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Brothers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ihr Lieben, mal wieder ein neues Kapitelchen hier. Ich hatte ja angekündigt, dass Seto etwas Hilfe brauchen wird, um zu begreifen, was genau eigentlich mit ihm los ist. Tja, diese Hilfe kriegt er hier und jetzt.
^__^

Ich hoffe, es gefällt euch. Enjoy!

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Hilfe

Wie jeden Morgen, wenn er zur Schule musste, stand Seto um sechs Uhr auf, duschte, kleidete sich an und klopfte dann exakt um halb sieben an der Zimmertür seines jüngeren Bruders. Nach dem üblichen Weckritual, das einen nassen Waschlappen und das Wegziehen der Bettdecke beinhaltete, verließ er Mokubas Zimmer wieder, um nach unten zu gehen, sobald der Junge grummelnd und schlecht gelaunt in seinem Badezimmer verschwunden war.
 

Anstatt jedoch sofort hinunter ins Esszimmer zu gehen, blieb Seto dieses Mal unschlüssig im Flur stehen und starrte ratlos auf die Tür des Zimmers, das gleich neben dem seinen lag. Ob Ryuuji wohl noch schlief? Sollte er ihn vielleicht auch wecken? War er ihm das nicht irgendwie schuldig? Immerhin war er jetzt ein Teil der Familie. Nach mehreren Minuten des Zögerns rang Seto sich schlussendlich doch noch dazu durch, an die Tür seines Stiefbruders zu klopfen. Die Frage, warum es ihn so nervös machte, hier zu stehen, schob er in den hintersten Winkel seines Bewusstseins. Darüber wollte er jetzt nun wirklich nicht nachdenken. Außerdem war das doch auch unwichtig. Er war es eben einfach nicht gewöhnt, plötzlich zwei Brüder zu haben, das war alles.
 

Noch völlig in seine Gedankengänge verstrickt schrak Seto förmlich zusammen – natürlich nur innerlich, äußerlich hatte er sich vollkommen im Griff –, als die Tür vor seiner Nase aufgerissen wurde und er sich seinem bereits vollständig angezogenen und wie üblich auch geschminkten Stiefbruder gegenübersah. Warum betonte dieser seine Augen eigentlich so? Immerhin konnte man sie doch sowieso schon nicht übersehen – und schon gar nicht ignorieren, selbst wenn man es noch so sehr wollte.
 

"Holy shit!", entfuhr es Ryuuji, als er sich statt wie erwartet seiner Mutter seinem älteren Stiefbruder gegenübersah. Also damit hatte er überhaupt nicht gerechnet! "Machst du immer den Weckdienst?" Wie es ihm gelang, in so einer Situation – Seto war ihm für seinen Geschmack einfach viel, viel zu nah – noch einen halbwegs vernünftigen Satz herauszubringen, geschweige denn ein Grinsen hinzubekommen, war Ryuuji ein echtes Rätsel. Verdammt, sah Seto in der blauen Schuluniform gut aus!
 

Seto war es unglaublich peinlich, dass er sich räuspern musste, aber er konnte nichts dagegen tun. Seine Kehle fühlte sich an wie ausgetrocknet und unter dem intensiven Blick aus diesen grünen Augen, die ihn einfach nicht zur Ruhe kommen ließen, fiel es ihm ungewohnt schwer, sich zu konzentrieren. Dennoch gelang es ihm – zwar nur mit Mühe, doch das sah man ihm glücklicherweise nicht an –, sich vollkommen normal zu verhalten.
 

"Ich wecke Mokuba jeden Morgen. Er ist ein Langschläfer und Morgenmuffel allererster Güte", erklärte er. "Und da ich nicht wusste, ob du schon wach bist, dachte ich, ich sehe besser nach. Es würde einen schlechten Eindruck machen, wenn du ausgerechnet heute zu spät zur Schule kommen würdest", fügte er hinzu und blinzelte irritiert, als das Grinsen seines Gegenübers noch eine Spur breiter wurde.
 

"Das hätte ich nicht erwartet", gestand Ryuuji frei heraus und lehnte sich gegen den Türrahmen, denn er fühlte sich zittrig und brauchte irgendeinen Halt. "Mokuba kam mir eigentlich nicht vor wie jemand, der morgens nur schwer aus dem Bett kommt", fuhr er in leichtem Plauderton fort, dem man nicht anmerkte, wie viel Mühe er ihn kostete.
 

Auf diese Worte hob Seto lediglich eine Braue. "Dann versuch du mal, ihn morgens zu wecken. Da hilft nur ein nasser Waschlappen", gab er zurück und der Schwarzhaarige begann zu lachen. "Bist du brutal! Ich glaub, unter diesen Umständen verzichte ich doch lieber freiwillig auf das zweifelhafte Vergnügen, mich von dir wecken zu lassen", erwiderte er und hätte sich beinahe verschluckt, als Seto ihn nun seinerseits kurz angrinste – ein Grinsen, dem man nicht ansah, wie schwer es ihm fiel. Besser, wenn er das, was er gerade gedacht hatte, für sich behielt.
 

"Dich würde ich anders wecken." Diesen Kommentar konnte er sich dennoch nicht verkneifen. Bevor er allerdings verraten konnte, wie dieses Wecken aussehen sollte, wandte er sich schnell ab und machte sich auf den Weg nach unten ins Esszimmer. Bloß schnell weg aus der Reichweite dieser grünen Katzenaugen, bevor er tatsächlich noch eine Dummheit beging und etwas Falsches sagte.
 

Ryuuji stieß sich vom Türrahmen, an dem er gelehnt hatte, ab und folgte seinem älteren Stiefbruder. "Und wie genau würdest du mich wecken?", erkundigte er sich, als er den Anderen eingeholt hatte. Dabei verfluchte er innerlich seine angeborene Neugier, aber er konnte dagegen ebenso wenig tun wie gegen die Bilder, die sich bei den Worten in seinem Kopf abspielten – Bilder von Seto, der ihn sanft und zärtlich wachküsste.
 

So einen Scheiß sollte ich nicht mal denken. Das wird doch eh nie passieren. Unwillig schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. Nein, solche Gedanken waren gar nicht gut für ihn. Besser, er behielt das für sich. Seto würde ihn ganz sicher umbringen, wenn er erfuhr, was er sich von ihm wünschte – und vor allem, wenn er jemals herausbekam, was er letzte Nacht vor dem Einschlafen noch getan hatte. Nein, das muss er wirklich nicht wissen. Das muss niemand wissen, beschloss Ryuuji, wurde jedoch von der Stimme seines Stiefbruders aus seinen Grübeleien gerissen.
 

