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Cursed

von

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Der Feind meines Feindes

„Aber Mutter, wir müssen doch -“

„Sei still! Wir müssen gar nichts. Du kannst froh sein, dass dein Versagen nicht auf unsere Familie zurückfällt. Mara war für den Zirkel so wie so untauglich und wenn Großmeister Griefs es für eine angemessene Strafe hält, dann müssen wir das so hinnehmen.

Mir gefällt das auch nicht, aber wir haben keine Wahl. Der Zirkel steht über der Familie, das weißt du. Und Der Großmeister ist der Kopf des Zirkels. Selbst wenn ich es versuchen würde, hätte ich keinerlei Handhabe gegen ihn.

Wir können Mara nicht mehr helfen.“ In den Augen ihrer Mutter konnte Sierra die Hilflosigkeit und Wut erkennen, jedoch hielt sie sie professionell unter Verschluss. Ihr war das Schicksal ihrer jüngsten Tochter nicht gleich, aber sich von ihren Gefühlen übermannen zu lassen, würde niemandem etwas bringen. Also blieb sie kalt, hart und duldsam wie ein Felsen und hoffte, dass ihre ältere Tochter sich ein Beispiel an ihr nehmen würde.

Doch Sierra hatte andere Pläne. Ohnmacht und Hilflosigkeit verwandelten sich bei ihr stets in Wut und Rage. Rache war ihr als Gefühl wohl vertraut. Sie war die Basis vieler ihrer Zauber gewesen und der Antrieb hinter vielen ihrer Taten.

Wenn ihr Zirkel und ihre Mutter ihr nicht beistehen, dann würde sie sich eben anderswo Hilfe holen. Sie war stolz, das war sie schon immer gewesen, aber für Mara würde sie jeden Stolz und jedes bisschen Würde über Bord werfen. Um ihre kleine Schwester zurück zu bekommen, würde sie alles tun – ausnahmslos alles.
 

Ein unangenehmer Schauer durchlief Sophies Körper und ließ sie unwillkürlich zusammenfahren.

„Alles okay?“ Lukas sah sie besorgt an und auch Aidens und Reels Augen lagen sofort auf ihr. Die vier hatten sich in Aidens Zimmer versammelt und wälzten die Bücher und Schriftstücke aus Maras Besitz auf der Suche nach etwas über Wiederauferstehungen und Seelenfragmente.

Sophie war sich zwar schlecht dabei vorgekommen, sie einfach ungefragt aus ihrem Zimmer zu entwenden, aber Mara war nirgends zu finden gewesen, also hatte sie sie nicht fragen können.

„Ist sie es?“, fragte Reel mit einer unguten Vorahnung und musterte Sophies konzentriertes Gesicht.

„Ich glaube schon, aber irgendwie fühlt sich ihre Aura verändert an. Und sie verbirgt sie auch nicht so wie sonst. Irgendwas stimmt nicht.“ Lukas beobachtete mit zusammengebissenen Zähnen, wie Aiden reflexartig in seinen Nachtschrank griff und sich das Holster samt Dolch anlegte.

Er hasste Reel dafür, dass er Aiden zwang, eine Waffe zu tragen. Und er hasste Aiden dafür, dass er dem so selbstverständlich Folge leistete. Aber diskutieren war bei dem Dämon leider keine Option, also schluckte Lukas seinen Widerwillen runter und stand mit Sophie zusammen vom Boden auf.

„Sie kommt her“, stelle sie überrascht fest und sah ratlos zu Reel, dessen unruhiger Schatten und angespannter Körper seine Aggression preisgaben, auch ohne dass sie seine Aura bewerten musste.
 

Unaufgefordert wurde die Zimmertür geöffnet und zur allgemeinen Überraschung betrat nicht wie erwartet Sierra, sondern Mara den Raum.

Eilig schloss sie die Tür hinter sich, um ihre Zusammenkunft vor neugierigen Blicken zu schützen. Bevor jemand etwas sagen oder Reel auf sie losgehen konnte, ließ Sierra ihren Masken-Zauber fallen und enthüllte ihre wahre Identität. Sie hatte die Maske nur getragen, um sich ungestört im Internat bewegen und Sophie suchen zu können.

