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Brothers

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, seit ein paar Stunden haben wir in der neuen Wohnung endlich wieder Internetzugriff und ich dachte mir, ich nutze das, um gleich mal wieder ein neues Kapitel hochzuladen. Ich hoffe, es besteht noch ein bisschen Interesse an der Story.

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Geständnisse

Am Freitagmorgen war Ryuuji lange vor seinem Wecker wach. Die halbe Nacht hatte er wachgelegen und war immer wieder in Tränen ausgebrochen – so lange, bis er schließlich doch noch vor Erschöpfung eingeschlafen war. Erholsam war dieser Schlaf jedoch nicht gewesen, denn er hatte von Seto geträumt, der irgendwie von seinen Gefühlen erfahren und ihn höhnisch für seine Dummheit ausgelacht hatte. Diese Träume hatten Ryuuji schon um kurz nach halb fünf geweckt.
 

Gut zehn Minuten war er noch liegengeblieben und hatte erneut gegen die Tränen gekämpft, dann hatte er aufgegeben, war aufgestanden und ins Bad gegangen, um sich wenigstens halbwegs menschlich herzurichten. Inzwischen stand er schon seit mehr als einer Dreiviertelstunde unter der Dusche und begann so langsam, sich tatsächlich ein bisschen besser zu fühlen – jedenfalls solange er nicht an den vergangenen Abend und die letzte Nacht dachte. Der Gedanke daran, Seto beim Frühstück und der unvermeidlichen Fahrt zur Schule gegenübertreten zu müssen, war ihm unerträglich. Auf keinen Fall wollte er wieder diese Abscheu in den blauen Augen seines Stiefbruders sehen. Aus diesem Grund beeilte Ryuuji sich, mit dem Duschen fertig zu werden und sich anzuziehen.
 

Ein kurzer Blick auf seinen Wecker zeigte ihm, dass er noch genügend Zeit hatte. Mittlerweile wusste er genau, wann Seto aufstand und sein Zimmer verließ, um nach unten ins Esszimmer zu gehen. Da allein der Gedanke an Essen schon ausreichte, um seinen Magen rebellieren zu lassen, beschloss Ryuuji, das Frühstück besser ausfallen zu lassen. So leise wie möglich verließ er sein Zimmer, schlich die Treppen hinunter und gab Isono, der bereits im Esszimmer wartete, Bescheid, dass er zu Fuß zur Schule gehen würde. Danach verließ er beinahe schon fluchtartig die Villa und machte sich im Laufschritt auf den Weg. Je weniger Zeit er in der Nähe seines Stiefbruders verbrachte, desto besser.
 

oOo
 

Seto, der in der vergangenen Nacht ebenfalls nicht besonders gut geschlafen hatte, hatte an diesem Morgen ernsthafte Probleme damit, pünktlich aus dem Bett zu kommen. Die halbe Nacht hatte er sich schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt und auch die Träume, die er in den kurzen Phasen des Schlafs gehabt hatte, hatten nicht unbedingt dazu beigetragen, dass er sich ausgeruht fühlte. Er hatte absolut grauenvolle Kopfschmerzen, die bei dem Gedanken daran, dass ihm ein gemeinsames Frühstück und danach auch noch eine gemeinsame Fahrt zur Schule mit seinem Stiefbruder bevorstanden, nur noch stärker wurden.
 

Als er es jedoch endlich geschafft hatte, sich anzukleiden und zum Frühstück zu gehen – sich verstecken zu wollen brachte erstens nichts und war zweitens eines Kaibas auch nicht würdig –, wurde er von der Nachricht empfangen, dass "Ryuuji-san das Haus bereits verlassen" habe, "um zu Fuß zur Schule zu gehen", wie Isono ihm mitteilte. Seto wusste nicht genau, was er davon halten sollte.
 

Einerseits war er froh über die Abwesenheit des Schwarzhaarigen, weil er nicht wusste, wie er sich ihm gegenüber nach dem Streit vom Vorabend verhalten sollte. Auf der anderen Seite jedoch reichte allein der Gedanke daran, dass Ryuuji möglicherweise noch vor der Schule einen Abstecher zu Jounouchi machen könnte, um Setos Laune noch tiefer in den Keller zu jagen. Die Vorstellung, dass sein Stiefbruder die blonde Pest zumindest schon einmal geküsst hatte und es vielleicht wieder tun würde, verdarb Seto gründlich den Appetit, so dass auch er ohne Frühstück die Villa verließ und in die bereitstehende Limousine stieg. Kaum dass er saß, instruierte er Isono auch schon, wie in der gesamten vergangenen Woche auch heute bei den Mutos vorbeizufahren, um seinen besten Freund abzuholen.
 

"Guten Morgen, ihr … Oh, du bist heute ganz alleine, Seto?" Reichlich irritiert nahm Yami in den Polstern seinem besten Freund gegenüber Platz und unterzog diesen einer kritischen Musterung. Er sah aus, als hätte er eine fürchterliche Nacht hinter sich. Seine Miene war noch abweisender als sonst, seine Lippen waren nur ein schmaler Strich und seine Augen wirkten wie aus Eis. "Was ist los? Und wo ist Otogi?", erkundigte Yami sich deshalb, sobald Isono wieder losgefahren war.
 

Seto wartete, bis die Trennscheibe hochgefahren war, ehe er sich zu einer Antwort herabließ. "Otogi hat es vorgezogen, heute zur Schule zu laufen", gab er dann gepresst zurück und Yami rückte ein Stück näher. Diesen Tonfall seines besten Freundes kannte er nur zu gut. Ganz offenbar hatte es eine Auseinandersetzung gegeben. Aber worüber mochten Seto und der Schwarzhaarige sich gestritten haben? Was es auch war, es musste etwas Ernstes sein. Anderenfalls wäre die Laune des Brünetten nicht so unterirdisch.
 