"Mit einem Eimer kaltem Wasser", beantwortete Seto die Frage mit einiger Verspätung, obwohl ihm eigentlich etwas völlig anderes auf der Zunge gelegen hatte. Aber in Verbindung mit einem anderen Jungen – und auch noch ausgerechnet mit seinem Stiefbruder – von einem Kuss zu sprechen, fand er doch reichlich merkwürdig. Egal, wie sehr ihn Ryuuji auch in seinen Träumen in der letzten Nacht verfolgt hatte, nichts rechtfertigte das. Außerdem – was würde Ryuuji wohl von ihm denken, wenn er davon erführe? Nein, das wollte er sich lieber gar nicht erst vorstellen.
 

"Guten Morgen, Seto-san. Guten Morgen, Ryuuji-san", begrüßte Isono die beiden Jungen, als sie gemeinsam das Esszimmer betraten. Beide nickten ihm nur zu, denn jeder von ihnen hing seinen eigenen Gedanken nach. Seto konnte noch immer nicht begreifen, dass ihm solche seltsamen Ideen überhaupt kamen und Ryuuji kämpfte wider besseren Wissens – was hatte er denn eigentlich erwartet, verdammt? – mit seiner Enttäuschung.
 

Yukikos, Gozaburos und Mokubas beinahe zeitgleiches Auftauchen – der Fünfzehnjährige hatte seinen Vater und seine Stiefmutter im Flur getroffen – entband die beiden Angesprochenen von einer direkten Antwort auf Isonos Begrüßung. Nach einem allgemeinen Gruß frühstückten die Sechs gemeinsam, bevor der Jüngste aufsprang. Wie immer in den letzten Wochen wollte er auch heute zu Fuß zur Schule gehen, um mehr Zeit für einen Plausch mit seinen beiden besten Freunden zu haben.
 

Seto, der sich ebenfalls bereits erhoben hatte, seufzte unhörbar. Im Klartext bedeutete die Abwesenheit seines jüngeren Bruders, dass er während der gesamten Fahrt zur Schule mit Ryuuji alleine in der Limousine sitzen würde – eine Vorstellung, die ihn gleich wieder nervös werden ließ. Insgeheim hoffte er, dass sein Stiefbruder ihm nicht anmerken möge, wie unruhig ihn alleine der Gedanke machte, mit ihm alleine zu sein.
 

Ryuuji war jedoch so in seine eigenen Grübeleien verstrickt, dass er von der Verfassung seines Stiefbruders nichts bemerkte. Die Aussicht, von jetzt an täglich mit einer Limousine zur Schule gefahren zu werden, war ja schon seltsam, aber was sein Herzklopfen wirklich beinahe unerträglich machte, war die Tatsache, dass Mokuba nicht mit dabei sein würde und dass er deshalb mit Seto alleine sein würde. Hoffentlich bau ich keine Scheiße dachte Ryuuji und folgte Seto seufzend, als dieser zum wartenden Wagen vorging. Nachdem sie beide eingestiegen waren und einander gegenüber Platz genommen hatten – Ryuuji wagte einfach nicht, sich neben seinen Stiefbruder zu setzen, und diesem war das nur recht –, schloss Isono die Tür, stieg auf der Fahrerseite ein und fuhr los.
 

Nach einer knapp fünfzehnminütigen Fahrt parkte die kaibasche Limousine auf dem Schulparkplatz. Kaum dass die Tür geöffnet wurde, stieg Seto aus und atmete tief durch. Die Fahrt war schweigend verlaufen und er hatte sich wirklich bemüht, aus dem Fenster zu sehen, aber stattdessen hatte er sich immer wieder selbst dabei ertappt, wie er in der getönten Fensterscheibe die Spiegelung seines Stiefbruders beobachtet hatte. Dieser hatte die ganze Zeit über eine schwarze Strähne um seinen Zeigefinger gezwirbelt und derart abwesend auf die vorbeiziehende Landschaft gestarrt, dass Seto sich unweigerlich gefragt hatte, was wohl in seinem Kopf vor sich gegangen sein mochte.
 

Ryuuji war unglaublich froh, als die Limousine endlich hielt und er aussteigen konnte. Auf das "Ich wünsche Ihnen beiden einen schönen Tag, Seto-san, Ryuuji-san" Isonos nickte er ebenso wie Seto einfach nur. Dabei drehten sich seine Gedanken immer nur um eine Frage: Ob es ihm wohl gelingen würde, Mokuba zu überreden, ab dem nächsten Tag wieder mitzufahren? Wenn ich das noch mal mitmachen muss, fall ich tot um, dachte Ryuuji und grinste freudlos. Verdammt, es hatte ihn eindeutig schwerer erwischt, als er sich hatte eingestehen wollen. Nicht nur, dass er beinahe ständig an Seto dachte oder von ihm träumte; nein, zusätzlich musste ihm dieser natürlich auch gleich morgens vor der Schule schon so nah sein, dass er ihn hätte berühren können, wenn er nur die Hand nach ihm ausgestreckt hätte.
 

Was für eine Scheiße. Der Tag fängt ja schon echt gut an. Wenn der Morgen schon so begann, wie sollte er denn dann den für den Nachmittag geplanten Familienausflug ohne bleibende Schäden überleben? Innerlich seufzte der Schwarzhaarige und atmete auf, als er seinen besten Freund Katsuya sah, der gemeinsam mit Bakura auf einer der Bänke auf dem Schulhof saß ihn mit hektisch wedelnden Armen zu sich winkte.
 

"Mir scheint, dein Typ wird verlangt", informierte Seto seinen Stiefbruder überflüssigerweise und dieser nickte. "Sieht so aus. Na dann, bis gleich im Klassenraum.", verabschiedete er sich kurz und sprintete dann zu dem Blondschopf und dem Weißhaarigen hinüber. Seto sah ihm einen Moment lang nach, bis ihm bewusst wurde, dass er schon wieder starrte. Dann löste er seinen Blick so schnell wie möglich von dem Schwarzhaarigen und ging gemessenen Schrittes zu der Bank, auf der er morgens immer zu sitzen pflegte, bis es zum Unterrichtsbeginn klingelte.
 

oOo
 

"Na, wie war die Hochzeit? Und wie hast du das erste Wochenende bei den Kaibas überlebt? Ich hoffe, der Eisklotz hat dich nicht zu sehr geärgert. Der war doch nett zu dir, oder? Wenn nicht, dann kriegt er's mit mir zu tun! Und jetzt spuck schon aus wie's war!" Neugierig sah Katsuya seinen besten Freund an. Irrte er sich oder machte der Schwarzhaarige irgendwie einen etwas übernächtigten Eindruck?
 

