte mir dein Geschenk gefallen, wirst du vielleicht sogar zusehen dürfen.“

Alejandro neigte erneut den Kopf. „Ihr seid zu gütig, Herr.“

 

 

 

Marcus hatte keine Ahnung, wie viel Zeit er bereits in diesem dunklen Loch verbracht hatte. Er vermutete jedoch, dass es nicht mehr als zwei Tage sein konnten. Der Durst beherrschte inzwischen zwar fast sein gesamtes Denken, aber er war noch bei relativ klarem Verstand und sein Körper war so weit geheilt, dass er keine Schmerzen mehr hatte. Einmal mehr musste er wohl seinem Vater dankbar sein für das, was er ihm vererbt hatte, auch wenn er bei genauerem Hinsehen feststellen musste, dass er ohne diese Gaben wohl gar nicht hier gewesen wäre.

Er zuckte zusammen, als sich plötzlich ein Schlüssel im Schloss der Kerkertür drehte und ein breiter werdender Lichtschein durch die sich öffnende Tür fiel. Geblendet schloss Marcus die Augen. Inzwischen war er so an die Dunkelheit gewöhnt, dass selbst das trübe Licht der Fackel im ersten Augenblick unangenehm war. Im hintersten Winkel der Zelle presste er sich gegen die Wand für den Fall, dass jemand anderes als Alejandro kam, um nach ihm zu sehen. Er war daher fast erleichtert, als er die Gestalt des schmalen Mexikaners wiedererkannte.

 

In den ersten Stunden, in denen er sich wieder bewegen konnte, hatte er in Erwägung gezogen, den Halbdämon anzugreifen, sobald dieser die Zelle wieder betrat. Doch Marcus wusste inzwischen, wie weit ihn die Kette an seinen Füßen gehen lassen würde, und Alejandro hielt sich, sicherlich nicht ohne Absicht, gerade außerhalb dieses Radius auf. Außerdem schoben sich jetzt zwei weitere, wesentlich breiter gebaute Dämonen durch die niedrige Tür.

Marcus war klar, was das bedeutete. Seine Gnadenfrist war vorbei.

„Nehmt ihn mit und bringt ihn nach oben“, wies Alejandro die beiden anderen Dämonen an.

Marcus konnte von ihnen nicht viel mehr als muskelstrotzende Gestalten mit Hörnern und Klauen erkennen, von denen sich jetzt eine zu ihm herabbeugte und ihn kurzerhand auf die Füße zerrte. Die andere löste die Kette von seinem Bein.

„Na los, wir haben nicht ewig Zeit.“

Als er Alejandro vor die Füße stolperte, verzog der das Gesicht.

„Du stinkst“, stellte er fest und rümpfte die Nase.

Marcus verkniff sich zurückzugeben, dass, wenn es um Körpergeruch ging, der Cadejo sich wohl kaum bei ihm beschweren konnte. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war die Tatsache, dass er kurz darauf in ein kleines Badezimmer gestoßen wurde.

Der Cadejo bedeutete den anderen beiden Dämonen, dass sie draußen warten sollten, bevor er die Tür hinter sich schloss. Er fixierte Marcus mit einem missbilligenden Blick.

„Los“, zischte er und deutete auf die Duschkabine. „Sieh zu, dass du dich säuberst. Mein Herr wartet nicht gern.“

Unter anderen Umständen hätte Marcus wohl protestiert, aber eine Dusche hieß auch, dass er darin Wasser finden würde. Und Wasser bedeutete etwas zu Trinken, ohne dass er darum bitten musste. Außerdem war die Aussicht, aus seiner verdreckten Kleidung herauszukommen nicht unbedingt unangenehm. Und dass er endlich denjenigen zu Gesicht bekommen würde, der hinter all dem hier steckte, ließ Marcus sich gehorsam umdrehen, bevor er begann, sich zu entkleiden.

Er merkte, dass ihn der Cadejo dabei beobachte, aber das war ihm egal. Das Einzige, was ihn interessierte, war der warme Wasserstrahl der ihn erwartete. Er stellte sich darunter, schloss die Augen und öffnete den Mund. Es war ihm noch nie etwas so wunderbar vorgekommen. Er schluckte und schluckte, bis er den rasenden Durst in seinem Inneren endlich gestillt hatte. Erst dann begann er damit sich zu waschen.

„Beeil dich“, fauchte der Cadejo, noch während Marcus sich mit einem dünnen Handtuch abtrocknete. „Dort ist neue Kleidung. Zieh dich an und dann komm.“

Mit einem letzten, warnenden Blick verließ er das Bad.

Marcus begutachtete die einfache braune Stoffhose und das weiße, bauschige Hemd, das ihm eine Nummer zu groß war und aus dem vorvorletzten Jahrhundert zu stammen schien. Unterwäsche gab es keine. Es war nicht ideal, aber es war trocken und sauber und das war alles, was für Marcus in diesem Moment zählte.

Als er vor die Tür trat, wartete der Cadejo schon ungeduldig auf ihn. Er trat zu Marcus und bevor der protestieren konnte, war er ihm schon mit den Fingern durch das Haar gefahren, zupfte mit gerunzelten Brauen an seiner Kleidung herum und machte einen so nervösen Eindruck, dass Marcus sich zu fragen begann, wem oder was er gleich begegnen würde.

 

Wieder flankierten ihn die zwei Wächterdämonen, als sie eine große Freitreppe hinaufstiegen, die ihn an ein altes Herrenhaus denken ließ. Oben angekommen atmete der Cadejo hörbar durch, bevor er an eine der dunklen Holztüren klopfte, die die Galerie zierten. Von drinnen kam eine zustimmende Antwort und im nächsten Augenblick fand sich Marcus in einem opulenten Schlafzimmer wieder. Der Anblick nahm ihn für einen Moment gefangen.