"Was ist passiert, Seto?" Der Angesprochene schloss die Augen und atmete erst einmal betont tief ein und aus, ehe er seinen besten Freund wieder ansah. "Das Mädchen, mit dem ich auf Himuras Geburtstagsparty getanzt habe – das war Otogi", kam er dann gleich zum Punkt und Yamis Augen wurden groß. "Was? Wirklich? Woher weißt du das?", bohrte er nach und Seto knirschte mit den Zähnen. "Ich habe das Kleid gesehen. In seinem Zimmer. Gestern Abend", antwortete er. "Und bevor du weiterfragst: Nein, es gibt keinen Zweifel. Es war das Kleid. Er hat sogar zugegeben, dass er es war, der es getragen hat", fuhr er fort und nutzte den Rest der Fahrt, um Yami über den Verlauf des Vorabends in Kenntnis zu setzen.
 

Dem Bunthaarigen schwirrte gehörig der Kopf, als die Limousine an der Schule hielt. Gemeinsam mit Seto stieg er aus und ließ seinen Blick unwillkürlich über den Schulhof schweifen. Als er einen wohlbekannten weißen Schopf auf einer der Bänke erblickte, flatterte sein Herz kurz, nur um gleich darauf einen Schlag auszusetzen. Kinoshita Bakura war zwar wieder da, aber allein wie nah er neben Jounouchi saß, der gerade wild gestikulierend auf den neben ihm sitzenden Otogi einredete, sprach Bände. Ganz egal, was Otogi auch am Vorabend über Jounouchi und Küssen zu Seto gesagt haben mochte, diese Zeiten waren offensichtlich vorbei. Nein, Jounouchi gehörte jetzt zu Kinoshita.
 

Dieses Wissen versetzte Yami einen Stich, doch er zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken. Seine Gefühle für Kinoshita hatten keine Zukunft, aber das wusste er schon seit einer ganzen Weile. Und damit würde er sich schon noch abfinden. Jetzt allerdings hatte etwas anderes Vorrang. Irgendwie musste es doch zu schaffen sein, Seto und Otogi wieder zu versöhnen. Seto hatte zwar behauptet, die Sache mit den Gefühlen für seinen Stiefbruder habe sich nach den Erkenntnissen des Vorabends erledigt, aber Yami wusste es besser. Allein die Art, wie Seto Jounouchi mit seinem Blick zu erdolchen versuchte, sagte deutlicher als Worte, wie sehr ihm die Nähe und die Vertrautheit des Blonden mit Otogi gegen den Strich ging. Seto jedoch dazu zu bewegen, das zuzugeben, würde noch mal ein hartes Stück Arbeit werden.
 

oOo
 

"Komm schon, Ryuuji, jetzt sag mir doch endlich, was mit dir los ist!" So langsam wusste Katsuya wirklich nicht mehr weiter. Seit er seinen besten Freund vollkommen alleine und zusammengesunken auf ›ihrer‹ Bank hockend vorgefunden hatte, versuchte er schon, ihn zum Reden zu bringen, doch der Schwarzhaarige schüttelte auf jede Frage einfach nur den Kopf und schwieg hartnäckig. Dabei starrte er unablässig auf seine Schuhspitzen.
 

Die einzige Reaktion, die er bisher gezeigt hatte, war ein Zusammenzucken beim Eintreffen der kaibaschen Limousine gewesen. Er hatte jedoch auch dann nicht aufgeblickt. Nicht mal jetzt, als es zum Beginn der ersten Stunde klingelte, machte er Anstalten, aufzustehen und das Schulgebäude zu betreten. Es sah ganz so aus, als wäre die Aussicht auf Unterricht ihm absolut zuwider. Warum das allerdings so war, konnte der Blondschopf sich nicht erklären. Was war nur mit seinem besten Freund los? Derart Trübsal zu blasen sah ihm ganz und gar nicht ähnlich.
 

"Wir gehen nach Hause", beschloss Bakura fünf Minuten nach Unterrichtsbeginn. Seit beinahe zwanzig Minuten hatte er Katsuyas fruchtlosen Versuchen zugesehen, seinen besten Freund zum Reden zu bringen. Für den Weißhaarigen war offensichtlich, dass Otogi in der Öffentlichkeit – auch wenn diese Öffentlichkeit nur aus einem bis auf sie Drei vollkommen leeren Schulhof bestand – ganz sicher nicht mit dem Grund für seine schlechte Stimmung rausrücken würde, aber Katsuya schien das noch nicht so ganz begriffen zu haben.
 

Der Blondschopf blickte seinen Freund auf dessen Äußerung hin reichlich verwirrt an, doch dann zeichnete sich langsam Verstehen auf seinen Zügen ab. "Gute Idee, Kura. Paps und An-chan sind jetzt eh nicht zu Hause", stimmte er zu, schnappte sich den Arm seines besten Freundes und zog diesen von der Bank hoch. Zu dritt nutzten sie einen von Bakuras unzähligen Schleichwegen, um das Schulgelände ungesehen zu verlassen.
 