Ryuuji ließ sich seufzend auf die Bank neben seinen besten Freund fallen, legte den Kopf in den Nacken und schloss einen Moment lang die Augen. Dann atmete er erst einmal tief durch, bevor er Katsuya seine Aufmerksamkeit zuwandte. "Die Hochzeit war toll. Nur waren meine Großeltern leider auch da. Kannst dir ja sicher vorstellen, wie das abgelaufen ist. Auf jeden Fall waren sie von Seto und Mokuba natürlich ganz begeistert. Aber egal." Darüber wollte er jetzt lieber nicht nachdenken, denn dann erinnerte er sich nur wieder daran, was Seto am Sonntagmorgen in der Küche zu ihm gesagt hatte.
 

"Wie auch immer, Mum sah toll aus. Geradezu unbeschreiblich schön. Und ich glaube, mit Gozaburo-san wird sie wirklich glücklich. Sieht zumindest ganz danach aus. Und der Kleine – also Mokuba – ist echt ein ganz Süßer. Sogar Seto ist nicht so schlimm. Ich glaub, der braucht nur ne längere Gewöhnungsphase als der Kleine. Gestern war er jedenfalls ganz okay", erzählte der Schwarzhaarige weiter und in die braunen Augen seines besten Freundes schlich sich ein noch neugierigerer Ausdruck.
 

"Inwiefern okay?", wollte der Blonde auch prompt wissen, aber Ryuuji war nicht bereit, über das, was am Vortag am Pool und auch abends vor dem Schlafengehen geschehen war, zu sprechen – jedenfalls noch nicht. Er suchte krampfhaft nach einer Ablenkung und musste schließlich grinsen, als er unter dem Kragen des Hemdes von Katsuyas Schuluniform das Halsband von seinem Hundekostüm aufblitzen sah.
 

"Okay eben. Aber sag mal, Kats, gibt's nen bestimmten Grund dafür, dass du schon wieder das Halsband trägst?", erkundigte er sich deshalb und verkniff sich mühsam das Lachen, als sein bester Freund vom Halsansatz bis zu den Haarspitzen feuerrot anlief. "Das ... das ist nur ... weil ... Sag du doch auch mal was, Kura!", verlangte Katsuya verzweifelt, doch sein weißhaariger Freund grinste nur süffisant und schüttelte den Kopf.
 

"Wieso denn ich? Ist doch dein bester Freund. Erklär du's ihm.", gab er zurück und die Gesichtsfarbe des Blondschopfs verdunkelte sich noch etwas mehr. "Blödmann!", nuschelte er, bevor er einen Blick zu seinem besten Freund warf. "Ich ... ich trag's eben gerne. Es ... gefällt mir.", fügte er dann kaum hörbar hinzu und nun konnte Ryuuji sein Lachen nicht mehr zurückhalten.
 

"Und das liegt nicht rein zufällig daran, dass du dich von ihm hier", bei diesen Worten deutete der Schwarzhaarige auf den lässig neben Katsuya auf der Bank sitzenden Bakura, "gerne mal an die Leine legen lässt, oder?" Verdammt, es machte einen Heidenspaß, Katsuya so in Verlegenheit zu bringen! "Ähm ... Es ... es hat ... geklingelt." Wie ein geölter Kugelblitz sprang der Blonde von der Bank auf und verschwand in geradezu rekordverdächtigem Tempo im Schulgebäude – noch immer mit hochrotem Kopf. Bloß weg von dem Lachen seines besten Freundes und von all diesen peinlichen Fragen!
 

oOo
 

"... und gestern Abend haben wir Drei dann zusammen noch einen Film gesehen. Nur peinlich, dass ich irgendwann mittendrin eingeschlafen bin. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich in mein Bett gekommen bin. Ist ja auch egal. Jedenfalls hatten wir eine Menge Spaß zusammen. Sogar Seto", erzählte Mokuba seinen beiden besten Freunden in der ersten Pause mit leuchtenden Augen. Die drei Fünfzehnjährigen hatten es sich in ihrer Lieblingsecke auf dem Schulhof bequem gemacht und der Schwarzhaarige konnte einfach nicht mehr aufhören zu strahlen. Endlich hatte er wieder eine richtige Familie!
 

"Du bist vielleicht ne Pflaume!" Yuugi konnte sich das Lachen nicht verkneifen und auch Ryou kicherte leise. Das war einfach total typisch für Mokuba. Wie oft war dieser schon bei ihm zu Hause mitten in einem Filmmarathon eingeschlafen – mit dem Kopf auf seiner Schulter? Bei der Erinnerung daran errötete der Weißhaarige leicht und schüttelte den Kopf. An so etwas sollte er wirklich nicht denken.
 

"Ihr Zwei habt gut lachen! Euch ist so was Blödes ja auch nicht passiert!", grummelte Mokuba und verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust. Das war ja vielleicht fies! Da lachten seine beiden besten Freunde ihn doch tatsächlich aus! "Ihr habt ja vorher auch nicht mit Seto und Ryuuji zusammen im Pool rumgetobt. Ich sag euch, das war vielleicht anstrengend! Und dann war's auf der Couch so gemütlich zwischen den beiden, dass ich irgendwann einfach weggepennt bin."
 

Der Schwarzhaarige schmollte noch einen Moment, doch dann lächelte er verträumt. "Das war fast wie früher, als ich noch kleiner war. Da hat Seto so was öfter mit mir gemacht. Aber inzwischen ist er ja viel zu erwachsen dafür. Jedenfalls meistens. Wenn Ryuuji nicht dabei gewesen wäre, hätte er sich wahrscheinlich auch nicht dazu herabgelassen, mit mir rumzutoben. Aber Ryuuji hat ihn einfach nassgespritzt und schon ging's los." Eine Tatsache, für die der Fünfzehnjährige seinem Stiefbruder unheimlich dankbar war.
 

