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Im Fluss der Zeit

von

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Orientierung

Bereits eine ganze Weile stapfte ich den Pfad entlang, der über der Steppe verlief. Mittlerweile prangten schon für längere Zeit die Sterne am Firmament. Die Außenluft war deutlich herabgekühlt, sodass ich meinen Atem sehen konnte. Ich war erschöpft und müde, hatte Kopfschmerzen vom vielen Weinen, schmerzende Füße und steife Glieder aufgrund der unnatürlichen Position meiner gefesselten Arme, die ich schon seit Stunden ertragen musste. Noch immer war mein Gesicht ein wenig geschwollen, viel schlimmer waren aber die getrockneten Tränen und das Nasensekret, die mein Gesicht benetzten. Ich fühlte mich so ekelhaft. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so ausgeheult. Ich wusste, dass ich sensibel war und den Tränen häufig gefährlich nahekam, aber ich war mittlerweile geübt darin diese zurückzuhalten. Aber das… war einfach zu viel. Und mein Magen meldete sich auch immer häufiger.

 

Ich bemühte mich darum immer geradeaus zu gehen, bei Weggabelungen tendierte ich dazu den linken Weg einzuschlagen. Bis auf weitere Bäume und ein paar Tieren wie Rehen und Hasen, hatte ich nichts neues entdeckt. Es war die reinste Einöde! Und ich war alleine, bloß meine Gedanken begleiteten mich. Gedanken an das, was mir wiederfahren war. Die Erkenntnisse von Manori, die ich leider hatte machen müssen, nagten heftig an mir. Ich fragte mich immer wieder, wieso ich es nicht hatte erkennen können. Er war immer so eine nette, liebenswerte und aufgeschlossene Person gewesen. Immer wieder war ich im Kopf durchgegangen, ob es irgendwann ein Zeichen gegeben hatte, irgendein Signal, das mich hätte vorwarnen können. Doch bis auf die letzten paar Tage, in denen er nahezu besessen von dem Tempel schien und häufig irrational handelte, war alles in Ordnung gewesen. Und zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihm bereits vertraut, ihn als Freund betrachtet. Nie wäre mir in den Sinn gekommen, er könne unlautere Absichten haben.

Auch die furchtbare Angst um Lakus Wohlergehen machte mir zu Schaffen. Ich betete zu den drei großen Göttinnen und zu Hylia, dass die Yiga ihm keinen Schaden zufügten. Oder ihn gar schon umgebracht hatten, woran ich überhaupt nicht denken wollte. Der junge Orni hatte das einfach nicht verdient. Als Leiterin der Ausgrabung war ich für ihn während seines Praktikums verantwortlich. Obwohl ich wusste, dass ich den Yiga nichts entgegen hätte setzen können, so fühlte ich mich dennoch schuldig Lakus nicht geholfen zu haben. Irgendetwas hätte ich doch tun müssen…!

 

Bald versuchte ich mit aller Macht sämtliche dieser Gedanken zu vermeiden. Momentan hatte ich andere Sorgen, um die ich mich kümmern musste. Forsch zwang ich mich dazu nach vorne zu blicken und immer weiter zu gehen. Irgendwann musste doch ein Dorf oder eine Stadt auftauchen, wo man mir bestimmt helfen würde. Ganz bestimmt.

 

Ich traute meinen Augen nicht ganz, als ich sah, wie ein Mann in einiger Entfernung zu mir mit von sich gestreckten Beinen auf dem Boden saß, mit den Händen stützte er sich ab. Er schien nichts anderes zu tun, als gedankenlos in den Himmel zu starren. Was machte er hier im Dunkeln, ganz alleine?

Verwundert ging ich auf ihn zu. Ihn schien mein vorsichtiges Näherkommen nicht weiter zu irritieren. Gemütlich blickte er zu mir auf, als er meine Anwesenheit bemerkte.

„Oh, eine schöne Nacht wünsche ich“, begrüßte er mich herzlichst.

Irritiert über diese Reaktion stammelte ich: „Ähm, ebenfalls…“

Er lachte ein wenig und wandte seinen Blick wieder den Sternen zu. Verträumt sagte er: „Ich bin wohl nicht der einzige, der den nächtlichen Frieden wertschätzt. Nach einem harten Tag wünsche ich mir nichts sehnlicher, als auf den Wiesen zu entspannen und das Funkeln der Sterne zu betrachten. Heute sind sie besonders schön, findest du nicht auch?“

Ich folgte seinem Blick und konnte bloß zustimmen. Die Sterne schienen sich heute besonders viel Mühe beim Strahlen zu geben. Ich sagte: „Ja, du hast Recht. Aber, ähm, um ehrlich zu sein bin ich nicht ganz freiwillig in der Nacht unterwegs.“

„Ach nein?“, fragte er und blickte wieder zu mir auf. „Wie das?“

Wie sollte ich das nur erklären? Ein bisschen überfordert sagte ich: „Das ist… naja, sagen wir… eine lange Geschichte. Jetzt habe ich mich wohl oder übel verlaufen. Und mir sind ein wenig die Hände gebunden…“

Demonstrativ drehte ich mich leicht zu Seite, um dem Fremden die Möglichkeit zu geben die Fesseln auf meinem Rücken zu sehen.