Beherrscht wurde der Raum von einem Bett, das in etwa die Größe von Marcus’ komplettem Schlafzimmer hatte und ganz in schwarzen Satin gehüllt war. Man hätte es für reinen Protz halten können, wenn das Bett nicht eindeutig benutzt gewesen wäre. Der Rest des Zimmers bildete eine Orgie aus rotem Samt und Brokat, nur hier und dort unterbrochen von dunklem Holz und akzentuierendem Gold. Das Licht eines vielarmigen Kronleuchters wurde von etlichen üppig verzierten Spiegeln reflektiert und brach sich schließlich in den kristallenen Karaffen, die auf einem niedrigen Tisch vor einem Chaiselongue standen. Ihr Inhalt funkelte blutrot, als der Besitzer des Zimmers nach einer von ihnen griff und etwas davon in eines gläsernen Trinkpokal schüttete. Er nahm einen Schluck und schloss genießerisch die Augen, bevor er den Blick wieder erhob und auf Marcus legte.

„Ah, da seid ihr ja.“ Eine Stimme wir flüssiger Honig umschmeichelte Marcus’ Ohr.

Er blinzelte und starrte den Mann an, der dort saß oder vielmehr residierte und ihn mit wachem Interesse begutachtete.

Der Mann war groß, dunkelhaarig und von Kopf bis Fuß in schwarz gekleidet. Als er sich jetzt erhob, erinnerte er Marcus an einen Panther, der sich von seinem Lager erhob, um einen Beutezug zu beginnen. Mit geschmeidigen Bewegungen kam er auf ihn zu. Ein sanftes Lächeln zierte sein ebenmäßiges Gesicht und wären da nicht die spitzen Eckzähne gewesen, hätte Marcus vermutet, dass er es mit einem Menschen zu tun hatte. Einem äußerst attraktiven Menschen.

Marcus unterdrückte ein Keuchen, als ihn die Bugwelle der Macht erreichte, die diesem Wesen vorausging. Sie war buchstäblich war atemberaubend. Alles an ihm war atemberaubend und führte dazu, dass Marcus sich klein und ungenügend vorkam. Genau so lange, bis ihm bewusst wurde, dass das ein Trick sein musste. Eine Taschenspielerei, um ihn zu beeindrucken.

Er presste die Kiefer aufeinander und starrte seinem Gastgeber entgegen. Dieser Dämon brauchte nicht zu denken, dass er sich so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Das Dumme war nur, dass die Erkenntnis, dass es sich um einen Trick handelte, dessen Wirkung nicht im geringsten schmälerte.

 

Dicht vor ihm blieb der Dämon stehen. Seine schwarzen Augen fixierten Marcus. Er lächelte immer noch.

„Mein lieber Alejandro, ich muss zugeben, dass ich ein ganz klein wenig beeindruckt bin. Woher hast du diese stolze Kreatur? Ich …“, er unterbrach sich, um prüfend die Luft einzusaugen, „ahne, um was es sich dabei handelt, aber glauben kann ich es kaum. Ist dieser hübsche Bursche wirklich das, wofür ich ihn halte?“

Alejandro trat einen halben Schritt vor, sodass er jetzt neben Marcus stand. „Es ist in der Tat ein Nephilim. Ein Halbengel, Herr. Ich habe ihn zufällig in Vegas gefunden.“

Marcus’ Kopf ruckte herum. „Gefunden? Du meinst, du bist bei mir eingebrochen, hast meine Sachen durchwühlt und mich zum Schluss auch noch beklaut. Und als wäre das nicht genug gewesen, hast du mich obendrein noch feige von hinten niedergeschlagen und anschließend hierher verschleppt. Was davon hört sich für dich nach 'zufällig gefunden' an?“

Die linke Augenbraue des Dämons vor ihm hob sich sanft in die Höhe. „Mir scheint, ihr beide hattet so eure Differenzen. Aber ich will Vertrauen darin haben, dass ihr beide euch beherrschen könnt, solange ihr hier meine Gäste seid.“

Er winkte den beiden Wächterdämonen. „Ihr könnt gehen. Ich werde mich ein wenig mit unserem Gast unterhalten und ihr beide stört dabei mein ästhetisches Empfinden. Na los, raus mit euch.“

Gehorsam stampften die beiden Muskelberge wieder nach draußen, doch das beruhigte Marcus nicht im Geringsten. Misstrauisch verfolgte er das Tun des gut aussehenden Dämons, der sich jetzt wieder auf seinem Sitzmöbel niederließ. Der Stoff seines Hemdes glänzte im Licht des Kronleuchters und entblößte seine Brust fast bis zum Bauchnabel. Stumm studierte er Marcus, der sich zunehmend unbehaglich fühlte.

„Wer bist du?“, platzte er schließlich heraus und ärgerte sich über seine Ungeduld. Es fühlte sich an, als hätte er dem Dämon einen Sieg geschenkt.

Der schien das genauso zu sehen und lächelte leicht. „Wenn mich meine Kenntnisse der menschlichen Etikette nicht täuschen, wäre es zunächst an dir, dich vorzustellen, meinst du nicht auch?“

Marcus bleckte die Zähne. „Ich habe die letzten zwei Tage damit zugebracht, in deinem Keller Schimmel anzusetzen. Das hat mein Verständnis von Etikette möglicherweise ein wenig in Mitleidenschaft gezogen.“

Dem Dämon entwich an amüsiertes Glucksen.

„Charmant“, urteilte er. „Verrätst du mir trotzdem, wie du heißt?“

Marcus funkelte den Dämon wütend an, doch der machte lediglich ein freundliches Gesicht und musterte ihn weiter über den Rand seines Weinglases hinweg. Irgendwann kam Marcus sich albern vor. Er atmete tief durch.

„Marcus“, sagte er. „Mein Name ist Marcus.“

Das Lächeln des Dämons wurde breiter. „Sehr schön. Nun denn, Marcus, wenn Alejandro so ein fürchterlicher Gastgeber war, ist es wohl an mir, diesen Fehler wieder auszubügeln. Du musst hungrig sein und vor allem durstig. Darf ich dir etwas anbieten?“

 

Marcus wusste nicht, woher auf einmal die gefüllten Schüsseln und Platten kamen, doch seinem Magen war es vollkommen egal, welcher faule Zauber sie auf dem Tisch hatte erscheinen lassen. Beim Anblick der frischen Früchte, dem süßen Geruch des weichen Brotes eingehüllt in das köstliche Aroma von geröstetem Fleisch fing er begeistert an zu knurren.