"Übrigens haben Ryuuji und ich vorher auf der Couch im Wohnzimmer gekuschelt. Er ist ja jetzt schließlich auch mein Bruder." Um ein Haar hätte Mokuba seinen beiden besten Freunden auch noch erzählt, was Ryuuji ihm über sich selbst und seinen besten Freund Katsuya erzählt hatte, doch er biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Unterlippe. Das hatte sein Stiefbruder ihm im Vertrauen erzählt und er hatte nicht vor, sein Vertrauen zu missbrauchen oder zu enttäuschen.
 

Ryou, der sich kurz zuvor noch über das gewundert hatte, was sein schwarzhaariger Freund über seinen älteren Bruder erzählt hatte – Kaiba Seto und eine Wasserschlacht? –, kniff ärgerlich die Lippen zusammen, als er hörte, dass Mokuba mit Ryuuji gekuschelt hatte. Aus irgendeinem Grund gefiel ihm die Vorstellung, dass der Schwarzhaarige mit den grünen Augen seinem Freund zu nahe kam, gar nicht – ebenso wenig wie der schwärmerische Tonfall, den der Jüngere draufhatte, wenn er von seinem Stiefbruder sprach.
 

Wütend ohne einen wirklich ersichtlichen Grund erhob der Weißhaarige sich von seinem Platz. "Es klingelt gleich. Wir sollten schon mal reingehen, sonst kommen wir nachher noch zu spät. Ihr wisst, wie allergisch Tanaka-sensei darauf reagier", murmelte er und machte sich auf den Weg in Richtung Schulgebäude, ohne auf die beiden anderen zu warten.
 

Yuugi und Mokuba rappelten sich ebenfalls auf und folgten ihrem Freund. "Was ist denn mit Ryou los?", erkundigte der Schwarzhaarige sich dabei bei seinem bunthaarigen Freund und dieser zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung. Vielleicht hat er einfach nur schlechte Laune", mutmaßte er und schüttelte innerlich den Kopf, als Mokuba ihm das scheinbar problemlos glaubte.
 

Wie kann man nur so blind sein? Wie kann Mokuba nur nicht sehen, was wirklich mit Ryou los ist?, fragte Yuugi sich, doch er behielt seine Gedanken für sich. Diese Angelegenheit ging nur den Weißhaarigen und den offenbar vollkommen ahnungslosen Schwarzhaarigen, der neben ihm lief, etwas an. Da würde er sich ganz sicher nicht einmischen. Mokuba das zu erklären war ganz alleine Ryous Sache, nicht seine.
 

oOo
 

Yami, der seinen besten Freund während der gesamten ersten vier Unterrichtsstunden sehr aufmerksam beobachtet hatte, zog ihn in der zweiten Pause zu ihrer etwas abseits stehenden Lieblingsbank und sah ihn dann fragend an. Irgendetwas beschäftigte Seto. Selbst wenn er blind und taub gewesen wäre, hätte er es trotzdem gespürt. Was mochte nur los sein? Hatte es möglicherweise mit den seltsamen Seitenblicken zu tun, die Seto seinem Stiefbruder immer wieder zugeworfen hatte, wann immer er der Meinung gewesen war, unbeobachtet zu sein? War zwischen dem Schwarzhaarigen und Seto irgendetwas vorgefallen? Nach einem Streit sah es nicht aus, aber was war es dann?
 

Nachdem Yami mehrere Minuten lang auf eine Erklärung gewartet hatte – Minuten, während derer die Augen seines besten Freundes wieder einmal so lange suchend umhergeschweift waren, bis sie an der Gestalt seines Stiefbruders hängen geblieben waren –, beschloss er, einfach mal nachzufragen. Mehr als ausweichen konnte sein bester Freund seinen Fragen ja schließlich nicht.
 

Seto seinerseits, der seinen Blick wieder einmal nicht von Ryuuji abwenden konnte – der Schwarzhaarige saß mit Jounouchi und Kinoshita auf einer der anderen Bänke und schien sich köstlich zu amüsieren –, zuckte zusammen, als sein bester Freund ihn so unvermittelt antippte und ihn so aus seinen Grübeleien riss. "Was ist denn?", erkundigte er sich leise und musste sich förmlich zwingen, dem Bunthaarigen seine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
 

"Das wollte ich dich gerade fragen, Seto", antwortete Yami und legte den Kopf schief. "Was ist los mit dir? Du bist schon den ganzen Tag so schweigsam, als wäre irgendetwas passiert. Außerdem beobachtest du Otogi ständig. Versuch nicht, das zu leugnen", verlangte er mit erhobener Hand, bevor sein bester Freund protestieren oder überhaupt etwas dazu sagen konnte. "Ich bin nicht blind, Seto. Ich habe Augen im Kopf und weiß sie auch zu benutzen. Egal, was Otogi tut, du starrst ihn die ganze Zeit an."
 

Wenn er erwartet hatte, dass Seto sein Starren leugnen würde, so hatte Yami sich getäuscht. Stattdessen sah er etwas, was er noch nie gesehen hatte: Sein bester Freund wurde tatsächlich rot. Zwar nur ein winziges bisschen – seine Wangen färbten sich so zartrosa, dass jemand, der nicht darauf geachtet hätte, es sicher nicht einmal bemerkt hätte –, aber dennoch war es zumindest für Yami, der Seto schon seit Jahren kannte, nicht zu übersehen.
 

Ungefähr eine Minute lang schwieg Seto, doch schließlich atmete er tief durch, um seiner Verlegenheit Herr zu werden, und sah seinen besten Freund geradeheraus an. "Ich weiß selbst nicht, warum ich das tue, Yami", gestand er und seufzte – eine weitere, für ihn vollkommen untypische Verhaltensweise, die den Angesprochenen die Stirn runzeln ließ. Was auch immer mit dem Brünetten nicht stimmte, war offensichtlich noch ernsterer Natur, als er gedacht hatte.
 

"Habt ihr euch gestritten?", sprach Yami seine erste Vermutung aus, doch zu seiner Verwunderung schüttelte Seto nur den Kopf. "Nein. Nein, das haben wir nicht. Gestern ...", setzte er an, brach aber ab und schüttelte erneut den Kopf. Wie sollte er etwas, was er selbst nicht verstand, so in Worte fassen, dass sein bester Freund begriff, warum er selbst sich in der Gegenwart seines Stiefbruders so seltsam fühlte?
 