Er machte große Augen und sagte: „Die Hände gebunden, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.“

Der Mann räusperte sich ein wenig verlegen, ehe er fortfuhr: „Mich geht das ja nichts an, deshalb frage ich nicht weiter. Aber kann ich dir dabei helfen, die Fesseln zu entfernen?“

Oh Hylia, dachte ich verzweifelt. Ich wollte gar nicht wissen, was für Szenarien er sich gerade ausmalte, die zu meinem derzeitigen Zustand geführt haben könnten.

Ich sagte: „Ja, bitte, das wäre zu freundlich!“

„Na dann“, meinte er und stellte sich rasch auf. „Dann lass mich mal sehen.“

 

Seine kalten Finger berührten meine Arme, als er sich an dem Seil zu schaffen machte. Er zog ein wenig daran, in alle Richtungen.

Bald sagte er: „Dieser Knoten ist verflixt gut, das könnte glaube ich ein Weilchen dauern. Hätte ich doch nur ein Messer dabei…“

„Ist schon in Ordnung, lass dir Zeit“, meinte ich. Mehr als hoffen, dass er mit dem Knoten fertig werden würde konnte ich ja nicht.

 

Es dauerte einige Minuten, in denen der Mann hinter mir an den Fesseln herumhantierte. Währenddessen redeten wir nicht viel. Ich wollte ihn nicht stören und mir fiel auch kein geeignetes Gesprächsthema ein. Schließlich spürte ich, wie das Seil an meinen Händen herunterglitt und zu Boden fiel. Erleichtert stieß ich Luft aus. Sofort reckte und streckte ich meine steifen Arme. Es schmerzte ein wenig, aber das würde sich mit der Zeit schon wieder geben.

 

„Vielen Dank“, sagte ich zu meinem Retter. „Ich wünschte, ich könnte mich dir irgendwie erkenntlich zeigen, aber ich habe leider nichts bei mir.“

Er winkte ab und sagte: „Kein Problem, habe ich doch gerne gemacht. Du musst mir dafür nichts geben, war doch Ehrensache.“

Ich lächelte dankbar. Dass ich ihm begegnet war, war definitiv das Beste, was mir an dem Tag passiert war.

 

Bevor ich mich von ihm verabschiedete, fragte ich ihn noch: „Kannst du mir sagen, ob in der Nähe ein Dorf oder eine Stadt ist?“

Er verschränkte die Arme und überlegte. „Naja“, setzte er an, „Hyrule-Stadt ist in der Nähe, aber die Zugbrücke ist nachts hochgezogen, da kommst du nicht rein.“

„Zugbrücke?“, fragte ich verwirrt. „Du redest von der Hauptstadt, oder?“

Er nickte. „Ja, die Burgstadt natürlich. Was denn sonst?“

„Keine Ahnung“, antwortete ich vorsichtig. „Aber seit wann hat die Stadt denn eine Zugbrücke?“

„So lange ich denken kann. Vielleicht schon immer vermute ich.“

 

Ich fühlte mich komplett verloren. Wovon redete er da eigentlich? Aber ich beschloss, dass das Gespräch zu nichts führte, daher sagte ich: „Also gut, die Stadt kommt für mich dann nicht in Frage…“

„Ja“, sagte er. „Abgesehen davon… Kakariko ist nochmal weiter weg, da wärst du ein gutes Stück unterwegs. Heute Nacht kommst du da nicht mehr an. Aber du könntest versuchen, Unterschlupf in der Lon Lon Farm zu suchen. Mir haben sie schon oft unter die Arme gegriffen, als ich während meiner Laufeinheiten beispielsweise vom Regen überrascht wurde. Das sind wirklich nette Leute, kannst du mir glauben.“

Von diesen Neuigkeiten war ich maßlos enttäuscht. In Kakariko hatte ich Verwandte, die mir bestimmt geholfen hätten, aber wenn es so weit weg war…

„Eine Farm, gut“, sagte ich. „Wie komme ich da hin?“

„Einfach dem Weg geradeaus folgen und bei der nächsten Gabelung hältst du dich rechts. Irgendwann wirst du sie sehen. Du brauchst vielleicht eine halbe Stunde, bis du dort bist.“

„Alles klar“, sagte ich. „Vielen Dank für die Hilfe. Dann verabschiede ich mich und hoffe, dass ich diese Farm finde.“ Ich lachte verhalten, er tat es mir gleich.

„Keine Sorge“, sagte er. „Das ist nicht schwer zu finden. Vielleicht sieht man sich irgendwann nochmal.“

 

Ich fragte mich kurz, wo er die Nacht verbrachte, wenn es denn offenbar keine befestigte Siedlung in der Nähe gab. Recht bald verwarf ich etwaige Überlegungen allerdings wieder. Er war ein Fremder, der nicht wirkte, als sei ein fehlender Schlafplatz ein Problem. Stattdessen folgte ich seiner Wegbeschreibung und genoss unterdessen im Stillen die wiedergewonnene Bewegungsfreiheit. Sollte ich nun ein Abendessen erhalten und Wasser, um mein Gesicht zu waschen, wäre ich erstmal rundum zufrieden. Schlafen konnte ich im absoluten Notfall auch unter freiem Himmel, es wäre nicht das erste Mal.



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