Den ganzen Weg bis zu Katsuya zu Hause ließ Ryuuji sich widerstandslos mitschleifen. Er hatte einfach nicht die Kraft, sich zu wehren. Stumm wie eine Marionette ließ er den Blondschopf einfach gewähren. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass sein bester Freund sich seinetwegen Sorgen machte, aber ihm fehlte die Energie, um ihm vorzulügen, dass alles in Ordnung war. Das war es schließlich auch nicht. Seto hasste ihn. Er hatte ihn schon von Anfang an gehasst. Daran gab es nichts zu rütteln. Das war eine unbestreitbare Tatsache. Seto hasste ihn und nach dem Streit vom vergangenen Abend war jede Chance, dass sich daran möglicherweise irgendwann etwas ändern könnte, endgültig dahin, das war Ryuuji klar. Aber warum musste dieses Wissen nur so verdammt wehtun?
 

oOo
 

"So, wenn ihr mit dem Frühstück fertig seid, könnt ihr den Rest des Tages bis zur Abfahrt so verbringen, wie ihr möchtet." Okita-sensei ließ ihren Blick über die versammelten Schüler ihrer Klasse schweifen und rückte ihre Brille zurecht, ehe sie fortfuhr. "Natürlich gelten die Regeln der letzten Woche auch noch für heute. Und seid bitte auf jeden Fall um fünfzehn Uhr wieder hier in der Herberge, damit wir das Gepäck in den Bus bringen und pünktlich um sechzehn Uhr nach Hause fahren können." Damit entließ sie die Klasse und beobachtete seufzend, wie der Haufen Fünfzehn- und Sechzehnjähriger johlend und lärmend aus dem Speisesaal stürmte.
 

Ryou, Yuugi und Mokuba, die sich das Gedränge ihrer Klassenkameraden nicht antun wollten, folgten den anderen etwas langsamer und machten sich zu Fuß auf den Weg zu ihrem heutigen Ziel. Sie hatten bereits ganz zu Beginn der Klassenfahrt beschlossen, den heutigen Tag für einen Ausflug ins Aquarium zu nutzen, deshalb hatten sie es nicht eilig. Sie wussten, sie hatten genug Zeit, und sie waren entschlossen, diese Zeit auch zu nutzen.
 

"So schön die Klassenfahrt auch ist, ich freu mich trotzdem auf zu Hause", verkündete Yuugi, sobald sie den Eintritt gezahlt und das Aquarium betreten hatten. Mokuba rückte seinen Rucksack zurecht und nickte dann enthusiastisch. "Ich mich auch", stimmte er seinem bunthaarigen Freund zu und begann, übers ganze Gesicht zu strahlen. "Vater und Yukiko kommen ja erst morgen von ihrer Hochzeitsreise zurück, also haben Seto, Ryuuji und ich heute Abend noch sturmfrei. Das wird sicher ganz toll!", freute er sich, ohne zu bemerken, dass sich Ryous Gesicht bei der Nennung des Namens ›Ryuuji‹ wieder einmal verfinsterte.
 

Yuugi hingegen entging die gesunkene Laune seines weißhaarigen Freundes nicht, aber er sagte nichts dazu. Offiziell wusste er schließlich nichts von Ryous Gefühlen für Mokuba – der Weißhaarige hatte ihm nichts davon erzählt; Yuugi war von ganz alleine darauf gekommen – und er wollte ihm keineswegs zu nahe treten, indem er ihn auf etwas ansprach, was er gar nicht wissen sollte. Dabei ist es doch so offensichtlich. Ich kapiere wirklich nicht, wie Mokuba so blind sein kann. Unhörbar seufzend schloss Yuugi zu seinen beiden Freunden auf, die schon ein Stück vorausgegangen waren, während er in seine Grübeleien verstrickt gewesen war.
 

Ein kurzer Blick zeigte dem Bunthaarigen, dass Ryou sich mittlerweile wieder gefasst hatte – und dass Mokuba noch immer vollkommen unwissend war bezüglich des Gefühlschaos, das allein seine bloße Anwesenheit in seinem weißhaarigen Freund auslöste. Nicht zum ersten Mal, seit er von Ryous Dilemma wusste, überlegte Yuugi, ob er den beiden nicht vielleicht einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben sollte, entschied sich dann aber dagegen. Diese Sache ging ihn ganz und gar nichts an. Ob und wann Ryou mit Mokuba über seine Gefühle sprach, war ganz allein seine Angelegenheit.
 

Beinahe zweieinhalb Stunden bummelten die drei Fünfzehnjährigen ganz gemütlich durch das Aquarium. Immer wieder blieben sie stehen, lasen laut die Beschriftungen der einzelnen Becken vor und lachten gemeinsam über besonders seltsam oder skurril aussehende Meeresbewohner. Besonders Ryou genoss die ausgelassene Stimmung und vor allem Mokubas Nähe sehr. Ohne zu bemerken, dass er selbst beobachtet wurde, behielt er seinerseits Mokuba fast ständig im Auge. Jedes Lächeln des Schwarzhaarigen brachte ihn selbst auch zum Lächeln und von jedem Lachen ließ er sich anstecken.
 

Das Einzige, was seine Laune immer wieder trübte, war die Tatsache, dass Mokuba einfach nicht aufhören konnte, von seinem Stiefbruder zu sprechen. Ständig hieß es ›Ryuuji tut dies›, ›Ryuuji mag das‹, und mit jedem Mal, das Mokuba den älteren Schwarzhaarigen erwähnte, brodelte es mehr und mehr in Ryou. Konnte Mokuba nicht mal aufhören, von seinem ach so tollen Stiefbruder zu reden und dabei auch noch so schwärmerisch zu klingen?
 

Dabei habe ich ihn schon gemocht, lange bevor er Ryuuji überhaupt kannte. Und so toll war Ryuuji auch wieder nicht. Ryou war sich durchaus dessen bewusst, dass er hochgradig eifersüchtig war, aber gegen dieses Gefühl war er machtlos. Schon so lange wünschte er sich, dass Mokuba in ihm das sehen würde, was er selbst in dem Schwarzhaarigen sah, aber es schien ganz so, als wäre es jetzt zu spät. Nur weil er so schüchtern war und sich nie getraut hatte, Mokuba seine wahren Gefühle zu gestehen, wandte dieser sich von ihm ab und himmelte stattdessen einen Anderen an. Dass Mokuba Hals über Kopf in seinen Stiefbruder verknallt war, war schließlich nicht zu übersehen. Er kannte ja beinahe kein anderes Thema mehr als Otogi Ryuuji. Ryuuji hier, Ryuuji da. Es war einfach zum Verzweifeln.
 