Yami beobachtete den offensichtlichen Kampf, den Seto mit sich selbst ausfocht, einen Moment lang, bevor er diesem eine Hand auf den Arm legte. "Warum erzählst du mir nicht einfach von Anfang an, was los ist? Es macht nichts, ob du es verstehst oder nicht. Vielleicht kann ich dir ja irgendwie helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen, wenn ich erst mal weiß, was dich so durcheinanderbringt. Einen Versuch wäre es jedenfalls wert, meinst du nicht?"
 

Seto blickte eine Sekunde lang zögerlich in die violetten Augen seines besten Freundes, dann gab er sich einen Ruck und redete sich tatsächlich zum ersten Mal alles von der Seele, was ihn nun schon seit Wochen beschäftigte – angefangen von dem Kennenlernen und dem seltsamen Gefühl, das er bei der Umarmung Ryuujis gehabt hatte, über die Sache mit dem Tanz und dem Kuss auf der Geburtstagsparty Himuras, bei dem er nicht an das Mädchen in seinen Armen, sondern an grüne Katzenaugen und den dazugehörigen Jungen gedacht hatte. Er erzählte von dem Gespräch unter der Dusche nach dem Sportunterricht, das er belauscht hatte und bei dem sein Stiefbruder sich für ihn eingesetzt hatte, erwähnte dessen Verhalten bei der Hochzeit ebenso wie das, was seine Großeltern gesagt und getan hatten. Er verschwieg nicht, dass er den Schwarzhaarigen bei seinem Selbstgespräch in seinem Badezimmer belauscht hatte, und auch nicht, dass er ihn am Vortag in der Küche darauf angesprochen hatte. Auch die Tatsache, dass seine Gedanken einfach immer wieder um seinen Stiefbruder kreisten, behielt er nicht für sich – ebenso wenig wie er verschwieg, wie sehr ihn das enge Verhältnis Mokubas zu Ryuuji störte. Selbst von den – zugegebenermaßen mehr als unziemlichen – Gedanken, die er unter der Dusche nach der Wasserschlacht im Pool gehabt hatte, erzählte er, denn er wusste, dass er Yami vorbehaltlos vertrauen konnte.
 

"Ich begreife das einfach nicht, Yami. Ich weiß nicht, warum ich das tue; weiß nicht, warum ich so etwas denke oder warum ich so unruhig bin, sobald ich mit ihm alleine bin. Ich verstehe nicht, warum ich einfach nicht wegsehen kann, wenn er in der Nähe ist. Ich weiß nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Verstehst du das?" Beinahe hilfesuchend sah Seto seinen besten Freund an, nachdem er seine Erzählung beendet hatte. Ob Yami ihm tatsächlich helfen konnte, etwas Licht ins Dunkel zu bringen?
 

Yami ließ sich das, was Seto gesagt hatte, noch einmal gründlich durch den Kopf gehen. Für ihn klang das eben Gehörte mehr als eindeutig, aber ob Seto das würde wahrhaben wollen? Nun, er hatte um Rat gefragt, also würde er ihm sagen, was seiner Meinung nach hinter seinem seltsamen Verhalten steckte. Dafür gab es schließlich nur eine passende Erklärung. Aber wie sollte er Seto klarmachen, was mit ihm los war, ohne dass dieser gleich aufsprang und es als Unsinn abtat? Das war wirklich eine schwierige Frage.
 

Wie gebannt starrte Seto seinen besten Freund an, als dieser erst einmal gar nichts sagte, sondern ihn geradezu anschwieg. Wusste er etwa auch nicht, was das alles zu bedeuten hatte? Nein, überzeugte Seto sich selbst. Yami sah eher so aus, als überlegte er, wie er ihm am besten erklären konnte, was seine wirren Gedanken zu bedeuten hatten. Aber warum in aller Welt dauerte das so verflucht lange? Wenn er so lange nach Worten sucht, kann es nur etwas Unangenehmes sein, dachte er, aber Yamis Stimme – und vor allem dessen Worte – holten ihn wieder in die Realität zurück.
 

"Wenn du mich fragst, was ich über diese ganze Sache denke, dann würde ich sagen, du hast dich in Otogi Ryuuji verliebt." Dieser Satz traf Seto vollkommen unvorbereitet und seine Augen weiteten sich, als er die Bedeutung begriff. Verliebt? Er sollte verliebt sein? Und das auch noch ausgerechnet in seinen Stiefbruder Ryuuji, einen anderen Jungen? Das ging doch nicht! Das war vollkommen unmöglich!
 

"Du bist verrückt geworden!" Yami seufzte, als sein bester Freund ihn förmlich anfauchte. Genau mit dieser Reaktion hatte er gerechnet, deshalb blieb er vollkommen gelassen und schüttelte einfach nur den Kopf. "Das kann nicht dein Ernst sein, Yami! Du machst Witze! Ryuuji ist doch kein Mädchen! Er ist ein Junge! Ich kann unmöglich in einen Jungen verliebt sein! Das kann nicht wahr sein!"
 

"Du hast mich nach meiner Meinung gefragt, Seto. Das ist meine Meinung. Du bist verliebt." Der Bunthaarige ließ sich von dem Ausbruch seines besten Freundes ebenso wenig beeindrucken wie von den blauen Augen, die beinahe Funken zu sprühen schienen vor Wut. "Und egal, ob es dir gefällt oder nicht und ob du es wahrhaben willst oder nicht, es ist so. Das hat nichts mit Otogis Geschlecht zu tun, sondern nur mit deinen Gefühlen für ihn", erklärte er stattdessen ruhig.
 

Seto war kurz davor, von der Bank aufzuspringen und Yami einfach sitzen zu lassen. Wie konnte er so etwas behaupten? Wie konnte er ihm so etwas unterstellen? Das ging doch nicht! Er – ausgerechnet er – konnte sich doch nicht in einen anderen Jungen verliebt haben! Das war vollkommen unmöglich! Das konnte einfach nicht wahr sein!
 

"Und woher willst du das bitteschön so genau wissen?", erkundigte der Brünette sich aufgebracht, doch Yami begegnete seinem Blick vollkommen gelassen. "Weil mir diese Gefühle, die du im Augenblick hast, selbst auch nicht fremd sind, Seto", erwiderte er ohne die geringste Spur von Verlegenheit und nahm dem Angesprochenen damit vollkommen den Wind aus den Segeln. Bedeuteten diese Worte wirklich das, was er glaubte? Konnte das tatsächlich wahr sein?
 