Sie wollte zuerst die beste Freundin ihrer kleinen Schwester auf ihre Seite ziehen, aber leider hing Sophie mit Lukas, Aiden und dessen vermaledeitem Fluch zusammen und Sierra hatte keine Zeit zu verlieren.

Reels unterschwelliges Kurren erfüllte sofort den Raum und Aiden hielt ihn entschieden am Arm zurück, damit sein Dämon nicht von seiner Rachsucht übermannt wurde.

„Ich habe einen schrecklichen Fehler begangen“, platze Sierra plötzlich hervor und sank weinend auf die Knie. Völlig perplex schauten die Vier sie an. Aiden wollte einen zögerlichen Schritt auf sie zu machen, doch Reel schob ihn bestimmend hinter sich. Er würde kein unnötiges Risiko eingehen und Aiden nicht näher als nötig an diese mörderische Hexe heranlassen.

Also war es Sophie, die als Erste einen Schritt auf Sierra zu wagte. Immerhin waren die beiden Mädchen lange Zeit Freundinnen gewesen und Mara konnte ihre Aura deutlich spüren.

„Was ist passiert? Was hast du getan?“ Sierra brauchte eine Weile, um Worte zu formen. Reels Hass war fast zum Greifen, Aiden hatte eine Hand um den Griff seines Dolches gelegt und Sierra wurde von Schuldgefühlen und Scham gelähmt.

Sie war selbst ein wenig überrascht, wie wenig sie für diese Szene schauspielern musste. Andererseits ging es hier um Mara. Ihre kleine, unschuldige Mara, also verzieh sie sich selbst ihren viel zu echten Gefühlsausbruch vor Anderen und brachte schließlich brachte die verhängnisvolle Neuigkeit heraus.
 

„Wir haben unseren Großmeister erweckt und er hat Besitz von Maras Körper ergriffen. Er wird ihn ruinieren und zerstören, bevor er auf einen anderen wechseln kann. Er hat mit mir gesprochen und... und... Für ihn und den Zirkel hat sie keinen Wert, also wird mir niemand helfen, ihn aus ihrem Körper zu holen.“

„Und warum sollten wir dir helfen?“ Reels Stimme war beunruhigend gefasst. Aiden wusste, dass es immer ein schlechtes Zeichen war, wenn Reels Wut kalt statt heiß loderte. Sein Dämon stand entweder kurz davor, von seiner dämonischen Rachsucht übermannt zu werden, oder war von der Neuigkeit über Griefs Erwachen momentan so überfordert, dass er sie noch nicht recht verarbeitet hatte.

Beides war gefährlich, also verstärkte Aiden seinen Griff um Reels Arm, nahm seine andere Hand verborgen vor Sierras Blick von seinem Dolch und legte sie stattdessen beruhigend auf Reels Rücken.

„Weil zumindest einigen von euch Mara nicht egal ist“, antwortete Sierra, aber Reel verzog keine Miene. Ihm bedeutete das Mädchen nichts, also gab es für ihn keinen Grund ihr auch nur zuzuhören.

Andererseits ging es hierbei auch um Griefs. Und allein dieser Umstand machte die Sache für ihn schon wieder relevant. „Ich hab ihn so bewundert, aber Meister Griefs ist ganz anders, als ich immer gedacht hatte, und -“ Reels bitteres Lachen unterbrach ihren eh schon stockenden Redefluss und ließ alle Anwesenden erschrocken zusammenfahren. Keine Freude lag darin und selbst in Aidens Ohren klang dieses Lachen irgendwie falsch und fremd.

„Wie naiv bist du eigentlich? Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass Griefs etwas für die Nachwelt festhalten würde, was ihn in ein schlechtes Licht rückt?

Natürlich würde er nicht aufschreiben lassen, dass er ein pädophiles, selbstgefälliges, berechnendes, machtbesessenes und verlogenes Drecksschwein ist.