Vor dem größten Becken mit den Killerwalen angekommen drehte Mokuba sich zu seinen beiden Freunden um und strahlte sie an. "Das ist so toll!", verkündete er und beobachtete voller Faszination, wie einer der Wale ganz nah an der Scheibe vorbeischwamm. Sobald das Tier wieder am anderen Ende des Beckens war, wandte er sich seinen Freunden zu. "Ich glaube, ich überrede Seto und Ryuuji nachher dazu, morgen noch mal mit mir nach Seaworld in Tokio zu gehen, bevor Vater und Yukiko nach Hause kommen. Und wenn Seto keine Lust hat, dann gehe ich eben mit Ryuuji alleine", beschloss er und in diesem Moment setzte irgendetwas in Ryou aus.
 

Noch ehe Mokuba wusste, wie ihm geschah, hatte sein weißhaariger Freund ihn auch schon rücklings gegen die Glaswand des Beckens gedrängt und funkelte ihn aus schmalen Augen verärgert an – ein Blick, der ihn auf geradezu unheimliche Weise fast wie Bakura aussehen ließ. "Kennst du eigentlich gar kein anderes Thema mehr als nur Ryuuji? Das nervt ganz schön", grollte er säuerlich und Mokubas Augen wurden groß. "I-Ich dachte, du magst ihn auch", stammelte er verwirrt und blinzelte, als Ryou nickte. "Ja, ich mag ihn. Aber dich mag ich noch viel mehr. Und ich mag es überhaupt nicht, dass du ihn so anhimmelst", gab er zu und bevor Mokuba irgendwie darauf reagieren konnte, hatte Ryou ihm auch schon seine Lippen auf den Mund gedrückt.
 

Der Kuss dauerte nur wenige Sekunden, dann ließ Ryou wieder von seinem ›Opfer‹ ab. Und als er erkannte, was er getan hatte, weiteten sich seine Augen und er wurde erst rot und dann blass. "T-Tut mir leid", entschuldigte er sich hastig, trat zwei Schritte zurück und verschwand dann blitzschnell im Gedränge. Hinter sich zurück ließ er einen vollkommen überrumpelten und verwirrten Mokuba, dem die Knie zitterten und dessen Herz ihm bis zum Hals klopfte. Oh Himmel, was war das denn gerade gewesen? War das wirklich passiert? Hatte Ryou – einer seiner beiden besten Freunde – ihn gerade tatsächlich geküsst?
 

"Also damit hätte ich definitiv nicht gerechnet." Yuugi, der diesen Ausbruch seines weißhaarigen Freundes wirklich nicht erwartet hatte, schüttelte kurz den Kopf und wandte seine Aufmerksamkeit dann Mokuba zu, der noch immer wie paralysiert an der Aquariumsscheibe lehnte und offenbar auch nicht fassen konnte, was gerade geschehen war. "Hey, Mokuba, alles okay?", sprach Yuugi ihn an und schnipste so lange mit den Fingern vor der Nase des Schwarzhaarigen herum, bis er endlich eine Reaktion bekam.
 

"Autsch!" Mokuba rieb sich den schmerzenden Hinterkopf, den er sich vor lauter Schreck über Yuugis Schnipsen an der Scheibe angeschlagen hatte. "Geht's dir gut?", wollte der Bunthaarige wissen und Mokuba betastete kurz die Stelle, an der er sich gestoßen hatte, ehe er langsam nickte. "Ich … glaub schon", nuschelte er und sah Yuugi zögerlich an. "Das eben … Hast du … Weißt du, warum …?", stammelte er, ohne zu wissen, was er eigentlich sagen oder fragen wollte.
 

Yuugi nickte nur. "Ryou ist total in dich verliebt. Schon ziemlich lange", teilte er Mokuba ungerührt mit, hakte sich bei diesem ein und schleifte ihn in Richtung Ausgang. "Und er ist tierisch eifersüchtig auf Ryuuji – was ich, nebenbei gesagt, echt verstehen kann. Das sieht ja sogar ein Blinder mit Krückstock, dass du total in Ryuuji verknallt bist", fügte er hinzu und seufzte abgrundtief, ohne den vollkommen verwirrten Mokuba loszulassen.
 

Eigentlich hatte er sich ja nicht in die Liebesangelegenheiten seiner beiden besten Freunde einmischen wollen, aber es war ja wohl offensichtlich, dass zumindest Mokuba seine Hilfe brauchte, um das Geschehene richtig zu begreifen. So durcheinander, wie der Schwarzhaarige gerade war, würde er sonst mit Sicherheit irgendwas Dummes tun. Bleibt nur zu hoffen, dass Ryou jetzt keinen Quatsch macht, dachte Yuugi bei sich und seufzte erneut. Manchmal waren seine beiden besten Freunde wirklich ganz schön anstrengend.
 

Mokuba folgte Yuugi widerstandslos aus dem Aquarium heraus und zurück zur Herberge. Dabei blendete er das beinahe permanente Geplapper seines bunthaarigen Freundes größtenteils aus, denn in seinem Kopf drehte sich alles um das, was im Aquarium geschehen war. So sehr er auch an seinem Verstand zweifelte, es war und blieb eine unbestreitbare Tatsache, dass Ryou ihn geküsst hatte. Und wenn er selbst Yuugis Worten Glauben schenken konnte, dann hatte der Weißhaarige das getan, weil er in ihn, Mokuba, verliebt war. Und er war eifersüchtig auf Ryuuji, weil er glaubte, er, Mokuba, wäre in seinen Stiefbruder verliebt.
 