"Soll das heißen, du ... du bist ... du hast ..." Seto war sein Stottern mehr als peinlich, aber er konnte nichts dagegen tun. Das Begreifen dessen, was sein bester Freund ihm gerade so in einem Nebensatz mitgeteilt hatte, machte es ihm im Augenblick einfach unmöglich, sich vernünftig zu artikulieren. "Seit wann ...? Wieso ... Du hast mir nie ... ich meine ..."
 

"Ich weiß es schon seit ungefähr einem Jahr. Und ich habe es dir bisher noch nicht erzählt, weil ich nicht wusste, wie ich es dir sagen sollte. Aber ich wollte es dir nicht verschweigen, auch wenn du das jetzt vielleicht denkst." Yami seufzte abgrundtief und lächelte dann zaghaft. "Du siehst also, du musst dir keinerlei Sorgen darum machen, dass ich dich jemals in die Verlegenheit bringen würde, mich mit Masaki aus der Parallelklasse zusammenzutun", versuchte er zu scherzen und wurde tatsächlich mit einem etwas verunglückten, aber nichtsdestoweniger ehrlichen Lächeln seines besten Freundes belohnt.
 

"Da bin ich allerdings sehr erleichtert. Ich hatte schon Alpträume deswegen", gestand Seto und Yami schüttelte leise lachend den Kopf. "Nein, keine Sorge. Sie ist ein ganz nettes Mädchen, aber sie ist nun einmal nichtsdestotrotz ein Mädchen und damit nicht ganz das, was ich suche", erwiderte er und grinste, als der Brünette sichtlich aufatmete. Seto schwieg einen Moment, dann warf er seinem besten Freund einen nachdenklichen Blick zu. "Und was suchst du dann?", erkundigte er sich und das Grinsen des Bunthaarigen verrutschte gehörig. "Wenn ich dir das sage, wird es dir nicht gefallen. Ganz und gar nicht, Seto. Da bin ich mir ziemlich sicher", erwiderte er, seufzte jedoch, als er begriff, dass er nicht um eine ehrliche Antwort herumkam.
 

"Also gut. Aber ich sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt." Yami atmete noch einmal tief durch und kniff die Augen so fest zusammen, als wollte er die Reaktion auf seine Worte um keinen Preis sehen. "Kinoshita", nuschelte er dann so leise, dass der Brünette ihn kaum verstand. Am liebsten wäre er auf der Stelle im Erdboden versunken. Nicht nur, dass er seinem besten Freund gerade mitten auf dem Schulhof gestanden hatte, dass Mädchen ihn nicht im Geringsten interessierten; nein, er hatte zu allem Überfluss auch noch zugegeben, wer ihn wesentlich mehr faszinierte, als gut für ihn sein konnte.
 

"Das ist nicht dein Ernst!", keuchte Seto nach einem Moment des Schweigens. Fassungslos sah er seinen bunthaarigen Freund an, doch dessen Gesichtsausdruck machte ihm klar, dass er keinesfalls gescherzt hatte. Er hatte wirklich eine Schwäche für Kinoshita Bakura. Auch das noch! Blaue Augen irrten über den Schulhof, bis sie ihren weißhaarigen Klassenkameraden gefunden hatten, der wie üblich in der letzten Zeit mit Jounouchi und Otogi zusammensaß und scheinbar eine Menge Spaß mit den beiden Jüngeren hatte.
 

"Ich weiß selbst, dass ich keine Chance bei Kinoshita habe. Er ist ja schließlich mit Jounouchi zusammen", murmelte Yami gerade und Seto ruckte augenblicklich herum. "Was?!", entfuhr es ihm und Yami sah ihn verdutzt an. "Willst du mir etwa sagen, du hast nichts davon bemerkt, dass zwischen Kinoshita und Jounouchi etwas läuft?", fragte er und blinzelte irritiert, als sein bester Freund den Kopf schüttelte. "Nein, das habe ich nicht", gestand dieser wahrheitsgemäß und sein Blick irrte wieder zu der Dreiergruppe hinüber.
 

Ob sein Stiefbruder wusste, was zwischen seinem besten Freund und dessen weißhaarigem Beinahe-Bruder vorging? Warum sollte er das nicht wissen? Jounouchi ist nun wirklich niemand, der so etwas für sich behalten könnte, sinnierte Seto. Ob Ryuuji sich wohl daran störte? Unbewusst schüttelte Seto den Kopf. Nein, ganz sicher nicht. So nah, wie der Blondschopf und der Schwarzhaarige sich offenbar standen – das war ja schließlich an Ryuujis erstem Schultag schon nicht zu übersehen gewesen –, war Jounouchis sexuelle Orientierung augenscheinlich kein Problem für seinen Stiefbruder.
 

Nun ja, er ist zur Hälfte Amerikaner. In Amerika geht man wohl offener mit diesem Thema um als hier in Japan, ging es Seto durch den Kopf, doch als ihm bewusst wurde, dass er Ryuuji schon wieder länger ansah, als gut für ihn war, wandte er schnell den Blick ab und sah sich gleich darauf mit den violetten Augen seines besten Freundes konfrontiert, die ihn gleichermaßen unsicher und fragend wie wissend musterten.
 

"Ist es wirklich so offensichtlich?", wollte Seto leise wissen und Yami nickte, denn er hatte sofort verstanden, worauf diese Frage abzielte. "Für jemanden wie mich, der dich lange und gut genug kennt, schon. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es einem Außenstehenden auffallen würde", beruhigte er seinen besten Freund und dieser atmete erneut auf. Darauf, dass irgendjemand das bemerkte, konnte er wirklich mehr als gut verzichten. Es reichte vollkommen aus, wenn Yami davon wusste.
 

"Und was wirst du jetzt unternehmen, Seto? Wirst du Otogi davon erzählen?", erkundigte der Bunthaarige sich und der Angesprochene seufzte unhörbar. "Ich ... ich weiß es nicht. Darüber muss ich erst nachdenken", murmelte er leise und erhob sich von der Bank, als es zum Unterricht klingelte. Yami tat es ihm gleich und folgte ihm in das Schulgebäude hinein, um die letzten beiden Unterrichtsstunden auch noch hinter sich zu bringen.
 