Der Dämon wies auf die bereitstehende Mahlzeit. „Du darfst dich ruhig setzen und zulangen. Es ist genug da.“

Für einen Moment erwog Marcus, der Einladung Folge zu leisten. Sein Instinkt sagte ihm, dass er sich nicht in unmittelbarer Gefahr befand,. Alejandro hätte sich kaum die Mühe gemacht, ihn zu „baden“ und herzurichten, wenn er nur hierher gebracht worden wäre, um ihn umzubringen. Es gab allerdings keinen weiteren Stuhl und die Aussicht, sich entweder neben seinen arroganten Gastgeber zu setzen oder gar sein Mahl zu dessen Füßen einzunehmen, ließ Marcus’ Widerwillen nur umso stärker ansteigen.

Störrisch schüttelte er den Kopf. „Nein danke, ich habe keinen Hunger.“

Der Dämon lächelte nachsichtig. „Du bist kein besonders guter Lügner.“

Du musst es ja wissen.“

Ein leises Lachen antwortete ihm. „In der Tat, das sollte ich wohl.“

Der Dämon hielt sein Glas hoch. „Alejandro, mehr Wein. Und schenk unserem Gast auch etwas ein.“

 

Marcus sah zu, wie Alejandro sich tatsächlich in Bewegung setzte, um den Auftrag auszuführen. Als er ihm jedoch das Weinglas reichen wollte, weigerte Marcus sich, es zu entgegennehmen.

Der Cadejo bleckte die Zähne. „Nimm endlich das Scheißglas, sonst …“

„Aber, aber, Alejandro“, tadelte sein Herr sogleich. „Du vergisst dich. Am besten setzt du dich auf deinen Platz an der Tür. Na los!“

Der Cadejo holte tief Luft, stellte das Glas auf den Tisch, ohne Marcus aus den Augen zu lassen, und platzierte sich wie befohlen neben der Tür. Zumindest dachte Marcus das. Die mahnende Stimme seines Herrn ließ den Halbdämon jedoch leicht zusammenzucken.

„Alejandro.“

Der Cadejo senkte den Kopf. „Ja, Herr.“

Im nächsten Moment ließ er sich auf die Knie nieder und begab sich in eine so demütige Haltung, dass Marcus einen verblüfften Laut von sich gab. Wie von selbst wanderte sein Blick wieder zu dem namenlose Dämon zurück. Der hatte noch immer dieses enervierende Lächeln auf den Lippen.

„Faszinierend, nicht wahr? Er ist mein Meisterstück.“

„Ich kann nichts Besonderes erkennen“, gab Marcus kalt zurück.

Der Dämon schürzte die Lippen. „Ah, jetzt beleidigst du mich aber. Ich bin mir sicher, dass dir, so schlau wie du bist, an ihm etwas aufgefallen ist.“

Marcus musterte den Dämon, der vergnügt an seinem Glas nippte. Es war unmöglich herauszufinden, ob die zur Schau getragene Heiterkeit nun echt oder nur vorgetäuscht war. Marcus knirschte mit den Zähnen. Der immer noch im Zimmer umherwabernde Geruch der verlockenden Speisen ließ ihn schwindeln und statt den Dämon anzusehen, glitten seine Augen unweigerlich zu den Köstlichkeiten, unter denen sich der Tisch bog. War das Hühnchen? Maisbrot? Weintrauben? Marcus Magen knurrte erneut.

„Du bist sehr wohl hungrig. Du bist nur zu stolz, um es zuzugeben.“

Die Stimme war plötzlich so nahe, dass Marcus erschrocken zurückprallte und sich somit nur noch enger an den massiven Körper drängte, der wie aus dem Boden gewachsen hinter ihm stand. Starke Arme um fingen ihn und warmer Atem strich über sein Ohr.

„Warum wehrst du dich so? Wir beide könnten viel Spaß miteinander haben. Eine äußerst angenehme Zeit. Nur du und ich oder noch ein paar von meinen Gespielinnen und Gespielen, wenn dir der Sinn nach etwas mehr Gesellschaft steht. Ich kann dir alles bieten, was du möchtest. Wein? Weib? Gesang? Du musst mir nur sagen, was du möchtest.“

„Lass mich los!“, keuchte Marcus, doch der Dämon dachte nicht daran. Marcus fühlte die Beinahe-Berührung seiner Lippen an seinem Hals entlangwandern.

„Bin ich denn wirklich so furchtbar?“, hauchte er eine neue Frage in Marcus’ Ohr. „Findest du mich so abstoßend, dass du dir nicht vorstellen kannst, mich in deiner Nähe zu ertragen?“

Hände wanderten an Marcus Körper entlang, von denen er sich nicht erklären konnte, woher sie kamen. Er ächzte, als eine von ihn sehr, sehr nahe an seinem Intimbereich vorbeistrich.

„Oder dürstet es dich nach etwas anderem?“, wisperte der Dämon weiter. „Nach Ansehen und Macht? Ich kann sie dir verschaffen. Nenn mir einen Posten und ich setze dich an die Stelle des Mannes, der ihn momentan innehat. Oder möchtest du Rache? Ich spüre den Zorn, der in dir lodert. Du bist wütend, Marcus. Wütend auf wen? Ist es ein Mensch? Ich lösche ihn für dich aus. Ist es ein Engel? Ich fange ihn für dich und lege ihn dir zu Füßen. Ich gebe dir alles, wonach dir der Sinn steht.“

Marcus antwortete nicht, doch sein Herz klopfte gegen seine Brust und der wummernde Herzschlag dröhnte durch seinen Kopf.

Er spürte den Dämon an seinem Ohr lächeln. „Ah, ein Engel also. Welcher ist es? Dein Vater? Möchtest du dich an ihm rächen? Ihn leiden sehen? Ihn töten, so wie er deine Mutter getötet hat? Ist es das, was du willst?“

„Lass mich“, versuchte Marcus erneut gegen die flüsternde Stimme aufzubegehren, aber seinen Gegenwehr schmolz dahin wie Schnee inmitten eines lodernden Maifeuers. Irgendwann hörte er auf zu kämpfen. Still stand er in den Armen des Dämons, der ihn trotz seiner nicht eben geringen Größe noch überragte.