Jemandem blind folgen und sogar von den Toten zurückholen, den man überhaupt nicht kennt – das ist schon keine Naivität mehr, sondern pure Dummheit.“ Sierra sah den Dämon völlig fassungslos an. Der Hass in den roten Augen schien sie verschlingen zu wollen und für einen kurzen Moment fürchtete sie tatsächlich um ihr Leben.

Doch ihre mühsam antrainierte rationale Denkweise rief ihr wieder ins Gedächtnis, dass ihr fehlerhaftes Werkzeug sie nicht einmal berühren geschweige denn verletzen oder töten konnte. Aber auf sie einreden konnte er leider ganz problemlos. „Geschieht dir ganz recht.

Eigentlich hätte Griefs dir noch viel mehr wegnehmen müssen. Es ist fast schon lustig. Ich kann dich nicht anrühren, aber nun wirst du von deinem eigenen Idol bestraft.

Das ist besser als alles, was ich dir hätte antun können.“ Reels freudloses Lachen drang nicht nur Sierra in Mark und Bein. Sophie schlang schützend die Arme um ihren Körper und versuchte verzweifelt Reels rachsüchtige Aura auszusperren, Lukas kämpfte gegen seinen Fluchtinstinkt und Aiden wusste immer noch nicht, ob er eingreifen sollte.

In gewisser Weise stimmte er Reel zu. Sierra hatte mehrfach versucht ihn zu töten und hatte sowohl ihm als auch Reel Schmerzen zugefügt. Ganz unwillkürlich wanderte seine Hand an seine Kehle, wo er plötzlich wieder das Echo von Sierras Zauber spürte, der ihn in der Seitengasse fast zu Tode gewürgt hatte.

Nein, er würde Sierra jetzt nicht zur Hilfe eilen. Sollte Reel ruhig noch ein wenig seine Spielchen mit ihr treiben. Schließlich konnte er sie ja eh nicht anrühren.

Sierra hielt sich inzwischen die Ohren zu in dem verzweifelten Versuch, Reels niederschmetterndes Gelächter und seine Ausführungen darüber, was der alte Magier dem unschuldigen Mädchenkörper antun würde, auszusperren.

„Griefs wird das Mädchen niemals zurückgeben, darauf kannst du dich verlassen!

Oh bei Valefar. Allein der Gedanke – Lord Griefs im Körper einer kleinen Schülerin. Das ist gleichzeitig widerlich und absolut lächerlich.

Das Mädchen ist verloren. Sie kann wirklich von Glück reden, dass sie all das nicht mehr mitbekommt.“ Reel steigerte sich in seine eigenen Worte hinein. Sein Hass, die Neuigkeit über die Wiederauferstehung Griefs' und seine eigene Machtlosigkeit gegenüber seiner Beschwörerin lähmten seinen Verstand und überforderten ihn emotional. Zeigen würde er seinen momentanen extrem fragilen Zustand allerdings nicht – nicht solange die Hexe anwesend war.

Also übergab er seiner dämonischen Seite das Steuer und übertünchte jedes Gefühl mit psychischer Folter an Sierra.
 

„Reel, bitte!“, unterbrach ihn völlig unvermittelt Sophies verzweifelte Stimme. „Deine Aura tut mir weh und das ist immer noch Mara, von der du hier sprichst. Sie ist meine beste Freundin, also rede bitte nicht so von ihr.“

Erst jetzt fiel Aiden auf, dass auch Sophie weinte und ähnlich am Boden zerstört war wie Sierra. Und erst jetzt wurde ihm der Grund so recht bewusst. Mara. Es ging hier um Mara und nicht um Sierra. Mara, in die er so lange verschossen gewesen war und mit der er auf dem Schulball getanzt hatte. Seine Mitschülerin und Projektpartnerin Mara.