Seto entging nicht, dass sein bester Freund auf dem Weg zum Klassenraum für seine Verhältnisse ungewöhnlich schweigsam und in sich gekehrt war. "Ich hoffe, du denkst nicht, dein Geständnis von eben hätte in irgendeiner Form Auswirkungen auf unsere Freundschaft", sprach er ihn deshalb an und als Yami aufblickte, zierte ein Lächeln sein Gesicht. "Das hatte ich auch nicht erwartet, Seto. Du bist einfach nicht der Typ, der jemandem etwas vorwirft, wofür er nichts kann", erwiderte er und Seto lächelte zurück, sagte aber nichts mehr. Was zu klären gewesen war, war geklärt, also gab es keinen Grund mehr für weitere Worte.
 

Ohne es wirklich zu wollen, atmete Yami innerlich erleichtert auf. Er hatte, wenn er ehrlich war, doch ein wenig Angst davor gehabt, seinem besten Freund von seiner sexuellen Orientierung zu erzählen – aus diesem Grund hatte er dieses Gespräch schließlich auch immer wieder vor sich hergeschoben –, aber jetzt, wo Seto Bescheid wusste, fühlte er sich, als wäre ihm ein tonnenschweres Gewicht vom Herzen gerutscht. Er hätte vorher wissen müssen, dass Seto ihm keinen Vorwurf daraus machen würde. Trotzdem war er froh, dass dieses Geständnis, wie Seto gesagt hatte, keinerlei Auswirkungen auf ihre Freundschaft haben würde. Davor hatte er sich wirklich gefürchtet, aber sein bester Freund hatte seine Bedenken gleich zerstreut.
 

Wer hätte gedacht, dass es ihm ähnlich gehen könnte wie mir?, dachte der Bunthaarige und warf einen Blick zu der aus Kinoshita, Jounouchi und Otogi bestehenden Dreiergruppe, die miteinander plaudernd ebenfalls gerade zum Klassenraum kam. Als hätte der Schwarzhaarige seinen Blick gespürt, drehte er sich um und musterte ihn kurz mit diesen intensiven grünen Katzenaugen, die es Seto seinen eigenen Worten nach zu urteilen so angetan hatten, bevor er ihm grinsend zuzwinkerte und sich dann wieder zu seinen beiden Freunden umdrehte, um sein Gespräch mit ihnen fortzusetzen.
 

Überrascht zog Yami eine Braue hoch. Irrte er sich oder machte es Otogi wirklich erstaunlich wenig aus, Gegenstand einer derart offensichtlichen und unverhohlenen Musterung zu sein? Nun, schüchtern ist er jedenfalls nicht. Jetzt müsste es nur noch irgendwie möglich sein, aus ihm herauszubekommen, wie er genau zu Seto steht, sinnierte Yami und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Es wurde eindeutig Zeit, dass er seinen besten Freund wieder einmal bei sich zu Hause besuchte. Immerhin wohnte Otogi ja jetzt auch dort. Gab es eine bessere Möglichkeit, die Chancen seines besten Freundes bei dem Schwarzhaarigen unauffällig auszuloten? Wohl kaum.
 

Seto, dem das Zwinkern seines Stiefbruders in Yamis Richtung nicht entgangen war, presste seine Lippen so fest zusammen, bis sie nur noch ein schmaler Strich waren. Was hatte das denn bitteschön zu bedeuten? Was hatte Ryuuji dem Bunthaarigen damit sagen wollen? Jetzt mach dich doch nicht lächerlich, Seto, ermahnte er sich selbst. Sein bester Freund und sein Stiefbruder konnten keine Geheimnisse vor ihm haben. Wie auch? Immerhin kannten sie sich doch bisher noch gar nicht richtig. Außerdem zwinkerte der Schwarzhaarige anderen – zum Beispiel auch einigen der Mädchen aus ihrer oder einer der anderen Klassen – schließlich auf die gleiche Art und Weise zu. Das hatte also nichts Besonderes zu bedeuten.
 

Trotzdem störte es ihn ganz gewaltig, das konnte Seto nicht leugnen – egal ob bei Yami oder bei einem der Mädchen. Ob Yami wirklich Recht hat mit dem, was er vorhin gesagt hat? Könnte ich wirklich in Ryuuji verliebt sein? Wenn dem so wäre, dann wäre das Gefühl, das er immer hatte, wenn er Mokuba und ihren Stiefbruder zusammen sah – das gleiche Gefühl, das er gerade gehabt hatte, als er das Zwinkern gesehen hatte – wohl logischerweise Eifersucht.
 

Das Auftauchen von Takeda-sensei, ihrem Englischlehrer, unterband jegliche weitere Grübelei und verschob alle Fragen, die sich Seto in Bezug auf seine Gefühle aufdrängten, auf die Zeit nach dem Ende des Unterrichts. Gemeinsam mit seinen Klassenkameraden betrat Seto den Klassenraum und setzte sich auf seinen Platz neben Yami. Er gab sich Mühe, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber es fiel ihm ungewohnt schwer.
 

Wann immer Takeda-sensei seinen Stiefbruder aufrief, musste Seto sich schon beinahe zwingen, nicht zu dem Schwarzhaarigen hinüberzusehen. Einigermaßen erleichtert atmete er daher auf, als es endlich zum Ende des Unterrichts klingelte, doch als ihm wieder einfiel, dass sein Vater und seine Stiefmutter sie beide und Mokuba abholen wollten, um erst gemeinsam mit ihnen zu Mittag zu essen und dann etwas als ›Familie‹ zu unternehmen, hätte er beinahe frustriert aufgestöhnt. Warum in aller Welt war ihm denn keine Ruhe vergönnt – ausgerechnet jetzt, wo er sie wirklich gebraucht hätte?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fies, nicht wahr? Ja, ich weiß, ich bin gemein, aber was kann ich dafür, wenn's mir doch so viel Spaß macht? Seto bietet sich einfach dafür an.
*kicher*

Nyan, beim nächsten Mal gibt's übrigens mal ein bisschen mehr Hintergrundinfo über Bakuras Familie. Ihr seid doch bestimmt schon neugierig, oder? Falls nicht, Pech. Das Kappi ist nämlich schon geschrieben.
XD

Kommis bitte wie immer am Ausgang deponieren, ja? Danke im Voraus und bis zum nächsten Mal!
*wink*

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  jyorie
2016-10-04T04:32:14+00:00 04.10.2016 06:32
Hallo ≖‿≖

hi hi ... Seto hat sich wohl noch einige mehr Gedanken dazu gemacht, wie er zu Duke steht, wenn sich beide überlegen das sie beim Wecken einen Kuss verwenden könnten^^“ Aber sie tun mir auch leid, dass sie sich so anschmachten und glauben das der andere sie nicht mag. Die Autofahrt mit Seto und Duke war gut, ich wäre echt gespannt, was passieren würde wenn sich Duke nicht mehr im Griff hat, also ob Seto geschockt wäre, oder ob er es zulassen würde.