„Siehst du, so ist es brav. Ich will dir doch gar nichts Böses. Nur ein wenig Gesellschaft. Ich will dich glücklich machen.“

„Ich …“ Marcus hatte Mühe, die Worte zu formulieren. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er voller Zuckerwatte. „Ich möchte nicht …“

Wieder spürte er ein Lächeln. „Oh, mach dir keine Gedanken deswegen. Ich werde dich nicht mit Gewalt nehmen. Nicht, wenn du das nicht möchtest. Doch zuerst solltest du etwas trinken. Du musst durstig sein.“

„Ich habe … Wasser …“, versuchte Marcus zu erklären, doch er konnte es nicht. Wie durch einen Nebel nahm er ein Fingerschnippen wahr, eine Bewegung irgendwo am Rand seines Gesichtsfeldes und im nächsten Moment wurde ihm ein Glas gegen die Lippen gedrückt. Schwerer Rotweingeruch drängte sich in seine Nase und als die rote Flüssigkeit seine Lippen benetzte, öffnete er automatisch den Mund. Erst der Geschmack auf seiner Zunge, ließ ihn wieder etwas klarer werden. Er wollte den Wein ausspucken, aber ein Teil davon rann bereits seine Kehle herab. Im nächsten Moment breitete sich ein warmes Gefühl in seinem Bauch aus.

 

Der Dämon ließ ihn los und trat ein Stück zurück. Er lächelte immer noch.

„Siehst du, das ging doch ganz leicht. Und niemand wurde verletzt. Also noch einmal: Möchtest du mit mir essen, Marcus?“

Die kribbelnde Wärme in seinem Bauch nahm zu, wurde zu einem heißen Ziehen und schien sich von seiner Mitte weiter nach unten auszubreiten. Der Dämon, der ihn beobachtete wie eine Katze einen Kanarienvogel, zeigte beim Lächeln seine Zähne.

„Ist irgendwas nicht in Ordnung? Du siehst … erregt aus.“

Tatsächlich musste Marcus feststellen, dass sich das Brennen und Ziehen in einer ausgewachsenen Erektion manifestiert hatte, die sich beharrlich gegen den Stoff der fremden Hose drückte. Er zischte, als der grobe Stoff darüber strich. Plötzlich erkannte er das Gefühl wieder.

„Das ist doch …“ Er starrte auf das Glas in den Händen des Dämons. Der Inhalt hatte die gleiche Wirkung wie Crystals Sukkubus-Gift. Plötzlich fielen die Teilchen des Puzzles an die vorgesehenen Stellen. Er wusste jetzt, warum Crystal ihn nicht mehr zum Koitus hatte bringen können. Diese Maschine, von der sie gesprochen hatte, musste ihr all ihr Gift abgezogen haben. Und dieses befand sich jetzt in dem Glas.

„Du hast mich vergiftet!“

Der Dämon sah ihn verblüfft an, bevor er begann schallend zu lachen. „Vergiftet? Oh, so kann nur ein Engel sprechen. Sollte ich bisher Zweifel an deiner Herkunft gehabt haben, so wären diese spätestens jetzt ausgeräumt.“

„Aber … in dem Glas. Das stammt doch von einem Sukkubus, oder nicht?“

Wieder rieb der grobe Stoff über die empfindliche Haut seiner Erektion und ließ ihn beinahe stöhnen. Das warme Kribbeln war inzwischen zu einem regelrechten Feuer angewachsen, dass ihn zunehmend ins Schwitzen brachte.

„Du bist wirklich clever“, antwortete der Dämon. „Ich hätte nicht gedacht, dass du das weißt. Aber als Gift würde ich die Essenz dieser wunderbaren Geschöpfe nicht bezeichnen. Sie sind vielmehr Freudenspender. Sieh nur, wie sehr dein Körper jubiliert. Würde es sich nicht gut anfühlen, wenn dich jetzt jemand anfassen würde. Wenn er dein pulsierendes Fleisch in die Hand nehmen und es ganz behutsam streicheln würde. Nur hauchzarte Berührungen. Kannst du sie fühlen, Marcus?“

 

Ja, das konnte er. Das konnte er tatsächlich. Wo auch immer diese geisterhaften Zärtlichkeiten herkamen, sie fachten die Glut des Feuers nur noch weiter an und ließen ihn ächzen. Wie von selbst wanderte seine Hand in Richtung seiner Körpermitte. Erst wenige Zentimeter davor gelang es ihm, seine Finger in den Stoff der Hose zu krallen und sich so zu stoppen.

„Du elender Mistkerl“, fauchte er und stöhnte, als die Phantomberührung für einen Augenblick intensiver wurde. „Was soll das werden? Wenn du mich vergewaltigen willst, dann tu’s endlich. Auf meine Einwilligung dazu kannst du lange warten.“

Wieder lagen die schwarzen Augen für einen Augenblick auf ihm, bevor sich der Dämon zu einer Antwort herabließ.

„Du denkst, es geht hier nur um mein Vergnügen?“ Er schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. „Mein lieber Marcus, ich glaube, so langsam muss ich wirklich ernsthaft beleidigt sein. Du versuchst ja nicht einmal, es zu verstehen. Dabei bist du bereits in dem Augenblick, in dem du deinen Fuß über meine Schwelle gesetzt hast, Teil eines viel größeren Plans geworden. Ich hätte gedacht, dass du es erkennen könntest. Zumal deine und meine Motive gar nicht mal so unterschiedlich sind. Du möchtest dich an einem Engel rächen und ich? Ich ziehe es vor, mich an allen von ihnen zu rächen und an unserem Vater gleich mit. Das mag ambitioniert klingen, aber so bin ich nun mal.“

„Wie bescheiden“, zischte Marcus und unterdrückte erneut ein Stöhnen. Das Feuer in seinem Inneren hatte sich zu einem Inferno ausgeweitet. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an Sex. Daran, wie es sich anfühlen würde, endlich zum Höhepunkt zu kommen, um dieses elende Brennen zu vertreiben.