Aber das stimmt doch nicht! Oder etwa doch? Konnte das die Erklärung für seine seltsamen Gefühle Ryuuji gegenüber sein? War er wirklich in seinen Stiefbruder verknallt, wie Yuugi gesagt hatte? Aber Ryuuji war doch ein Junge, genau wie er selbst! Na und?, wisperte eine kleine Stimme in Mokubas Kopf, die er einfach nicht zum Schweigen bringen konnte. Dass ihr beide Jungs seid, stört Ryou ja auch nicht. Immerhin ist er total in dich verliebt, hat Yuugi gesagt.
 

Noch immer etwas neben sich stehend ließ der Schwarzhaarige sich von Yuugi in der Herberge in ihr gemeinsames Zimmer schleppen. Von Ryou war dort jedoch nichts zu sehen und auch von ihrem Gepäck fehlte jede Spur, also hatte der Weißhaarige es offenbar schon alleine zum Bus gebracht. Mokuba schluckte, als er an die Heimfahrt dachte. Wie sollte er sich verhalten? Was sollte er sagen? Sollte er überhaupt irgendetwas sagen? Oder sollte er lieber so tun, als wäre nichts geschehen? Vollkommen ratlos ließ er sich auf das Bett plumpsen, in dem Yuugi in der letzten Woche geschlafen hatte. Dass der Bunthaarige ihn skeptisch musterte und ihn schließlich sogar ansprach, bekam er gar nicht mit, so verstrickt war er in seine Gedanken.
 

Yuugi beobachtete seinen schwarzhaarigen Freund eine Weile, dann seufzte er und wandte sich zum Gehen. "Ich sehe mal nach, wo Ryou steckt", ließ er Mokuba wissen, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass dieser ihm nicht zugehört hatte. Trotzdem ließ er ihn alleine und ging nach draußen zum Parkplatz, auf dem der Bus, der sie wieder nach Hause bringen würde, schon abfahrbereit wartete. Wie Yuugi nicht anders erwartet hatte, war sein weißhaariger Freund bereits fleißig damit beschäftigt, sein eigenes Gepäck und auch das ihre im Kofferraum zu verstauen.
 

Schweigend fasste Yuugi mit an, ignorierte Ryous erschrockenes Zusammenzucken und zog ihn beiseite, sobald auch die letzte Tasche eingepackt war. "Mokuba hockt in unserem Zimmer. Er ist ziemlich durch den Wind, aber sonst geht's ihm gut", teilt er dem Weißhaarigen mit und dieser atmete hörbar auf. "Das … Ich wollte das eigentlich gar nicht tun, aber dann …", begann er, doch Yuugi unterbrach ihn. "Erklär das nicht mir, sondern Mokuba", verlangte er und schob seinen zaudernden Freund vor sich her zu ihrem Zimmer, wo der Dritte im Bunde noch immer etwas verloren herumhockte.
 

Mokubas Anblick schnürte Ryou die Kehle zu, sodass er sich mehrmals räuspern musste, ehe er auch nur einen Ton herausbekam. "Das, was ich vorhin getan habe, tut mir leid, Mokuba", entschuldigte er sich dann und schluckte hart, als der Angesprochene zu ihm aufblickte. Beinahe zeitgleich liefen die beiden flammend rot an und Yuugi, der an der Tür stehengeblieben war, musste sich das Grinsen verkneifen. Das war ja fast schon niedlich, wie seine beiden Freunde sich gegenseitig anstarrten, als hätten sie sich noch nie zuvor gesehen oder als wäre der jeweils Andere das achte Weltwunder.
 

"Schon okay", hörte Mokuba sich selbst krächzen, obwohl er sich dessen gar nicht so sicher war. Ryous Anblick ließ die Sekunden, in denen die Lippen des Weißhaarigen auf seinen gelegen hatten, wieder hochkochen. Sofort verdunkelte sich Mokubas Gesichtsfarbe noch mehr und er wandte schnell den Blick ab. Die ganze Situation war ihm hochgradig peinlich und so war er heilfroh, als Yuugi sich in die Stille hinein zu Wort meldete. "Vielleicht solltet ihr Zwei erst mal über alles nachdenken und ein paar Tage darüber schlafen", schlug er vor und versteckte schnell sein Schmunzeln, als er sah, wie Ryou und Mokuba einen raschen Blick wechselten, synchron noch röter wurden dann beide nickten, ohne einander in die Augen zu sehen.
 

"Okay, dann lasst uns schon mal zum Bus gehen und zusehen, dass wir gute Plätze kriegen." Damit scheuchte Yuugi seine beiden Freunde aus dem Zimmer, hakte sich bei jedem von ihnen ein und schleifte sie mit sich in den wartenden Bus hinein. Gemeinsam breiteten die Drei sich ganz hinten in der letzten Sitzreihe aus und kaum dass der Bus angefahren war, vertrieben sie sich die Zeit der Heimfahrt mit einem Reisespiel. Es hätte schon eines besonders aufmerksamen Beobachters bedurft um zu erkennen, dass diese Unbeschwertheit nichts weiter als Fassade war. Sowohl Ryou als auch Mokuba waren viel zu angespannt, um sich wirklich zu amüsieren. Wann immer sie sich auch nur zufällig ansahen, wurden sie gleich wieder rot, so dass Yuugi schlussendlich alle Hände voll damit zu tun hatte, Mokuba zu beschäftigen und abzulenken.
 