So langsam fraß sich die Erkenntnis durch Aidens Bewusstsein und ließ auch in ihm Sorge aufsteigen. Bei Reel war dieser Umstand allerdings noch nicht angekommen. Er gab sich vollkommen seinen dämonischen Spielen hin und setzte dem Ganzen noch die Kirsche auf. Er wollte Sierra leiden sehen und da er sie nicht anrühren konnte, musste er sie eben psychisch fertigmachen.

„Du kannst ins Präteritum wechseln. Sie war deine beste Freundin.“

„Was?“ Genussvoll ging er vor Sierra in die Hocke und brachte sein grinsendes Gesicht auf diese Weise ganz nah an ihres.

„Du hast deine kleine Schwester nicht nur verdammt, du hast sie umgebracht.“ Reel ließ seine Worte wirken und konnte Sierra dabei zusehen, wie sie zerbrach. „Du dachtest doch nicht wirklich das Griefs sich dazu herablässt, sich den Körper mit ihrer Seele zu teilen. Du hast es selbst gesagt, sie hat für ihn keinen Wert. Und selbst wenn er sie nicht hätte töten wollen, hätte er gar nicht die Wahl gehabt.

Ihr Hexen und Magier seht euch immer als überlegene Wesen, aber wenn man es mal genauer betrachtet, seid ihr uns Dämonen ähnlicher als den Menschen. Du kennst dich doch mit Meinesgleichen aus, das hast du schon mehrfach bewiesen. Also sag mir eins, wenn ein Dämon zweiter Art zum ersten Mal in den Körper eines Menschen ohne magische Begabung gebannt wird, was passiert dann?“

„Nein. Griefs ist kein Dämon, also gilt diese Faustregel nicht.“

„Und was genau macht dich da so sicher? Ich habe Jahre gebraucht, um zu lernen meine Opfer nicht unkontrolliert sondern gezielt zu verschlingen. Und Griefs wurde jetzt zum ersten Mal in einen bereits bewohnten Körper gesetzt.

Seine Macht wird dein kleines Schwesterherz einfach zerquetscht haben. Ihr Körper ist nur noch eine Hülle. Mehr nicht. Du hast sie getötet. Du hast deine kleine Schwester auf dem Gewissen.“
 

Hinter sich hörte Reel Aiden schluchzen und für einen Moment lang war er völlig verwirrt davon. Er hatte sich so sehr in sein Spiel mit Sierra vertieft, dass er komplett vergessen hatte, dass ja auch noch andere Leute in diesem Raum waren.

Überrascht stand er auf und drehte sich zu Aiden um, dem bereits vereinzelte Tränen über die Wangen rannen. Und endlich fiel auch bei Reel der Groschen und er ohrfeigte sich innerlich für jedes einzelne gesagte Wort.

„Sunshine. Verdammt, tut mir leid. Ich hab nicht... Ich... Verflucht!“ Besorgt kam er zu Aiden zurück und wischte ihm entschuldigend eine Träne von der Wange.

„Stimmt das? Ist Mara wirklich tot?“ Reel seufzte geschlagen. Der Anblick seines weinenden Sunshines hatte ihn ruckartig in die Wirklichkeit zurückgeholt und ihm seine eigentliche Priorität ins Gedächtnis zurückgerufen. Wenn er sich jetzt und hier von seiner emotionalen Lage übermannen ließ, konnte er nicht für Aiden dasein, also konzentrierte er sich seinen Sunshine, brachte sich selbst wieder unter Kontrolle und erklärte mit sanfter Stimme und so schonend wie möglich: „Ja, ich fürchte schon.

Ich kann es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber es würde mich doch stark wundern, wenn sie unter Griefs unkontrollierter Macht noch Raum zum Existieren hätte. Er hat sie vermutlich schon während des Rituals erdrückt. Ihre Glaskugel ist zerbrochen und im Gegensatz zu dir, hat sie keinen Dämon, der sie notdürftig zusammenhalten kann.“
 

Aidens Tränen flossen weiter und er ließ sich widerstandslos von Reel in den Arm nehmen und den Rücken streicheln.