„Ja, nicht wahr?“, überging der Dämon vollkommen den Sarkasmus in seiner Erwiderung. „Und es hat mich Jahre, ach was sage ich, Jahrzehnte, Jahrhunderte gekostet, um meinen Plan in die Tat umzusetzen. Und angefangen hat alles mit euch. Mit den Nephilim, den Söhnen der Engel, für die unser himmlischer Vater sich doch glatt die Mühe gemacht hat, die Erde komplett zu überfluten, nur um euch auszulöschen. Eine halbe Ewigkeit saß ich über eurer Geschichte und grübelte und grübelte, warum er sich eurer höchstpersönlich angenommen hat, während er gegen uns nur seine Lakaien ins Feld schickt. Und irgendwann erkannte ich, dass er euch für die größere Bedrohung hielt. In euch lag der Schlüssel für seinen Untergang. Also forschte ich, ich suchte die entlegensten Winkel ab, bis ich schließlich auf das stieß, was mir den Schlüssel zum Sieg in die Hände legte. Die Essenz von Lilith.“

„Das ist … ah … nicht mehr als eine dumme Legende.“

Der Dämon nahm einen Schluck Wein. „An dieser Stelle irrst du. Es gab sie, ebenso wie es Lilith gegeben hat. Ich nehme an, du hast bereits von ihr gehört?“

„Sie …“ Marcus hatte Mühe, die Worte zu formulieren, „sie war ein Dämon, erschaffen von Luzifer selbst, um die Menschen zu verderben.“

Ein trockenes Lachen entwich der Kehle des Dämons. „Ja, das ist es, zu was man sie inzwischen gemacht hat, nicht wahr? Aber ursprünglich war Lilith ein Mensch. Es ist wahr, dass Luzifer sie ins Leben brachte in den Tagen, an denen die Engel noch die Macht dazu hatten. Er, der herrlichste aller Söhne Gottes, der Lichtträger, er wollte unserem Vater beweisen, dass er ebenso Großartiges, wenn nicht Besseres vollbringen konnte als er. Also erschuf er Lilith und sie war perfekt. Schöner, klüger und anmutiger als alles, was je vorher einen Fuß auf Gottes schöne Erde gesetzt hatte. Die Pflanzen und die Tiere ja selbst die Mehrzahl der Engel verneigten sich vor ihr und auch Gottes unwürdige Kreatur, der Mensch Adam, war vollkommen fasziniert. Er konnte an nichts anderes mehr denken als daran, wie er Lilith glücklich machen konnte. Und Gott wurde eifersüchtig. Er verbannte Lilith aus dem Garten Eden und nahm ihr einen Teil ihrer Schönheit, damit nie wieder jemand sich vor ihr mehr verneigen würde als vor ihm. Stattdessen formte er für Adam eine andere, weitaus weniger perfekte Frau und dumm wie dieser einfältige Mensch war, ließ er es zu. Er gab sich mit der zweiten Wahl zufrieden und vergaß Lilith, die daraufhin bittere Rache schwor. Aus ihrem gerechten Zorn und ihren Tränen formte sich eine Essenz, die die Macht hatte, jedes fühlende Wesen in einen Zustand der Lust zu versetzen und ihr vollkommen zu verfallen. Lilith verbündete sich mit Luzifer, der aus Groll über das, was seiner Schöpfung angetan worden war, inzwischen für die Vertreibung der Menschen aus dem Paradies gesorgt hatte und dafür aus dem Himmel verstoßen worden war. Gemeinsam nahmen sie Rache an den Engeln und den Menschen gleichzeitig. Die Frucht dieser Rache, die Nephilim, überzogen die Welt mit ihrer Macht und es schien, als könne nichts sie aufhalten. Bis Gott sie schließlich alle ertränkte. Was blieb, war eine Legende über den Stoff, aus dem Gottes Untergang gewebt ist und der Schlüssel dazu befindet sich genau hier.“

 

Bei seinen letzten Worten war der Dämon so nahe an Marcus herangetreten, dass er dessen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte, und seine Hand hatte sich um Marcus Hoden gelegt. Der stöhnte auf vor Lust und Schmerz und wusste nicht, was davon größer war.

„Gott nahm den Engeln einst die Fähigkeit, Lust zu empfinden, damit sie nie wieder Nachkommen zeugen würden, die ihn zu Fall bringen konnten. Aber mit Hilfe der Essenz, die ich aus dem Speichel der Succubi gewonnen habe, kann ich sie wieder zum Leben erwecken. Ich kann die Saat der Engel gewinnen und daraus die perfekte Waffe schmieden, die Luzifer endlich die Herrschaft über die Erde und somit auch über den Himmel ermöglichen wird.“

„Ich bin neugierig“, keuchte Marcus und versuchte das beinahe übermächtig Verlangen zu ignorieren, sich an der Hand des Dämons zu reiben, um endlich Erlösung zu erlangen. „Wie soll diese Waffe aussehen?“

Wieder hatte der Dämon dieses arrogante Grinsen auf dem Gesicht, das ihm Marcus am liebsten mit der Faust von dort weggewischt hätte. Aber er konnte nicht. Alles, was er konnte, war sich zusammenzureißen und auszuharren, damit er sich nicht hier und jetzt die Kleider vom Leib riss.

„Du hast den Prototyp davon bereits kennengelernt“, erklärte der Dämon bereitwillig. „Die Vorversion, wenn man so will. Doch inzwischen sind die Testreihen abgeschlossen und ich denke, wir wären soweit, in die nächste Phase zu gehen. Möchtest du mir dabei behilflich sein?“

„Niemals!“, fauchte Marcus und schnappte im nächsten Moment nach Luft, als sich die Krallen des Dämons enger um seine Erregung schlossen und ihn leicht massierten.