Ryou hingegen kramte irgendwann ein Buch aus seinem Rucksack und vertiefte sich darin. Allerdings wollte es ihm nicht so recht gelingen, sich von der Handlung so in den Bann ziehen zu lassen wie sonst, denn er lauschte fast schon zwanghaft auf jedes Wort, das Mokuba zu Yuugi sagte – so lange, bis es ihm schließlich zu bunt wurde. Wütend auf sich selbst stopfte Ryou das Buch zurück in den Rucksack und packte stattdessen seinen MP3-Player aus. Mithilfe der Kopfhörer gelang es ihm besser, seine Umwelt auszublenden, aber seine Gedanken konnte er nicht abstellen. Er musste mit irgendjemandem sprechen, das war ihm klar, aber der einzige Mensch, mit dem er wirklich über seine Probleme reden wollte – sein älterer Bruder –, war für ihn so unerreichbar wie die Sonne.
 

Obwohl … Genau betrachtet gab es doch eine Möglichkeit, Bakura zu kontaktieren und um ein Treffen zu bitten. Diese Möglichkeit schmeckte Ryou allerdings ganz und gar nicht, denn diese Möglichkeit war ausgerechnet sein Nebenbuhler. Otogi Ryuuji war schließlich, soweit er selbst das mitbekommen hatte, durch Jounouchi Katsuya auch mit Bakura befreundet. Wenn er also eine Nachricht an seinen Bruder weiterleiten wollte, ohne dass sein Vater Wind von der Sache bekam, dann würde er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und Mokubas heißgeliebten Stiefbruder um Hilfe bitten müssen. Na wunderbar!, grummelte Ryou still in sich hinein. Konnte es eigentlich noch schlimmer kommen?
 

oOo
 

"Was auch immer Ryuuji hat, es muss was Ernstes sein." Katsuya, der sich gemeinsam mit Bakura in die heimische Küche zurückgezogen hatte, um seinen besten Freund nicht versehentlich zu wecken – Ryuuji war kaum zehn Minuten, nachdem sie die Wohnung der Jounouchis erreicht hatten, von dem Blondschopf in sein Bett verfrachtet worden und beinahe augenblicklich eingeschlafen –, seufzte abgrundtief und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder seinem Freund zu. "Wenn er so drauf ist wie heute Morgen, dann geht's ihm richtig, richtig mies", murmelte er und seufzte erneut. Die Tatsache, dass er seinem besten Freund augenscheinlich nicht helfen konnte, setzte ihm ganz schön zu.
 

Bakura, der so saß, dass er die Tür von Katsuyas und seinem gemeinsamen Zimmer im Auge behalten konnte, nickte nur. Er kannte den Schwarzhaarigen zwar weder besonders lange noch besonders gut, aber auch ihm war nicht entgangen, dass es ihm mehr als schlecht ging. Immerhin schlief er seit mittlerweile gut vier Stunden wie ein Toter, also hatte er wohl in der letzten Nacht nicht besonders viel Schlaf abbekommen. Und obwohl er sonst eigentlich nicht neugierig war, interessierte es Bakura zugegebenermaßen doch, was der Schwarzhaarige auf dem Herzen hatte. Ryuuji hatte sich schließlich, wie er in der Zwischenzeit wusste, während seiner Abwesenheit um Katsuya gekümmert und ihm selbst den Tipp gegeben, sich bei dem Blonden zu entschuldigen, also fühlte Bakura sich in seiner Schuld. Ryuuji hatte ihm geholfen, also würde er im Gegenzug dem Schwarzhaarigen helfen – vorausgesetzt, dieser sprach endlich mit ihnen und nahm seine Hilfe überhaupt an.
 

Eine knappe halbe Stunde später – Bakura war gerade im Bad – wurde die Tür leise geöffnet und Ryuuji trat zögerlich in den Flur. Einen Moment lang blieb er unschlüssig stehen, dann gab er sich innerlich einen Ruck und ging in Richtung der Küche, aus der das Klappern von Geschirr und der unverkennbare Geruch von Essen drangen. Da er seit dem vergangenen Vormittag nichts mehr gegessen hatte, begann sein Magen prompt laut zu knurren – ein Geräusch, das den gerade noch schwer beschäftigten Katsuya fast augenblicklich auf den Plan rief. "Du bist wach", stellte er überflüssigerweise fest und unterzog den noch immer reichlich fertig aussehenden Schwarzhaarigen einer kritischen Musterung. "Aber du siehst immer noch genauso ausgekotzt aus wie heute Morgen. Schlecht geschlafen?"
 

Die schonungslose Ehrlichkeit seines besten Freundes brachte Ryuuji beinahe gegen seinen Willen zum Grinsen. "Ich hab schon besser geschlafen. Und danke für das Kompliment, Kats", erwiderte er und ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken. "Kein Ding. Immer wieder gerne." Katsuya ließ die Schüssel mit dem Pfannkuchenteig, den er gerade noch umgerührt hatte, auf der Anrichte stehen, zog sich den Stuhl neben dem Schwarzhaarigen zurück und setzte sich so, dass er seinem besten Freund ins Gesicht sehen konnte.
 

"So, und jetzt raus mit der Sprache: Was ist los mit dir, hm?", wollte er dann wissen und Ryuuji seufzte abgrundtief. "Seto hasst mich", beantwortet er die Frage, konnte aber an der Reaktion des Blondschopfs erkennen, dass dieser nicht verstand, was genau daran das Problem war. "Das ist zwar nichts Neues mehr, aber nach gestern ist es definitiv endgültig. Er hasst mich und er wird mich immer hassen", führte er deshalb weiter aus und seufzte erneut, denn Katsuya schien immer noch nicht zu begreifen, was er ihm damit sagen wollte.
 