Sophie weinte an Lukas' Schulter und Sierra hockte wie versteinert am Boden. Darum hatte ihre Mutter sofort aufgegeben und Sierra keine Hoffnung gemacht. Sie hatte es längst gewusst. Ihr war klar gewesen, dass Mara verloren war und sie sie nicht mehr retten konnte. Sie hatte gewusst, dass der Großmeister, dem sie folgte, ihre jüngste Tochter getötet hatte, und trotzdem blieb sie so verdammt professionell ruhig.

In dem Moment brannte Sierras letzte Sicherung durch. Sie stand so schnell vom Boden auf, dass ihr Kreislauf nicht hinterherkam und ihr schwindlig wurde. Nichts desto trotz verkündete sie mit fester Stimme und voller Überzeugung: „Ich werde ihn umbringen!“

Erschrocken sahen die drei Menschen zu ihr, nur Reel hatte wieder dieses ärgerverheißende Schmunzeln im Gesicht.

„Jetzt sprichst du meine Sprach, kleine Mörderin.“ Er würde es genießen ihr beim Untergehen zuzusehen. Sollten sich doch die zwei Menschen, die er momentan am meisten auf dieser Welt hasste, gegenseitig die Köpfe einschlagen. Wenn Griefs die dumme, kleine Hexe tötete, war Aiden endlich vor ihr sicher. Also sollte es ihm recht sein.
 

„Und ihr werdet mir dabei helfen!“, ergänzte Sierra und wischte Reels finstere Vorfreude von dessen Gesicht. Die Mitleidstour hatte sie nur bedingt weitergebracht, also wechselte sie jetzt Strategie. Sie würde sich ihren widerwilligen Dämon schon noch gefügig machen – wenn auch nur über Umwege – und sie würde ihn spüren lassen, dass er sie am längeren Hebel saß, vor allem jetzt, wo diese Bestie ihr so unter die Haut gegangen war.

Sie hatte sich von ihrer Trauer übermannen lassen und sich dadurch angreifbar gemacht. Diesen Fehler würde sie nicht wiederholen. Von jetzt an gab es nur noch kalte Berechnung und heiße Rachsucht für Sierra.

„Bist du eigentlich völlig lernresistent?“, schaltete sich Sophie nun wieder ein. „Dein letzter Versuch, jemanden umzubringen, hat uns genau hierher geführt. Rache ist keine Lösung, verdammt!“

„Das ist mir egal. Ich hab nichts mehr zu verlieren.“

„Ich schon! Und die Jungs auch – einschließlich Reel.“ Sophie sah den besagten Dämon streng an. Seine rachsüchtige Aura hatte stechende Kopfschmerzen und Übelkeit bei ihr verursacht und er hatte nicht aufgehört, als sie ihn darum gebeten hatte. Und besonders Letzteres nahm sie ihm übel.

Reel drückte indes Aiden ganz instinktiv an sich und sein Schatten wickelte sich um dessen Gliedmaßen, wie um ihn festzuhalten. Bis jetzt hatte Griefs ihn und Aiden vermutlich nicht auf dem Radar, also war sein Sunshine wohl sicher, solange sie sich nicht einmischten.

„Das ist keine Bitte, sondern eine Feststellung.“ Der Ton, der in Sierras Stimme mitschwang, machte ihre Worte noch abstoßender für Reel. Diese hexentypische Arroganz und das berechnende Lächeln verrieten Reel, dass die junge Hexe nicht ohne Plan hierher gekommen war. Er kaufte ihr die Trauer um ihre kleine Schwester ab, aber er inzwischen erfahren genug im Umgang mit Magie-Nutzern um zu wissen, dass sie immer ein Ass im Ärmel hatten und sich nicht auf das Mitleid oder die Almosen Anderer verließen.

Und auch Sierra untermauerte diese Einschätzung als sie weitersprach: „Du weißt ganz genau, dass es nichts gibt, was du tun könntest, um mich aufzuhalten, wenn ich Aiden hier und jetzt töten wollte.“ Im Bruchteil eines Wimpernschlags stand Reel vor Sierra und knurrte sie mit entblößten Reißzähnen drohend an, während sein Schatten Aidens Körper hinter ihm schützend umschlang.