„Ich verrate dir jetzt mal ein Geheimnis, Marcus“, flüsterte der Dämon in sein Ohr. „Die Frage, die ich dir gerade gestellt habe, war reine Höflichkeit. Du wirst mir dienlich sein, egal ob du es möchtest oder nicht. Die einzige Frage, die es jetzt noch zu beantworten gilt, ist die, ob du deine Mitarbeit genießen wirst oder nicht.“

„Ich werde dir nicht …“

„Du solltest mich ausreden lassen“, grollte der Dämon und zum ersten Mal wurde sich Marcus wieder bewusst, wie gefährlich das Wesen war, das sich gerade an ihn schmiegte. „Ich sagte dir ja bereits, dass das, was ich benötige, sich in deinem Körper befindet. Der Samen eines Nephilim mag nicht so potent sein wie der eines Engels, aber er wird ausreichen, um die nächste Generation heranzuziehen. Außerdem bin ich zuversichtlich, dass uns früher oder später auch ein echter Engel ins Netz gehen wird. Doch bis dahin, mein lieber Marcus, wirst du derjenige sein, der mich mit dem weißen Gold versorgt, nachdem es mich verlangt. Die Sukkubus-Essenz wird dafür sorgen, dass deine Erregung nicht abklingt und deine Heilkräfte werden es dir ermöglichen, weit länger durchzuhalten als die Menschen, mit denen wir einige klägliche Versuche diesbezüglich unternommen habe. Da gab es einige wirklich sehr, sehr unschöne Unfälle.“

Marcus fühlte den Schweiß auf seiner Stirn ausbrechen. Sein Geist wehrte sich gegen die Bilder, die sich ihm unwillkürlich aufdrängten. Schon jetzt war der Druck zwischen seinen Beinen so groß, dass er das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen. Die Vorstellung, dass dies vielleicht wirklich passieren konnte, schnürte ihm die Kehle zu.

„Allerdings gibt es durchaus die Möglichkeit, deinen Samen zu gewinnen, ohne dir echte Erleichterung zu verschaffen. Wenn man die Stimulation rechtzeitig vor dem Höhepunkt abbricht, wirst du dich zwar entladen, aber deine Lust wird erhalten bleiben. So werden wir in der Lage sein, dich wieder und wieder und wieder zu melken.“

Der Dämon umfasste Marcus’ Kinn und drehte es zu sich hin, sodass er ihm direkt in die Augen sehen konnte. „Wenn du dich bereit erklärst, mir zu dienen, könnten wir beide viel Spaß haben. Ich würde dich gern an meiner Seite sehen und in meinem Bett. Solltest du Bedenken haben, ob du dich dazu überwinden kannst, mir beizuliegen, kann ich dir gerne noch mehr von der Essenz verabreichen, bis du deine Zweifel zum Schweigen bringst. Betäube dich. Vergiss, was vorher war. Diese Welt da draußen hat nichts für dich übrig außer Verachtung und Leid. Bleib bei mir und lass mich dich zu dem König machen, zu dem du durch deine edle Herkunft auserwählt wurdest. Dann wirst du es sein, der am Ende triumphiert.“

Marcus zögerte. Er schwankte. In seinem lustvernebelten Hirn schienen die Worte des Dämons so unglaublich viel Sinn zu machen. Was, wenn er tatsächlich nachgab? Wenn er sich in die Arme dieser Kreatur warf und empfing, was sie ihm zu bieten hatte? Wenn er vergaß, was er war und wo er herkam, um nur noch im Hier und Jetzt zu leben? Ein hübsches Spielzeug für einen Höllenfürsten, das nichts mehr zu befürchten hatte. Nie wieder.

„Nein“, brach es aus ihm heraus und er stemmte sich mit aller Macht gegen die süße Verlockung. „Es … es wäre … eine Lüge. Mein Leben … alles wäre … eine Lüge.“

Der Dämon lächelte nachsichtig. „Natürlich wäre es das. Was hast du erwartet, wenn du dich in mein Haus begibst?“

Marcus schluckte. „Wer … bist du?“

Das Lächeln des Dämons wurde breiter. „Man nennt mich Belial, den Wertlosen, den, der ohne Licht ist. Allgemein auch bekannt als der Herr der Lügen.“

Marcus’ Augen wurden groß, als er den Namen hörte. Natürlich kannte er ihn – wie hätte er nicht – aber er hätte nie gedacht, einem so hochrangigen Diener Luzifers jemals gegenüberzustehen … und diese Begegnung zu überleben. Als ihm aufging, dass genau das auch noch nicht feststand, versuchte er zurückzuweichen, doch Belial hielt ihn ohne Gnade fest.

„Ich sehe“, sagte er leise und gefährlich, „dass du dich entscheiden hast, mein Angebot auszuschlagen. Wie schade. Wir hätten wirklich eine gute Zeit haben können, kleiner Marcus, aber wenn du stur bleiben und dich gegen dein eigenes Wohlbefinden entscheiden willst, dann sei es eben so. Du hast deine Wahl getroffen.“

 

Belial trat zurück und wandte sich an Alejandro, der immer noch neben der Tür kauerte.

„Dein Geschenk gefällt mir außerordentlich. Allerdings denke ich, dass es an der Zeit ist, es richtig einzukleiden, so wie es sich für einen Sklaven gehört. Wenn du so freundlich wärst, mir einen Harness zu bringen?“

Alejandro erhob sich und in seinen Augen funkelte es. „Welche Art Harness wünscht Ihr, Herr?“

Belial lächelte und strich Marcus über die Wange. „Da du mir dieses Geschenk gemacht hast, darfst du auswählen. Du kennst ja meinen Geschmack. Etwas Hübsches und vielleicht auch mit einem gewissen Extra. Eventuell kommt unser lieber Marcus ja doch noch auf den Geschmack.“

„Sehr wohl, Herr.“

Alejandro verschwand, jedoch nicht für lange. Als er zurückkehrte, hielt er etwas in den Händen, das Marcus zunächst an ein großes Hundegeschirr aus Leder erinnerte. Als er jedoch sah, was noch daran befestigt war, begann er sich zu wehren.