"Okay, dann ganz von Anfang an: Seto und ich hatten gestern Abend einen Streit, weil er in meinem Zimmer war und da etwas gesehen hat, was er eigentlich nie sehen sollte – und zwar das rote Kleid, das ich anfangs auf Midori-chans Geburtstagsparty anhatte." Nach diesen Worten konnte Ryuuji förmlich dabei zusehen, wie seinem besten Freund die Erkenntnis dämmerte. "Du warst das Mädel, das Kaiba eine gezimmert hat?!", fragte der Blondschopf vollkommen entgeistert und wäre um ein Haar vom Stuhl gefallen, als der Schwarzhaarige matt nickte.
 

"Ja, das war ich", bestätigte Ryuuji und für einen Moment huschte bei der Erinnerung an den Tanz und den Kuss ein bitteres Lächeln über seine Lippen, das jedoch gleich wieder verschwand. "Eigentlich sollte er das nie erfahren, aber gestern … Mir ist beim Umziehen eine Naht gerissen. Seto war gestern Nachmittag nicht zu Hause, also wollte ich das eben schnell in Ordnung bringen, aber dann ist er früher zurückgekommen als ich erwartet hatte. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, das Kleid zu verstecken. Er war natürlich stinksauer, ein Wort gab das andere und … Tja, das war's", beendete er seine Erzählung und schloss die Augen, denn er wollte nicht, dass sein bester Freund sah, wie sehr ihm diese ganze Situation zusetzte. Und auf gar keinen Fall wollte er vor dem Blondschopf wieder anfangen zu heulen. Das hatte er in der vergangenen Nacht schließlich schon zur Genüge getan. So langsam sollte es wirklich gut sein.
 

Mehrere Minuten lang brachte Katsuya kein Wort heraus. Das, was sein bester Freund ihm da erzählt hatte, war zwar schon ziemlich heftig, aber es erklärte nicht, warum der Schwarzhaarige so fertig war. Es sei denn … Nein, das konnte nicht sein. Das war ganz bestimmt nicht wahr, oder? Ryuuji konnte doch nicht ernsthaft …
 

"Bist du etwa in Kaiba verliebt?", platzte Katsuya heraus und verschluckte sich an seinem nächsten Atemzug, denn das Zusammenzucken des Schwarzhaarigen war eigentlich schon Antwort genug. "Nee, oder?", krächzte der Blonde hustend und starrte seinen besten Freund aus großen Augen schockiert an, doch dieser wich seinem Blick aus. "Doch. Schon von Anfang an", bestätigte Ryuuji die schlimmste Befürchtung seines Gegenübers und lächelte freudlos.
 

"Mir war gleich klar, dass das nichts wird, aber nach gestern ist eh alles gelaufen. Wenn du gesehen hättest, wie er mich angesehen hat … So, als wäre ich das Widerwärtigste, das ihm je untergekommen ist. Gemocht hat er mich ja vorher schon nicht, aber seit er das Kleid gesehen und die Zusammenhänge begriffen hat, hasst er mich so richtig." Aber das Schlimmste war, dass sich dadurch an seinen eigenen Gefühlen nicht das Geringste geändert hatte. "Ich hab keine Ahnung, wie ich die nächsten Monate hier überstehen soll, ohne dass irgendwer was merkt. Ich will nicht, dass Mum sich meinetwegen Sorgen macht, aber ich glaub nicht, dass ich das so gut verstecken kann, dass sie überhaupt nichts davon mitkriegt."
 

Seufzend legte Ryuuji den Kopf in den Nacken und starrte an die Decke der Küche, bis das Brennen seiner Augen zumindest ein wenig nachgelassen hatte. Erst dann sah er seinen besten Freund wieder an. "Ich hab ihr hoch und heilig versprochen, dass ich ihr keinen Ärger mache, solange ich hier bin. Und jetzt das. Ganz toll, echt", murmelte er und Katsuya tätschelte ihm tröstend die Schulter. "Du kannst jederzeit herkommen, wenn's dir zu viel wird", bot er mitfühlend an und der Schwarzhaarige lächelte etwas verunglückt. "Danke, Kats", murmelte er leise. "Du bist der Beste. Ich hoffe, Bakura weiß, was er an dir hat."
 

"Und ob ich das weiß." Bakuras Stimme ließ die beiden erschrocken zusammenfahren. "Wie lange …?", begann Katsuya, doch der Weißhaarige kam ihm zuvor, ehe er seine Frage überhaupt aussprechen konnte. "Zehn Minuten bestimmt", ließ er seinen Freund wissen und wandte sich dann wieder der unterbrochenen Zubereitung der Pfannkuchen zu, die er übernommen hatte, damit der Blondschopf in Ruhe mit seinem besten Freund hatte reden können. Den Großteil des Gesprächs hatte er durchaus mitbekommen, aber er zog es vor, sich nicht einzumischen, solange ihn niemand direkt ansprach. Stattdessen widmete er sich lieber schweigend dem Essen.
 

Ryuuji starrte einen Moment lang irritiert auf Bakuras Rücken, dann schüttelte er den Kopf. Er hatte tatsächlich nicht gehört, wie der Weißhaarige die Küche betreten hatte. Ein wenig unangenehm war es ihm ja schon, dass Bakura wohl so ziemlich alles gehört hatte, worüber er mit Katsuya gesprochen hatte, doch das tat er mit einem innerlichen Achselzucken ab. Dann wussten jetzt eben beide über seine Gefühle für seinen Stiefbruder Bescheid. Es gab nun wirklich Schlimmeres als das – zum Beispiel die Tatsache, dass er Mokuba am Montag fest versprochen hatte, ihn heute gemeinsam mit Seto und Isono abzuholen, wenn er von seiner Klassenfahrt zurückkehrte. Holy shit, wie soll ich das denn überstehen?
 