Sierra sah ihm unverwandt in die lodernden Augen. Ihr war klar gewesen, dass sie ihren widerspenstigen Beschworenen nicht ohne Weiteres für ihre Zwecke würde gebrauchen können, also musste sie ihn eben zwingen. „Ich kann dich genauso wenig leiden, wie du mich.“

„Darauf würde ich nicht wetten. Wir Dämonen sind schließlich für unseren unmenschlichen Hass bekannt.“

„Dass du auch wirklich immer Wiederworte geben musst. Hör zu, es ist ganz einfach.

Wenn ihr mir nicht helft, dann töte ich Aiden.

Es gibt für mich jetzt keinen Grund mehr, mich an irgendwelche Regeln zu halten, und du kannst mich nicht mal berühren. Also werdet ihr tun, was ich von euch will, und mir helfen, Mara zu retten!

Danach seid ihr mich los. Versprochen.“ Reel wollte am liebsten explodieren, ihr an die Kehle springen und sie ihr mit bloßen Händen herausreißen. Doch leider hatte sie Recht. Gegen seine Beschwörerin konnte er beim besten Willen nichts ausrichten.

„Das Wort einer Hexe ist nichts wert!“

„Das muss ich mir nicht von einem Dämon sagen lassen.“

„Immerhin hab ich noch keinen meiner Geschwister umgebracht.“ Sierra sog scharf die Luft ein und kämpfte um ihre Fassung. Reel wollte bereits verbal nachsetzen, da ließ ihn eine sanfte Hand auf seinem Rücken verstummen.

„Schon gut, Reel. Ich befürchte, wir sind hier nicht in der Position, Streit zu verursachen.“ Aiden hatte erneut eine Hand an seiner Kehle und Reel wusste ganz genau, was es mit dieser Geste auf sich hatte. Sein Blut kochte, und wenn Aiden ihn nicht bei Sinne halten würde, wäre es inzwischen längst übergekocht.

Doch wenn er zu weit ging, würde erneut sein Liebster den Preis dafür zahlen müssen, also zog er sich sofort von Sierra zurück und schlang die Arme schützend um Aiden. Seine Augen lagen jedoch weiterhin wachsam auf der jungen Hexe, die nun überrascht das ungleiche Paar musterte.

Aidens Art, den Dämon zu bändigen, mochte für sie zwar völlig unverständlich und ekelerregend sein, aber ganz offensichtlich funktionierte sie ausgesprochen effektiv – fast schon ZU effektiv.
 

„Selbst wenn Aidens Leben nicht auf dem Spiel stünde“, fing Sophie mit einem enttäuschten Blick auf ihre ehemalige Freundin Sierra an, „Wir wissen ja durch Reels Geschichte, was für eine Art Mensch Griefs ist, und wenn ich ehrlich bin, macht es mir Angst zu wissen, dass er hier frei herumläuft.

Und dann auch noch im Körper meiner besten Freundin.“ Lukas nickte zustimmend, schien aber noch halb in seinen eigenen Gedanken versunken zu sein. Dieser ganze Magie-Kram überforderte ihn noch immer.

Reel hatte absolut kein Interesse daran, Sierra zu helfen, doch auch ihm missfiel der Gedanken, dass Greifs wieder auf Erden wandelte. Allerdings ging es hier vornehmlich um Aidens Leben und ohne dessen Zustimmung konnte und würde Reel nichts tun, also sah er nun auf den betreffenden braunen Haarschopf herunter, der sich noch immer an seine Brust presste.

„Sunshine?“

„Ich fürchte wir haben keine Wahl.“ Reel nickte knapp und sah erneut zu Sierra, die offensichtlich nicht damit gerechnet hatte, dass der Dämon sich so leichtfertig Aidens Willen beugen würde. Dass er innerlich am Rand eines Vulkans stand und jeden Moment erneut von Vernunft zu Rachsucht kippen konnte, schien ihr trotz ihres wachsamen Blicks und ihrem Wissen über Seinesgleichen allerdings zu entgehen.
 