„Sch …“, machte Belial und hielt ihn ohne große Mühe fest. Nahezu sanft strich er ihm mit den Krallen über die Wange. „Am Anfang wird es vielleicht etwas ungewohnt sein, aber du wirst dich daran gewöhnen, mein kleiner Nephilim. Und wer weiß, vielleicht kommst du ja sogar auf den Geschmack. Ich würde mich freuen, dich dann einmal persönlich beglücken zu dürfen. Doch bis dahin wirst du wohl mit dieser Nachbildung auskommen müssen.“

Marcus öffnete den Mund, um zu schreien, aber da wurde bereits etwas Hartes zwischen seine Zähne geschoben und mit einem Riemen an seinem Hinterkopf befestigt. Er versuchte, um den Knebel herum seiner Wut Ausdruck zu verleihen, doch es war unmöglich. Alles, was er erreichte, war, dass ihm der Speichel aus dem Mundwinkel tropfte und bis auf sein Kinn herablief.

„Sieh nur, er freut sich“, bemerkte Belial mit einem süffisanten Lächeln und schnippte mit den Fingern. Im nächsten Moment standen wieder die Wächterdämonen im Raum, als hätten sie ihn nie verlassen.

„Haltet ihn. Wir wollen doch einmal sehen, was sich unter all diesem Stoff verbirgt.“

 

Krallenbewehrte Hände schlossen sich wie Schraubstöcke um Marcus Arme. Belial trat vor und hielt plötzlich ein silbernes Messer in der Hand. Mit der Spitze der Schneide strich er über Marcus’ Wange.

„Du solltest jetzt stillhalten. Andernfalls könnte das wehtun und wir wollen doch nicht, dass du verletzt wirst.“

Marcus, der gerade noch versucht gewesen war, sich dem Griff der Wächterdämonen irgendwie zu entwinden, verharrte auf der Stelle. Mit den Augen verfolgte er die scharfe Klinge, die jetzt an seinem Hals entlang tiefer glitt. Als sie die Schnüre erreichte, die das Hemd am Kragen zusammenhielten, vollführte Belial eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk und schon glitten die Überreste zu Boden. Das Hemd klaffte auf und gab den oberen Teil von Marcus’ Brust frei. Wieder spürte er die Klinge. Sie war kühl gegen seine erhitzte Haut, unter der immer noch das erregte Blut pulsierte.

Ein reißendes Geräusch folgte, als die Klinge durch den Stoff glitt und ihn in zwei Hälften schnitt. Marcus spürte die Spitze der Klinge an seinem Bauch und hielt automatisch die Luft an. Der weiße Stoff fiel beiseite und enthüllte seinen Oberkörper.

Er erschauerte, als Belials Krallen über seine Brust glitten und dabei eine der Brustwarzen streiften. Alles an ihm vibrierte vor Erregung und selbst die kleinste Berührung sandte Stromstöße durch seinen gesamten Körper. Er hasste sich dafür, aber noch mehr hasste er Belial, der sich über seinen Zustand königlich zu amüsieren schien.

„Wunderschön“, urteilte der Dämon, der seine Klauen gerade in dem Augenblick zurückzog, als Marcus bereits befürchtete, dass er sie noch unterhalb der Gürtellinie würde spüren müssen. „Es ist ein Jammer, dass du mein Angebot ausgeschlagen hast.“

Er lächelte noch einmal, bevor er sich an Alejandro wandte, der wie ein Schatten hinter seinem Herrn lauerte.

„Du wirst dich darum kümmern, dass er den Harness angelegt bekommt. Ruf mich, wenn er fertig ist. Ich will ihn mir ansehen. Und sorge dafür, dass man einen Sukkubus zu mir schickt. Ich habe noch ein paar spezielle Anweisungen für die Behandlung unseres Gastes. Wir wollen doch nicht, dass er allzu viel Spaß bei der Sache hat.“

„Ja, Herr“, antwortete Alejandro und gab den Wächterdämonen ein Zeichen. Die schleiften Marcus daraufhin in einen Raum, der nicht weniger üppig ausgestattet war als der, aus dem sie gerade gekommen waren. Allerdings war die Atmosphäre insgesamt düsterer. Schwarz war die vorherrschende Farbe der Einrichtung und an der Wand sah Marcus mehrere Vorrichtungen, deren Aussehen keinen Zweifel an ihrem Zweck ließ. Das hier war eine Folterkammer, deren Bestimmung es nicht nur war, Schmerzen zu bereiten.

Marcus wurde in die Mitte des Zimmers geführt, wo die Wächter ihn losließen und einen Schritt zurücktraten. Es bestand jedoch kein Zweifel daran, dass sie jederzeit wieder zupacken würden, würde er versuchen zu fliehen.

Alejandro trat vor ihn. Auf seinem Gesicht lag ein mokantes Grinsen. „Zieh dich aus.“

Marcus reckte trotzig das Kinn. Mit dem Knebel im Mund konnte er zwar nicht reden, aber er würde es dem Cadejo auch nicht zu leicht machen.

„Wenn du es nicht tust, werden sie es für dich tun.“ Alejandro nickt in Richtung der Wächter.

Mit einem hasserfüllten Blick begann Marcus, die Überreste seines Hemdes von den Schultern zu streifen. Die Hose folgte und er kam nicht umhin still aufzuseufzen, als seine Erektion endlich aus ihrem Gefängnis befreit wurde. Die kühle Luft des Dungeons strich über seine Haut und verschaffte ihm einen Hauch von Linderung.

Als er allerdings sah, mit was für einem Blick Alejandro seinen Körper maß, kroch die Hitze zurück in Marcus’ Gesicht. Er hatte vergessen, dass der Cadejo hieran vermutlich mehr Gefallen fand, als Marcus lieb war. Er zwang sich, den Blick zu ertragen, und hob trotz seiner brennenden Wangen den Kopf. Mit den Augen sandte er eine stumme Herausforderung an sein grinsendes Gegenüber.

 

Als der Cadejo an ihn herantrat und sich die ersten Lederriemen um seine Haut legten, musste Marcus ein Zurückzucken unterdrücken. Es gelang ihm nicht ganz und er sah Alejandros Grinsen breiter werden.