Cool finde ich auch Yamis Reaktion, das er Duke mal für Seto abchecken würde. Aber eigentlich müsste man ja nur Joey fragen, der verplappert sich bestimmt, so süß, wie er sich immer ereifern kann, rutscht ihm bestimmt was raus. Freu mich schon wenn Yami zu Besuch bei Seto ist.

Ryou und Mokuba? O.o total süß das Ryou auf Mokuba steht und Moki irgendwie genauso unbedarft und ahnungslos wie Seto ist. Da Moki noch so jung ist, find ich das schon ziemlich niedlich. Ich würde zu gern wissen, wie er aus der Wäsche guckt, wenn er das erfährt, warum Ryou so pampig ab ist, als Moki von Duke geschwärmt hat. ... Eigentlich würde ich ja sagen das Ryou am ehesten die Chance hat Duke zu enttarnen – aber war würde es bringen, wenn er Duke als schwul anschwärzt, als „schimpf und schande“ kann er es kaum nutzen, oder das Mokuba entsetzt vor Duke flüchtet – damit würde er sich ja selbst schneiden. ... doch echt spannend, freu mich schon darauf, wie es weiter geht und wie die einzelnen Charaktere jetzt wohl agieren werden.

Liebe Grüße, Jyorie

Antwort von:  jyorie
04.10.2016 06:33
XD ja, das hat was, wenn Seto so verwirrt ist und Moki einfach nur zum anbeissen knuddelig :D
ah ... nein, ich finde es auch nicht schlimm, alles zu verkuppeln was geht^^ ist ja schließlich nur Fantasie und da darf man doch fast alles tun was man will ;-)
Antwort von: Karma
04.10.2016 14:12
Tja, ob und wie lange sich die Zwei noch beherrschen können ... Lass dich überraschen.
;)
Ich will nicht allzu viel spoilern. Das verdirbt schließlich nur den Spaß am Lesen.
^____^

*rofl*
Oh, ich wage zu bezweifeln, dass Joey sich Seto gegenüber verplappern würde. Obwohl, wenn der ...
*mir den Mund zukleb und nichts mehr sag*
Nein, würde er nicht. Definitiv nicht. Niemals nie nicht und überhaupt gar nie!
;D

Und was Ryou und Mokuba betrifft ... Da kommt noch was. Und zwar in nicht allzu ferner Zukunft, wenn ich das noch richtig auf dem Schirm habe. Ich hab so viele angefangene, geplante und beendete Stories, bei denen sich zwischendurch die Pairs überschneiden, weswegen ich manchmal etwas den Überblick verliere.
^^°

Ich hoffe, du hast auch weiterhin Spaß beim Lesen. Ich hab ihn beim Lesen der Kommentare auf jeden Fall, also danke dafür!
*___*
Von: abgemeldet
2008-10-04T10:41:32+00:00 04.10.2008 12:41
Hey, tolle story! ich hab sie förmlich verschlungen!!! Tolle Idee! Wirklich mal was anderes!
Schreib bitte GANZ SCHNELL weiter!!!! *bettel*
LG
Yonen-Buzz
Von:  Shogikoneko
2008-09-20T05:19:38+00:00 20.09.2008 07:19
wie süß, seto will ryuji wecken ♥__♥
wird ja immer besser hrhr xD
>dich würde ich anders wecken?<
okay DAS war jetzt nicht gut für meinen fantasie*sabber*
herrlich wie die zwei sich in der limo anschweigen. der eine beobachtet der andere spielt mit seinen haaren rum xD
hrrrr kats an der leine*sabber* das hat was und wie xD
na endlich kommenen mal gefühle von eifersucht von ryou hab mich schon gefragt, wann es soweit ist*lach*
wow seto erzählt wirklich alles?das überrascht mich jetzt aber doch^^, auch wenns total toll ich *__*
super geschrieben, wie yami unserem eisklotz klar macht was mit ihm los ist *lach*
bin total gespannt wie es jetzt mit ihnen weiter geht*grins* aber yami unglücklich verliebt? tut mir echt leid! *seufz*
Von:  Mihikoru
2008-09-15T14:31:50+00:00 15.09.2008 16:31
Wie gemein du bist, den armen Seto so zu quälen! XD
Der arme Kerl weiß ja gar nicht wie ihm geschieht... obwohl ich auch sehr verblüfft war über Yamis heimlichen Schwarm.
Der arme Kerl tut mir auch richtig Leid ;__;

Aber das Kapitel zu lesen hat mir sehr viel Spaß gemacht.
Besonders als Riuji geflucht hat - ganz am Anfang - *sein amerikanisch lieb* *___*

Kanns kaum erwarten bald wieder was von dir zu lesen.

*fühl dich geknuddelt*

LG Mihikoru

PS: Weißt du eigentlich, dass du das neueste Kappi von meiner Story noch nicht kommentiert hast?
Soll kein Vorwurf sein, nur eine Erinnerung ^^
Von:  Arina
2008-09-10T21:29:03+00:00 10.09.2008 23:29
Yay! Seto is verliebt! *gg*
Bin gespannt, wie Ryuji reagieren wird... ich glaube Seto macht den ersten Schritt, denn Ryuji würde sich ned trauen, da er ja Schiss hat xD'

Joah, bin echt auf weiter Kapiteln gespannt! ^^
Die sind wie immer supi!

Lg Arina
Von:  Shakti-san
2008-09-10T16:50:49+00:00 10.09.2008 18:50
na endlich wurden Seto die Augen geöffnet. hat ja auch lang genug gedauert.
Armer Yami *tröst* musst dir wohl einen anderen suchen
und hey, Background über die Chars zu wissen, ist doch immer gut *grins*
das cap is ma wieder klasse!
Freu mich schon aufs nächste
LG Ran




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