oOo
 

Seto, der nach dem Unterricht, dem sowohl sein Stiefbruder wie auch der Kläffer Jounouchi und Kinoshita ferngeblieben waren, gleich nach Hause gefahren war, tigerte schon seit über einer Stunde unruhig im Wohnzimmer auf und ab. Schlimm genug, dass Ryuuji gemeinsam mit Jounouchi und Kinoshita den ganzen Tag die Schule geschwänzt hatte, aber dass er jetzt, um kurz vor sechs Uhr abends, immer noch nicht zu Hause war, war einfach zu viel. Hatte der Schwarzhaarige Mokuba nicht am Montagmorgen verbindlich zugesagt, heute dabei zu sein, wenn der Junge von seiner Klassenfahrt zurückkehrte? Wollte er dieses Versprechen etwa brechen? Mokuba wäre schrecklich enttäuscht. Und er selbst war halb wahnsinnig durch die Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, wo Ryuuji steckte und womit er sich die Zeit vertrieb.
 

Das einzugestehen fiel Seto nicht leicht, aber leugnen brachte nichts. Schon den ganzen Tag fragte er sich, was sein Stiefbruder wohl mit Jounouchi und Kinoshita tat. Allein die Vorstellung, dass er sich möglicherweise mit den beiden vergnügte, ließ Seto vor Wut kochen. Mehrmals war er schon versucht gewesen, bei dem Köter zu Hause anzurufen, doch sein Stolz verbot ihm das. Sollte Ryuuji sich doch mit dem Kläffer und dem Kleinkriminellen im Bett oder auf dem Boden oder wo auch immer herumwälzen. Ihm war das egal. Völlig egal sogar. Genau betrachtet war ihm in seinem ganzen Leben noch nie etwas so egal gewesen wie das, was sein Stiefbruder tat. Die kleine Stimme in seinem Inneren, die ihn einen Lügner nannte, ignorierte der Brünette. Ein Teil von ihm wusste zwar, dass er sich selbst belog und dass ihm Ryuuji keineswegs so gleichgültig war wie er tat, doch er war nicht bereit, das auch nur vor sich selbst wirklich zuzugeben.
 

Eine weitere halbe Stunde fruchtlosen Wartens später hatte Seto genug. "Wir fahren", instruierte er Isono und holte noch schnell seinen Mantel, ehe er in die bereits vorgefahrene Limousine stieg. Sollte sein Stiefbruder doch zusehen, wie er zu Mokubas Schule kam. Er war doch nicht Ryuujis Hampelmann, verdammt noch mal! Wenn der Schwarzhaarige meinte, nicht pünktlich auftauchen zu müssen, dann hatte er eben Pech. Sollte er doch laufen! Und wehe, er hatte für Mokuba keine verdammt gute Erklärung, warum er zu spät oder gar nicht erschien!
 

Wenn er auch nur ein einziges Wort über gestern Abend verliert oder versucht, mir die Schuld zu geben, dann werde ich …, grollte Seto innerlich, doch das Halten des Wagens unterbrach seine Gedanken. Sobald Isono ihm die Tür geöffnet hatte, stieg er aus und gesellte sich zu Yami, nachdem er die vollständig versammelte Familie Muto und den ebenfalls bereits anwesenden Kinoshita Satoru, Ryous Vater, kurz begrüßt hatte. Gemeinsam mit ihnen wartete er auf die Ankunft seines jüngeren Bruders, musste sich dabei jedoch immer wieder zwingen, sich nicht umzusehen um sich zu vergewissern, ob Ryuuji vielleicht doch noch auftauchen würde.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Fieser Cliffi, ich weiß. Das nächste Kapitel ist auch schon fertig. Und ich lasse mich durchaus überreden, es mehr oder weniger bald hochzuladen.
*hinthinthint*
;)

Man liest sich!

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Soichiro
2016-08-31T10:36:39+00:00 31.08.2016 12:36
Hey ^-^

Himmel...wie konnte ich nur diese FF übersehen? OO
Könnte mich wirklich darüber ärgern, dass ich sie jetzt erst entdeckt habe! Aber besser spät als nie xD

Ich finde die Idee der Story einfach super klasse :D
Und wie so oft hast auch in dieser Story einige überraschende Wendungen eingebracht :D
Und ich kann mich echt nicht entscheiden wer in dieser Geschichte mein Liebling ist. Sie sind alle einfach richtig, richtig toll!
Seto mal unsicher zu erleben und zu lesen, dass er tatsächlich die Hilfe seines besten Freundes braucht um sich selbst zu verstehen, ließ mich wirklich schmunzeln!
Und Katsuya und Bakura sind auch einfach ein geniales Paar :)

Und zu diesem letzten Kap:
Also Ryou hat mich gerade wirklich überrascht! Aber eigentlich ist es auch kein Wunder, wenn ihm mal der Kragen platzt...der arme Kerl hat es nun wirklich nicht leicht!
Dass Katsuya bei Ryuujis Geständnis so geschockt war, kann ich verstehen. Aber so hat Ryuuji endlich mal jemand zum reden!

Bin wirklich gespannt wie es weitergeht :D
Antwort von: Karma
01.09.2016 11:25
Hallo!

Freut mich, dass es dich hierher verschlagen hat. Und besonders freut es mich, dass dir die Story gefällt. Ich habe an der ganzen Sache auch eine Menge Spaß, auch wenn ich leider zwischendurch immer mal wieder die eine oder andere Blockade hatte. Im Großen und Ganzen weiß ich auch schon, wie's weitergeht, aber ich komme aktuell leider nicht zum Schreiben. Ungefähr ein halbes Kapitel habe ich schon, der Rest ... lässt mal wieder auf sich warten. Aber vielleicht hab ich ja Glück und vor allem demnächst etwas mehr Zeit und Luft zum Schreiben.
:)


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