„Es wird dir gefallen“, flüsterte er. „Mit der Zeit, wird es dir gefallen. Mein Herr wird gut zu dir sein. Besser, als du es verdienst.“

Etwas an der Art, wie er das sagte, ließ Marcus aufhorchen. Es war schwer herauszuhören, doch irgendwo unter der Häme und dem Spott konnte er noch etwas anderes wahrnehmen. Er beobachtete, wie der Cadejo Schnalle um Schnalle schloss, und bemerkte das leichte Zittern von dessen Hände. Was war das? War es Erregung? Wut? Eifersucht?

Als die Berührungen der Riemen langsam tiefer wanderten, glitt Marcus’ Blick unwillkürlich zu dem Ding, das noch daran unbefestigt auf dem Boden lag und sich schon bald an einer Stelle befinden sollte, die Marcus mehr als nur unangenehm fand.

Nur nicht darüber nachdenken, befahl er sich. Konzentrier dich auf etwas anderes. Was hat Belial gemeint, als er sagte, dass ich es nicht verstehen würde? Was bezweckt er mit all dem hier?

Es fiel Marcus schwer, seine Gedanken zusammenzuhalten. Als Alejandro ihn dort anfassste, wo er es definitiv nicht wollte, ruckten seine Hände vor und schlossen sich um die dünnen Handgelenke des Cadejo.

Alejandro knurrte. „Lass mich los oder du wirst es bereuen.“

‚Zwing mich doch’, hätte Marcus ihm am liebsten entgegengeschleudert, als ihm aufging, dass der Cadejo das nicht gekonnt hätte. Sicherlich, er würde nicht zögern, den Dämonen hinter ihm ein Zeichen zu geben, aber wenn Alejandro und er sich im Kampf Mann gegen Mann gegenübergestanden hätten, hätte Marcus ihn mit Leichtigkeit besiegt.

Der Cadejo war schwach. Nicht nur in seiner menschlichen Form, sondern auch als Dämon. Er war klein, mager, hässlich. Nichts an ihm rechtfertigte die Position, die er innehatte, wenn man einmal von der Besonderheit absah, dass er sich in einen echten Menschen verwandeln konnte. Und doch hatte Belial ihn als „sein Meisterstück“ bezeichnet.

 

In diesem Moment fiel es Marcus wie Schuppen von den Augen. Natürlich. Alejandro war der Prototyp, von dem Belial gesprochen hatte. Und Belial hatte vor, noch viele weitere solcher Wesen zu erschaffen. Allerdings bessere, stärkere Versionen davon. Er konnte ganze Heere von Wechseldämonen erschaffen und musste sich nicht einmal darüber Sorgen machen, wie er diese versorgen oder gar vor seinen Gegnern geheim halten konnte. Weil sie zum Teil menschlich waren. Er würde in der Lage sein, eine Armee direkt vor den Augen der Himmlischen aufzustellen und erst dann zuzuschlagen, wenn er bereit dazu war. Aus dem Verborgenen heraus würde er sie vollkommen unvorbereitet treffen. Er wäre in der Lage, die gesamte Erde zu unterwandern, nach und nach die Menschen durch seine Kreaturen zu ersetzen, bis keiner mehr übrig war. Oder zumindest nicht mehr genug, um ihm Widerstand zu leisten. Die Erde würde mit einem Schlag in die Hand der Dämonen fallen und niemand würde es kommen sehen.

Marcus erschauerte bei dem Gedanken und ließ Alejandro los. Ungläubig starrte er ihn an.

„So voller Vorfreude?“, flüsterte der Cadejo heiser und lachte hämisch. „Das wundert mich. Du warst doch eben noch so abgeneigt.“

Marcus biss auf den Knebel und versuchte, an ihm vorbei etwas zu sagen, aber es kamen nur undeutliche Laute aus seinem Mund. Er schüttelte den Kopf, um sich verständlich zu machen. Dieser Knebel musste verschwinden.

Alejandro musterte ihn abschätzig.

„Du musst deutlicher sprechen“, höhnte er. „Sonst verstehe ich dich nicht.“

‚Mach mich los’, artikulierte Marcus und trat einen Schritt auf den Cadejo zu. Hinter ihm bewegten sich die Wächterdämonen, doch Alejandro hob die Hand, sodass sie sich wieder zurückzogen. Mit einem misstrauischen Blick griff er nach vorn und löste den Knebel.

„Was willst du?“, fragte er.

Marcus bewegte prüfend den Mund, der jetzt schon unangenehm schmerzte.

„Er wird dich ersetzen“, sagte und sah den Cadejo eindringlich an. „Wenn er von mir bekommen hat, was er will, wird er andere, bessere Versionen von dir herstellen. Er wird dich ersetzen, vielleicht sogar töten. Wenn er mich hat, braucht er dich nicht mehr. Und er wird uns beide liquidieren lassen, wenn er erst Angelo in die Finger bekommt.“

Für einen Augenblick flackerte Unsicherheit in Alejandros Augen. Die Tragweite von Marcus’ Eröffnung schien ihn zu überfordern.

Marcus wusste, dass er dem Cadejo nichts anbieten konnte, das ihn zu seinem Verbündeten machen würde. Seine einzige Hoffnung bestand darin, dass Alejandro um seiner selbst willen auf die Idee kam, ihn freizulassen. Und er konnte nur hoffen, dass der Cadejo das Dilemma nicht dadurch löste, dass er sich Marcus auf andere Weise entledigte.

Aber ebenso schnell wie der Funke des Widerstands in Alejandro aufgeglommen war, erlosch er auch schon wieder.

„Halt die Klappe “, blaffte der Cadejo ihn an und schob wie zur Bekräftigung den Knebel zurück in Marcus’ Mund. „Du hast keine Ahnung, wovon du da sprichst.“

Er trat zurück und hob das schwarze Ding auf,das noch an Marcus’ Verkleidung fehlte. Er betrachtete es kurz, bevor er es hochhielt und Marcus hämisch angrinste.

„Das Beste kommt zum Schluss. Dreh dich um und bück dich, Nephilim. Das hier wird jetzt ein kleines bisschen wehtun.“



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