„Hast du ihm eigentlich erzählt, wo du den Schlüssel herhast?“, erkundigte sich Reel bemüht beiläufig. Immerhin war es wichtig zu wissen, ob Griefs ihn auf dem Radar hatte.

Der Magier wusste schließlich nur, dass Reel und die Zwillinge ihm den Schlüssel damals gestohlen hatten, aber nicht dass Reel ihn im Moment seiner Verfluchung am Körper getragen und ihn auch als Dämon behalten hatte.

„Nein. Wieso? Er weiß ja wohl, dass sein Werkzeug ihn hatte.“ Tja, so viel zu Reels mühevoll bewahrter Selbstbeherrschung. Diese vermaledeite Hexe wagte es, hier einfach so hereinzuplatzen, Aiden zu bedrohen und sie zu erpressen, da ließ dieser Satz bei Reel den letzten Faden reißen.

Ähnlich wie in der Seitengasse der Innenstadt türmte sein Schatten sich nun bis zur Zimmerdecke auf und das Rot seiner Iris griff auf den Rest seiner Augen über.

Doch dieses mal war Aiden nicht bewegungsunfähig. Unnachgiebig klammerte er sich an Reels Taille fest und redete so lange bestimmend auf ihn ein, bis sein Dämon wieder halbwegs Herr seiner Sinne wurde.

„Ich bin nicht sein Werkzeug!“ Reel spuckte die Worte nahezu aus, während seine Augen vor unbändigem Hass brannten. Er war weder ein Werkzeug, noch gehörte er Griefs.

Wenn überhaupt dann war Aiden der Einzige, der von sich behaupten durfte, dass Reel ihm gehöre.

„Hast du eigentlich immer noch nicht gemerkt, dass es eine beschissene Idee ist, Reel zu provozieren?“ Aiden hielt seinen geliebten Dämon noch immer eng mit den Armen umschlungen und fuhr ihm mit den Fingern beruhigend über die Wirbelsäule. Griefs war ein emotionales Thema für ihn, also wollte Aiden sicherstellen, dass Reel sich nicht allein damit fühlte. Zumindest vor Sierras beleidigender Wortwahl wollte er seinen Dämon beschützen, immerhin war Aiden der Einzige hier, der ganz genau wusste, wie sehr Reel unter dieser ganzen Situation litt, auch wenn er es gegenüber Sierra, Sophie und Lukas nicht zeigte.

„Wieso hatte er den Schlüssel dann?“ Sierra ignorierte Aidens Einwurf, überspielte ihre Überraschung und ging im Kopf all ihre Theorien durch, die sie gehabt hatte, als ihr der Schlüssel um Reels Hals aufgefallen war. Doch all ihre Vermutungen hatten vorausgesetzt, dass dieser Umstand vom Großmeister so beabsichtigt gewesen war.

„Das geht dich gar nichts an. Sag mir lieber endlich, warum zur Hölle du mich so unbedingt umbringen willst“, schmetterte Aiden ihre Frage ab, noch bevor Reel den Mund öffnen konnte. Reels Vergangenheit ging Sierra absolut nichts an und würde ihn nur noch weiter emotional aufwühlen.

Außerdem wollte Aiden wirklich gern erfahren, was er denn in seinem Leben so schrecklich falsch gemacht hatte, dass er Sierras Hass und in ihren Augen sogar den Tod verdiente.

Während Reel unauffällig, kurz seinen Griff um Aiden verstärkte, um ihm für sein Einschreiten zu danken, schien Sierra erst mal ihren Geist neu ordnen zu müssen, um diese unerwartete Frage ordnungsgemäß beantworten zu können.

Sie rang eine kurze Weile mit sich, aber wenn sie ehrlich war, wollte sie, dass Aiden endlich erkannte, das er ein Mörder war und was er Sierra genommen hat.

Also seufzte sie einmal tief, ließ sich im Schneidersitz schwer zurück auf den Zimmerboden sinken und begann zu erzählen.



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